Protokoll der Sitzung vom 18.05.2017

Zusammenfassend ist zum Feststellungsantrag festzuhalten: Der Bürger muss mehr zahlen, er muss mehr Zeit aufwenden und bekommt als Gegenleistung keine bessere Justiz.

Auch die Aufforderung in dem Antrag an die Landesregierung trägt meine Fraktion mit. Es ist richtig, die augenscheinlichen Nachteile systematisch zu erfassen. Genau das ist umgekehrt vor der Gerichtsstrukturreform leider nicht passiert. Stattdessen sind SPD und CDU mit der Rasenmähermethode übers Land gegangen und haben mal eben ohne gründliche Expertise die Hälfte aller Amtsgerichte geschlossen. Nunmehr sollten gezielt Daten, etwa finanzielle und zeitliche Mehraufwendungen, erhoben werden, um wenigstens die gröbsten Missgriffe der Reform rückgängig zu machen. Hierzu ist eine Expertenkommission ebenfalls richtig. Leider ist auch dies vor der Reform nicht geschehen, und nicht nur das. SPD und CDU haben sich mit einer unglaublichen Arroganz über fast den gesamten Sachverstand hinweggesetzt.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Der Landtag Mecklenburg-Vorpommern hat am 5. und 6. Juni 2013 sowie am 28. August 2013 öffentliche Sachverständigenanhörungen durchgeführt. 65 Sachverständige wurden angehört. Fast alle – fast alle, meine Damen und Herren – haben vor dieser Reform gewarnt. Viele Praktiker forderten immer wieder, dass erst ein Reformbedarf konkret vor Ort ermittelt werden muss, bevor Gerichte geschlossen werden. Das ist überhaupt nicht geschehen. Es ist in der Vergangenheit immer schon mal geschehen, dass eine Zweigstelle eines Gerichtes geschlossen wurde und konkret festgestellt wurde vor Ort, ein Bedarf ist nicht mehr vorhanden. Das ist hier schlichtweg einfach nicht passiert.

Besonders wichtig ist der Antrag zu II.2, mit dem bis zum Ende dieses Jahres der Untersuchungsbericht vorzulegen ist. Da muss ich der Frau Ministerin widersprechen.

Diese Angelegenheit darf nicht auf die lange Bank geschoben werden. Es ist möglich, die gröbsten Fehler der Gerichtsstrukturreform zu beheben. Die AfD wird sich hierfür einsetzen. Die Regierung muss dringend handeln, um dem Zentralismuskurs entgegenzuwirken. Die Bürger haben schlichtweg die Nase voll davon, dass ihnen ihr Leben in allen möglichen Bereichen immer weiter erschwert wird.

Damit bin ich auch schon beim letzten Punkt, der Umsetzung der gewonnenen Erkenntnisse. Es wird sehr wahrscheinlich notwendig sein, Teile der Reform rückgängig zu machen. Ich denke da zum Beispiel an Vorpommern. Hier müssen die besonderen Situationen auf den Inseln Rügen und Usedom berücksichtigt werden. Sowohl die Insel Rügen als auch die Insel Usedom werden wieder ein eigenes Amtsgericht benötigen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Ich bin mir sicher, auch in weiteren Gerichtsbezirken werden Korrekturen notwendig sein.

Sehr geehrte Damen und Herren von SPD und CDU, wenn Sie der festen Überzeugung sind, dass Ihre Gerichtsstrukturreform richtig gewesen sei, dann dürften Sie doch jetzt auch keine Angst vor einer Überprüfung haben.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Wir werden dem Antrag zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Das Wort hat der Abgeordnete Ehlers von der Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man sich den Antrag der LINKEN durchschaut, dann kommt einem fast der Eindruck, als wolle sich die Kollegin Bernhardt hier als Lucky Luke des Landtages profilieren. Der hat ja bekanntlich auch schneller geschossen als sein Schatten.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Was ist denn das für eine Sendung?)

