Protokoll der Sitzung vom 23.04.2015

(Vincent Kokert, CDU: Die Wälder sind ja von Menschenhand geschaffen. – Zuruf von Burkhard Lenz, CDU)

„Natur pur in M-V.“ Das ist dort zu lesen.

(Burkhard Lenz, CDU: Ja.)

Die Schönheit von Natur und Landschaft und die natürliche Vielfalt der Arten

(Unruhe vonseiten der Fraktion der CDU – Zuruf von Harry Glawe, CDU)

und Lebensräume sind ein weithin sichtbares Markenzeichen unseres Landes und der Erhalt der biologischen Vielfalt ist ein wichtiges Ziel unserer Umweltpolitik.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Genau.)

„Mecklenburg-Vorpommern ist ein Land zum Leben“, „MV tut gut.“ – so oder so ähnlich können wir es in jeder Hochglanzbroschüre lesen, die für unser Bundesland wirbt.

Wir haben seit Kurzem mit der Flusslandschaft Elbe ein weiteres, neues Biosphärenreservat. Es gibt seit wenigen Wochen ein drittes ökologisches Wertpapier, den Streuobstgenussschein. Haben Sie das schon gehört? Waldaktien und MoorFutures ermöglichen Interessierten, ihren Urlaub in Mecklenburg-Vorpommern klimaneutral zu verbringen. Kein anderes Bundesland hat so viele Nationalparke, keines hat so viel Fläche einer Naturschutzkategorie zugeordnet. Das anzuerkennen, kostet mich keinerlei Mühe. Und vieles davon steht nicht nur auf dem Papier.

Nun könnte jeder Außenstehende sofort den Eindruck bekommen, dass in Mecklenburg-Vorpommern in Sachen Natur- und Umweltschutz alles gut ist. Ich will mich an dieser Stelle nicht in die Reihe derer stellen, die nun wieder den Untergang des Abendlandes ankündigen und überall nur schwarzsehen in Sachen Natur- und Umweltschutz.

(Patrick Dahlemann, SPD: Oder rot. – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Oder grün.)

Ich finde, wir haben gute Voraussetzungen und gute rechtliche Grundlagen, um Natur und Umwelt in unserem Land zu schützen. Aber, wie die Kolleginnen und Kollegen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, erkenne auch ich Defizite.

Liebe Kollegin Dr. Karlowski, natürlich haben Sie recht, wenn Sie gerade bei der Umsetzung der FFH- und Vo

gelschutzrichtlinie Defizite anmahnen und einen schnelleren, eigentlich sogar einen sofortigen Vollzug der noch ausstehenden Verpflichtungen fordern.

Die Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen, kurz FFH-Richtlinie, bildet zusammen mit der Vogelschutzrichtlinie vom 30. November 2009 die zentrale Rechtsgrundlage für den Naturschutz in der Europäischen Union. Zusammenfassend werden sie auch das Netzwerk Natura 2000 genannt. Das heißt, wir haben seit 1992 klare und eindeutige rechtliche Bestimmungen zum Schutz von Flora und Fauna.

Deutschland hatte schon von Anfang an große Schwierigkeiten, seinen rechtlichen Verpflichtungen in puncto Natura 2000 nachzukommen. Ich erinnere an dieser Stelle an die großen öffentlichen Diskussionen und die vielen Proteste, um überhaupt die geforderten Gebiete ausweisen zu können.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Allerdings.)

Auch in Mecklenburg-Vorpommern haben wir uns nicht gerade mit Ruhm bekleckert und waren Mitverursacher des damaligen EU-Vertragsverletzungsverfahrens gegen Deutschland. Das Ziel der FFH-Richtlinie ist es, alle für Europa typischen wildlebenden Arten und natürlichen Lebensräume in einen günstigen Erhaltungszustand zu bringen.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja.)

Damit dient sie dem Erhalt der biologischen Vielfalt in der EU.

