Protokoll der Sitzung vom 24.04.2015

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 93. Sitzung des Landtages. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet. Die Tagesordnung der heutigen Sitzung liegt Ihnen vor. Wir setzen unsere Beratungen vereinbarungsgemäß fort.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 29: Beratung des Antrages der Fraktionen der CDU und SPD – GründerPotenziale mobilisieren – Startbedingungen für innovative Unternehmen weiter verbessern, Drucksache 6/3885. Hierzu liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/3942 vor.

Antrag der Fraktionen der CDU und SPD Gründer-Potenziale mobilisieren – Startbedingungen für innovative Unternehmen weiter verbessern – Drucksache 6/3885 –

Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE – Drucksache 6/3942 –

Das Wort zur Begründung für die Fraktion der CDU hat der Abgeordnete Herr Waldmüller.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Guten Morgen, meine Damen und Herren! Die CDU-Fraktion hat sich in der Vergangenheit mehrfach mit dem Engagement für Verbundinitiativen aus Wirtschaft und Wissenschaft beschäftigt, hier im Landtag auf den Drucksachen 6/1914 und 6/2752. Heute ist uns abermals der zweite Punkt, also Wagniskapital, ein besonderes Anliegen.

Der Grund: Laut KFW ECONOMIC RESEARCH vom 30. September 2014 blieb der tatsächliche Finanzbedarf der Unternehmensgründungen nur in 28 Prozent der Fälle innerhalb des angesetzten Budgetrahmens. Die Bundesrepublik hat, das zeigen weitere Analysen der KfW, Chancen für eine zusätzliche Mobilisierung von Gründungspotenzial. Von Vertretern der Beteiligungsgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern werden wir

zudem regelmäßig auf eines hingewiesen: Die ohnehin schwierige Kapitalsituation von Unternehmensgründern in der Bundesrepublik ist ausgerechnet in MecklenburgVorpommern auch noch besonders ausgeprägt. Die Ursache dafür ist nicht nur, dass wir hierzulande weniger Risikokapitalgeber haben, diese konzentrieren sich meist auch ausschließlich auf die letzte Phase der Unternehmensgründung, also die Phase mit dem geringsten Risiko.

Unsere Feststellung aus dem vergangenen Jahr war daher: In ihrer Anfangsphase sind Gründer in Mecklenburg-Vorpommern eher auf sich gestellt. Genau deswegen spielt Mecklenburg-Vorpommern bei den Gründerquoten im Bundesländervergleich auch nur im hinteren Mittelfeld, deutlich hinter dicht besiedelten Ballungsmetropolen oder den süddeutschen Venture-Capital-Zentren.

Meine Damen und Herren, wir haben im Februar 2014 auf dieses Problem hingewiesen. Wir haben die Landesregierung um Maßnahmen gebeten, und wenn wir heute, etwa ein Jahr nach dem letzten vergleichbaren Antrag, bilanzieren, können wir feststellen, dass sich etwas getan hat. Denken Sie an die Ausrichtung des EFRE, denken

Sie aber auch an die Richtlinie zur Förderung von Entrepreneurship aus ESF-Mitteln, die im März dieses Jahres veröffentlicht wurde. Gründungs- und Wachstumsfinanzierung wird auf Landesebene heute besser unterstützt als noch vor einem Jahr.

Wir haben im Jahr 2014 die Landesregierung auch darum gebeten, auf Bundesebene Maßnahmen zu unterstützen, die bei der Förderung von Forschung und Entwicklung auf eine weitere Verbesserung des Zugangs zum risikogetragenen Kapital für junge Technologieunternehmen abzielen. Der neue Investzuschuss für Wagniskapital findet daher unsere volle Unterstützung. Meine Damen und Herren, ein Jahr nach unserem letzten Antrag müssen wir aber auch feststellen, dass längst noch nicht alle Potenziale genutzt werden, um Gründungschancen zu verbessern. Deswegen bleibt es unser Ziel, unnötige Hemmnisse und Reibungsverluste für Unternehmensgründer zu beseitigen.

Lassen Sie uns konkret über unsere Idee sprechen. Ich möchte auf Punkt III unseres Antrages hinweisen. Es ist an der Zeit, Maßnahmen auf Bundesebene, die auf eine Verbesserung des Zugangs zu Wagniskapital zielen, nicht lediglich zu unterstützen. Wir wollen, dass Mecklenburg-Vorpommern selbst initiativ wird, und zwar im direkten Dialog mit der Bundesregierung. Das Hauptaugenmerk legen wir dabei abermals auf die KfW.

