Ich habe es vor zwei Wochen auch schon gesagt: Ja, ich mache mir Sorgen, ja, meine Fraktion macht sich Sorgen,
(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Ha, ha! – Peter Ritter, DIE LINKE: Sorgenvolle Mienen vor dem Schloss.)
Wir machen uns aber nicht nur Sorgen um diese Ausbreitung der Pandemie und des Virus, sondern wir machen uns Sorgen um die Wirtschaft, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt, den Sie durch Ihre Maßnahmen hier immer weiter auseinanderdriften lassen. Hinzugekommen sind nämlich die Überschuldung und das Risiko, die Finanzhoheit über unsere Angelegenheiten zu verlieren.
Wenn schon, wenn schon Europa sagt, Deutschland, ihr könnt nicht weiter so mit euren Hilfen umherschleudern, ihr macht mehr als alle anderen Länder, das weckt Begehrlichkeiten, da sehen wir doch, dass wir unsere eigene Souveränität schon längst an die Europäische Union abgegeben haben.
Und auch dafür tragen Sie mit diesem geschaffenen Sondervermögen, das nur zum Teil in einem bedingten Zusammenhang mit der Pandemie steht, die Verantwortung.
Liebe Bürger von Mecklenburg-Vorpommern, es ist an der Zeit, den blinden Corona-Aktionismus der Landesregierung zu beenden.
Wir brauchen einen langfristigen Plan, der zuerst die gefährdeten Gruppen schützt und Wirtschaft, Kultur und Bildung wieder Luft zum Atmen gibt. – Herzlichen Dank!
Gestatten Sie mir an dieser Stelle noch einen Hinweis: Ich bitte darum, in den Reden auch den parlamentarischen Sprachgebrauch, den auch entsprechend anzuwenden. Dazu zähle ich nicht Worte wie „rumzublöken“ oder „Totenscheine auszustellen“. Ich bitte das einfach zukünftig zu berücksichtigen.
(Unruhe vonseiten der Fraktion der AfD – Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Er wird ja noch Herrn Barlen zitieren dürfen!)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das war ein gut gemeinter Hinweis. Insofern bitte ich, den einfach auch zu berücksichtigen. Bei allem Verständnis für eine hitzige Debatte ist es meine Aufgabe, ein Stück weit auch zu gewährleisten, dass wir uns hier im parlamentarischen Sprachgebrauch bewegen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um es vorwegzusagen, wenn ich vor acht Wochen gefragt worden wäre, ob ich davon ausgehe, dass wir Mitte Dezember im Landtag erneut über erhebliche Grundrechtseinschränkungen beraten müssen, hätte ich das wohl verneint, ebenso, wie ich noch im Februar verneint hätte, ob ich es für vorstellbar halte, dass wegen eines Virus über einen längeren Zeitraum Gaststätten oder Friseure schließen müssen.
Wir alle fahren bei der Pandemie bis zu einem gewissen Grad auf Sicht, und auf diesen Umstand werde ich in meiner Rede noch detailliert zu sprechen kommen. Als vor sechs Wochen Bund und Länder einen Lockdown light beschlossen haben, da wurde dies unter der Maßgabe getan, man könne Anfang Dezember wieder lockern. So war es eigentlich mal geplant und darauf ha
ben sich viele Menschen eingerichtet. Die etwas Pessimistischeren waren sich damals schon sicher, dass die getroffenen Maßnahmen deutlich länger in Kraft bleiben müssen. Die sehr Pessimistischen, zu denen allem Anschein nach auch die Kanzlerin zählte, hatten damals wohl bereits das Gefühl, dass ein deutlich härterer Lockdown die richtige Maßnahme gewesen wäre.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe keine Lust, darüber zu diskutieren, was man wie hätte machen müssen, können oder sollen. Hinterher ist man immer schlauer, und das gilt insbesondere in der Pandemie, deren Verlauf sich nur schlecht vorhersagen lässt. Deswegen bringt es auch nichts, mit dem Finger aufeinander zu zeigen und herausfinden zu wollen, wer woran eigentlich die Schuld trägt. Es wäre schön, wenn wir uns hier alle darauf einigen könnten: Wir leben in einer Pandemie, und die Schuld daran trägt ein Virus.
Ich stelle fest, dass sich dieses Virus weder aus Mecklenburg-Vorpommern aussperren lässt, noch lässt es sich davon beeindrucken, dass die Inzidenz in unserem dünn besiedelten, gut durchlüfteten Bundesland über lange Zeit ziemlich niedrig war. Ich stelle ferner fest, dass die Inzidenz in Mecklenburg-Vorpommern inzwischen fast auf dem Niveau von Niedersachsen liegt und dass wir uns mit großen Schritten dem deutschen Durchschnitt nähern. Das ist eine durchaus erwartbare Entwicklung, ebenso, wie erwartbar war, dass im Herbst beziehungsweise Winter die Zahl der Atemwegsinfektionen eher steigt. Und der Grund für solche Infektionen ist zu einem ganz wesentlichen Grad, dass sich die Menschen aufgrund der Witterung und der kürzer werdenden Tage vermehrt in geschlossenen Räumen aufhalten, in denen Aerosole sehr gute Verbreitungsbedingungen vorfinden.
