Das Problem war die absolute Verjährung am 3. Okto- ber 2000. Die Ermittlungen wurden ab 1992 von der Zentralen Ermittlungsstelle Regierungs- und Vereinigungskriminalität, kurz ZERV, in Berlin geführt. Diese Polizeibehörde konnte zwar viel Beweismaterial sichern, aber sie gab die Ermittlungsverfahren erst in den Jahren 1999 und 2000 an die zuständige Schwerpunktstaatsanwaltschaft in Schwerin ab. Alle Straftaten im Zusammenhang mit Dopingmaßnahmen, wie zum Beispiel Körperverletzung im Amt, verjährten aber schon am 3. Oktober 2000. Für ordentliche Gerichtsverfahren kamen die Ermittlungsergebnisse also viel zu spät.
In zwei Fällen wurde immerhin ein Strafbefehl erlassen. Einige weitere Verfahren wurden aufgrund des Zeitdrucks gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt. Doch selbst diese Geldauflagen wurden nicht alle vollständig bezahlt. Ein ehemaliger Sportarzt bat zum Beispiel um Ratenzahlung. Er wartete dann mit der letzten Rate bis nach dem 3. Oktober 2000 und verweigerte schließlich die Zahlung. Dieser Arzt hatte nach Erkenntnissen der Ermittler Kinder und Jugendliche im Alter von 12 bis 18 Jahren gedopt und als IM der Staatssicherheit auch noch selbst über die Dopingpraxis berichtet.
Für die betroffenen Sportlerinnen und Sportler müssen die mageren Ergebnisse der juristischen Aufarbeitung ein Schlag ins Gesicht gewesen sein.
Sehr geehrte Damen und Herren, umso wichtiger ist es, dass wir die Dopingvergangenheit zumindest historisch aufarbeiten, denn viele Betroffene wissen bis heute nicht, was genau damals mit ihnen angestellt wurde, welche Mittel sie bekamen, wie hoch die Dosis war und wie lange sie verabreicht wurden. Aus den drei Nordbezirken sind zahlreiche erfolgreiche Sportlerinnen und Sportler gekommen. Viele Namen kennt man hier heute. Das Thema „Doping in der DDR“ ist aber praktisch ein blinder Fleck. Wir wissen einiges über das Dopingsystem an sich, aber wir wissen nur sehr wenig darüber, wie Doping und Zwangsdoping in den drei Nordbezirken der DDR organisiert wurde,
was also in den Sportvereinen, den Kinder- und Jugendsportschulen, den sportwissenschaftlichen Einrichtungen und der Sportmedizin hier im Norden wirklich passiert ist.
Selbstverständlich gab es in all diesen Institutionen mit Sicherheit Menschen, die nicht in das Dopingsystem involviert waren. Darum will ich auch noch einmal ganz klar sagen: Dieser Antrag formuliert keinen Generalverdacht, denn wir wollen eine faire, differenzierte und wissenschaftlich fundierte Aufarbeitung erreichen.
Wir als Bündnisgrüne meinen, das Land, aber auch die Vereine und Schulen müssen sich der eigenen Geschichte stellen. Man sollte als Traditionsverein nicht stolz auf
die sportlichen Erfolge der Vergangenheit verweisen, ohne zugleich an das Dopingsystem zu erinnern. Man kann nicht als Eliteschule des Sports, und jetzt zitiere ich, „auf 50-jährige Tradition pochen, ohne den Missbrauch junger Menschen für sportliche Welterfolge in der Zeit als Kinder- und Jugendsportschule kritisch aufzuarbeiten“. Hier brauchen wir auch einen Bewusstseinswandel. Totschweigen der Vergangenheit hat noch keiner Gesellschaft gutgetan.
Das Land kann seinen Beitrag dazu leisten und die Erforschung finanziell fördern. Quellenmaterial ist ausreichend vorhanden. Es gibt die Ermittlungsakten der Schwerpunktstaatsanwaltschaft, es ist von umfangreichen MfS-Akten dazu auszugehen, es gibt Zeitzeuginnen und Zeitzeugen. Wir wollen, dass es ab 2016 ein ordentlich ausgestattetes Forschungsprojekt gibt, und vor allem wollen wir, dass die Ergebnisse dann auch einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht werden. Darum soll neben einer Buchveröffentlichung dazu auch eine Wanderausstellung entstehen. Wir wollen, dass Lehrerinnen und Lehrer, insbesondere an den Sportschulen, nach zehn Jahren Pause zu diesem Thema wieder Fortbildungen erhalten. Und wir wollen, dass sich Landesregierung, Innenministerium und Bildungsministerium mit dem Landessportbund, mit den Traditionsvereinen, mit den ehemaligen Kinder- und Jugendsportschulen, dem sportwissenschaftlichen Institut der Uni Rostock, vielleicht auch mit dem Ärztebund und natürlich mit den Betroffenenverbänden zusammensetzen, um zu beraten, wie diese ganzen Institutionen selbst die Aufarbeitung ihrer Geschichte beginnen und verstärken können.
