Protokoll der Sitzung vom 22.04.2015

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Sie alle kennen das, bevor der Mindestlohn gekommen ist, haben wir viel davon gehört: Einige Funktionäre der Arbeitgeberverbände sind immer noch recht aggressiv unterwegs. Ich denke, viele der Kolleginnen und Kollegen hier im Saal haben beim Empfang der IHK zu Schwerin letzte Woche den Vizepräsidenten des Deutschen Industrie- und Handelskammertages erlebt.

(Jochen Schulte, SPD: Genießen dürfen.)

Dieses Gepolter, das will ich ganz deutlich sagen, das geht an den tatsächlichen Verhältnissen in den Betrieben und auch an der Einschätzung vor Ort einfach vorbei.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sehr richtig.)

Wir kennen das alle: Mancher Funktionär neigt dazu, „Interessenvertretung“ so zu definieren, dass er alles noch schwärzer sehen muss als sein kritischstes Mitglied. Das erweist sich aber häufig als Irrtum und entspricht gar nicht der Sichtweise und den Interessen der Unternehmer. Mein Eindruck ist, dass die meisten Unternehmen im Land sich längst erfolgreich auf den Mindestlohn eingestellt haben und verantwortungsbewusst mit den neuen Regelungen umgehen.

Dieser Eindruck wird übrigens untermauert – Sie haben eben schon etwas von Studien gehört, aber mich interessiert vor allem, wie sieht es im Land aus –, dieser Eindruck wird untermauert von den Ergebnissen einer Umfrage, die die IHK zu Rostock Ende Februar/Anfang März bei ihren Mitgliedsunternehmen auf Rügen durchgeführt hat. Mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin, will ich ein wenig daraus zitieren. Das ist eine sehr umfangreiche Befragung. Alle Unternehmen auf Rügen sind angeschrieben worden. Ich will auf ein paar der Ergebnisse, die auf der Seite 3 in der Übersicht dargestellt sind, ganz kurz eingehen. Da wird gesagt: „Für ein Viertel aller … Unternehmen stellt die Höhe des Mindestlohnes … eine große Belastung dar. Für die Hälfte der Antwortenden entsteht aus der … Höhe des Mindestlohnes … kein Problem.“

Wir wissen, dass bei uns im Land etwa 20 bis 25 Prozent der Menschen vom Mindestlohn profitieren, die bisher weniger bekommen haben als den Mindestlohn. Ich glaube, damit ist ziemlich klar, dass dieser Befund bestätigt wird, dass die Betriebe sagen, ja, ich habe Schwierigkeiten, wir müssen jetzt Mindestlohn zahlen. Das ist das, was wir wollen. Dann sagt jeder fünfte Gewerbebetrieb, der Mindestlohn führt zu einer Verschiebung im innerbetrieblichen Lohngefüge. Das haben wir gewollt.

Das ist die Spirale nach oben. Knapp die Hälfte der Unternehmen muss aufgrund des Mindestlohns Lohnerhöhungen vornehmen. Das heißt also, die 20 bis 25 Prozent, die bisher keinen Mindestlohn bekommen haben, verteilen sich auf die Hälfte der Unternehmen im Land. Jedes zweite Unternehmen ist betroffen. Auch das zeigt, wie dringend wir den Mindestlohn brauchen.

Einige rechnen mit gestiegenen Einkaufspreisen, mit einer zusätzlichen Gesamtkostenbelastung, viele wollen mit Preiserhöhungen reagieren. Das ist alles das, worauf wir setzen, dass nämlich die Stundenlöhne steigen, nicht nur bei denen, die jetzt endlich den Mindestlohn bekommen, auch bei denen darüber. Dann steigen die Preise und die Preise können sich die leisten, die höhere Löhne bekommen,

(Helmut Holter, DIE LINKE: Und der Hartz-IV-Empfänger?)

und dann geht die Spirale nach oben los. Das nennt man „Wohlstand“, meine Damen und Herren.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Und der Hartz-IV-Empfänger?)

Bisher liegen wir am absolut unteren Ende der Kette und da brauchen wir mehr.

Und wenn Sie, lieber Herr Renz,

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

mehr Geld im Portemonnaie hätten,

(Torsten Renz, CDU: Was?)

dann könnten Sie selbstverständlich auch Ihre Friseurin locker, locker besser bezahlen als bisher.

