Protokoll der Sitzung vom 23.04.2015

Wenn der Minister sagt, dann müssten wir auch alle Weltsprachen in Mecklenburg-Vorpommern sprechen, weil aus aller Welt Flüchtlinge hierherkommen, dann kann ich nur sagen, dass ich mir natürlich auch wünsche, dass in den Ausländerbehörden nicht nur Deutsch geredet wird,

(Manfred Dachner, SPD: Das hat er auch nicht gesagt. – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

sondern zumindest auch Englisch, Französisch und Spanisch, aber es gibt trotzdem die Möglichkeit, dass die Ausländer, die hierherkommen, die deutsche Sprache erlernen.

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Gehörlose Menschen haben diese Möglichkeit aber eben nicht.

(Udo Pastörs, NPD: So ist es.)

Dafür erlernen diese Menschen die deutsche Gebärdensprache. Aber von einem gehörlosen Menschen zu verlangen, dass er deutsch spricht, finde ich sehr schwierig.

Zu der Kollegin Frau Oldenburg möchte ich anmerken, dass wir natürlich die Lehramtsausbildung „Deutsche Gebärdensprache“ nicht nur für Mecklenburg-Vorpom- mern oder in Mecklenburg-Vorpommern wollen, sondern dass wir wollen, dass in einem norddeutschen Länderverbund an einer Hochschule in Norddeutschland diese Lehramtsausbildung stattfindet.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Das sind aber auch nur 30 Lehrkräfte für 30 Jahre.)

Und ich glaube, dass wir nicht nur in MecklenburgVorpommern eine Lehrkraft brauchen, sondern dass es

für eine zweite oder eine dritte durchaus auch den Bedarf gibt.

(Andreas Butzki, SPD: Selbst wenn wir fünf brauchen.)

Vor allem haben wir auch bundesweit den Bedarf, denn es gibt ja über Mecklenburg-Vorpommern hinaus ziemlich große Communitys von gehörlosen Menschen, wenn ich da nach Hamburg, Berlin oder München schaue.

(Zuruf von Simone Oldenburg, DIE LINKE)

Bis auf die Kritikpunkte, die ich hier zu der Rede von Herrn Brodkorb nannte, war ich relativ zufrieden im Vergleich zu anderen Reden von Herrn Minister Brodkorb zu unseren Anträgen,

(Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

weil ich gemerkt habe, dass sich einiges durch diesen Antrag tut und vielleicht auch durch die Anwesenheit der Vertreter der Verbände in der heutigen Diskussion, dass sich die Landesregierung doch auf den Weg macht, ihre Position an der einen oder anderen Stelle zu überdenken und zu prüfen.

(Andreas Butzki, SPD: Das haben wir doch alle zum Ausdruck gebracht, alle drei Fraktionen.)

Allerdings reicht es mir nicht, wenn das der Bildungsminister in seinem Bildungsministerium prüft, sondern ich wünsche mir,

(Manfred Dachner, SPD: Ja, es ist Weihnachten.)

das hat ja die Kollegin Oldenburg auch schon vorgeschlagen, dass wir diesen Antrag in den Bildungsausschuss überweisen, um dann die Ergebnisse der Prüfung und vor allen Dingen die Umsetzung dieser Überprüfung im Bildungsausschuss gemeinsam diskutieren zu können.

Abschließend möchte ich noch sagen, dass ich mich freue, dass die Landtagsverwaltung so unproblematisch unserem Wunsch gefolgt ist und zwei Gebärdendolmetscher engagiert hat, die heute die Debatte begleitet haben. Ich würde mir jedoch wünschen, dass das viel häufiger passiert, und zwar nicht nur zu Themen, wo „gehörlos“ im Antragstitel vorkommt, sondern auch zu allgemein politischen Themen, denn ich kann mir vorstellen, dass sich Gehörlose durchaus für Verkehrspolitik, für Bildungspolitik oder auch für Innenpolitik interessieren.

(Heiterkeit bei Simone Oldenburg, DIE LINKE: Auch für Agrarpolitik.)

Insofern sehe ich die Debatte heute als Anfang und wünsche mir – auch für Agrarpolitik, ich will nicht jeden Politikbereich einzeln aufzählen –,

(Zuruf von Andreas Butzki, SPD)

aber ich wünsche mir doch viel mehr solcher Debatten. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich schließe die Aussprache.

Im Rahmen der Debatte ist beantragt worden, den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/3907 zur federführenden Beratung an den Bildungsausschuss sowie zur Mitberatung an den Sozialausschuss zu überweisen. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Wer stimmt dagegen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Überweisungsvorschlag bei Zustimmung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN, Gegenstimmen der Fraktion der SPD, der CDU und der NPD abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksa- che 6/3907. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um sein Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Vielen Dank. Damit ist der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksa- che 6/3907 bei Zustimmung der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, Gegenstimmen der Fraktion der SPD, der CDU und der NPD und Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE abgelehnt.

