In Anbetracht der umfangreichen Tagesordnung will ich meine Ausführungen von vorhin nicht wiederholen. Ich wünsche mir, dass alle zustimmen. – Danke schön.
Und auch Herr Butzki hatte noch einen kleinen Rechenfehler. Der Letzte, der feststellt, dass hier alle dafür sind oder vielleicht auch nicht, das bin ich.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD und CDU auf Drucksache 7/1332. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Gibt es Stimmenthaltungen? – Damit stelle ich fest, dass der Antrag der Fraktionen der SPD und CDU auf Drucksache 7/1332 einstimmig angenommen ist.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 23: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Mittelkürzung bei den Jobcentern stoppen – Jobcenter bedarfsgerecht ausstatten – Integration in Arbeit nicht weiter behindern, Drucksache 7/1257.
Antrag der Fraktion DIE LINKE Mittelkürzung bei den Jobcentern stoppen – Jobcenter bedarfsgerecht ausstatten – Integration in Arbeit nicht weiter behindern – Drucksache 7/1257 –
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit Jahren schreiben uns die Expertinnen und Experten ins Stammbuch, dass endlich mit der vermeintlichen Logik, sinkende Arbeitslosenzahlen würden nun automatisch auch sinkende Mittel für die Arbeitsmarktpolitik nach sich ziehen können, gebrochen werden muss. Dennoch führen wir heute im Jahr 2017 immer noch die gleichen Debatten wie vor sechs Jahren.
Im Bundestagswahlkampf erklärte das Spitzenpersonal von CDU und SPD unisono, mehr für die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit tun zu wollen. Die Kanzlerin sagte, ich darf das zitieren: Um Vollbeschäftigung in Deutschland erreichen zu können, sei es nötig, „die über eine Million Menschen anzuschauen, die dauerhaft langzeitarbeitslos sind“. Und weiter: Ziel müsse es sein, „möglichst viele Menschen in Arbeit zu bringen“. Das klingt gut, blieb jedoch ohne Auswirkungen, denn ein Blick in den Entwurf des Bundeshaushaltes machte bereits im Herbst deutlich, dass nicht mehr, sondern erneut weniger Geld für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen eingeplant wurde.
CDU und SPD versprachen den Arbeitslosen also ein Füllhorn an Unterstützung und tatsächlich regierte erneut der Rotstift. Der Planungsansatz von 4,43 Milliarden Euro für Leistungen zur Eingliederung in Arbeit wurde auf 4,185 Milliarden Euro gesenkt. Und obwohl seit Jahren bekannt ist, dass auch die Mittel für die Verwaltungen der Jobcenter nicht auskömmlich sind und Jahr für Jahr Hunderte Millionen aus dem Eingliederungstitel umgeschichtet werden müssen,
(Torsten Renz, CDU: Aber auch die Arbeitslosenzahlen haben sich entwickelt in den letzten Jahren. Das muss man ja auch darstellen.)
wurde auch dieser Planungsansatz von 5,13 Milliarden Euro, Herr Renz, auf 4,55 Milliarden Euro verringert. Das bedeutet, es werden der Integration von Arbeitslosen jedes Jahr Millionen von Euro entzogen, um von diesem Geld dann die Ausgaben für Energie, für Gebäude und für Personal zu finanzieren.
(Torsten Renz, CDU: Können Sie mal die Entwicklung der Arbeitslosenzahlen darstellen für die letzten zwei Jahre? – Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)
Leidtragende sind die von Arbeitslosigkeit betroffenen Menschen in unserem Bundesland. Während es in der Vergangenheit ja der linken Opposition im Bundestag und auch hier im Landtag vorbehalten war, die sich aus dieser Praxis ergebenden Probleme aufzuwerfen, haben sich nun auch die Jobcenterleiter selbst an die Öffentlichkeit gewandt. Das ist schon ein außergewöhnlicher Vorgang und muss nach unserer Auffassung auch als deutliches Warnsignal verstanden werden.