Der Antrag ist bewusst mit Augenmaß formuliert. Die Kosten sind überschaubar. Wir haben im Land mit der Landesbeauftragten für die Stasiunterlagen und dem Dokumentationszentrum für die Opfer der beiden deutschen Diktaturen an der Uni Rostock sehr gute Institutionen, an die eine Forschungsstelle angegliedert werden könnte. Ab 1. Januar 2016 soll es losgehen. Ich würde mich freuen, wenn Sie diese Aufarbeitung ermöglichen, und ich wünsche uns eine konstruktive Debatte. Ich habe nachher noch mal die Gelegenheit, zu dem Thema zu sprechen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Wir hatten schon mehrfach Gelegenheit, darüber zu sprechen, und ich glaube, im Namen doch zumindest der meisten Abgeordneten sprechen zu dürfen, dass das eine sehr engagierte Rede war, deren sachlicher Hintergrund sicherlich nicht zu bestreiten ist. Allein was mich ein bisschen nachdenklich macht, ist die Frage, warum – wenn Ihr Befund richtig sein sollte, dass die regionale Erforschung des Dopings im Sport der DDR bisher nicht erfolgt sei – dies denn der Fall ist, angesichts der Tatsa
che, dass wir trotzdem zwei universitäre Institute der Geschichtswissenschaft haben, ein sportwissenschaftliches Institut an der Universität Rostock, wir hatten auch mal eines an der Universität Greifswald. Insofern ist vielleicht auch ein bisschen die Frage, was genau denn erforscht werden muss, was noch nicht bekannt ist und wozu das Ganze dienen soll. Sie haben in Ihrer Rede deutlich gemacht, worum es Ihnen auch geht. Es geht nicht nur um Erkenntnisse, sondern es ist ein Stück weit Wiedergutmachung. Ich finde das mit Blick auf unser Schulsystem nicht ganz unproblematisch. Das möchte ich ausdrücklich sagen. Das ist das eine.
Jugendliche gerade in den Sportschulen mit der Problematik des Dopings in der DDR zu konfrontieren – wobei ich mir die Bemerkung erlaube, dass auch in Westdeutschland das Doping nicht ganz unbekannt war –, …
Was wir, glaube ich, nicht machen sollten, ist, unsere Schülerinnen und Schüler quasi in einen Erinnerungsprozess einzubeziehen, wo sie die Rolle derjenigen übernehmen, das gutzumachen, was aus Ihrer Sicht nicht erfolgreich geglückt ist, nämlich eine strafrechtliche Ahndung. Das können die nicht wiedergutmachen.
Insofern ist das eine, glaube ich, sensible Angelegenheit und ich persönlich bin nicht ganz überzeugt davon, dass der Weg, den Sie vorschlagen, der richtige ist, um sich der Frage zu widmen, weil ich finde, die Frage, die Sie hier stellen, oder das Thema, das Sie hier aufwerfen, muss man ernst nehmen. Deshalb würde ich, so Sie erlauben, Ihnen folgendes Angebot unterbreiten:
Ich glaube, man kann das Ganze auch anders machen und vielleicht nicht einmal schlechter. Ich würde mich, wenn Sie damit einverstanden sind, einfach mal an die zuständigen Lehrstuhlinhaber – Sie haben ja einige angesprochen – wenden, dieses Ansinnen von einzelnen Vertretern des Landtages an sie herantragen und mit der Frage verbinden, ob es nicht lohnend sein könnte, an den Universitäten, denn dort gibt es bereits Forschungskapazitäten und Mitarbeiter, auch dieses Thema zu verfolgen, zumal sich an der Forschungs- und Dokumentationsstelle an der Universität Rostock im Moment ein Forschungsprojekt in Bearbeitung befindet mit dem Titel „Leistungssport der DDR in Zeitzeugenberichten“.
Es ist also so, dass die Dokumentationsstelle sich mit dem Thema „Sport in der DDR“ bereits auseinandersetzt und insofern eine Ergänzung denkbar wäre. Wir haben im Universitätsbereich dafür ein ganz einfaches Instrument, das ist die Promotion.
Genauso könnte ich mir vorstellen, dass man im Rahmen von Seminarveranstaltungen von Lehramtsstudierenden eine didaktische Aufbereitung vornimmt. Das wäre ein lohnendes Projekt.
