Protokoll der Sitzung vom 23.04.2015

Um dieser Gesamtheit gerecht zu werden, schlägt meine Fraktion vor, den Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in den Bildungsausschuss sowie in den Sozialausschuss zu überweisen. Gleichzeitig können dann dort auch die Fragen geklärt werden, die sich bei dem Antrag und durch den Antrag ergeben, denn zum Beispiel heißt es im Punkt I, dass es im Schuldienst von MecklenburgVorpommern keine Lehrkräfte gibt, die für die Vermittlung der Gebärdensprache ausgebildet sind. Hingegen wird im Punkt II die Landesregierung aufgefordert, die Einschnitte zu revidieren, die sie in der Weiterbildung von Lehrkräften im Bereich der Gebärdensprache vollzogen hat. Zudem soll sich die Landesregierung dafür einsetzen, dass erstmals eine Lehramtsausbildung für das Fach „Deutsche Gebärdensprache“ eingerichtet wird.

So, nun mal nacheinander: In Güstrow gibt es keine Lehrkräfte, die über ein abgeschlossenes Studium der Gebärdensprache verfügen, aber sehr wohl Lehrkräfte, die sich in der Gebärdensprache fortgebildet haben. Die, die sich vor einigen Jahren ausbilden ließen, aber inzwischen die Schule verlassen haben, bekamen für diese Ausbildung die Hälfte ihrer Unterrichtsverpflichtung als Anrechnungsstunden. Andere Lehrkräfte, die sich in weiteren Fächern qualifizierten, erhielten zwei, vier oder auch gar keine Anrechnungsstunde.

Wir müssen jegliche Weiterbildung im Zusammenhang sehen – das hat der Minister bereits ausgeführt – und gleiche Voraussetzungen für die Lehrkräfte schaffen, die den Bedarf des Landes in bestimmten Fächern reduzieren, wenn sie sich neben ihrer Tätigkeit in den entsprechenden Bereichen ausbilden lassen. Und dazu ist es notwendig, dass die Landesregierung schnellstmöglich eine fachspezifische Lehrerbedarfsprognose vorlegt und davon ausgehend Zusatzstudien ermöglicht, die mit einer vergleichbaren Anzahl von Anrechnungsstunden je nach Umfang der Qualifizierung unterstützt werden.

Fort- und Weiterbildung – auch in diesem Bereich muss durch das Institut etwas für Qualitätsentwicklung systematisch angeboten werden. Hier muss ein Umdenken erfolgen, wenn das Land gut qualifizierte Lehrkräfte haben möchte, die auf dem neuesten Stand der Fachwissenschaften, der Didaktik und der Methodik sind. Dazu gehört auch eventuell die Möglichkeit, Fortbildungen in der Gebärdensprache vor Ort anzubieten, und nicht beständig die Lehrerinnen und Lehrer zahlreiche Kilometer fahren zu lassen.

Sehr geehrte Damen und Herren, Lehramtsstudiengänge, die die deutsche Gebärdensprache beinhalten, gibt es nicht. Nun stellt sich die Frage: Warum gibt es sie seit so vielen Jahren nicht? Und da denke ich, dass einfach der Bedarf für einen Lehramtsstudiengang „Deutsche Gebärdensprache“ so nicht besteht. Würde die „Deutsche Gebärdensprache“ als Fach unterrichtet werden, dann würde vielleicht Güstrow den Bedarf von einer Lehrkraft dafür haben, die dann aber 35 Jahre da arbeitet. Also wir haben einen relativ geringen Bedarf für einen sehr, sehr großen Zeitraum. Ich denke, dass es wichtiger ist, dass zum Beispiel in Hamburg oder in Berlin die Ausbildung geprüft wird, ob das Lehramt „Deutsche Gebärdensprache“ dort bei denen, die bereits die hohe Kompetenz in den Rehabilitationswissenschaften erworben haben, mit eingeht.

Ich denke, die Einrichtung eines Lehramts, das die Ausbildung eben nur in der deutschen Gebärdensprache vorsieht, ist nicht umfassend genug bedacht. Der Bedarf ist auf 30 Jahre relativ gering gerechnet. Und dann, finde ich, müssen wir wirklich gucken, wie viel Lehrkräfte wir brauchen, die ausgebildet sind in der Brailleschrift. Das muss auch gesehen werden. Wie viel Lehrkräfte brauchen wir für alle anderen Förderschwerpunkte? Ich denke, hier sollte eine Kombination erfolgen nach einer Bestandsaufnahme.

