Protokoll der Sitzung vom 01.07.2015

Und jetzt geht es weiter: „Verschiedentlich wird vertreten, dass die in Deutschland vorkommenden Wölfe Teil einer einzigen Population seien, die bis ins Baltikum reiche; diese erfülle in ihrer Gesamtheit die Anforderungen, die an einen günstigen Erhaltungszustand zu stellen seien; daher komme für diese Population auch eine Herabstufung in Anhang V FFH-Richtlinie in Betracht.“

(allgemeine Unruhe)

„Ich teile diese Auffassung nicht. Vielmehr ordne ich die im Nordosten Deutschlands vorkommenden Wölfe der sog. Zentraleuropäischen Tieflandpopulation (… ehedem Deutsch-Westpolnische Population) zu. Die ZEP ist eine eigenständige Population,“

(Glocke der Vizepräsidentin – Stefan Köster, NPD: Es hört Ihnen keiner mehr zu, Herr Heydorn.)

„die auch geografisch durch einen breiten, nahezu wolfsfreien Korridor in Polen von der Baltischen Populationen getrennt ist.“

Und so geht das weiter. Das heißt, wir sind hier weit entfernt …

Herr Heydorn, einen kleinen Augenblick.

(Heiterkeit bei Stefan Köster, NPD)

Meine Damen und Herren der Regierungskoalition, es ist Ihr Antrag. Ich möchte Sie wirklich bitten, dass Sie Ihrem eigenen Redner doch sehr gut zuhören.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ach, die hinteren Reihen meinen Sie jetzt!)

Wir haben über sachliche Debatte gesprochen, dann gehen Sie mit gutem Beispiel voran!

Herr Heydorn, Sie haben das Wort.

Ich will das an der Stelle abkürzen.

(Torsten Renz, CDU: Sehr gut.)

Dieser günstige Erhaltungszustand, der ist nicht gegeben, nach wie vor nicht. Wir haben es hier bei uns mit einer eigenen Population zu tun und da muss man nicht darüber nachdenken, dass man diese Dinge regulieren kann. Darüber kann man gerne Diskussionen führen. Die Dinge sind, wie sie sind, und das, denke ich, muss man einfach so akzeptieren und durchtragen. Deswegen bitte ich um Zustimmung für diesen Antrag. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat nun die Abgeordnete Frau Dr. Karlowski von der Fraktion DIE LINKE, oh, Entschuldigung, von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(Heinz Müller, SPD: Wir wunderten uns schon. – Vincent Kokert, CDU: Die verwischen die Grenzen immer mehr.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Meine Fraktion freut sich,

(Egbert Liskow, CDU, und Udo Pastörs, NPD: Oh!)

dass sich die Regierungskoalition auf sachlicher Ebene mit dem Thema „Wolf in Mecklenburg-Vorpommern“ auseinandersetzen möchte. Das ist auch dringend erforderlich,

(Egbert Liskow, CDU: So was sollten DIE GRÜNEN öfter machen.)

da vollkommen ungeprüft und kommentarlos immer wieder recht abstruse Meldungen ihren Weg in die Medien finden.

Auch im Fachausschuss haben wir uns im März mit diesem Thema, also mit dem Thema Wolf befasst. Dort allerdings war phasenweise bei einigen von Versachlichung wenig zu spüren. Denn wie passt es zu einer Versachlichung, wenn Sie, sehr geehrte Frau Kollegin Schlupp – das haben Sie heute auch noch mal zitiert –, über joggende Kinder fabulieren, denen prinzipiell der Wolf auflauern könnte, wie wir das im März im Ausschuss gehört haben. Das trägt wenig zur Versachlichung der Debatte bei.

(Egbert Liskow, CDU: Ihr seid Ignoranten da. – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Ja, Wölfe stellen eine Gefahr dar für Schafe,

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

insbesondere, wenn sie nicht entweder nachts eingestallt sind oder hinter entsprechenden Schutzzäunen stehen.

Dafür setzt sich das Wolfsmanagement in diesem Bundesland, wie wir finden, wirklich vorbildlich ein. Selbst die Schafhalter akzeptieren mittlerweile, dass der Wolf wieder da ist, und bringen sich konstruktiv und sachlich in den Dialog mit ein.

(Udo Pastörs, NPD: Schafe.)

Ich verweise hier auf ein gemeinsames Positionspapier zum Wolf von BUND und NABU auf der einen Seite, aber auch vom Jagdverband und dem Landesschafzuchtverband. Die gehen da genau in die gleiche Richtung Hand in Hand.