Das bedeutet nicht, dass man politisch eh nichts gegen die Ausbreitung des Virus tun kann, ganz gewiss nicht, aber die Wirksamkeit politischer Maßnahmen exakt vorhersagen zu können, ist schwierig und hängt von sehr vielen Faktoren ab. Nach meinem Empfinden haben Bund und Länder zu jedem Zeitpunkt mit sehr großer Verantwortung gehandelt. Es wurde politisch immer ziemlich genau das gemacht, was in der Gesamtschau für vernünftig gehalten wurde, und nichts anderes dürfen die Bürgerinnen und Bürger von uns erwarten.
Wenn es einen politischen Fehler gab, dann, dass mancher mitunter den Eindruck erweckt hat, es gäbe Orte in Deutschland, in denen Menschen mehr dafür tun, dass sich das Virus fernhält. Heute sind wir alle klüger. Bund und Länder haben sich am Wochenende auf eine Verschärfung des Lockdowns geeinigt, und das ist in der gegenwärtigen Situation der absolut richtige Schritt. Die Maßnahmen, die vereinbart wurden, gelten zunächst einmal bis 10. Januar und bedeuten für uns alle erhebliche Einschränkungen, die denen im Frühjahr ähneln. Sie bedeuten für viele Gewerbetreibende erhebliche finanzielle Einbußen und für viele Menschen einen harten Eingriff in ihr soziales Leben.
Die Eingriffe in die wirtschaftliche Betätigung bekommen wir durch finanzielle Hilfen halbwegs abgefedert. Der Eingriff in das soziale Leben der Menschen ist dagegen finanziell nicht auszugleichen. Es gibt Einschränkungen, die gerade an Weihnachten eine erhebliche Belastung für uns alle darstellen, und doch sind diese Einschränkungen notwendig. Der Verzicht auf Einschränkungen hat
Infektionen zur Folge, die zwar in der Regel milde verlaufen können, vielfach verlaufen die Infektionen aber auch schwer und manche führen sogar zum Tode.
Das Weihnachtsfest ist neben dem Osterfest und dem Pfingstfest das wichtigste Fest im Kalender der Christen weltweit. Ich bin kein Theologe und der Landtag ist keine Kirche, trotzdem, das diesjährige Weihnachtsfest wird ein stilleres Fest werden. Dass wir auf sehr vieles verzichten müssen, was das Weihnachtsfest traditionell ausmacht, wird uns alle auf eine harte Probe stellen. Es führt aber kein Weg daran vorbei. Ignoranz und allzu große Sorglosigkeit können in diesem Jahr im wahrsten Sinne des Wortes tödlich sein. Wenn wir in diesem Jahr nicht maßhalten wollen, werden wir mit vielen Menschen, die unsere Liebsten sind, das kommende Weihnachtsfest nicht mehr feiern können. Das muss jedem bewusst sein.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, trotzdem, wir stehen der Pandemie nicht hilflos gegenüber. Die Marschroute, auf die sich Bund und Länder geeinigt haben, wird ihre Wirkung entfalten, vielleicht nicht sofort, vielleicht auch nicht in dem Maße, wie es sich mancher erhofft. Trotzdem sollte klar sein, dass der verschärfte Lockdown definitiv eine Bremsung des Infektionsgeschehens zur Folge haben wird. Eine Langfristlösung kann das aber nicht sein und die langfristige Lösung kann nur in einer schrittweisen Immunität gegen das Virus liegen. Während viele im Sommer noch befürchtet haben, es könne sehr lange dauern, bis ein Impfstoff vorliegt, lautet die gute Nachricht dieser Tage, der Impfstoff ist da, er muss in der EU lediglich noch die letzten Zulassungshürden nehmen. In Großbritannien und den USA wird er bereits genutzt.
Erstaunlicherweise sind momentan genau diejenigen Menschen, die die Gefahr des Virus systematisch versucht haben herunterzuspielen, auch diejenigen, die systematisch Unwahrheiten über den Impfstoff verbreiten. Mir ist bewusst, dass diese Landtagssitzung vielleicht weniger Aufmerksamkeit erfährt, als sie es verdient hätte, trotzdem sei an dieser Stelle gesagt, ausnahmslos jeder Impfstoff hat Nebenwirkungen, auch der Impfstoff gegen Covid-19 hat Nebenwirkungen,
und trotzdem sind die Nebenwirkungen seltener und vor allem milder als die Folgen einer Infektion mit dem Virus.
Und natürlich gibt es mit einem Impfstoff gegen ein neuartiges Virus keine Langzeiterfahrung. Wer Langzeittests wünscht, der spricht sich gleichzeitig für einen jahrelangen Lockdown aus und ignoriert, dass der Impfstoff nach höchsten wissenschaftlichen Standards geprüft wurde.
