Protokoll der Sitzung vom 23.04.2015

Aktuell ist es notwendig, schnell eine maritime Rettungstruppe aufzustellen, um künftige Katastrophen im Mittelmeer wirksam zu verhindern. Der zuständige Bundesminister Thomas de Maizière wird aufgefordert, sich in Brüssel für eine solche Truppe einzusetzen. Gegen kriminelle Schlepperbanden muss entschiedener von allen nationalen und europäischen Grenz- und Polizeibehörden vorgegangen werden.

(Zurufe von Udo Pastörs, NPD, und David Petereit, NPD)

Den Durchgangsländern wie Libyen, Tunesien und Marokko muss geholfen werden. Europa muss gemeinsame Regeln für eine geordnete Zuwanderung in die Europäische Union einführen. Angestrebt werden soll eine solidarische Teilung der Verantwortung zwischen den Mitgliedsstaaten bei der Aufnahme von Asylbewerbern. Es müssen Möglichkeiten der sicheren legalen Einreise in die EU für Schutzsuchende geprüft werden.

Im gemeinsamen europäischen Asylsystem müssen einheitliche Standards bei der Aufnahme und Anerkennung von Flüchtlingen gefördert und umgesetzt werden. Gelingt es, den solidarischen Gedanken in Bezug auf die aktuelle Flüchtlingspolitik in Europa umzusetzen, so wird das Auswirkungen auf jedes Land unserer Staatengemeinschaft und dann bis hinein in jede Kommune haben. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD, Marc Reinhardt, CDU, und Dr. Hikmat Al-Sabty, DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Kaselitz.

Das Wort hat jetzt der Fraktionsvorsitzende der Fraktion DIE LINKE Herr Holter.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sie waren voller Hoffnung, ein friedliches, ein besseres Leben zu finden. Wieder sind im Mittelmeer Schiffe und Boote gekentert und gesunken. Das Mittelmeer und besonders Lampedusa stehen nicht erst seit diesen Tagen gleichermaßen für Hoffnung und Verzweiflung. Wieder sind Menschen bei ihrem Versuch, Europa zu erreichen, ertrunken, gestorben. Diese Männer, Frauen und Kinder waren vor Hunger, Krieg, Leid und Elend, vor Verfolgung und Tod geflohen.

Ich habe gerade eine Besuchergruppe hier im Haus, mit denen ich gesprochen habe, die genau über diese Schicksale gesprochen haben, warum sie sich auf den Weg gemacht haben, um nach Europa und nach Deutschland zu kommen, weil sie Angst hatten um ihr Leben. Sie suchten gemeinsam und sie suchen gemeinsam mit anderen unter dem Schatten unserer Flügel Zuflucht.

Über das fürchterliche Unglück und über die Tragödie, den Tod von aberhunderten Menschen im Mittelmeer, ist schon viel gesagt und geschrieben worden. Ich glaube, man muss es hier im Einzelnen nicht beschreiben. Die Bilder in den Medien sprechen für sich. Zum wiederholten Male sterben Menschen, weil sie vor Krieg, Armut, vor Not und vor dem Tod fliehen. Sie fliehen, weil sie für sich und ihre Familien keine Zukunft sehen, sie fliehen, weil sie für sich in Europa ein besseres Leben erwarten. Sie fliehen, weil sie leben, weil sie überleben wollen.

Allein vor Lampedusa kamen in den letzten zehn Jahren nach Angaben von Flüchtlingsorganisationen mehr als 6.000 Menschen ums Leben. Wie viele andere frage ich mich auch: Wie lange soll das Sterben noch anhalten? Wie viele Tote müssen wir noch beklagen? Wie lange will die Politik noch ihre obligatorischen Trauerreden halten? Wie lange will die Politik dann doch alles beim Alten lassen? Meine Fraktion sagt, wir können und wir müssen etwas ändern, und das so schnell wie möglich.

Die beiden Sozialministerinnen der Länder Brandenburg und Thüringen, Diana Golze und Heike Werner, haben kürzlich ihre Eckpunkte für eine humanitäre Flüchtlingspolitik vorgestellt. Es wird erstens deutlich, dass es eben nicht egal ist, wer regiert, und zweitens bitten wir Sie, Frau Ministerin Hesse, Ihre Kolleginnen und Kollegen bei deren Bemühungen im Bundesrat und anderswo zu unterstützen. Wichtig ist der Aufstand der Anständigen. Aber es kommt zuallererst auf die Verantwortung der Zuständigen an.

Gerade mit dem Blick auf die NPD-Fraktion, die AfD und die Pegida-Bewegung möchte ich folgende Aussage aus diesem Papier voranstellen und mit aller Deutlichkeit unterstreichen: „Wir respektieren diejenigen, die Ängste artikulieren. Wir bekämpfen diejenigen, die Ängste schüren.“

Meine Damen und Herren, die Linksfraktion teilt die Aufforderung dieses Eckpunktepapieres und ich möchte Ihnen das an einigen Punkten kurz vorstellen. Ich hoffe, dass wir dann in einem späteren Dialog darüber uns auseinandersetzen können, und ich hoffe, dass auch die anderen demokratischen Fraktionen sich mit diesen Punkten anfreunden können und diese unterstützen können. Es sind insgesamt 17, aber keine Sorge, ich werde nicht alle 17 hier vortragen. Es wäre auch nicht angebracht.