Ich glaube am Ende nicht, dass man dafür zusätzliche Mittel braucht, was die Erforschung angeht und die mögliche Verankerung in Schulen. Aber ich würde auch Fol
gendes sagen, Frau Gajek: Wir haben eine Landesgraduiertenförderung. Wir können im Zweifel also auch Stipendien vergeben für eine solche Promotion und können das entsprechend untersetzen. Deswegen wäre mein Vorschlag, dass wir dieses Gespräch einfach suchen mit den Fachwissenschaftlern und noch mal der Frage nachgehen, was genau denn aus Sicht der Forscher von besonderem Interesse sein könnte.
Wir haben eine mit dem Doppelhaushalt oder mit den bestehenden Haushalten vernünftig ausgestattete Landesgraduiertenförderung, weil sie durch steigende Landesmittel wieder ersetzt wurde.
Und ich sage Ihnen Folgendes: Wenn es dazu nötig sein sollte, aus weiteren Mitteln ein weiteres Stipendium zu finanzieren, bin ich sehr gerne dazu bereit.
Sehr geehrte Frau Gajek, das wäre mein Vorschlag, dass wir auf so einem alternativen Weg eine Lösung dafür finden, in den bestehenden Forschungsstrukturen und Instrumentarien das zu bearbeiten. Deswegen, glaube ich, bräuchte man diesen Weg, so, wie Sie ihn vorgeschlagen haben, nicht zu gehen. Ich hoffe, dass das für Sie ein Angebot ist, das Sie zumindest einigermaßen glücklich stimmt. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich einige kurze Bemerkungen zur Struktur, zum Erfolg und zu den Sportcentern der ehemaligen DDR machen.
(Torsten Renz, CDU: Eher die stärkste. – Zurufe von Minister Dr. Till Backhaus und Andreas Butzki, SPD)
Im Sport besaß die DDR das ansonsten zumeist verfehlte Weltspitzenniveau. Woran könnte das gelegen haben? Ein so kleiner Staat wie die DDR mit gerade mal 17 Millionen Einwohnern stach gegenüber anderen weitaus größeren Ländern
wie den USA, Kanada oder auch gegenüber der damaligen Bundesrepublik Deutschland im Bereich des internationales Sports auffallend heraus.
Ein Grund war bestimmt der enorme finanzielle und personelle Aufwand, der hinter dem staatlich gelenkten Leistungssportsystem steckte. Und ein Grund wird auch
die systematische Talentsichtung gewesen sein. Ein wichtiger Punkt aber wird auch das in der DDR seit den 70er-Jahren flächendeckende Dopingsystem im Leistungssport gewesen sein.
Nach der Wiedervereinigung war die Aufarbeitung des Sportsystems in der DDR sehr präsent. Ich möchte deshalb ausdrücklich gegen den Anschein argumentieren, dass sich der organisierte Sport in Deutschland, in Mecklenburg-Vorpommern gar nicht mit der sportlichen Vergangenheit der DDR auseinandergesetzt hat. Ein bisschen wird dies hier in einem Unterton des Antrages suggeriert. Das war auf keinen Fall so. Im Gegenteil, der organisierte Sport setzte sehr schnell, noch am Anfang der 90er-Jahre zwei Untersuchungskommissionen ein, die Reiter-Kommis- sion und die Von-Richthofen-Kommission. Das Ehepaar Franke/Berendonk legte mit ihrer Pilotstudie „DopingDokumente“ wissenschaftlich fundierte Berichte zum Dopingsystem der DDR vor. Dies wiederum waren wichtige Bestandteile der juristischen Aufarbeitung des DDRDopings in den Dopingprozessen, die im März 1998 gegen Verantwortliche des ostdeutschen Sportssystems begannen.
Grundsätzlich muss man also feststellen, dass das Dopingsystem aufgrund der staatlichen Lenkung und Überwachung der Aktenberge, die daraufhin von den Verantwortlichen produziert wurden, und aufgrund deren unfreiwilligen Zurücklassens seit der Wiedervereinigung erstaunlich gut rekonstruiert werden konnte.
Jetzt ist es aber so, dass sich die Landesregierung in der Antwort zu der Kleinen Anfrage von Frau Gajek dahin gehend geäußert hat, dass von Landesseite bisher keine Forschung zu diesem Thema erfolgt sei. Das erweckt natürlich sofort den Eindruck, als hätte man sich damit in Mecklenburg-Vorpommern noch nicht befasst. Wie ich oben aber dargelegt habe, gab es bereits eine Reihe von Kommissionen, Untersuchungen und Gutachten auf Bundesebene, die sich mit dem Thema auseinandersetzten. Auch die Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR haben sich mehrfach mit der Thematik auseinandergesetzt,