Protokoll der Sitzung vom 03.07.2015

Heute verfügen wir im Vergleich zu den 90er-Jahren über erheblich mehr Kenntnisse und Fortschritte im Meldewesen sowie bei der Zusammenarbeit der Küstenländer untereinander und eine Zusammenarbeit mit dem Bund gibt es auch. Ende 2011 wurde der bereits erwähnte Bericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Nord- und Ostsee veröffentlicht und wir haben insgesamt mehr Transparenz im Verfahren. Zu Beginn eines jeden Jahres erscheint ein Entwicklungs- und Fortschrittsbericht. Und es gibt auch teilweise eine gezielte Erkundung und Archivrecherche über Vorkommen, Mengen und den Zustand der Altmunition in der Ostsee, genau so, wie es im Antrag der GRÜNEN von der Landesregierung gefordert wird. Das trifft in Mecklenburg-Vorpommern aber nur auf Standorte zu, die irgendeiner Nutzung mit Eingriffen in den Meeresgrund unterliegen. Nein, flächendeckend wissen wir nichts, nirgends, auch nicht in unserem Zuständigkeitsbereich, aber angesichts der Tatsache, dass die Ostsee nahezu flächendeckend stark munitionsbelastet ist, stelle ich mir die Frage, ob dies nach dem Stand der technischen und personellen Möglichkeiten für Mecklenburg-Vorpommern überhaupt machbar ist. Flächendeckende Erkundungen müssten dann auch flächendeckende Lösungen zur Folge haben. Man braucht kein Prophet zu sein, um zu sagen, das MecklenburgVorpommern das allein nicht schaffen kann. Um aktiv und großflächig Altmunition zu suchen und zu beräumen, brauchen wir das gemeinsame Handeln mit den anderen Küstenländern und wir müssen den Bund mehr in die Pflicht nehmen.

Mir ist bekannt, dass die Bund-Länder-Arbeitsgruppe durchaus an diesen Problemen arbeitet. Das zeigt auch der letzte Fortschrittsbericht vom Anfang dieses Jahres. Das gilt auch für das geforderte Umweltmonitoring, das von Mecklenburg-Vorpommern nicht allein bewältigt werden kann. Der Bund muss seine Rolle als Beobachter und gegebenenfalls Unterstützer aufgeben und selbst auch aktiv werden.

Überhaupt zum Bund: Nach dem Allgemeinen Kriegsfolgengesetz finanziert der Bund Maßnahmen zur Beseitigung von unmittelbaren Gefahren für das Leben oder die Gesundheit von Menschen auf nicht bundeseigenen Liegenschaften, soweit es sich um ehemals reichseigene Gefahren handelt und ein Handlungs- oder Zustandsstörer nicht haftbar gemacht werden kann. Haben Sie das verstanden? Schönes Juristendeutsch. Diese Vereinbarung mit den Ländern gilt an Land wie auf See. Sie stammt aus den 50er-Jahren und ich halte es gelinde gesagt für einen Skandal, dass sie heute noch gilt. Es bedeutet nämlich nichts anderes, als dass der Bund die Bergung und Vernichtung von Altmunition, Munitionsresten oder Kriegsgerät finanziert, die eindeutig dem Deutschen Reich zugeordnet werden können, und das auch nur mit dem daraus genau zuordenbaren Anteil. Mit anderen Worten, was von den Alliierten verklappt worden ist oder im Laufe von Manövern nach dem Krieg von den Manöverbeteiligten und auch der Nationalen Volksarmee über Bord ging, das interessiert heute niemanden mehr, zumindest nicht den Bund.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ja, das ist ein Unding.)

Diese Regelung ist für mich absurd, völlig überholt und gehört abgeschafft. Eine neue Vereinbarung muss her,

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE und Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

zumal – der Minister ist auch schon darauf eingegangen – wir ein großes Altlastenproblem auch im Landesinneren haben, zum Beispiel im Müritz-Nationalpark und übrigens bei allen verlassenen Militärstandorten.

Doch zurück zum Antrag: Ihre Forderung an die Landesregierung, liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, dass für Strandaufspülungen kein munitionsbelastetes Material verwendet werden darf, finde ich nachvollziehbar. Das hätte aber deutliche Konsequenzen:

Erstens gibt es vor unserer Küste kaum eine Sandentnahmestelle, die nicht munitionsbelastet ist oder zumindest unter dem Verdacht steht. Vor Rerik oder Boltenhagen sehe ich da überhaupt keine Alternative.

(Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zweitens würden eine Sandgewinnung weitab vom benötigten Ort, der Transport des Sandes und eine anschließende Aufspülung die Kosten für den Küstenschutz regelrecht explodieren lassen. Das wäre noch zu akzeptieren, wenn wir denn die Garantie bekämen, dass keine Munitionsbelastung vorliegt. Aber die gibt es nicht.