Wir fordern ein unantastbares Recht auf Asyl und in dem Zusammenhang fordern wir keine weitere Verschärfung des Asylrechtes. Und wir fordern natürlich mehr finanzielle Verantwortung des Bundes. Das Geld reicht hinten und vorne nicht, langfristig muss der Bund die Kosten vollständig übernehmen.

Wir fordern einen sofortigen Zugang für die Flüchtlinge zu Sprachkursen, und nicht nur auf der Basis von Ehrenamtlichkeit. Gerade ist mir berichtet worden, dass es Flüchtlinge gibt, die die Sprachkurse selbst finanzieren, weil es keine Möglichkeiten gibt. Ich halte das für ein Unding.

Und wir fordern einen besseren Zugang zum Arbeitsmarkt. Flüchtlinge müssen nicht nur arbeiten dürfen, sondern sie müssen sehr zügig eine Anerkennung ihrer Abschlüsse bekommen. Auch das ist mir gerade wieder berichtet worden. Und die jungen Leute, die hier nach Mecklenburg-Vorpommern, nach Deutschland kommen,

(Vizepräsidentin Beate Schlupp übernimmt den Vorsitz.)

sollten sehr zügig auch in eine berufliche Ausbildung integriert werden.

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

Ich habe vor einiger Zeit im März mit der Dachdeckerinnung gesprochen und die Dachdecker in Mecklenburg

Vorpommern sind bereit und wollen Flüchtlinge ausbilden. Jawohl, sie wollen sie ausbilden, sie wollen auch, wenn die Situation sich in deren Ländern wieder verändert, dass sie dann nach Hause zurückkehren

(Udo Pastörs, NPD: Blödsinn!)

und dort mit der Berufserfahrung aus Deutschland auch sich einbringen.

(Stefan Köster, NPD: Das wollen sie aber nicht.)

Das wissen Sie überhaupt nicht. Und angesichts,

(Stefan Köster, NPD: Ihr wollt das doch gar nicht.)

und angesichts …

(Udo Pastörs, NPD: Grau ist alle Theorie.)

Das will ich Ihnen mal sagen.

Angesichts der Toten im Mittelmeer sollten Sie jetzt wirklich mal schweigen, denn es geht hier um Menschenleben, es geht nicht um viele andere Dinge.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Stefan Köster, NPD: Nennen Sie mal die Ursachen beim Namen!)

Zu den Ursachen komme ich noch. Warten Sie doch mal ab!

(Stefan Köster, NPD: Das ist nämlich die Politik der NATO und der USA. – Udo Pastörs, NPD: Das müssen Sie gerade als Nachfolger der Mauermörderpartei hier loslassen, Herr Holter.)

Mit Ihren Parolen können Sie mich überhaupt nicht erschrecken. Ich rede über Menschenschicksale, es geht um Schicksale von Menschen, die heute in MecklenburgVorpommern leben.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Und diese Menschen wollen ausgebildet werden, wollen hier arbeiten und das wollen auch die Dachdecker,

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

dass sie bei ihnen auch zukünftig arbeiten können.

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Wenn es die Chance auf Rückkehr gibt, werden sie auch zurückkehren. Darauf können Sie sich auch verlassen.

(Udo Pastörs, NPD: Blödsinn! Das wissen Sie genau, dass sie das nicht wollen.)

Und natürlich, und das wird Ihrer Politik und Ihrer Auffassung widersprechen, fordern wir mehr Abschiebestopps als humanitäre Akte. Und wichtig ist, dass die Flüchtlinge eine schulische und berufliche Ausbildung erhalten, und zwar egal, welcher Nationalität sie sind,

(Udo Pastörs, NPD: Ja, ja. Wie soll das denn laufen und finanziert werden?)

denn wir brauchen gut ausgebildete Menschen. Und deswegen ist es auch richtig, dass in den Erstaufnahmeeinrichtungen Schulunterricht gegeben wird, was zurzeit nicht erfolgen kann aufgrund der Gesetzeslage.

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

Das ist kein Vorwurf an irgendjemand, sondern die Gesetzeslage bietet das nicht.

(Udo Pastörs, NPD: Wie soll denn die Verständigung funktionieren im Unterricht?)

Und deswegen brauchen wir ein Überdenken, weil wir in der Tat eine Willkommenskultur praktizieren müssen, um diesen Menschen eine Chance zu geben.

(Udo Pastörs, NPD: Ja, ja, der ganzen Welt in Deutschland.)

Wir teilen nicht die Menschen nach Rasse und wir teilen die Menschen nicht nach Klassen, wir teilen die Menschen nicht nach ihrer Religion