Protokoll der Sitzung vom 12.03.2015

Für uns hier …

Wir reden über ein Menschenrecht, wir reden über ein sehr sensibles Thema,

(Stefan Köster, NPD: Was Menschenrecht ist, entscheiden Sie, ne?!)

das ist nicht nach Ihrem Geschmack.

Nur 411 Menschen wurden durch Kirchenasyl geschützt. Aus diesem Grund ist die Kritik am Kirchenasyl scheinheilig und entbehrt jeder sachlichen Grundlage, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Stefan Köster, NPD: Das ist rechtswidriges Handeln, was die Kirchen machen.)

Kirchenasyl hilft in vielen Fällen, in denen Menschen begründete Angst haben, im Ersteinreisestaat unwürdig behandelt zu werden, auch in Fällen, in denen Kinder aus ihrem neuen Lebensumfeld gerissen werden oder in denen es Menschen trifft, die durch Folter und Misshandlungen in ihren Heimatländern schwer traumatisiert sind.

Sehr verehrte Damen und Herren, nun stellt sich folgende Frage zur Debatte über Kirchenasyl: Wie kann das EU-Asylsystem den menschenrechtlichen und flüchtlingsrechtlichen Aufgaben gerecht werden? Hier ist die Bundespolitik gefragt. Hier sollten sich die Präsidenten des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge sowie Bundesinnenminister Herr de Maizière dieser Debatte stellen, statt die Kirche zu kritisieren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die rassistische Bewegung von Pegida gegen Flüchtlinge und Muslime flaut ab. Das gibt uns allen Anlass, uns zu freuen und nicht neue Vorurteile gegen Flüchtlinge zu schaffen, wie der Bundesinnenminister Thomas de Maizière das tut.

(Michael Andrejewski, NPD: Der ist auch Rassist, oder?)

Es ist schlimm genug, wenn der Bundesinnenminister de Maizière Kirchenasyl mit der Scharia vergleicht. Solche billigen Äußerungen bedienen antimuslimische Ressentiments.

(Michael Andrejewski, NPD: Das war mal ein guter Ausspruch.)

Sehr verehrte Damen und Herren, meine Fraktion begrüßt das Kirchenasyl in unserem Land und sieht es als wichtige humanitäre Aufgabe für den Schutz des Menschenlebens. Meine Fraktion begrüßt auch die hier ehrenamtlich engagierten Bürgerinnen und Bürger für den Schutz von Menschen in Not. Durch ihr Engagement ver- hindern sie, dass Schutzbedürftige ohne genaue Einzelfallprüfung vorschnell abgeschoben werden. Deshalb soll- te die Landesregierung das Kirchenasyl respektieren. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Dr. Al-Sabty.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Müller für die Fraktion der NPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „In etlichen Kirchenasylen heute geht es – anders als noch vor zwei, drei Jahren – aber nicht mehr um den Einzelfall, sondern um eine abstrakte Infragestellung des Dublin-Verfahrens. Inzwischen gibt es regelrechte Checklisten, wie man am besten Kirchenasyle organisiert. Die Hälfte der evangelischen Kirchengemeinden in Bayern hat bereits Beschlüsse für Kirchenasyle gefasst, ohne eine konkrete Anfrage zu haben. Warum?“

Dieses Zitat stammt von keinem geringeren als dem Präsidenten des Bundesamtes für Migration und Flücht

linge Manfred Schmidt aus einem Interview mit MiGAZIN vom 16. Oktober 2014. Dort kritisiert dieser ausdrücklich die mittlerweile gängige Praxis der Kirchen im Land. Schmidt kommt unter anderem zu der Feststellung, dass es früher in den Kirchen ein Bewusstsein gab, dass das Kirchenasyl nur ein Instrument für besondere Fälle ist, in denen die Verwaltung gedrängt werden soll, sich den konkreten Einzelfall noch einmal genau anzuschauen. „Das ist in den letzten Jahren verloren gegangen“, so Schmidt. Weiter heißt es, dass das Kirchenasyl früher dazu da war, „weil es etwa eine Abschiebung in den Iran geben sollte. Heute geht es teilweise um eine Rückführung nach Österreich.“

Die Aussagen des Präsidenten des Bundesamtes für Mi- gration und Flüchtlinge unterstreichen den Missbrauch des Kirchenasyls. Nach aktuellem Stand vom 10. März 2015 gibt es derzeit 222 Kirchenasyle mit mindestens 411 Personen. Im Vergleich zum Januar bedeutet dies eine Steigerung von 13 Prozent. Die Steigerung seit Anfang 2014 beträgt sage und schreibe mehr als 500 Prozent.

