Warum stelle ich so viele Zahlen an den Anfang meiner Rede zum Mittelstandsförderungsgesetz? Ganz einfach, ich will Ihnen noch einmal plastisch die Unternehmensstruktur vor Augen führen. Die Masse der Unternehmen fällt nämlich in die Kategorie „klein und mittelständisch“ und umso bedauerlicher ist es, dass die Landesregierung mit der Vorlage dieses Gesetzes im Grunde gar keine inhaltliche Diskussion führen wollte. Sie hat – und das klang ja bereits an – hier lediglich eine Verlängerung des Gesetzes beantragt, ohne dass damit materielle Änderungen verbunden wären.
Und da, Frau Ministerpräsidentin Schwesig, werden Sie natürlich ein Stück weit unglaubwürdig, wenn Sie heute in der Aktuellen Stunde zu Recht ausführen, dass wir insbesondere auf tariflich bezahlte sozialversicherungspflichtige und, ich möchte noch anfügen, möglichst Vollzeit-, also unbefristete Beschäftigung abstellen müssen.
Meine Fraktion ist der Auffassung, dass die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen von SPD und CDU hier einmal mehr eine Chance verstreichen lassen, die Ziele der eigenen Koalitionsvereinbarung, namentlich nämlich die Steigerung der Tarifbindung und die Schaffung unbefristeter sozialversicherungspflichtiger, tarifgebundener Arbeitsplätze, mit Leben zu erfüllen. Und warum das gerade,
in der Antwort auf meine Kleine Anfrage zur Entwicklung der Tarifbindung in Mecklenburg-Vorpommern ja bereits im März 2016 festgestellt. Ich möchte SPD und CDU daher an ihre eigene Analyse erinnern und aus diesem Dokument zitieren: „Aus der in der Tabelle aufgeführten Differenz zwischen geringem Anteil betrieblicher Tarifbindung und höherem Anteil an tariflich gebundenen Beschäftigten bestätigt sich die bekannte Erkenntnis, dass gerade in Betrieben der Größenklassen 1 bis 50 Beschäftigten der Tarifbindungsanteil besonders gering ist. Der höhere Anteil dieser Betriebsgrößenklassen ist offensichtlich auch ursächlich für die niedrigere Tarifbindung in Mecklenburg-Vorpommern im Vergleich zum Bundesdurchschnitt.“
So weit, so gut und richtig, meine Damen und Herren aus den Koalitionsfraktionen. Wenn Sie das also selbst so feststellen und den Fakt an sich schon im Frühjahr 2016 als Bestätigung einer bekannten Erkenntnis bewertet haben, frage ich Sie, warum Sie jetzt nicht handeln. Stattdessen verschieben Sie das Ganze auf die Jahre 2020 und folgende. Ohne polemisch zu werden, offensichtlich hat Ihnen die Aktuelle Stunde im September so viel Freude bereitet, dass Sie auch künftig gerne mal wieder etwas aus der Rubrik „Und täglich grüßt das Murmeltier“ hören wollen.
Im Wirtschaftsausschuss hat Herr Staatssekretär Rudolph ausgeführt, dass wir uns in der Analyse und der Zielstellung im Grunde weitestgehend einig sind. Die Empfehlung an die Koalitionsfraktionen, unsere Änderungsanträge abzulehnen, hat er damit begründet, dass man im Wirtschaftsministerium die selbst auferlegten Verpflichtungen aus der Koalitionsvereinbarung ja bereits durch die schon angesprochene Überarbeitung von Vergabegesetz und Neuausrichtung der Wirtschaftsförderung im Bereich der GRW erfüllen würde.
Herr Waldmüller, mal abgesehen davon, dass Sie an den Themen ja nun auch schon mehr als ein Jahr rumdoktern, ist diese Aussage – zumindest für mich – auch nicht logisch, aber Sie können ja nachher für Aufklärung sorgen, genauso wenig übrigens wie die Aussage, da es sich beim Mittelstandsförderungsgesetz um ein Rahmengesetz handeln würde, das im Zusammenhang mit dem Vergabegesetz und der GRW-Richtlinie zu betrachten sei, wären die von uns vorgeschlagenen Änderungen derzeit nicht sinnvoll. Das ist so ein bisschen, als wenn Sie ein Haus bauen und kurz vor Weihnachten einziehen. Herr Schulte steht bereits mit Schürze in der neuen Küche und backt Plätzchen, während Herr Waldmüller mit Rentiermütze im voll ausgestatteten Wohnzimmer den Weihnachtsbaum aufstellt und den Schwibbogen entzündet.