Auch die UNO hat Sorgen. Nicht ohne Grund haben die Vereinten Nationen dieses Jahrzehnt, also die Dekade bis 2020, zur Dekade der Biodiversität erklärt, eben weil das Artensterben nicht gestoppt ist, im Gegenteil. Auch in Mecklenburg-Vorpommern haben wir große Schwierigkeiten, die derzeitige Biodiversität zu erhalten oder gar zu verbessern. Deshalb ist es ganz wichtig, dass wir nach der Phase der Festlegung und Meldung der FFH- und Vogelschutzgebiete weiterkommen.

In der sogenannten dritten Phase sollen die Mitgliedsstaaten die ausgewählten Gebiete so schnell wie möglich, spätestens aber innerhalb von sechs Jahren, als besondere Schutzgebiete ausweisen und geeignete Erhaltungs- beziehungsweise Managementmaßnahmen festlegen. Alle sechs Jahre müssen dann die Mitgliedsstaaten über den Umsetzungsstand der FFH-Richtlinie berichten und dabei Monitoringdaten berücksichtigen. Dieser Bericht der Bundesrepublik aus 2013 offenbarte für Deutschland und Mecklenburg-Vorpommern erhebliche Mängel.

Kollegin Karlowski benannte die noch fehlenden Schritte: die Unterschutzstellung. Offensichtlich ist es so, dass die bundesweit anerkannte Regelung nicht ausreicht. Das merken wir jetzt. Die EU-Kommission hat ein sogenanntes EU-Pilotverfahren, eine Vorstufe zu einem Vertragsverletzungsverfahren, mit dem vom Minister benannten Mahnschreiben – oder von Ihnen, Sie waren das, Frau Dr. Karlowski – an Deutschland geschickt. Brüssel drohte

Ende Februar damit, Klage gegen die Bundesrepublik vor dem Europäischen Gerichtshof einzureichen.

Nun könnte man sich ja hinstellen und sagen, so schnell schießen die Preußen nicht, schon gar nicht die Kommission. Wir haben also vielleicht noch ein bisschen einen zeitlichen Spielraum, um unsere Hausaufgaben zu machen. Allerdings wäre das aus meiner Sicht und aus der Sicht meiner Fraktion ziemlich fahrlässig und außerdem ein unzulässiges Zocken mit öffentlichen Geldern.

Die gesetzlichen Aufgaben des Naturschutzes und damit auch die Umsetzung der FFH-Richtlinie sind in Deutschland Sache der Länder. Es wird also höchste Zeit, dass die Landeregierung vorankommt und nicht Strafzahlungen riskiert. Ich bin gespannt auf die angekündigte Landesverordnung. Für meine Fraktion ist ebenso wie für Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der späteste Zeit- punkt eigentlich erreicht.

Bei den Haushaltsberatungen ab September wird sich zeigen, ob die Landesregierung in Sachen Natura 2000 ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachzukommen gedenkt. 16 Millionen Euro im gesamten Förderzeitraum – das klingt nicht so wenig. Wir werden sehen, was daraus wird. Für uns reicht es allerdings nicht aus, entsprechend notwendige finanzielle Mittel bereitzustellen, zumal durch die gegenseitige Deckungsfähigkeit fast aller Titel und Kapitel im Einzelplan 08 eine genaue Zuordnung und Nachverfolgung der Gelder für uns Parlamentarier so gut wie nicht möglich ist.

Aber wie wir eigentlich fast in jeder Landtagssitzung anmahnen, fehlt es beim Thema „Umsetzung der FFHRichtlinie“ mittlerweile landauf, landab vor allem an Personal. Fünf zusätzliche Mitarbeiter sind schon mal was wert – wie viel, das werden wir sehen. Bei meinen Recherchen bin ich gefragt worden, wie denn das StALU Vorpommern 50 jetzt zu erarbeitende Managementpläne betreuen soll. Ich konnte darauf keine Antwort geben. Mit der Erarbeitung der Pläne werden überwiegend, fast ausschließlich, Dritte beauftragt. Aber, der Minister hat es schon angedeutet, auch Umweltplaner, Projektbüros und Ingenieurbüros heben inzwischen die Hände und kapitulieren, denn die ganze Bundesrepublik hat Defizite und es mangelt überall an sach- und fachkundigem Personal. Insgesamt ist das ein ziemliches Armutszeugnis für die Bundesrepublik.