Interessanterweise verändern sich mit wechselnden politischen Mehrheiten offensichtlich auch Sichtweisen. Im Angesicht der sich abzeichnenden Wahlniederlage attackierte die scheidende Bundesarbeitsministerin der SPD die Kanzlerin mit den Worten: Wer wie Merkel „Wir schaffen das“ sage, müsse auch „Wir finanzieren das“ hinzufügen. Da hat Frau Nahles natürlich recht, aber hoffentlich erinnert sie sich auch daran, wenn sich die SPD jetzt allen Ankündigungen zum Trotz erneut in einer Großen Koalition wiederfinden sollte.
Bei der Begründung der Dringlichkeit unseres Antrages hatte ich Ihnen exemplarisch die Zahlen für die Jobcenter in Westmecklenburg genannt: 2,8 Millionen weniger in Nordwestmecklenburg, 2,8 Millionen weniger in Ludwigslust-Parchim und 791.000 Euro weniger in Schwerin. Die Folge dieser Einbußen werden nicht nur ganz profan weniger Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Integrationsmaßnahmen sein, es wird vielmehr zu Abbrüchen in sozialen Projekten für Langzeitarbeitslose und andere Hilfebedürftige kommen. Das zeigen ja auch die ersten medialen Wortmeldungen von Vereinen, Verbänden, die sich in diesem Bereich engagieren.
Meine Damen und Herren, Sie wissen doch, wie hoch der Stellenwert von Erwerbsarbeit für den Einzelnen ist. Sie dient eben nicht nur der Existenzsicherung, sondern sie ist maßgeblich für die gesellschaftliche Anerkennung und Integration. Dauerhafte Arbeitslosigkeit hat demzufolge nicht nur eine materielle, sondern auch sozial und psychisch eine destabilisierende Wirkung. Sie befördert Stigmatisierung, entwertet Qualifikationen, beeinträchtigt die Gesundheit und führt häufig auch zu familiären Konflikten. Das alles ist längst wissenschaftlich belegt.
Die so entstehenden, im Amtsdeutsch gerne als multiple Vermittlungshemmnisse bezeichneten Probleme wirken einer erfolgreichen Reintegration in Arbeit entgegen. Warum? Weil vielfach erst Hemmnisse unterschiedlichster Art abgebaut werden müssen, bevor realistisch über Qualifizierungs- und Integrationsmaßnahmen nachgedacht werden kann. Es steigt der Beratungs- und der Vermittlungsaufwand in den Jobcentern und eigentlich bräuchte es mehr Zeit und vor allem auch flexiblere Instrumente. Tatsächlich jedoch werden die Möglichkeiten der Jobcenter infolge der finanziellen Kürzungen massiv eingeschränkt. Das lässt sich auch über Jahre hinweg an Zahlen belegen. 2010 wurden noch rund 15 Prozent der Hartz-IV-Empfänger durch arbeitsmarktpolitische Maßnahmen gefördert, 2013 waren es nur noch 10 Prozent, 2014 nur noch 9 Prozent – Tendenz weiter fallend. Vor allem öffentlich geförderte Beschäftigungsangebote wurden rigoros zusammengestrichen.
Ich hatte ja bereits in der Debatte zu den Hartz-IVSanktionen vorgerechnet, dass auch bei der aktuellen Entwicklung, wenn man das rechnerisch betrachtet, bei 64.000 arbeitslos gemeldeten Personen, davon rund 45.000 im Hartz-IV-Bereich, und gleichzeitig etwa 14.000 offenen Stellen schon rechnerisch nicht die Möglichkeit besteht, alle von Arbeitslosigkeit betroffenen Menschen auch tatsächlich in Arbeit zu vermitteln. Das ist jetzt natürlich umso schmerzlicher, wenn erneut das Geld für Aktivierung, Qualifizierung und öffentlich geförderte Beschäftigung gekürzt wird. Und, Herr Renz, da hilft es eben auch nicht, wenn Sie hier immer gebetsmühlenartig betonen, dass sich die Arbeitslosigkeit verringert hat.