Die KfW dokumentiert auf ihrer Internetseite mit dem KfW-Gründungsmonitor penibel genau alle Aktivitäten in Jahresberichten. Auf den jeweils knapp 700 Seiten finden Sie auch Hinweise auf Mecklenburg-Vorpommern. Vergleichen wir einmal die Jahre 2008 bis 2014, zum Beispiel das Startgeld und wie es hier in Mecklenburg-Vor- pommern genutzt wird. In 2008 wurden in diesem Programm 71 Projekte in einer Höhe von 2 Millionen Euro gefördert. Dies blieb bis 2010 relativ konstant. Dann wurde der Programmtitel mit einem anderen Programmtitel zusammengelegt, was den Vergleich jetzt natürlich etwas schwieriger macht, aber in 2012 wurden erfreulicherweise 270 Projekte gefördert, in 2013 267 und in 2014 297. Das KfW-Startgeld stagniert in MecklenburgVorpommern also auf hohem Niveau.

Mit dem KfW-Monitor werden dabei insgesamt drei Aspekte deutlich:

Erstens. Wenn die Möglichkeit für eine Gründerunterstützung besteht, dann wird sie in Mecklenburg-Vorpommern zunehmend gut genutzt.

Zweitens. Eine Zunahme der KfW-Förderung lässt sich nicht für alle Programme so bilanzieren wie für das Startgeld. Ich verweise abermals auf den Gründungsmonitor und zum Beispiel auf den ERP-Startfonds.

Drittens. Weil Gründer in Mecklenburg-Vorpommern die KfW-Instrumente erfolgreich nutzen, brauchen wir deutlich mehr solcher Instrumente. Aber natürlich sind diese Mittel der KfW nicht unendlich. Deswegen müssen wir Möglichkeiten sondieren, wie wir Hebelwirkungen erzielen.

Meine Damen und Herren, aus den drei genannten Gründen ist es für Unternehmensgründer wichtig, das Engagement der KfW als Ankerinvestor weiter zu intensivieren. Die zentrale Frage lautet: Wie soll sich Mecklenburg-Vorpommern hier inhaltlich einbringen? Ich möchte Ihnen heute vier Chancen beziehungsweise vier Mög

lichkeiten darstellen, die alle zusammen genutzt werden können:

Erstens. Das Engagement im Venture-Capital-Segment muss ausgebaut werden. In einer Bundesratsinitiative, beispielsweise aus Bayern, aus dem Dezember 2014 – ich verweise auf die Bundesratsdrucksache 588/14 – heißt es, ich zitiere: „Der Rückzug der KfW aus der Finanzierung deutscher Wagniskapitalfonds im Jahr 2007 hatte mittelbar und unmittelbar negative Auswirkungen auf das Fundraising deutscher VC-Gesellschaften: Mittelbar aufgrund der damit verbundenen Signalwirkung, insbesondere für potenzielle Investoren aus dem Ausland, und unmittelbar aufgrund des Wegfalls der KfW als Kapitalgeber. Der Europäische Investitionsfonds … füllt diese Lücke nur zum Teil.“ Zitatende.

Was folgern wir daraus? Die KfW muss sich künftig wieder stärker als Investor an Venture-Capital-Fonds beteiligen. Das bedeutet, wird ein neuer Fonds geschaffen, hilft die KfW beim ersten Aufschlag. Nach dem ersten Aufschlag wird quasi eine Hebelwirkung ausgelöst. Die Potenziale der Gründungsfinanzierung vervielfachen sich dadurch mit vergleichbar geringen KfW-Mitteln. Wir mobilisieren damit auch Gründungspotenzial in MecklenburgVorpommern und deswegen müssen wir uns gegenüber der Bundesregierung dafür einsetzen.

Zweitens. Ein klares Bekenntnis der Landesregierung gegenüber dem Bundeswirtschaftsminister ist auch hinsichtlich der angedachten Fortführung der klassischen KfW-Fonds notwendig. Ich verweise noch mal auf die ERP-Startfonds. Mit Blick auf die leicht stagnierenden Entwicklungen seit 2008 sollten hier strukturelle Veränderungen des Förderangebots angesprochen werden.