Wer Menschen erzählt, nicht das Virus sei die Gefahr, sondern der Impfstoff, der macht sich mitschuldig am Tod vieler Menschen. Das muss jedem klar sein, der im Bekanntenkreis ungeprüft Falschmeldungen verbreitet.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, niemand von uns weiß, wie die Pandemie weiter verlaufen wird, und
trotzdem sind wir nicht hilflos. Die Kontaktbeschränkungen helfen, das Virus einzudämmen, die finanziellen Programme helfen, die Folgen der Kontaktbeschränkungen einzudämmen, und der Impfstoff hilft, uns langfristig gegen das Virus zu wappnen. Es gibt aus meiner Sicht keinen besseren Ansatz, um mit dieser Heimsuchung fertigzuwerden, die Covid-19 für uns alle darstellt. Vertrauen wir darauf, dass dieser Ansatz funktioniert! Verzichten wir darauf, die evidenzbasierte Medizin durch Meldungen aus fragwürdigen Quellen in Zweifel zu ziehen, und verzichten wir auf persönliche Profilierungsversuche! Dann spricht hoffentlich sehr vieles dafür, dass wir im kommenden Jahr ein Osterfest feiern, wie es unter Christen gute Tradition ist. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Und wir haben gedacht, wir hätten es im Griff. Wir haben wirklich geglaubt, dass wir ziemlich glimpflich davonkommen werden, aber nun sind wir heute wieder hier, diskutieren neue, weitreichendere Maßnahmen für ein komplettes Herunterfahren unseres Lebens: Schließung des Einzelhandels, Aufhebung der Präsenzpflicht an den Schulen, Tests in Alten- und Pflegeheimen sowie in Krankenhäusern, weniger Kontakte, keine Gaststättenbesuche, keine Konzerte, kein Theater, kein Kino, kein öffentliches Leben.
Das alles tut weh. Niemanden aus den Fraktionen der Vernünftigen fällt auch nur eine einzige Einschränkung leicht. Eigentlich wollten wir in einer Sondersitzung Lockerungen verkünden, wir wollten wieder mehr Leben zulassen. Aber was machen wir stattdessen? Wir würgen große Teile des Lebens ab. In den ersten beiden Novemberwochen habe ich wirklich geglaubt, dass der sogenannte Teillockdown erfolgreich sein würde. Aber nach den 14 Tagen war klar, wir haben Corona nicht so im Griff wie im Frühjahr, Corona hat uns im Griff.
Deshalb muss auch die Frage diskutiert werden, ob diese neuen Beschränkungen zu spät kommen. Was nützen sie jetzt noch? Heute hü, morgen hott. Hätte man früher handeln müssen? Ja, hätte man! Hätte man, wenn wir gewusst hätten, dass Wissenschaftler auch mal irren. Hätte man, wenn unsere Hoffnungen kleiner gewesen wären und wenn wir nicht aus dem Frühjahr die Erfahrung gemacht hätten, wie grauenvoll ein Lockdown ist. Wir wissen, dass der erste Lockdown vieles niedergewalzt hat. Deshalb haben wir alles versucht, damit sich diese Dramatik nicht wiederholt.
Sehr geehrte Damen und Herren, seien wir mal ehrlich: Im März haben wir doch nur so schnell und auch konsequent gehandelt, weil wir nicht von dem Ausmaß gewusst haben, dass Corona Familien kaputt macht und Existenzen zerstört. Wir haben nicht vermutet, dass das Virus so hartnäckig, heimtückisch und unberechenbar ist. Wir haben nicht geahnt, dass Corona Strukturen, Kontakte und lieb gewonnene Alltäglichkeiten auslöscht. All diese Erfahrungen haben dazu beigetragen, jetzt eben zögerlicher, vorsichtiger und behutsamer zu handeln, und das
ist nun auch wieder nicht richtig. Nun haben wir nur noch die Wahl, unser Leben rigoros einzuschränken, bevor es uns komplett einschränkt und uns lahmlegt. Noch haben wir den Hauch einer Chance zu reagieren, obwohl uns das Virus treibt und jagt. Es ist ein Wettlauf, bei dem wir unseren Vorsprung verloren haben. Der NovemberLockdown hat kaum Wirkung gezeigt, weil er die Kontakte nicht wirkungsvoll eingedämmt hat, denn statt in den Gaststätten trafen sich die Menschen in den Möbelhäusern, statt in den Kinos saß man in den Bussen und Bahnen dicht nebeneinander und statt auf dem Weihnachtsmarkt begegnete man sich im Supermarkt.
Sehr geehrte Damen und Herren, bei allen Maßnahmen, für die wir uns mit Vernunft, aber schweren Herzens entscheiden, dürfen sich die Fehler des ersten Lockdowns nicht wiederholen,