Protokoll der Sitzung vom 23.04.2015

Nein, ich bitte ja um Verständnis.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Einen Moment, Herr Minister! Einen Moment, Herr Minister!

Herr Ritter, Sie sprechen ein Thema an, das wir im Ältestenrat sicherlich noch mal aufrufen werden. Ich denke, die Debatte sollten wir jetzt hier im Parlament beenden.

Sie können jetzt fortfahren, Herr Minister.

Gut, ich will dann insofern noch mal deutlich machen, ich halte die Rede der Finanzministerin, die ich inhaltlich und natürlich auch ansonsten mittrage. Ich habe bereits angedeutet, dass ich mich ausdrücklich im Namen der Finanzministerin für den Antrag der LINKEN bedanke, gibt er uns doch die Möglichkeit, tatsächlich die schwierigen Tarifverhandlungen in Potsdam mit besonderem Augenmerk auf die bislang wenig beachteten Änderungen, insbesondere im Lehrerbereich, zu beleuchten.

Entgegen der vor allem von der GEW vorgetragenen Kritik gehört zur Wahrheit eben auch, dass es bei den Tarifverhandlungen eine Vielzahl von Verbesserungen gerade für den angestellten Lehrerbereich und insbesondere für die Lehrkräfte in den neuen Bundesländern gegeben hat. Ich hoffe, dass Sie das bitte auch so wahrnehmen. Ich bin daher auch ein Stück weit enttäuscht, dass ein Teil der gewerkschaftlichen Interessenvertretungen diese weitgehenden Änderungen wohl nicht mittragen will.

Die wohl bedeutendste Neuerung ist die einheitliche Entgeltordnung für die Lehrerinnen und Lehrer. Diese Entgeltordnung ist eine zentrale, seit Jahren erhobene

Forderung der Gewerkschaften. Sie regelt nämlich die Eingruppierung von Lehrkräften jetzt umfassend neu. Das war ja im Übrigen – das setze ich mal hinzu – auch immer die Forderung aus diesem Hohen Hause. So wird die Eingruppierung der Lehrkräfte in allen Ländern – außer Hessen – künftig durch einen einheitlichen Tarifvertrag zwischen der TdL und dem dbb geregelt. Die bislang einseitige Regelungskompetenz der Länder gehört damit der Vergangenheit an. Das bedeutet auch, dass Lehrkräfte mit gleicher Ausbildung und Tätigkeit in allen TdL-Ländern nach den gleichen Regeln eingruppiert werden und die unterschiedliche Behandlung in den Tarifgebieten West und Ost endlich aufgehoben wird. Ich glaube, das ist doch ein wirklich großer Erfolg. Das setze ich ausdrücklich hinzu.

Genau, Sie haben das richtig gehört: Der Tarifvertrag wird künftig zwischen der TdL und dem dbb, nicht aber mit der GEW verhandelt. Die GEW wollte diese Vereinbarung nicht schließen, da ihr das Entgegenkommen der Länder bei der sogenannten Paralleltabelle nicht weit genug ging. Sie haben das hier schon so ein bisschen angedeutet.

In der Presse hieß es anschließend, die Arbeitgeber hätten der GEW ihr Streikrecht für 30 Euro abkaufen wollen. Das ist natürlich falsch. Die 30 Euro pro Monat sollten der Einstieg in die Paralleltabelle sein, also eine Zulage, die viele angestellte Lehrer erhalten sollen, deren Entgeltgruppe unter der Besoldungsgruppe der vergleichbaren Lehrer, der verbeamteten Kolleginnen und Kollegen, liegt. Von dieser Regelung würden im Übrigen in Mecklenburg-Vorpommern fast 2.000 Grundschullehrer und etwa 1.200 weitere Lehrkräfte profitieren. In den kommenden Tarifrunden sollen weitere Schritte zur Angleichung verhandelt werden, damit am Ende Entgeltgruppe und Besoldungsgruppe gleich sind. Auch das war, glaube ich, und sollte hier Konsens sein.