(Torsten Renz, CDU: 3 Euro im Monat, da gehe ich einmal mehr zum Friseur!)

Darum gehts.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Gib mal ein bisschen mehr Trinkgeld! – Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Also übrigens, meine Damen und Herren, sagen einige Unternehmen, die hier befragt werden, sie befürchten,

(Heiterkeit bei Torsten Renz, CDU: Das war Marktwirtschaft pur eben!)

sie befürchten, dass sie einige Leute nicht mehr beschäftigen können. Diese Befürchtung hat sich in den letzten Monaten als nicht realistisch erwiesen.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Die Unternehmen sagen selbst, na ja, bei den Auszubildenden ist wohl nicht zu befürchten, dass wir weniger Auszubildende einstellen. Ich glaube, an diesem Punkt wird deutlich, worum es am Ende wirklich geht.

Wir haben das niedrigste Lohnniveau von Deutschland. Wenn das so bleibt, wird es uns nicht gelingen, genug

Auszubildende hier im Land zu behalten, dann wird es uns nicht gelingen, die Stellen, die wir offen haben und die zusätzlich weiter offen sein werden, auch wirklich zu besetzen. Wenn wir wirklich vorankommen wollen, brauchen wir vernünftige Löhne, und dazu dient der Mindestlohn.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sehr richtig.)

Also, meine Damen und Herren, das Fazit ist: Sehen wir den Mindestlohn als das an, was er ist: eine große soziale Errungenschaft, eine Frage der Gerechtigkeit für den Einzelnen und gleichzeitig ein wichtiger Beitrag für die Wettbewerbsfähigkeit des Landes. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD)

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident.

Das Wort hat jetzt der Fraktionsvorsitzende der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herr Suhr.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin ja gespannt auf den Vortrag des Redners oder der Rednerin der CDU-Fraktion.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Ich auch.)

Ich hatte gehofft, ich kann nach Ihnen sprechen, weil ich hatte mir ganz bewusst noch mal heraussuchen lassen, was Sie am 12.03.2015 gesagt haben.

(Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Damals hatten wir aus Anlass eines Antrages der LINKEN eine Debatte zum Mindestlohn und Herr Renz sprach zu diesem Thema und sagte mit einem gewissen Stolz in der Stimme, Zitat: …

(Torsten Renz, CDU: Jetzt aber! – Helmut Holter, DIE LINKE: Jürgen, du nimmst das ja vorweg.)

Entschuldige, Helmut!

(Vincent Kokert, CDU: Sprecht doch künftig gemeinsam vorne!)

… „Insofern möchte ich doch einfach mal feststellen, dass der gesetzliche Mindestlohn eingeführt wurde unter Führung der Kanzlerschaft von Angela Merkel, CDU.“ Ende des Zitats.

(Vincent Kokert, CDU: Na bitte! – Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Die Assoziation, die damit verbunden war, zumindest bei mir, die Assoziation war, da steht ein Vorkämpfer des Mindestlohns an der Spitze der Bewegung,

(Vincent Kokert, CDU: Natürlich.)

und offensichtlich konnte sich die CDU endlich unter Kanzlerin Merkel durchsetzen und den gesetzlichen Mindestlohn einführen.

(Vincent Kokert, CDU: Hat ja unter Rot-Grün nicht geklappt. – Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Sehr geehrte Damen und Herren, die Wahrheit ist leider eine andere. Seit gerade mal 113 Tagen ist der Mindestlohn endlich auch in Deutschland eingeführt worden. Sie wissen, 22 Länder in Europa hatten ihn längst schon, und seit mindestens 113 Tagen fahren Teile von CDU und CSU eine Deregulierungs- und Anzweifelungskampagne gegen den Mindestlohn. Und das ist die Wahrheit, die wir derzeit erleben.

Die Wahrheit ist auch, im Land haben Sie deshalb dem Vergabegesetz zugestimmt mit dem Mindestlohn für öffentliche Aufträge – der Ministerpräsident ist gerade darauf eingegangen –, um sich quasi Regierungsbeteiligung zu erkaufen.

(Vincent Kokert, CDU: Zu erkaufen, mein Gott! – Zuruf von Torsten Renz, CDU)