Es sollte daher aus unserer Sicht beim bisherigen Verfahren der Einzelfallentscheidung bleiben, aber die Forderung muss lauten, das Verfahren muss so sicher werden, dass keine Munition auf den Strand gelangen kann.

(Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und unter Punkt II. 4 haben Sie natürlich auch recht, dass die Information über das Gefährdungspotenzial und

den Umgang mit Fundstücken weißen Phosphors entschieden verbessert werden muss.

Meine Fraktion sieht dabei aber nicht allein das Land in der Verantwortung. Das kann nur in der Zusammenarbeit aller Akteure vor Ort geschehen. Das sind Land, Kommunen, Tourismusverband, Hoteliers, Vermieter von Ferienwohnungen, regionale Presse und so weiter.

Lassen Sie mich kurz die Haltung meiner Fraktion zusammenfassen: Wir teilen, wie gesagt, das Anliegen des vorliegenden Antrages. Wir sehen die Gefahren und wollen alles dafür tun, dass diese Gefahren nicht fortexistieren. Die Linksfraktion erwartet von der Landesregierung mehr Engagement und Initiative in Sachen Altmunition im Küstenmeer, aber auch an Land. Wir denken aber auch, dass wir die Landesregierung nicht allein für alle notwendigen Schritte verantwortlich machen können und sollten. Mecklenburg-Vorpommern sollte seine Mitarbeit in der BundLänder-Arbeitsgruppe verstärken und dort aktiver werden.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Genau.)

Gemeinsam mit den anderen Küstenländern sollte der Bund zu mehr Verantwortung gezwungen werden. Das Allerwichtigste ist jedoch zunächst, dass es Streit um Schuld und Kompetenzen in der Landesregierung in dieser Frage nicht geben darf. Es geht hier nicht um Kleinigkeiten, es geht um die Sicherheit von Mensch und Umwelt. Wir werden uns zu Ihrem Antrag der Stimme enthalten. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der NPD der Fraktionsvorsitzende Herr Pastörs.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein Thema, was hier heute auf der Tagesordnung steht, was alle Menschen insofern berührt, als dass es jeden, der sich am Strand, aber auch in anderen Gebieten unseres Landes aufhält, treffen kann, wenn dort etwas explodiert oder etwas passiert und er in Kontakt kommt mit Kampfstoffen, die dort seit dem Zweiten Weltkrieg unberührt lagern.

Wir haben die Situation nicht nur in Mecklenburg-Vor- pommern, dass wir riesige Mengen Altlasten auf diesem Gebiet wegzuräumen haben. Ich habe Gott sei Dank ganz zufällig einen langjährigen freundlichen Kontakt zu einem Spezialisten aus den Niederlanden, der auch hier in Mecklenburg-Vorpommern viele Jahre für eine Spezialfirma diese Munitionsbergung mit geleitet hat,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ausländer! Ausländer als Freunde! – Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Ausländer- kontakte zu Ausländern! – Heinz Müller, SPD: Na, Niederländer gelten ja noch als Arier.)

und ich habe ihn gebeten, mir doch mal ein oder zwei Hinweise zu geben. Der Mann ist heute international tätig und berät in diesen Dingen weltweit. Er meinte zu dem Problem des Sandaufspülens und des Reinigens von Munition, dass gerade das, was die GRÜNEN fordern, komplett falsch ist, wenn sie fordern, dass in den Gebieten, wo also Munition vermutet wird, nicht abgebaut werden soll, kein Sand entnommen werden soll.

(Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist geradezu wichtig, sagte mir dieser Fachmann, dass man genau dort abbaut, weil nämlich dann zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden können. Voraussetzung ist allerdings, dass technologisch zu 100 Prozent sichergestellt wird, dass man die Festmunition ganz sicher aus dem Sand entfernt und somit entsorgen kann und gleichzeitig dann den Rohstoff dorthin verbringt, wo er benötigt wird. Das ist auch eine Frage der Kosten und der nahen Wege, gerade auf diesem Gebiet.

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Super Idee.)