Doch zurück zur Berichterstattung in den Medien. So wurde zum Beispiel Anfang Juni in der „Bützower Zeitung“ eine Hochrechnung aufgemacht, wie viele Wölfe sich in wenigen Jahren in Mecklenburg-Vorpommern tummeln könnten, wenn sie sich weiter so erfolgreich vermehren würden. Mal abgesehen davon, dass die dort angenommene Bestandszahl von 40 Tieren im Jahr 2015 schon viel zu hoch liegt,

(Udo Pastörs, NPD: Woher wissen Sie, dass die Zahl zu hoch liegt?)

wird dann weiter behauptet, dass nach neun Jahren – also im Jahr 2024 – über 3.400 Wölfe in unserem Bundesland leben würden. Das ist, meine Damen und Herren, wirklich aberwitzig und das hat mit Sachlichkeit nichts zu tun. Daher ist Aufklärung dringend nötig und da sind wir auch einer Meinung mit der Intention des Antrages, dass wir hier mehr Aufklärung brauchen und mehr Sachlichkeit.

In ganz Europa leben heute schätzungsweise 20.000 Wölfe in zehn überwiegend voneinander isolierten Populationen. Die Population in Deutschland, wir haben das jetzt gerade auch von Herrn Heydorn gehört, ist ein Teil der mitteleuropäischen Tieflandpopulation. Zurzeit gibt es in Mecklenburg-Vorpommern zwei Wolfsrudel und ein paar Einzelgänger.

Noch mal zum Begriff des „Wolfsrudels“. Ein typisches Wolfsrudel ist einfach ein Familienverband und besteht aus den beiden Elterntieren – das sind gerade mal zwei – und den Nachkommen der letzten zwei Jahre. In der Regel verlassen die jungen Wölfe mit Erreichen der Geschlechtsreife im Alter von 10 bis 22 Monaten das elterliche Rudel auf der Suche nach einem Partner und einem eigenen Territorium. Dadurch bleibt die Zahl in diesem Rudel, was ein Familienverband ist, wie gesagt, relativ konstant bei einer kleinen Zahl von fünf bis zwölf Tieren. Große Rudel, die wir vielleicht kennen aus dem NUP, mit Leitwolf, Alphaweibchen und einer Rangfolge ähnlich wie der Hackordnung in einer Hühnerschar gibt es bei Wölfen, die in Gefangenschaft leben.

Dass in diesem Land nun die Zahl der Wölfe stark anwächst, vielleicht sogar exponentiell, ist die Folge davon, dass die Tiere sich momentan erst einmal wieder ansiedeln. Sie selbst siedeln sich an. Mit der Zeit wird die Zuwachskurve aller Voraussicht nach wieder abflachen und in ein etwa gleichbleibendes Niveau übergehen.

(Udo Pastörs, NPD: Na!)

Wie viel Tiere das dann sein werden, hängt stark von der durchschnittlichen Größe der Territorien ab. Meines Wis

sens sind die Territorien hier in der Region ungefähr 250 Quadratkilometer groß. Sie können also leicht ausrechnen, was die maximal theoretisch mögliche Zahl an Wölfen hier sein könnte. Wir sind jedenfalls weit weg von diesen in der Zeitung genannten 3.000 Tieren.

In Ihrem Antrag, meine Damen und Herren, stellen Sie zu Recht fest, dass der Wolfsmanagementplan eine gute Grundlage für den Umgang mit dem Wolf darstellt. Wenn Sie nun aber diesen Wolfsmanagementplan wirklich studiert haben, davon gehe ich aus, wird Ihnen auch nicht entgangen sein, dass drei Punkte von ganz zentraler Bedeutung genannt werden in diesem Plan.

Der erste Punkt ist: Der landesweite Schutz ist zwingend, das sind rechtliche Ableitungen aus schon erwähnten Schutzstaaten.

Zweitens. Ausnahmen vom Störungsverbot, Fangverbot oder Tötungsverbot sind möglich, aber nur im begründeten Einzelfall.

Drittens. Festlegungen zu einem etwaigen Zielbestand – wir haben das Wort „Obergrenze“ hier gerade gehört –, zur Abschusszahl oder zu einer vorsorglichen Bestandsregulierung sind ausgeschlossen. Das ist de facto heute der Stand.