Drittens. Wir haben über Chancen beim Wagniskapital und bei der Förderausrichtung der KfW gesprochen. Es gilt aber, weitere Potenzialhemmnisse und Reibungswiderstände bei den Gründungsfinanzierungen abzubauen. Ich weise auf den Punkt III.1 unseres Antrages hin.

Hier noch einmal ein Blick auf die Förderinstrumente der KfW. Für das Startgeld kommen Unternehmen nicht infrage, die vor mehr als drei Jahren in die Geschäftsidee gestartet sind, beim ERP-Startfonds sind es hingegen zehn Jahre. Diese Unterschiede finden sich durchweg. Diese, ich sage einmal, Definitionen von Unternehmensgründungen sind historisch nachvollziehbar gewachsen, aber logisch nachvollziehbar sind sie deswegen noch lange nicht. Daher plädieren wir für eine klare Definition von Start-ups in den jeweiligen Phasen, damit sich zum Beispiel die KfW-Förderprogramme auch übersichtlicher gestalten. Eine klare Start-upDefinition kann auch bei einer längerfristigen Perspektive sehr zweckdienlich sein.

Wir werden in dieser Legislaturperiode sicherlich eine Prüfung von Ausnahmen für Mindestbesteuerungen von Jungunternehmen kaum mehr erwirken, aber perspektivisch halte ich genau das für einen Beitrag zur Mobilisierung von Gründerpotenzial. Dann ist eine Definition von Start-ups sogar unumgänglich, denn nur so vermeiden wir Dauersubventionen. So oder so brauchen wir eine solche Definition nicht nur aus Gründen der Übersichtlichkeit von KfW-Programmen, sondern vor allem, um später gezielte Fördertatbestände oder Ausnahmeregelungen daran knüpfen zu können.

Viertens. Auch im Hinblick auf die Crowdfunding nähren sich ja Hinweise auf Reibungswiderstände für Gründungsfinanzierungen. Hier stagnieren mittlerweile die Wachstumsraten. Die Ursache: Crowdfunding ist ja eine wildere Spielart der Venture-Capital-Szene. Sicher hat genau dies den Reiz in der Anfangsphase ausgemacht. Das Crowdfunding ist nahezu unreguliert. Meine Befürchtung: Kleinanleger sind zunehmend verunsichert und weniger geneigt zu investieren. Für eine Stabilisierung und für weiteres Wachstum brauchen wir daher endlich mehr Rechtssicherheit. Mit Rechtssicherheit kann es gelingen, mehr Kapitalgeber, mehr Kleinanleger für das Crowdfunding zu begeistern. Auch wenn wir hier gegenüber Venture-Capital-Fonds oder KfW-Förderung sicher nicht über ganz große Beträge reden, können wir damit Gründerpotenzial mobilisieren.

(Udo Pastörs, NPD: Jaja, viel Geld.)

Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen nun vier konkrete Punkte genannt, die ich für eine weitere Mobilisierung von Gründungspotenzialen in Mecklenburg-Vor- pommern für besonders wichtig halte. Diese Aspekte sind in unserem Antrag daher prominent nach vorne gerückt. Ich möchte aber noch auf zwei abschließende Aspekte hinweisen, die in der Begründung des Antrages enthalten sind. Sie sind sehr bewusst dort platziert, weil sie vielleicht für Mecklenburg-Vorpommern nicht die herausragende Bedeutung haben oder Mehrheiten hierfür aktuell schwer zu organisieren sind. Gleichwohl gehören diese beiden Aspekte in ein Gesamtpaket zur Mobilisierung von Gründerpotenzial.

Erstens halte ich die Unterstützung junger Unternehmen bei der Vorbereitung von Börsengängen für erwähnenswert. Hier scheitern Start-ups häufig an der planmäßigen und beratungsintensiven Vorbereitung sowie an anfänglichen Finanzierungslücken. Sicher ist auch, in Mecklenburg-Vorpommern gibt es nur – da sind wir uns einig – wenige Beispiele von Börsengängen. Vielleicht können wir für unser Ansinnen, nämlich die Mobilisierung von Gründungsfinanzierungen aber weitere Sympathisanten gewinnen, indem wir auf Aspekte hinweisen, die in anderen Bundesländern auf offene Ohren stoßen.