Nicht mal zweieinhalb Monate, nachdem das letzte Amtsgericht geschlossen wurde und damit die Reform umgesetzt wird, kommen Sie hier schon mit diesem Antrag. Also nichts gegen eine schnelle und zügig arbeitende Opposition, aber ich finde das nicht gerade sachgerecht. Es ist aber auch logisch, dass Sie das Thema hier heute bringen. Es war ja eines Ihrer Hauptthemen auch in der vergangenen Wahlperiode von 2011 bis 2016. Ich erinnere mich an sehr viele Landtagsdebatten und sehr viele Anträge. Von daher ist es natürlich nur folgerichtig, dass Sie aus Ihrer Sicht heute darauf aufbauen.

Ich möchte auf einige Punkte aus dem Antrag und auch aus der Debatte eingehen, denn in der Überschrift suggerieren Sie, dass das unabhängig überprüft werden soll. Wenn ich mir anschaue, wer dieser Expertenkommission angehören soll, bei allem Respekt für die Beteiligten, so ganz unabhängig sind sie ja nicht, weil die haben natürlich auch ihre Interessen. Das hat Herr Dr. Manthei gerade ausgeführt. Es ist auch logisch, dass die Betroffenen

von solchen Entscheidungen nicht gerade begeistert sind. Von daher würde ich dahinter ein Fragezeichen machen, ob die wirklich so unabhängig sind.

Sie haben den Vorwurf gemacht, dass das hier im Schweinsgalopp durchs Parlament gebracht wurde. Also ich kann mich kaum an ein Thema erinnern – ich habe das die letzten fünf Jahre ja auch so ein bisschen, aber aus anderer Position, mit begleitet –, was hier so intensiv diskutiert wurde wie dieses Gesetz. Auch das ist heute schon angesprochen worden. Und wie ich eingangs sagte, Ende Februar ist das Amtsgericht in RibnitzDamgarten geschlossen worden und damit die Reform, was den Teil angeht, abgeschlossen worden. Die Justizministerin hat angekündigt, dass sie vor Ort die Standorte bereisen wird, um sich über die Auswirkungen zu informieren, mit den Beteiligten dort im engen Kontakt zu bleiben und auch Verbesserungspotenziale zu besprechen.

Ich habe jetzt auch nicht so sehr viel neue Argumente von Ihnen gehört, Frau Bernhardt, das muss ich mal so deutlich sagen,

(Zuruf von Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE)

denn alles, was Sie hier behaupten, Verfahrenslaufzeiten würden länger dauern, die Effizienzgewinne sind nicht eingetreten, es gibt einen Maulkorb für Gerichtsmitarbeiter, alles das sind Dinge, wo Sie eine stichhaltige Begründung bisher schuldig geblieben sind, denn Sie haben von Gesprächen gesprochen und Dingen, das finde ich doch ein sehr, sehr schwieriges Thema.

Und ob der, wie Sie schreiben, „Verlust“ der „Rechtsstaatlichkeit“, das ist ein gern gebrachtes Argument, tatsächlich an einem einzelnen Amtsgerichtsgebäude hängt, dahinter würde ich zumindest ein Fragezeichen machen. Das ist – und das will ich gar nicht bestreiten – ein sehr emotionales Thema vor Ort, gerade an den Orten, wo beispielsweise auch der Kreissitz verloren gegangen ist. Da ist es natürlich für die Bürgerinnen und Bürger vor Ort ein wichtiges Thema. Aber jeder von uns hier im Saal kann ja mal offen die Frage beantworten, weil viel von den Betroffenen auch gesprochen wurde, wie oft er in seinem Leben bisher persönlich im Amtsgericht vorstellig werden musste. Der eine oder andere mag vielleicht häufiger da gewesen sein. Ich kann es für meine fast 35 Jahre sagen, es war erst ein Mal. Hier wird so getan, als ob man teilweise täglich ins Amtsgericht muss. Das finde ich ein bisschen schwierig an der Debatte. Wie gesagt, ich habe Verständnis dafür, wenn dort Richter und andere Mitarbeiter längere Fahrzeiten haben. Das ist im Einzelfall und persönlich gesehen sicherlich immer auch schwierig, das ist völlig nachvollziehbar.