Ein größeres Problem stellt natürlich dar, dass, was hier in Mecklenburg-Vorpommern zu vermuten ist, die 65.000 Tonnen chemischer Munition – es handelt sich da meist um das Nervengift Tabun – nicht so leicht zu entsorgen sind, und auch die Bergung macht doch sehr oft große technische Schwierigkeiten. Dieses Gift, wenn es freigesetzt wird, ist jedoch nicht direkt so gefährlich für den Menschen wie die anderen Munitionsreste, weil nämlich durch das Wasser eine so große Verdünnung stattfindet, dass hier von einer unmittelbaren Gefahr nicht ausgegangen werden kann, hat er mir gesagt. Und diesem Herrn glaube ich dann mehr als der Frau Dr. Karlowski, die hier mit einem spektakulären Antrag auftaucht und glaubt, dass sie damit ihre Klientel zufriedenstellen kann.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, noch ein Wort zum sogenannten Monitoring. Wie soll denn dieses Monitoring praktisch aufgebaut sein? Wer soll es bezahlen, finanzieren, und nach welchen Parametern soll dieses Monitoring denn durchgeführt werden? Das würde mich interessieren, Frau Karlowski, wenn Sie das noch mal erläutern. Das, was wir im Kampfmittelkataster bisher haben, ist sehr umfangreich und wird auch immer ergänzt. Wir haben es gehört vom Innenminister, wir haben einen Munitionsräumdienst, einen Munitionsbergungsdienst in der Nähe, wo ich wohne – wir haben da auch ein Riesenproblem in Lübtheen durch den ehemaligen Schießplatz –, der seit vielen Jahren sehr, sehr gute Arbeit macht. Jedoch – und da stimme ich der Sprecherin der LINKEN zu, Frau Schwenke, die das sagt – muss da mehr getan werden, auch an Land muss mehr getan werden. Wir haben allerdings die Situation, dass die Menge so gigantisch ist und die Aufgabe so groß ist, dass sie uns noch für Jahrzehnte beschäftigen wird.

Eine Anmerkung noch zur Feststellung von Frau Dr. Schwenke, was ich nicht wusste und wo ich dank- bar bin, dass sie es hier noch mal ausgeführt hat, und zwar, dass für die Hinterlassenschaften der sogenannten Siegermächte, der Befreier, der Bund nicht eintritt, sondern da so eine juristische Grauzone ist, wer zahlt das, was da herausgeholt wird.

(Michael Andrejewski, NPD: Na, Deutschland.)

Am Ende werden wir es zahlen, denn die Amerikaner werden nicht kommen und sagen, also die Munition, womit wir die deutsche Zivilbevölkerung verbrennen wollten, das Phosphor, holen wir auf unsere Kosten raus, sondern, das macht ihr mal schön selber.

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Und insofern ist das mehr oder weniger eine Feststellung gewesen, die zwar in der Sache interessant war, uns aber de facto nicht weiterbringt, weil am Ende zahlen wir Deutschen auch für die Altlasten und die Hinterlassenschaften der Roten Armee ebenso wie für die Hinterlassenschaften der sogenannten Befreier und Alliierten.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Nazis haben den Krieg begonnen und verloren.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, damit ist deutlich geworden, wie meine Nationaldemokratische Fraktion hier in diesem Landtag zu diesem Problem steht, wie die NPD das sieht, und daraus folgert nämlich ganz klar, dass wir diesem Antrag, so, wie er hier vorgebracht worden ist, mit null Substanz, nur mit populistischen Punkten, vier populistischen Punkten, dass wir so einem Antrag nicht zustimmen können. Versuchen Sie, ihn etwas aufzubessern, werden Sie konkreter,

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

und dann kann es dazu führen, dass auch meine Fraktion Ihnen ausnahmsweise mal zustimmt. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD – Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Ich denke, darauf können wir verzichten.)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Ringguth.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Guten Morgen, meine Damen und Herren! Ja, das für mich jedenfalls eigentlich Schlimmste an der ohnehin unsäglichen Berichterstattung, wie ich fand, zu Munitionsaltlasten in der Ostsee waren die Fotos. Das sehen auch Tausende Touristen so, und zwar nicht nur an der Küste, weil von diesen Fotos eine schreckliche Spannung ausging. Die schönsten Tage im Jahr, Urlaub, Sonnenschein, Unbeschwertheit, und dann diese Munitionsreste, Gefahr, Tod, Untergang, das alles in einem Foto. Das ist genau das, was die Touristiker schrecklich fürchten müssen, weil das mit dem Image einer Urlaubsdestination zu tun hat.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Wir sind da wirklich in einem harten Wettbewerb, und zwar nicht nur mit der polnischen Ostseeküste oder schleswig-holsteinischen Ostseeküste, darüber hinaus ja auch im Binnenland, Land der tausend Seen. Mit Destinationen in ganz Europa befinden wir uns im unmittelbaren Wettbewerb. Und das ist genau das, was das Buchungsverhalten ganz entscheidend beeinflusst, wenn es Imageverluste gibt, und das am Anfang dieser Saison.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Herr Ringguth, wollen Sie das unter der Decke halten?!)

Frau Dr. Karlowski, das ist das Schlimme, und das mache ich Ihnen auch zum Vorwurf,

(Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

dass Sie zu einer Unzeit – es ist ja so eine Lebenserfahrung –, wenn denn endlich eine Gefahr zunächst mal beseitigt ist, wenn die Menschen, wie mein Kollege Müller gesagt hat,

(Zurufe von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, und David Petereit, NPD)

wieder unbeschwert baden gehen können, genau in einem solchen Augenblick mit so einem GRÜNEN-Antrag kommen. Und ich sage, das ist so eine Lebenserfahrung, denn dann kommt ein Kamel und grast das Gras, das eben darüber gewachsen ist, ab.

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)