Bei der Polemik der GEW kann man schnell den Eindruck gewinnen, dass die Paralleltabelle alle Lehrerinnen und Lehrer im Land betrifft, tatsächlich ist es aber nur etwa ein Viertel der Bediensteten, meine Damen und Herren. Und es war auch nicht, wie hier dargestellt, ein einziger Punkt, der mit den Lehrervertretern in Potsdam verhandelt wurde.

Weitgehende Einigkeit herrscht etwa bei den Regelungen für die sogenannten Nichterfüller. So einigten sich der dbb und die TdL unter anderem ausdrücklich darauf, das Entgeltniveau von Lehrkräften ohne vollständige Lehrerausbildung sowie von Seiteneinsteigern um bis zu drei Entgeltgruppen anzuheben und sie Kunst-, Musik- und Sportlehrkräften mit vergleichbaren Abschlüssen in anderen Fachrichtungen gleichzustellen. Auch das, glaube ich, ist ein großer Erfolg.

Zudem sollen Lehrkräften, die über das Erste Staatsexamen verfügen, die gleichen Beförderungsmöglichkeiten offengestellt werden wie ihren Kolleginnen und Kollegen mit dem Zweiten Staatsexamen. Bei uns im Land könnten im Übrigen 400 Lehrerinnen und Lehrer von diesen Vereinbarungen profitieren. Darüber verliert die GEW leider kein Wort. Und es ist nicht das erste Mal, dass die GEW mit einer Alles-oder-Nichts-Strategie tragfähige Lösungen zurückweist und am Ende vielen Lehrerinnen und Lehrern damit einen Bärendienst erweist.

Wir hätten schon viel weiter sein können bei der Annäherung von Tarifbeschäftigten und verbeamteten Lehrern.

Der Deutsche Beamtenbund mit insgesamt sechs Lehrervertretungen, die dem ja angehören, ist diesen Weg der Vernunft gegangen und musste sich dafür einiges an Kritik seitens der GEW gefallen lassen. Das ging bis hin zu der Behauptung, der dbb sei der Gewerkschaft, also der GEW, in den Rücken gefallen. Nun gehört das bei solchen Auseinandersetzungen, solchen Verhandlungen sicherlich auch zur Polemik, die immer dazugehört, aber in diesem Fall geht das zu weit.

Die Zustimmung des dbb ist eine Politik des Möglichen und der Verhandlungsführer des Beamtenbundes hat dafür, wie ich finde, ein sehr passendes Bild gefunden, ich darf zitieren: „Auf den Berg kommt man nicht, indem man springt, sondern indem man hochgeht.“

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Kriecht, was?)

Ich würde mich wirklich sehr freuen, wenn die GEW noch einmal in sich geht und diesen Weg doch noch gemeinsam mit den Arbeitgebern und den anderen Lehrergewerkschaften geht. Dass am Vorabend des 1. Mai die Frist ausläuft, denke ich, wissen wir alle – das setze ich ausdrücklich dazu –, und dass das Inkrafttreten mit dem 01.08. damit nicht verhindert wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das waren jetzt nur die Verbesserungen, die allein für die Lehrkräfte, auf die Sie sich bezogen haben, vereinbart worden sind. Darüber hinaus profitieren sie, die Angestellten, wie alle anderen auch

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Und Beamten.)

von der linearen Erhöhung von 2,1 Prozent ab März dieses Jahres und 2,3 Prozent ab März des kommenden Jahres. Auch das bitte ich zu berücksichtigen.

Hinzu kommt das Versprechen, dass es keine Kürzungen bei den Zusatzversorgungen der Beschäftigten geben wird. Für das Land Mecklenburg-Vorpommern war das alles andere als ein günstiger Tarifabschluss. Allein in diesem und im nächsten Jahr werden wir den Landeshaushalt mit fast 90 Millionen Euro zusätzlich belasten müssen. Ich bin dazu bereit gewesen, weil es mir wichtig war, dass wir bei der Lehrerentgeltordnung endlich einen Schritt vorankommen. Das ist ein guter Kompromiss, der die finanzielle Leistungsfähigkeit der Bundesländer ebenso im Blick hat wie die Wertschätzung aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Bundesländern, die dem angehören.