(Jochen Schulte, SPD: Herr Kollege, das ist immer ein Zeichen der Gleichberechtigung. – Wolfgang Waldmüller, CDU: Hauptsache, es schmeckt. – Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)
Und, Herr Waldmüller, als es dann zu schneien beginnt, stellen Sie fest, dass es in der Küche und im Wohnzimmer reinschneit. Und warum?
also jene beiden Zimmer mit Induktionsherd und Vorwerk-Teppich – beides super, keine Frage –, Sie haben sich aber nicht um den Rahmen gekümmert, also um die Grundmauern und das Dach.
(Heiterkeit bei Jochen Schulte, SPD: Sie haben jetzt hier die falsche Veranstaltung, Herr Foerster.)
Das klingt irgendwie unlogisch, oder? Das ist es für uns auch und deshalb liegt Ihnen bei allem Spaß auch ein Änderungsantrag vor.
Meine Damen und Herren, ein Rahmengesetz, und das ist unsere feste Überzeugung, muss doch zum Ausdruck bringen, dass wir gerade in kleinen und mittelständischen Unternehmen bei der Schaffung attraktiver Arbeits- und Ausbildungsplätze vorankommen müssen. Und mit Blick auf die von Ihnen ja zu Recht häufig angeführte Herausforderung der Fachkräftesicherung ist die Schaffung eben jener von existenzieller Bedeutung.
Sie wissen doch genauso gut wie ich, Herr Schulte, dass sich die Situation von Beschäftigten, die unter den Geltungsbereich von Tarifverträgen fallen, in der Regel besser darstellt als bei solchen, die nicht von tarifvertraglichen Vereinbarungen erfasst werden. Und ich habe es hier auch schon mehrfach gesagt, natürlich habe ich zur Kenntnis zu nehmen – wir haben das im Ausschuss auch diskutiert, Herr Waldmüller –, dass Sie kraft Ihrer Herkunft und Ihres Engagements als Vorsitzender eines regionalen Unternehmerverbandes da eine andere Sicht auf die Dinge haben. Allerdings wäre es schön, wenn Sie sich bei der Bewertung unserer Vorschläge nicht auf mittlerweile wirklich ausgelatschten Pfaden bewegen würden.
Wir haben konkret vorgeschlagen, neben wichtigen anderen Zielen des Gesetzes wie der Vermeidung unnötiger Bürokratie oder der Bekämpfung von Schwarzarbeit auch die Stärkung der Tarifbindung aufzunehmen und dabei auf in der Regel unbefristete sozialversicherungspflichtige und tarifgebundene Beschäftigung zu setzen. Und das wiederum hat nun gar nichts mit der Abschaffung der Tarifautonomie zu tun, genauso wenig übrigens wie die Forderung nach attraktiven Ausbildungsplätzen und der Möglichkeit, im Rahmen der Ansiedlung, Gründung oder Erweiterung eines Unternehmens auch Finanzierungshilfen auszureichen, die neben der materiell-technischen Ausstattung auf die Schaffung von in der Regel unbefristeten sozialversicherungspflich
tigen und eben auch tarifgebundenen Arbeitsplätzen ausgerichtet sind. Das ist bedauerlich. Da scheint mir zuweilen, dass Sie gedanklich in den 90ern stehengeblieben sind und noch nicht so richtig verstanden haben, dass wettbewerbsfähig zu sein oder zu werden auch noch etwas anderes impliziert, als die Kosten niedrig zu halten.
Denn wenn Sie sich bei den Ausbildungsvergütungen und den Löhnen sowie bei den Arbeitsbedingungen in den kleinen und mittelständischen Unternehmen nicht bewegen, wenn sich da nichts tut, dann finden die mittlerweile weder Auszubildende noch ihre dringend benötigten Fachkräfte. Dazu kommt, dass wir es uns mit Blick auf die demografische Entwicklung im Land mittlerweile eigentlich nicht mehr leisten können, auf irgendwelche vorhandenen Erwerbspotenziale zu verzichten.