Wie Sie sicher anhand meines Beitrages bemerkt haben, wird meine Fraktion dem vorliegenden Antrag der GRÜNEN zustimmen. Allerdings wären wir sehr daran interessiert, dass der Antrag im Agrarausschuss weiter bearbeitet wird. Wir halten eine Überweisung für angebracht. Ich weiß nicht oder besser gesagt, ich gehe davon aus, dass es dazu nicht kommen wird, aber damit kann das Thema nicht erledigt sein. Ich denke, fernab von allen Sonntagsreden müssen wir jetzt von der Landesregierung erwarten, dass sie zu Potte kommt. Und ob es tatsächlich so sein wird, dass der Zeitraum 2018 durch die EU akzeptiert wird, darauf bin ich auch sehr gespannt. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der SPD die Abgeordnete Frau Feike.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich werde meine Rede ein bisschen kürzen, weil wir jetzt schon viele Gedanken, Ideen, Themen zum Umweltschutz gehört haben. Frau Dr. Schwenke ist sehr gut auf die Rechtsbegriffe Natura 2000 und FFH-Richtlinie und auf die gesetzlichen Grundlagen eingegangen. Daher möchte ich das nicht noch einmal wiederholen.

An einer Stelle, bei den rechtlichen Grundlagen, möchte ich noch etwas Positives ergänzen, und zwar, dass das Land Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2010 im Naturschutzausführungsgesetz Ermächtigungsgrundlagen ein- geführt hat, um die Natura-2000-Gebiete mit einer Landesverordnung unter Schutz stellen zu können. Das ist eine ganz besondere Leistung des Landes MecklenburgVorpommern.

Wir haben vieles gehört über Recht und Gesetz. Ja, die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat recht, wenn sie darstellt, dass mit Hochdruck gearbeitet werden muss, um der Umsetzung der FFH-Richtlinie nachzukommen und Managementpläne abzuschließen. Die Defizite sind uns aber bekannt. Der Umweltminister und das Umweltministerium reagieren, wie Sie es gerade gehört haben. Sie haben einen Arbeitsplan und einen Zeitplan aufgebaut und Minister Dr. Till Backhaus hat uns eben dargestellt, wie der Abbau der Defizite entwickelt werden soll. Ihres Antrages bedarf es daher nach unserer Auffassung nun nicht mehr.

Die in den Punkten 1 und 2 des Antrages genannten Anforderungen sollen demnach mit dem Erlass einer Landesverordnung nach Paragraf 21 des Naturschutzausführungsgesetzes bis Ende 2015 erfüllt sein. Das hat der Minister eben auch noch mal klar und deutlich erläutert. Zudem wird an einer finanziellen und personellen Sicherstellung der Beschleunigung der FFH-Managementpläne gearbeitet, um eine Verurteilung Deutschlands mit laufenden Vertragsverletzungsverfahren zu vermeiden. Diese ganzen detaillierten Ausführungen sehen wir als Grund und sind klar der Meinung, dass dieser Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht notwendig ist.

An dieser Stelle möchte ich nun einige positive Aspekte zum Thema „FFH-Gebiet und Umsetzung von Natura 2000“ anführen, bei denen unser Bundesland eine Vorreiterrolle sowohl auf Bundesebene als auch auf europäischer Ebene spielt.