In Mecklenburg-Vorpommern wird der öffentliche Dienst im Übrigen auch mit dem Tarifabschluss weiterhin Lohnführer in diesem Bereich sein. Auch das bitte ich Sie zu berücksichtigen.

Die in dem Antrag geäußerten Bedenken hinsichtlich wettbewerbsfähiger Arbeitsbedingungen kann ich insofern nicht nachvollziehen. Das gilt insbesondere für den Lehrerbereich. Das kann aber nicht bedeuten, dass wir unser oberstes Ziel aus dem Blick verlieren: die Absicherung des Unterrichts. Vor dem Hintergrund sollten auch Sie Ihre Forderungen nach langfristigen Arbeitskonten und nach der Teilzeitregelung betrachten. Zwar gibt es schon jetzt die Möglichkeit, Arbeitszeitkonten für Lehrer einzurichten, allerdings nur, wenn es dafür dienstliche Gründe gibt – Sie haben darauf hingewiesen.

Bei LehrerInnen an öffentlichen Schulen kann so auf Antrag die Arbeitszeit bis zu drei Wochenstunden, an beruflichen Schulen sogar bis zu sechs Stunden in einem Schuljahr heraufgesetzt werden, die dann in den Folgejahren in demselben Umfang in die Freistellung einbezogen werden. Dabei geht es aber nicht darum, den Renteneintritt vorzuziehen, denn das ist auch vor dem Hintergrund des Lehrerbedarfes alles andere als praktikabel. Aus den gleichen Gründen gestalten sich auch die Teilzeitregelungen zurzeit sehr schwierig. Sie wissen sicherlich, dass es mit dem Teilzeit- und Befristungsgesetz bereits eine bundesgesetzliche Regelung im Arbeitsrecht gibt und darüber hinaus die Notwendigkeit besteht, eine Dienstvereinbarung

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Genau.)

zwischen dem Bildungsministerium, dem Lehrerhauptpersonalrat und der Lehrergewerkschaft abzuschließen. Daran wird zurzeit in einer Arbeitsgruppe gearbeitet.

Ich gehe im Übrigen davon aus, dass der Bildungsminister sicherlich auch zu den speziellen Fragen im Bereich dessen, was Sie angesprochen haben, noch Stellung beziehen wird. Im Übrigen war er gerade zu einem Gespräch zur Landtagspräsidentin gebeten worden und ist jetzt selbstverständlich anwesend. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Ums Wort gebeten hat jetzt der Bildungsminister des Landes Herr Brodkorb.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst muss ich mich offiziell entschuldigen, dass ich nicht gleich zu Beginn des Redebeitrages der Abgeordneten Oldenburg anwesend war. Das hat zwei Gründe: Zunächst bat mich die Präsidentin des Landtages zum Gespräch und sodann ging die Regierung bis zum Redebeitrag von Frau Oldenburg davon aus, dass es sich im Wesentlichen um eine Rede handeln würde, die die Regelungsbedarfe im Rahmen der TdL zum Gegenstand hätte. So erklärt es sich auch, dass sich die Finanzministerin heute in anderer Gestalt auf diese Rede vorbereitet hatte.

Insofern stehe ich jetzt vor der Aufgabe, in freier Rede zu dem Beitrag von Frau Oldenburg noch etwas beizutragen. Ich hoffe, Frau Oldenburg, dass die Erklärung für mein späteres Eintreffen Ihr Verständnis findet.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Nee. – Udo Pastörs, NPD: Was für ein geschwulstiges Gelaber! Oooh!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Frau Oldenburg, ich verzichte auf Präliminarien,

(Marc Reinhardt, CDU: Präliminarien!)

sondern komme gleich zu den Punkten, die Sie hier vorschlagen.