Genau deswegen haben wir auch die Anregung des DGB aufgenommen, bei der Unterstützung mittelständischer Unternehmen in Sachen Fach- und Arbeitskräftesicherung neben der guten Vorbereitung junger Menschen auf das Berufsleben und der beruflichen Aus- und Weiterbildung von im Arbeitsprozess stehenden Menschen auf die Erschließung von Erwerbspotenzialen bei Erwerbslosen und Menschen mit Behinderung zu setzen. Wie gesagt, wir reden immer über ein Rahmengesetz, da werden Ziele beschrieben, auch mit Blick auf die Entwicklung im Bereich der mittelständischen Wirtschaft.
Meine Damen und Herren, es ist gut und richtig, dass sowohl Herr Schulte als auch Frau Ministerpräsidentin Schwesig heute Morgen angekündigt haben, auf Veranstaltungen der Unternehmer auf die Notwendigkeit guter Arbeits- und Entgeltbedingungen hinzuweisen. Noch besser wäre es allerdings, sie würden dafür Sorge tragen oder sie würden gemeinschaftlich dafür Sorge tragen, dass immer, wenn in Zukunft Landesgesetze und Verordnungen angefasst werden, auch geschaut wird, was wir weiterhin selbst tun können, um eine positive Entwicklung hier zu befördern.
Bei dieser Gesetzesänderung hat das schon mal leider nicht geklappt. Da es, wie schon erwähnt, keine materiellen Änderungen enthält, werden wir es heute ablehnen. Das wird uns selbstverständlich nicht davon abhalten, uns auch in Zukunft für die Belange der mittelständischen Wirtschaft im Land einzusetzen. Aber vielleicht – es ist ja Weihnachten – erleben wir heute auch das achte Weltwunder und die Koalitionäre stimmen dann doch dem Änderungsantrag zu.
Für den Fall würden wir die Gesetzesänderung natürlich mittragen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Wolfgang Waldmüller, CDU: Da gibt es keine Mehrheiten für.)
Herr Kollege, wenn Sie gestatten, würde ich gerne noch die Besucher begrüßen. Das sind Bürgerinnen und Bürger aus Neustrelitz, Neubrandenburg und Umgebung. Herzlich willkommen in unserem Plenarsaal!
Schönen Dank, Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Werte Gäste und liebe Bürger! Zu dem Mittelstandsförderungsgesetz braucht man eigentlich gar nicht mehr viel zu sagen, der Herr Eifler hat das alles richtig vorgetragen, wie im Ausschuss darüber beraten wurde.
Ich möchte einen Aspekt nur noch mal kurz wiederholen, den ich dort auch schon genannt habe: Die Bekanntheit des Mittelstandsförderungsgesetzes lässt noch zu wünschen übrig. Das mag an unserer abgelegenen Insel liegen – bekanntlich wohne ich ja auf Rügen –, aber auf unserer Hauptversammlung kannte außer Burkhard Lenz und mir niemand von den anwesenden Unternehmern dieses Gesetz, und es waren fast alle da, also wirklich sehr viele.
Das heißt, an dieser Stelle muss die Landesregierung sicherlich noch nacharbeiten. Die Industrie- und Handelskammer kann nichts dafür, sie hat schon sehr gut beraten, aber das Gesetz ist eben einfach nicht bekannt. So, das ist das eine dazu. Der Staatssekretär hat aber schon versprochen oder zugesagt, dass er sich darum kümmern wird, und da bin ich auch zuversichtlich, dass in der nächsten Zeit, im nächsten Jahr das Gesetz ordentlich bekannt gemacht wird, denn nur dann hat eine Evaluierung ja überhaupt Sinn. Wenn die Leute das Gesetz nicht kennen, braucht man sie auch nicht zu fragen, wie sie es finden.
Dann aber noch zu dem Antrag der LINKEN, den wir selbstverständlich ablehnen werden, während wir der Verlängerung des Gesetzes zustimmen. Ja, selbstverständlich, muss ich wirklich mal so knallhart sagen, Herr Foerster. Ich bitte Sie doch darum, die Themen einfach auseinanderzuhalten. Wenn wir über den Mittelstand sprechen, Mittelstandsförderung, dann reden wir über den Mittelstand und nicht über die Arbeitnehmer.
Die Arbeitnehmer sind ja andauernd dran, wir haben so viele Themen, wo wir über Arbeitnehmer sprechen.