Insofern sind Ihre Forderungen zur Ausweisung von weiteren Wolfsgebieten oder gar der Überprüfung des Status gemäß der FFH-Richtlinie, was ja nichts anderes heißen wird, als den Schutzstatus aufzuheben oder abzuschwächen, nicht nur überflüssig, sondern sie stehen im krassen Widerspruch zu dem, was Sie andererseits in Ihrem Antrag begrüßenswert finden, dass der Wolf sich wieder angesiedelt hat, und Sie selbst in Ihrem Antrag feststellen, dass der Wolfschutz eine gesetzliche Verpflichtung ist.

Wir haben glücklicherweise in unserem Bundesland, Herr Minister Dr. Backhaus hat es ausgeführt, ein gut funktionierendes Netzwerk speziell geschulter Vertreter der Jagdverbände, der Forstwirtschaft, der Großschutzgebiete und der Naturschutzverbände, die als Wolfsbetreuer allen Hinweisen auf das Vorkommen von Wölfen nachgehen. Wenn festgestellt wird, dass ein Wolf tatsächlich in einer Region sesshaft geworden ist, dann wird bereits mit dem jetzigen Wolfsmanagement dieses Gebiet zu einem Wolfsgebiet ernannt. Das ist jetzt schon Usus.

Der Landesschaf- und Ziegenzuchtverband – wir haben auch dieses Schreiben bekommen, was Frau Dr. Schwenke erwähnt hat – forderte, ganz Mecklenburg-Vorpommern zum Wolfsgebiet zu erklären, da nur in ausgewiesenen Wolfsgebieten, das wäre das ganze Bundesland, Fördermittel für vorbeugende Maßnahmen zur Verfügung gestellt würden und man sozusagen dann alle Schafherden im Land, also auch da, wo es bisher gar keinen Wolf gibt, vorbeugend schützen könnte.

Dazu muss man aber sagen, dass dann, wenn das so käme, auch alle Schäfer, die nicht entsprechend vorbeugen, gar keine Entschädigung mehr erhalten würden, denn im Moment ist es so geregelt, dass in einem Wolfsgebiet die Nutztierhalter die Verpflichtung haben, einen Schutz für ihre Schafe aufzubauen. Dann, wenn sie den aufgebaut haben, wird im Falle eines Risses ein Ausgleich gezahlt. Außerhalb dieser Wolfsgebiete ist dieser Schutzzaun gar nicht erforderlich. Hier wird bei jedem

Wolfsriss eine Zahlung gewährt. Das ist eigentlich eine ganz gute Situation zurzeit.

Man hat sich in unserem Bundesland entschieden, dass die Ausweisung eines Wolfsgebietes an das tatsächliche Vorkommen von Wölfen angepasst wird. Das ist in jedem Fall sehr schnell möglich. Es hat sich bewährt und braucht nicht extra eingefordert zu werden. Unsere Fraktion glaubt daher nicht, dass es besonders hilfreich sein würde, ganz Mecklenburg-Vorpommern zum Wolfsgebiet zu erklären, was Ihr Antrag auch nicht gefordert hat. Genau das haben Sie, Frau Schlupp, auch schon im März in der Sitzung des Agrarausschusses ganz richtig erkannt.

Der Wolf steht, wie wir es gehört haben, in Anhang IV der FFH-Richtlinie. Für Eingriffe in Populationen dieser Kategorie braucht es triftige Gründe. Das Erreichen einer bestimmten Anzahl von Tieren ist jedenfalls kein solch triftiger Grund. Das heißt, eine Art wird nicht dadurch jagdbar, dass sich die Population günstig entwickelt und stabilisiert hätte. Meine Fraktion ist daher davon überzeugt, dass es keiner speziellen Regelung bedarf, was mit verhaltensauffälligen Wölfen zu geschehen hat, denn es gibt schon jetzt genügend viele Handlungsmöglichkeiten. Schon jetzt ist klar, völlig klar, dass Tiere, von denen eine Gefahr für die Bevölkerung ausgeht, auch erschossen werden dürfen. Das gilt im Übrigen auch für Hunde, für Bullen oder andere nicht vom Jagdgesetz erfassten Tiere, die im Ernstfall natürlich erschossen werden dürfen. Das ist auch in dem Fall dann kein Auftrag an irgendeinen Jagdpächter, sondern das wird an speziell ausgebildete Fachleute übertragen. Dazu haben wir heute schon was gehört.