Um Einzelfälle geht es hier schon lange nicht mehr. Im Gegenteil, zunehmend verhindern Kirchenasyle die Rücküberführung von Ausländern in jene EU-Mitgliedsstaaten, die laut Dublin-Verordnung für das jeweilige Asylverfahren zuständig sind. Es handelt sich bei 187 von 222 Kirchenasylen um sogenannte Dublin-Fälle. Diese umgehen damit vom Gesetz verlangte Überstellungen in das EU-Land, in dem sie zuerst europäischen Boden betreten beziehungsweise Asyl beantragt haben.

Geistliche hingegen bezeichnen das Kirchenasyl als letztes Mittel der Nothilfe. Wie weit diese Nothilfe und Nächstenliebe der Kirchen gehen wird, wird die Zukunft zeigen. Zurzeit müssen Kirchengemeinden sechs Monate Kirchenasyl gewähren. Nach dieser Dublin-Frist ist für das Asylverfahren nicht mehr ein anderes EU-Land mit dem sogenannten prekären Flüchtlingsschutz, sondern Deutschland zuständig.

(Michael Andrejewski, NPD: Rechtsvereitelung.)

Mit einer eventuellen Neubewertung des Kirchenasyls, in der Asylanten im Kirchenasyl als untergetaucht gelten würden, steigt diese Frist allerdings wieder auf 18 Monate.

Herr Abgeordneter Müller!

Dies würde...

Herr Abgeordneter Müller, jetzt unterbrechen Sie bitte Ihre Rede!

Ich habe beim Tagesordnungspunkt zuvor darauf aufmerksam gemacht, dass es sich um „Asylbewerber“ handelt und dass der Begriff „Asylant“ in diesem Zusammenhang nicht zu verwenden ist.

(Stefan Köster, NPD: Wer sagt das?)

Ich bitte Sie, das zu beachten.

Wo steht das?

(Stefan Köster, NPD: Wo steht das? Wo ist dieser Begriff verboten?)

Wir betrachten den Begriff in diesem Haus

(Stefan Köster, NPD: Sie betrachten das!)

als abwertend, als diskriminierend und ich diskutiere nicht mit Ihnen darüber, sondern ich habe Ihnen das mitgeteilt und ich bitte, das zu beachten.

(Stefan Köster, NPD: Wir leben aber nicht in einer Diktatur.)

Herr Köster, ich erteile Ihnen einen Ordnungsruf. Sie haben meine Entscheidungen hier oben weder zu kommentieren noch zu bewerten.

Für die Asyllobbyisten der GRÜNEN hingegen zeigt das Kirchenasyl in Dublin-Fällen Schutzlücken im europäischen Asylsystem auf. Dem setzen wir entgegen, das Kirchenasyl zeigt Lücken im europäischen Sicherheitssystem auf. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Friemann-Jennert für die Fraktion der CDU.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Einige Anträge der Bündnisgrünen in Mecklenburg-Vorpommern aktivieren –

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist kein Antrag, das ist eine Aussprache!)

Entschuldigung, Aussprachen –, aktivieren bei mir Erinnerungen, die nur Menschen diesseits der Elbe machen konnten. Ich erinnere mich noch an Zeiten, da gab es Order aus Berlin und in der Provinz hat man die Hacken zusammengeknallt.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Was meinst du damit?)

Auf die Neuzeit übertragen heißt das, Frau Göring-Eckardt streitet sich mit Thomas de Maizière in der Bundeshauptstadt und nachdem ihr die Luft ausgegangen ist, wird der Streit mal eben in die Provinz verlegt. Dazu gibt es zwar keinen aktuellen Grund, aber das hält die GRÜNEN nicht davon ab, einfach so zu tun, als gäbe es einen.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Dumm ist wirklich nur, dass sich zwischenzeitlich die Kirchen und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auf einen Kompromiss verständigt haben.

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das ist nicht dumm, darüber freuen wir uns.)

Ja, meine Damen und Herren von den Bündnisgrünen, anders lassen sich viele Ihrer Aktivitäten nicht erklären. Ich frage Sie ernsthaft: Welchen aktuellen oder sachlichen Grund hat die heutige Aussprache? Wollen wir hier tatsächlich die zwölf Fälle von Kirchenasyl diskutieren oder wollen wir die Arbeit der Härtefallkommission in Mecklenburg-Vorpommern bewerten, der übrigens auch

die Vertreter der Kirchen und der Flüchtlingsorganisationen angehören?

Etwas anderes bliebe uns nämlich nach dem Kompromiss vom 27. Februar nicht zu tun. Da einigten sich Kirchen und Bundesamt darauf, die Tradition des Kirchenasyls zunächst nicht infrage zu stellen. Zugleich erkennen die Kirchen an, dass das Kirchenasyl kein eigenständiges, neben dem Rechtsstaat stehendes Institut ist. Beide Seiten gehen davon aus, dass das Kirchenasyl nur in Einzelfällen als Ultima Ratio, als letzte Möglichkeit in Betracht kommt. Das entsprechende Überprüfungsverfahren wird zunächst bis Herbst erprobt, darüber hat der Innenminister bereits gesprochen.