Herr Minister Backhaus hat in Vertretung der Finanzministerin bereits darauf hingewiesen, dass es kurz- bis mittelfristige Arbeitszeitkonten als Instrumente gibt. Insofern könnte es hier höchstens die Fragestellung geben,

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Warum sie nicht angewendet werden.)

ob es Schwierigkeiten bei der Umsetzung gibt. Dazu brauche ich aber keine neuen Regelungen, sondern bitte um Hinweise, an welchen Stellen, an welchen konkreten Schulen hier Schwierigkeiten bestehen, dann würde ich mir das gerne ansehen beziehungsweise die Kollegen dazu veranlassen. Denn immer dann, wenn es im dienstlichen Interesse ist, müssen wir ja selbst als Schulbehörde ein Interesse daran haben, dass derartige Dinge zustande kommen. Die Betonung liegt aber eben auf den „dienstlichen Interessen“.

Was die langfristigen Arbeitszeitkonten angeht, ist das sehr viel komplizierter. Ich nehme an, es geht zum Beispiel um folgenden Fall: Es ist ein Lehrer 60 oder 61 Jahre alt, hat einen Teilzeitvertrag vielleicht über 20 Stunden, arbeitet aber mehr, um dann jedenfalls symbolisch früher in die Rente einzutreten. Das hört sich zunächst ganz sympathisch an, ist es für uns aber nicht.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Aber für den Lehrer!)

Ja, für den Lehrer ist es das, natürlich, Frau Oldenburg. Es wäre sogar für den Lehrer noch schöner, wenn er bei vollem Gehalt nur die Hälfte der Unterrichtsverpflichtung hätte, vielleicht am besten auch gar keine, das kann ich mir auch vorstellen in manchen Fällen.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Nein, das sind nicht unsere Lehrer.)

Ich habe gesagt, Frau Oldenburg, ich kann es mir vorstellen, nicht, dass es solche Lehrer gibt.

Die Schwierigkeit, die wir haben, ist, wie Sie wissen, dass wir zum Ende des Jahrzehnts auf einen massiven Lehrerersatzbedarf zusteuern.

Ich hatte auch viele Kollegen in der Lehrersprechstunde, die solche Dinge angesprochen haben. Ich habe ihnen dann immer Folgendes gesagt: Wir werden auf einen massiven Lehrerersatzbedarf zusteuern. Was würde denn passieren, wenn wir den Wünschen der Lehrkräfte auf langfristige Arbeitszeitkonten entsprechen würden? Es würde logischerweise Folgendes passieren: Wir würden den Einstellungsbedarf zunächst absenken – das heißt, viele junge Lehrer würden bei uns im Land keinen Job finden – und würden aber in den Jahrgängen, wo wir ganz viele Lehrer einstellen müssen, sogar noch mehr als viele Lehrer einstellen müssen, weil sich der Einstellungsbedarf dann vergrößert.

Also wir würden jetzt – 2016, 2017, 2018 – vielleicht den Einstellungsbedarf von 300 Lehrern – das ist zunächst eine gegriffene Zahl, weil wir immer noch an der Lehrerbedarfsprognose arbeiten – auf 150 oder 100 absenken, und dann würde ich die Frage stellen, ob es wirklich keine Pressemitteilung der Opposition gäbe: „Brodkorb lässt die Lehrer vor der Tür stehen, die Nachwuchslehrer“. Das ist eine spannende Hypothese, der man mal nachgehen könnte, ob diese Pressemitteilung dann nicht zu erwarten wäre.

(Udo Pastörs, NPD: Wie spannend!)

Aber wenn wir den Einstellungsbedarf so absenken, müsste er eben zwei, drei oder vier Jahre später um 200 Kolle

gen angehoben werden, und das ist ein hohes Risiko. Mal angenommen, es würde nicht klappen, 800 Lehrer mehrfach hintereinander zu bekommen, dann wäre die Frage, ob die Opposition auch auf die Pressemitteilung verzichten würde: „Wir finden nicht genug Lehrer“. Ich weiß, das ist ein bisschen polemisch, aber vielleicht auch nicht ganz unangebracht.