Eines muss ich auch noch mal klarstellen: Es ist nie, auch nicht in der vergangenen Wahlperiode, von der damaligen Justizministerin, von den damaligen Regierungsfraktionen von kurzfristigen Einspareffekten irgendwo gesprochen worden. Wir haben das immer länger angesehen. Das war auch nie das Hauptargument der Reform, dass wir hier Einsparungen treffen wollen – das muss ich noch mal ganz klar und deutlich sagen, weil hier so getan wird –, sondern es ging darum, effektive und tragfähige Strukturen zu schaffen.

Wenn man sich mit Rechtsanwälten unterhält, sagen die, natürlich hat ein größeres Amtsgericht mit mehr Speziali

sierung auch seine Vorteile. Das muss man hier ganz klar und deutlich sagen. Deswegen finde ich, und das haben meine Vorredner, die Justizministerin und auch Kollege Friedriszik, schon gesagt, wir haben das jetzt gerade erst abgeschlossen und nun hier im Schnellschuss schon wieder alles auf den Prüfstand zu stellen, mag eine legitime Forderung der Opposition sein, ist aber nicht sachdienlich. Wir werden uns dem Thema widmen, wir werden auch schauen, wo es eventuell Nachbesserungsbedarfe gibt, aber jetzt so pauschal das Thema noch mal hochkant zu stellen, Sie werden dafür Verständnis haben, dass wir das nicht machen werden. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU und Christian Brade, SPD)

Danke, Herr Abgeordneter.

Das Wort hat der Abgeordnete Grimm aus der Fraktion der AfD.

Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Sehr geehrte Frau Oldenburg, ich nehme es gleich vorweg, Sie haben, wie ich finde, einen sehr guten Antrag eingebracht, den wir als Fraktion der Alternative für Deutschland in sämtlichen Punkten unterstützen und auch befürworten werden.

Die Gerichtsstrukturreform, sie hat wie wohl kaum ein anderes Sparprojekt der Landesregierung für Diskussionen, Kontroversen und auch Aufsehen gesorgt und dabei die Gemüter nachhaltig entzweit. Dabei stand von Anfang an die Frage im Raum, ob die von der Reform anvisierten Sparziele gerade durch Veränderungen der Gerichtsstruktur überhaupt erreicht werden können oder ob es nicht ganz andere Möglichkeiten für Einsparungen gibt. Sie haben eine große Anzahl von Experten angehört und die haben an den Entwürfen einmütig Kritik geübt und Ihnen durchaus realistische Alternativen aufgezeigt.

Der Deutsche Richterbund wies darauf hin, dass es ein Irrglaube der Reform sei, die neuen, größeren Gerichte arbeiteten flexibler und effektiver, denn die geplanten veränderten Strukturen schaffen nur ein künstliches Konglomerat aus Haupt- und Nebenstellen, die zudem auf mehrere Liegenschaften verteilt sind. Mehr Effizienz durch Zentralisierung und Spezialisierung bleibt so auf der Strecke. Fazit des Richterbundes: Der Gesetzentwurf ist in diesem Punkt seinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht geworden.

Der zweite Kritikpunkt war „Einsparung von Finanzmitteln“ im Ausgangspunkt. Einig waren sich alle, dass demografische Entwicklung und Auslaufen des Solidarpaktes II keine Wahl lassen. Auch die Gerichte müssen in Zukunft mit weniger Geld auskommen. Nach Schätzungen der Landesregierung betrugen die Einsparungen etwa 34 Millionen Euro bei einer Laufzeit von 25 Jahren. Das entspricht etwa 1,4 Millionen Euro im Jahr. Auf den Justizhaushalt umgerechnet sind es aber nur 0,45 Prozent der Ausgaben. Das entspricht gerade einmal 0,019 Prozent des Landeshaushaltes. Nicht einbezogen sind dabei die zu erwartenden zusätzlichen Aufwände und Risiken der Umstrukturierung. Schon vor der Reform wurden Gutachten vorgelegt, die die geschätzten Bau

kosten anzweifelten und anstatt einer Höhe von 1,33 Millionen von 3,2 Millionen ausgingen. Das ist immerhin das 2,4-Fache. Meine Damen und Herren, seitdem sind drei Jahre verstrichen. Es müsste sich in der Praxis herausgestellt haben, ob diese Befürchtungen, die ich eben aufgezählt habe, eingetreten sind. Es ist tatsächlich also Zeit für eine Evaluierung.