Der Einführung des Wahlpflichtfaches „Deutsche Gebärdensprache“ steht gar nichts im Wege, das könnten die Schulen schon. Herr Brodkorb hat das so gesagt, wir haben Ganztagsschulen, wir haben volle Halbtagsschulen. Wir könnten auch an den Schulen, die keine Ganztagsschulen sind, Arbeitsgemeinschaften einrichten. Das ist alles jetzt schon möglich. Da auch die deutsche Gebärdensprache eine anerkannte Sprache ist, ist das möglich, ohne irgendwelche Vorschriften zu ändern.

Was mich daran ein bisschen stört, ist, dass der Wahlpflichtunterricht in der Jahrgangsstufe 7 beginnt. Wenn ich erst im Alter von 13 oder 14 Jahren anfange, in dieser Sprache unterrichtet zu werden, läuft das an einer frühen und gezielten Förderung vorbei. Deswegen sollte man das eben Angebote der Ganztagsschule beziehungsweise Arbeitsgemeinschaften nennen.

Und über eines bin ich noch gestolpert: Für all die Forderungen hier in dem Antrag, auch die den Bereich des Sozialwesens betreffen, findet sich im letzten Bericht des Integrationsförderrates des Landes kein Hinweis. Zudem regelt ja das Landesbehindertengleichstellungsgesetz bereits heute, dass gehörlosen Menschen in Mecklenburg-Vorpommern Gebärdendolmetscher für jene Bereiche zur Verfügung gestellt werden, die nicht zur öffentlichen Verwaltung gehören. Hier muss eindeutig geklärt werden, welchen Bedarf haben wir an Gebärdendolmetschern, wie viele gibt es, wie viele brauchen wir gegenwärtig, um die Forderung auch der Bündnisgrünen zu erfüllen und letztendlich einfach nur das Landesbehindertengleichstellungsgesetz umzusetzen, wie hoch muss die Unterstützung sein. Um das eben alles einmal zu analysieren, brauchen wir den Bestand.

Darüber würden wir eben gern in den Ausschüssen diskutieren, um dort unter anderem mit einer öffentlichen Anhörung die Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderungen einzubeziehen, damit sie auch vertreten sind, wenn über sie gesprochen wird und wenn für sie Festlegungen getroffen werden. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Oldenburg.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Renz für die Fraktion der CDU.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für unsere Fraktion war es schon eine ziemlich große Überraschung, dass die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dieses Thema auf die Tagesordnung des Landtages gesetzt hat. Und wir haben jetzt hier viele inhaltliche Ausführungen gehört, die aus unserer Sicht inhaltlich logischerweise sinnvoll sind, aber wir haben immer vereinbart, die Fraktion DIE LINKE, die Fraktion der SPD, die Fraktion der CDU und die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, dass wir vertrauliche Gespräche führen in der Expertengruppe zum Bereich der Inklusion.

Insofern muss ich feststellen und vielleicht etwas deutlicher sagen als mein Kollege der SPD, dass Sie, Frau Berger, diesen gemeinsamen Weg anscheinend verlassen wollen. Und ich will auch, weil das Thema für mich mehr als sensibel ist, trotzdem sagen, dass dieses Thema auf keinen Fall für politische Spielchen, und so, wie Herr Butzki es schon gesagt hat, auch nicht für Profilierung geeignet ist, sondern so ein Thema, das ist meine Grundüberzeugung, muss im Konsens, wie es ja auch vereinbart war, angegangen und gelöst werden.

Deswegen will ich auch ganz klar noch mal an dieser Stelle sagen, auch Sie, sehr geehrte Frau Berger, haben für Ihre Fraktion das Papier, was mir vorliegt, das überschrieben ist: „Den Weg zur inklusiven Schule im Konsens gestalten“, unterschrieben als Vertreterin Ihrer Fraktion. Und ich will die Gelegenheit auch noch mal nutzen, ein, zwei Kernsätze aus diesem Papier vorzutragen, um deutlich zu machen, dass wir das, was Sie hier politisch möglicherweise gezielt versuchen zu veranstalten, so zurückweisen wollen.