Vereinbarungsgemäß rufe ich an dieser Stelle den Zusatztagesordnungspunkt 1 auf: Aussprache zum Thema gemäß § 43 Ziffer 2 der Geschäftsordnung des Landtages – Humanitäres Leid darf nicht Normalität sein – für ein entschlossenes europäisches Handeln in der Flüchtlingspolitik.

Aussprache zum Thema gemäß § 43 Ziffer 2 GO LT Humanitäres Leid darf nicht Normalität sein – für ein entschlossenes europäisches Handeln in der Flüchtlingspolitik

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dagmar Kaselitz für die Fraktion der SPD.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Am letzten Wochenende erreichte uns die Nachricht vom tragischen Unglück, bei dem vermutlich über 800 Flüchtlinge im Mittelmeer ums Leben gekommen sind, als ihr Schiff kenterte. Dies blieb nicht der einzige Unglücksfall auf dem Meer in den letzten Tagen.

Vor den Küsten beliebter Urlaubsorte sterben Menschen qualvolle Tode. Sie hatten sich aus Krisenregionen aufgemacht, um vor Krieg, Verfolgung und Angst um ihr Leben und das ihrer Familien zu fliehen. Ihre Hoffnung zerbrach für immer. Angesichts dieser großen humanitären Katastrophe sind wir als Menschen tief betroffen. Wir gedenken der Toten und fühlen mit den Angehörigen und den Überlebenden.

In dieser Situation sind wir uns aber auch bewusst, vor welche große Herausforderung uns dieses Leid stellt. Wir müssen erkennen, wo unsere Verantwortung liegt, hier in Mecklenburg-Vorpommern, in Deutschland und in Europa. Europa trägt dabei eine gemeinsame Verantwortung.

Wir begrüßen es, dass sich so schnell die EU-Innen- und Außenminister in Luxemburg getroffen haben und nun kurzfristig die EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel zusammenkommen, um über Konsequenzen aus der Flüchtlingskatastrophe zu beraten.

Ziel muss es sein, eine gerechte Flüchtlingspolitik in Europa auf den Weg zu bringen. Die Bemühungen von Malta und Italien um mehr Mittel für Seenotrettung müssen endlich Gehör finden. Wir begrüßen ebenso, dass die Unterstützung Deutschlands zugesichert wird, wenn es letztlich um mehr finanzielle Mittel für die Seenotrettung und für ein Pilotprojekt zur Verteilung von vorerst 5.000 Flüchtlingen in Europa geht und gemeinsam über die Ausweitung legaler Einreisemöglichkeiten gesprochen wird. Die Außengrenzen von Europa dürfen nicht weiter für den Tod stehen, sondern für Menschlichkeit.

Die Europäische Union als Staatenbund von 28 Mitgliedsstaaten gründet nach Aussage des Präsidenten des Europäischen Parlaments Martin Schulz auf der faszinierenden Vorstellung von Frieden, Freiheit, Stabilität und Wohlstand.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Na, das hört sich ja an!)

Es heißt, Konflikte durch Dialog und Konsens zu lösen,

(Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

auf Solidarität und Demokratie anstelle auf das Recht des Stärkeren zu setzen, den Interessenausgleich zu bewältigen, das Gemeinwohl über Einzelinteressen zu stellen.

(Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Genau in diesem Sinne ist die Staatengemeinschaft jetzt gefordert. Nach Angaben des Flüchtlingswerks der Vereinten Nationen sind seit Jahresbeginn etwa 31.500 Menschen über das Meer nach Italien und Griechenland gekommen, und diese Flüchtlingswelle hält weiter an. Die Hauptlast des Flüchtlingsstroms trägt zurzeit Italien. Nach Angabe der italienischen Justiz warten noch bis zu eine Million Flüchtlinge in Libyen auf die Überfahrt nach Europa. Die meisten werden den kürzesten Weg über das Mittelmeer zu den Inseln Lampedusa und Sizilien wählen.

Politisches Handeln ist jetzt notwendig. Dabei sind kurzfristige Entscheidungen notwendig, die die Situation im Mittelmeer entschärfen. Langfristig sind Lösungen zu finden, die eine Stabilisierung der Staaten in Nordafrika, zum Beispiel in Libyen, ermöglichen.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Die SPD steht hier für die Solidarität und gemeinsame Aufgabenwahrnehmung in Europa. Sie steht für eine menschenwürdige europäische Flüchtlings- und Asylpolitik. Dabei müssen Fluchtursachen wie Verfolgung, Krieg und Bürgerkrieg, Diskriminierung und Armut in den Herkunftsländern bekämpft werden. Den Menschen müssen in ihren Heimatländern Perspektiven eröffnet werden.

(Udo Pastörs, NPD: Jaja, wird Zeit.)

Aktuell ist es notwendig, schnell eine maritime Rettungstruppe aufzustellen, um künftige Katastrophen im Mittelmeer wirksam zu verhindern. Der zuständige Bundesminister Thomas de Maizière wird aufgefordert, sich in Brüssel für eine solche Truppe einzusetzen. Gegen kriminelle Schlepperbanden muss entschiedener von allen nationalen und europäischen Grenz- und Polizeibehörden vorgegangen werden.