Folgt man der Antragsbegründung, dann gibt es eine große Zahl von Anhaltspunkten dafür, dass die vielen Kritiker vom Fach, die eingangs von dem Reformvorhaben abgeraten haben, doch völlig richtiglagen. Wenn es zutrifft, ist die Gerichtsstrukturreform möglicherweise doch ein Beispiel für eine felsenfeste Beratungsresistenz und eine grandiose Arroganz der Macht, vielleicht sogar Stoff für einen neuen Untersuchungsausschuss.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der SPD – Zuruf aus dem Plenum: Na sicher! – Zuruf von Sebastian Ehlers, CDU)

Meine Damen und Herren, die Auswirkungen der Gerichtsstrukturreform auf die Menschen im Land sind sehr unerfreulich. Richter und Mitarbeiter von Gerichten wurden vor den Kopf gestoßen, die niedergelassene Anwaltschaft, gerade dort, wo Gerichtsstandorte wegfielen, wurde geschädigt und letztendlich wurde und wird die Bevölkerung drangsaliert, indem ihr eine Justiz der langen Wege zugemutet wird. Unsere Bürger haben das Recht zu erfahren, ob sich all dies gelohnt hat und, wenn nicht, ob und inwieweit noch Korrekturen erfolgen können. Ich bitte Sie, stimmen Sie deshalb für diesen vorgelegten Antrag. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Danke, Herr Abgeordneter.

Zum Schluss hat noch mal die Abgeordnete Frau Bernhardt von der Fraktion DIE LINKE das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich möchte vielleicht erst mal damit beginnen, dass Frau Justizministerin Hoffmeister uns gesagt hatte, es sei ein Antrag gegen die Gerichtsstrukturreform. Frau Hoffmeister, wir haben uns bewusst dazu entschieden, diesen Antrag „Gerichtsstrukturreform unabhängig überprüfen“ zu benennen, obwohl wir in der letzten Legislaturperiode die Gerichtsstrukturreform immer wieder kritisch betrachtet haben wegen der Auswirkungen, die jetzt auch eintreten aus unserer Sicht, haben letztendlich aber den Volksentscheid und das entsprechende Votum, was damals abgegeben wurde, akzeptiert. Auch das hat etwas mit einem Umgang mit direkter Demokratie zu tun, dass, wenn Entscheidungen getroffen werden, man diese anerkennen und respektieren muss. Deshalb haben wir, wie gesagt, bewusst gesagt „Gerichtsstrukturreform unabhängig überprüfen“, weil es einfach bei unseren Befürchtungen bleibt und sich in der Praxis zeigt, dass diese Befürchtungen eintreten werden.

Wenn das so ist, dann muss im Sinne der Menschen nachgebessert werden. Auch das ist dann wieder kein Widerspruch – aus meiner Sicht – gegen den Volksentscheid, sondern, wenn man für eine bürgernahe, leistungsfähige Justiz ist und man sieht, es kommt zu überlangen Verfahrensdauern, dann muss man einfach im

Sinne der Menschen, im Sinne der Justiz entsprechend nachbessern.

Zum Zweiten hatten Sie uns hauptsächlich vorgeworfen, na ja, es ist doch noch ziemlich früh, Ribnitz-Damgarten wurde erst im Februar geschlossen.

Ich muss wirklich ein bisschen lachen, Herr Ehlers. Ich sehe, die Koalitionsfraktionen sind immer sehr kreativ, wenn sie mir Spitznamen geben können.

(Sebastian Ehlers, CDU: Ja.)

Vonseiten der SPD wurde ich schon als Hexe und als Jeanne dʼArc bezeichnet,

(Zurufe vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU: Was?!)