In diesem Papier steht zum Beispiel: „Es ist unser gemeinsames Ziel über Parteigrenzen hinweg einen grundsätzlichen Konsens über die Entwicklung eines inklusiven Schulsystems zu erreichen.“ Diesem Ziel haben wir uns gemeinsam, gemeinsam heißt also auch Ihre Fraktion, verpflichtet.

Es geht weiter: „In Auswertung aller vorliegenden Berichte sowie der Anhörungsergebnisse streben die demokratischen Fraktionen eine einvernehmliche abschließende Beschlussfassung über das Konzept zur schrittweisen Umsetzung eines inklusiven Bildungssystems in Mecklenburg-Vorpommern an.“

Weiterhin waren wir auch alle sehr stolz, dass diese Vereinbarung unter anderem einen nächsten wichtigen Punkt beinhaltet, auch den möchte ich vorlesen: „Wird dieses Ziel erreicht, so verbindet sich damit zugleich die Zusicherung der unterzeichnenden Fraktionen, an der Umsetzung des Konzepts bis zum Jahre 2020 unabhängig vom Ausgang der nächsten Landtagswahl festzuhalten, es sei denn, die beteiligten demokratischen Fraktionen vereinbaren nach breiter öffentlicher Debatte einvernehmlich Änderungen.“ Ich glaube, das ist ein sehr wertvolles Papier, und wir beabsichtigen nicht, diesen Weg zu verlassen.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Der Inklusion wegen.)

Der letzte Punkt beinhaltet eben auch die Gründung einer Begleitgruppe zur Expertenkommission und hier sind Sie, sehr geehrte Frau Berger, namentlich benannt. Sie wissen, dass wir Vertraulichkeit der Gespräche und der Ergebnisse vereinbart haben. Insofern sollten Sie dann erklären, ob Sie weiterhin dabei sind, und sich vielleicht auch politisch mal klar positionieren.

Wenn wir auf den konkreten Antrag zu sprechen kommen, dann will ich das jetzt nicht im Einzelnen alles wiederholen, der Minister hat ja zu fast allen Punkten ausgeführt. Ich will also insofern zusammenfassend sagen, wenn es den Punkt 2 hier betrifft, wo er jetzt in diesem Fall auch zugesichert hat, Anrechnungsstunden bezüglich der Weiterbildung, dass sich das noch mal genau angeschaut wird und gegebenenfalls sofort nachgesteuert wird. Das wäre also ein Punkt. Wenn man jetzt mal das Politische außen vor lässt, hätte Ihr Antrag in dem Sinne schon etwas gebracht.

Die Frage ist, ob dieser Antrag dann notwendig gewesen wäre oder ob man über einen anderen Weg, zum Beispiel über eine kurze Ansprache in unserem Gremium, in dieser Begleitgruppe dieses Thema nicht hätte auch abarbeiten können. Insofern hat der Kollege Butzki schon für die Koalitionsfraktionen gesagt, dass wir insbesondere aus diesen Gründen Ihren Antrag ablehnen werden.

(Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sprechen Sie doch mal zum Thema!)

Jetzt ist noch eine Situation dazugekommen, dass die Kollegin Oldenburg ja ausgeführt hat, dass ihre Verfahrensweise, ihr Vorschlag ist, die ganze Sache in den Sozial- und Bildungsausschuss zu überweisen und eine entsprechende Anhörung dort zu tätigen. Da glaube ich, für die Koalitionäre sagen zu können, Frau Oldenburg, dass dieser Schritt, dieser Weg, den Sie vorschlagen, erst Schritt Nummer zwei sein kann. Wir glauben, der richtige Weg ist, dass wir das weiterhin in dieser Begleitgruppe thematisieren und dann logischerweise, wenn das Ergebnis sich abzeichnet oder in Absprachen entstanden ist, dass dies der richtige Weg ist, über die Ausschüsse, die entsprechende Anhörung zu diesem Thema, was wir heute hier auf der Tagesordnung stehen haben, ganz klar eine Anhörung der Experten durchführen. Aber wir glauben …

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Aber ich sage doch nicht, wann. Es kann ja erst der erste Schritt kommen und dann ist die Anhörung.)

Gut, wir wollen jetzt nicht die Haare in der Suppe suchen. Fakt ist …

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Also einer Anhörung steht doch nichts im Wege.)

Der Weg kann von der Logik her nur sein, wir werden den eingeschlagenen vereinbarten Weg in der Expertengruppe wählen und im Anschluss dann über die Ausschüsse entsprechende Anhörungen durchführen.