Und zweitens. Gestatten Sie mir abschließend bitte auch eine Bemerkung aus eigener Erfahrung, denn Gründerpotenziale werden auch mobilisiert, indem eine zweite Chance nicht verhindert wird, wenn der erste Anlauf gescheitert ist.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Der Misserfolg einer Idee sollte einen Neustart gerade nicht blockieren.

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)

Ein redlich gescheiterter Gründer darf nicht für sein Engagement gebrandmarkt werden.

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)

Machen Sie sich aber allein ein Bild des innereuropäischen Vergleichs! Im Vergleich bleiben auch da Insolvenzen und Gründerpotenziale in Deutschland zu häufig ungenutzt. Allzu oft – ich komme gleich zum Ende – ist weniger die Finanzierung oder die Dauer einer Gründung, sondern die Dauer der Schließung das größte

Problem eines Unternehmens. Gründer sind oft jahrelang mit der Abwicklung beschäftigt, so wird die Chance auf einen Neuanfang verbaut und Gründerpotenziale liegen brach.

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)

Ich sehe leider keine großen Chancen, in dieser Legislatur Mehrheiten für ein Insolvenzrecht zu finden.

Herr Waldmüller, bitte kommen Sie jetzt zum Schluss!

Ich werde dann den anderen Punkt in der Aussprache noch einmal mit erwähnen. Das tut mir leid, ich dachte, ich werde fertig damit. Es ist nur noch eine halbe Seite.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich werde das bei der Aussprache dann noch mit erwähnen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit und bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall Jochen Schulte, SPD, und Burkhard Lenz, CDU)

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Um das Wort gebeten hat zunächst der Minister für Wirtschaft, Bau und Tourismus Herr Glawe.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Technologische Innovationen spielen für die Landesentwicklung und Anpassungsfähigkeit der Wirtschaft sowie für die Sicherung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit eine entscheidende Rolle. Insbesondere junge Technologieunternehmen erschließen mit ihren innovativen Produkten, Verfahren und Dienstleistungen neue Märkte. Sie wachsen in der Regel deutlich schneller als alle anderen Unternehmen, haben nachweislich eine höhere Überlebenswahrscheinlichkeit und sind somit ein wichtiger Motor zur Schaffung von Arbeitsplätzen. Somit haben sie nicht nur eine große Bedeutung bei der Schaffung qualifizierter Arbeitsplätze, sondern darüber hinaus auch hinsichtlich der Qualität und der Quantität der Arbeitsplätze. Umso wichtiger ist es, die Anzahl derartiger Gründungen in Mecklenburg-Vorpommern zu erhöhen. Einerseits wagen damit noch zu wenige Menschen den Schritt in die Selbstständigkeit, zum anderen mag es aber auch daran liegen, dass es in Zeiten wirtschaftlichen Aufschwunges weniger Unternehmensgründungen aus der Arbeitslosigkeit heraus gibt.

Aber dieses Segment betrachten wir hier und heute nicht. Uns geht es hier um die Gründung von innovativen technologieorientierten Unternehmen. Das größte Potenzial unserer Hochschulen, außeruniversitären Forschungseinrichtungen sowie Unternehmen nutzen wir seit Jahren für neue technologieorientierte Existenzgründungen. Eine ausreichende Kapitalausstattung ist aber eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg und die langfristige Überlebensfähigkeit dieser technologie- und wachstumsorientierten Unternehmen.

Die Höhe des Kapitalbedarfs, die existierenden Risiken und die schwer vorhersehbaren wirtschaftlichen Entwicklungen dieser jungen Technologieunternehmen führen bei den Kapitalgebern, wie zum Beispiel den Banken oder privaten Investoren, oft zur Zurückhaltung bei der Finanzierung. Eine ausreichende Eigenkapitalausstattung bildet die Voraussetzung für die Lebensfähigkeit der Unternehmen. Sie ermöglicht die Aufnahme von Fremdkapital und erlaubt es, Anlaufverluste zu verkraften sowie Schwankungen in der Ertragslage auszugleichen.

Einen wichtigen Beitrag zur Überwindung der Finanzierungsprobleme von Technologieunternehmen leisten Wagniskapitalgeber wie Venture-Capital-Gesellschaften. Sie können dem Bedarf der Unternehmen nach risikotragendem Kapital in Verbindung mit einer aktiven Managementunterstützung am besten gerecht werden.