Erstens. Das Land Mecklenburg-Vorpommern engagiert sich bei der Umsetzung von Natura 2000 innerhalb Europas zum Beispiel als Vorreiter dafür, dass Waldbesitzer erstmals einen sogenannten Natura-2000-Ausgleich

erhalten können, um die erhöhten Belastungen, die in der deutschlandweiten FFH-Impact-Studie aufgezeigt wurden, zu kompensieren. Außerdem können in Mecklenburg-Vorpommern Waldbewirtschafter Förderanträge für Natura-2000-Waldumweltmaßnahmen stellen, wodurch für Natura 2000 in Mecklenburg-Vorpommern im Wald, so heißt diese Natura 2000, bessere Ausgangssituationen als in allen anderen Bundesländern sind.

Zweitens. Die EU-Kommission führt gegenwärtig ein REFIT-Verfahren zur Wirksamkeit der EU-Naturschutz- richtlinie durch. Zurzeit findet der sogenannte Fitnesscheck statt, ein Prozess, bei dem die EU-Kommission, die Mitgliedsstaaten, Verbände und die Öffentlichkeit beteiligt sind. In Deutschland hat das Bundesministerium

für Umwelt und Bau dafür die Federführung. Weil das Thema Natura 2000 von der Landesregierung als ein wichtiges Thema angesehen wird, hat das Umweltministerium von Mecklenburg-Vorpommern die Chance ergriffen und die Landesvertretung dafür im Rahmen dieses Prozesses übernommen.

Ein dritter Punkt. Dass das Land Mecklenburg-Vorpom- mern die Umsetzung von Natura 2000 sehr ernst nimmt, wird auch dadurch deutlich, dass M-V als eines der ersten Länder seine Vereinbarung mit der Bundeswehrverwaltung zur Managementplanung auf Truppenübungsplätzen abgeschlossen hat, was auch eine Vorreiterrolle von Mecklenburg-Vorpommern darstellt.

Viertens. Im Rahmen der Flächenübertragung des nationalen Naturerbes war für Mecklenburg-Vorpommern von Anfang an die Naturschutzgebietskategorie Natura 2000 eines der Hauptauswahlkriterien, um dem Bund Vorschläge zur Auswahl künftig zu übertragender naturschutzfachlich besonders wertvoller Flächen zu unterbreiten.

In diesem Zusammenhang möchte ich an dieser Stelle abschließend noch etwas sagen, was mir wirklich am Herzen liegt und was wirklich wichtig ist. Damit die Umsetzung von Natura 2000 gelingen kann, ist es wichtig, dass die Menschen vor Ort eingebunden werden und miteinander ins Gespräch kommen. Administrative Maßnahmen allein sind dafür nicht unbedingt geeignet. Daher muss sich darauf konzentriert werden, dass nach Möglichkeit vor Ort Initiativen entstehen, die bestimmte Maßnahmen selbst konzipieren und damit auch voranbringen. Dazu gehören unter anderem Initiativen wie die freiwillige Vereinbarkeit, zum Beispiel Wassersport im Bereich des Greifswalder Boddens, der Wismarbucht oder auch der Warnow.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das werden wir uns im Ausschuss ja noch genauer angucken.)

Genau, Frau Dr. Karlowski, da haben Sie recht. Darüber freue ich mich auch.

Daher – nach meinen Ausführungen, etwas gekürzt – sage ich noch mal, dass die SPD-Fraktion diesen Antrag ablehnen wird.

(Vincent Kokert, SPD: Klatschen bei der SPD! Klatschen bei der SPD! – Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Abgeordnete Frau Dr. Karlowski.

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin!

(Egbert Liskow, CDU: Aber gerade so die Kurve gekriegt.)

Wir haben nun von Herrn Minister Backhaus gehört, es sei Rechtssicherheit geschaffen worden und Großinvestitionen wie Nord Stream und so konnten gemacht werden. Offensichtlich ist es mit der Rechtssicherheit nicht so weit her, sonst hätten wir jetzt nicht nur ein Pilotverfahren,