Heute, da Sie ja auch aus dieser Begleitgruppe heraus ungefähr den Zeitplan kennen, glaube ich nicht, dass es Sinn macht, jetzt im April die Überweisung zu beschlie

ßen in den Ausschuss und dass wir uns dann möglicherweise im November endlich damit befassen. Also diese Sinnhaftigkeit kann ich insofern nicht erkennen, sodass am Ende vielleicht nur das übrigbleibt, was Herr Butzki vorgeschlagen hat, wenn Sie sich wieder besinnen.

(Heiterkeit bei Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Für die Kollegen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN steht ja der Vorschlag im Raum, ihren Antrag zurückzuziehen, um dann diesen Weg, den wir gemeinsam vereinbart haben, erfolgreich auch im Sinne der Betroffenen und im Sinne eines inklusiven Schulsystems in Mecklenburg-Vorpommern zu beschreiten. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Vielen Dank, Herr Renz.

Das Wort hat jetzt noch einmal die Abgeordnete Frau Berger für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Mich verwundert Ihre Argumentation, Herr Renz, Herr Butzki und auch Herr Brodkorb, doch sehr,

(Wolf-Dieter-Ringguth, CDU: Tatsächlich?! – Heinz Müller, SPD: Das kann ich nicht nachvollziehen.)

denn Inklusionsfrieden heißt nicht, dass bei den heutigen Förderzentren über Jahre hinweg nichts mehr verbessert werden darf. Wo Handlungsbedarf besteht, muss gehandelt werden.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und zudem verständigen wir uns in unserer Inklusionsarbeitsgruppe gerade über ein inklusives Schulsystem und hauptsächlich über die Förderbereiche emotional-soziale Entwicklung, Sprache und Lernen.

(Andreas Butzki, SPD: Das schließt das andere doch nicht aus.)

Die Landesförderzentren stehen außen vor. Wenn ich mir aber anschaue – und das hat ja auch der Minister gesagt –, dass er die Stundenzuweisung für den gemeinsamen Unterricht zu diesem Schuljahr komplett verändert hat, was einen Kernbereich dessen betrifft, was wir gerade verhandeln, ohne dass es jemals bei uns in unserer Arbeitsgruppe thematisiert wurde, fühle ich mich doch mit diesem Antrag hier frei genug, zumal er den gesamtgesellschaftlichen Bereich der Inklusion betrifft und nicht nur den Bildungsbereich, sondern es geht um die Inklusion von hörgeschädigten beziehungsweise gehörlosen Menschen gesamtgesellschaftlich, dann fühle ich mich doch mit diesem Antrag sehr sicher und vor allen Dingen auch richtig hier aufgehoben. Wir unterbreiten der Landesregierung Vorschläge zu Missständen. Der Landesregierung steht frei, diese Vorschläge zu übernehmen oder eben auch nicht.

Wenn der Minister sagt, wenn der Minister das vergleicht, und auch Herrn Butzki habe ich so verstanden, dass das Erlernen der deutschen Gebärdensprache genauso sei, wie wenn Migranten …

(Andreas Butzki, SPD: Habe ich in keinem Zusammenhang gesagt.)

Sie haben das mit Deutsch als Fremdsprache verglichen,

(Zuruf von Andreas Butzki, SPD)

haben dann aber in anderem Zuge gesagt, dass man ja die deutsche Gebärdensprache begleitend in einem Sonderpädagogikstudium lernen kann. Da stimme ich Ihnen zu, aber man kann nicht die Vermittlung der deutschen Gebärdensprache irgendwo im Bereich der Sonderpädagogik in der allgemeinen Lehramtsausbildung unterbringen, sondern die deutsche Gebärdensprache ist eine eigene Sprache mit einer eigenen Grammatik. Es ist vergleichbar mit dem Erlernen der Sprachen Englisch, Französisch oder Latein und hat deshalb aus meiner Sicht natürlich auch ein eigenes Lehramtsstudium verdient.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn der Minister sagt, dann müssten wir auch alle Weltsprachen in Mecklenburg-Vorpommern sprechen, weil aus aller Welt Flüchtlinge hierherkommen, dann kann ich nur sagen, dass ich mir natürlich auch wünsche, dass in den Ausländerbehörden nicht nur Deutsch geredet wird,