Das ist ein Fakt, den ich auch gar nicht infrage stelle. Aber die Probleme, die sich mit der Frage der Langzeitarbeitslosigkeit verbinden, sind deswegen längst nicht gelöst.
Ich will an der Stelle auch noch mal hinzufügen, ja, sozialversicherungspflichtige Beschäftigung nimmt zu, aber auch sie hat eine Kehrseite: Sie beruht hier in Mecklenburg-Vorpommern ganz überwiegend auf der Zunahme von Teilzeitbeschäftigung und die ist nicht immer freiwillig gewählt von den Betroffenen, die hat eben auch Schattenseiten.
Ich wage mal die Prognose, Vollbeschäftigung wird bei Beibehaltung der derzeitigen Herangehensweise zur Finanzausstattung der Jobcenter nur ein schöner Traum oder allenfalls in manchen Ohren ein gut klingender CDU-Wahlkampfschlager bleiben. Es nützt uns im Übrigen auch nichts, wenn wir in Bayern und in BadenWürttemberg Vollbeschäftigung haben, wenn hierzulande keine Regelungen auf den Weg gebracht werden.
Deswegen fordern wir die Landesregierung heute erneut auf, ihren Einfluss geltend zu machen, um hier eine Korrektur auf der Bundesebene herbeizuführen. Es muss endlich Schluss sein mit einer Arbeitsmarktpolitik des Stop-and-go und vor allem mit der Kürzung der Eingliederungsmittel.
Das schränkt nämlich die Chancen auf Teilhabe für Tausende Betroffene in unserem Land ein. Auf diese Art und Weise werden weder für Leistungserbringer noch für Leistungsberechtigte verlässliche Rahmenbedingungen geschaffen. Das ist aber genau das, was aktive Arbeitsmarktpolitik am meisten braucht: eine auskömmliche Finanzierung, damit eine bedarfsgerechte und nachhaltige Förderung überhaupt sichergestellt werden kann.
Aus unserer Sicht muss das Angebot der sozialen Unterstützung, der Möglichkeit öffentlich geförderter, sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung sowie beruflicher Qualifizierung und Weiterbildung wieder ausgeweitet werden, weil – und das betonen ja hier regelmäßig alle Rednerinnen und Redner – der Fachkräftebedarf so hoch ist in unserem Land, dass wir es uns nicht mehr leisten können, auf Erwerbspotenziale zu verzichten. Das hat im Grunde die Expertenanhörung am 12. Oktober im Wirt
schaftsausschuss auch deutlich gezeigt. Eine kurzfristige und wenig nachhaltige Vermittlungslogik gehört in die arbeitsmarktpolitische Mottenkiste. Was wir stattdessen brauchen, sind längerfristig angelegte Integrationsstrategien, die den Menschen Perspektiven geben und bei denen endlich auch das Erreichen von Teilzielen anerkannt wird.
Die Jobcenter spielen hier eine zentrale Rolle, denn sie müssen sich darauf konzentrieren können, Menschen dabei zu helfen, tatsächlich am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen und damit einen Beitrag zur Überwindung von Armut und Ausgrenzung zu leisten. Es geht darum, dass Augenhöhe gewahrt wird, damit, anknüpfend an die individuelle Situation, Kompetenzen der von Arbeitslosigkeit betroffenen Menschen wieder gestärkt werden können. Darauf aufbauend kann dann eine nachhaltige Integrationsstrategie verabredet werden. Aber für einen solchen Prozess braucht es adäquate Instrumente und vor allen Dingen auch ausreichend Mittel für Verwaltung und Eingliederung.
Deswegen soll von hier heute noch mal ein wichtiges Signal auch in Richtung Bundesebene ausgehen. Stimmen Sie diesem Antrag also zu! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucher! Die Fraktion DIE LINKE beantragt mit dem vorliegenden Antrag, dass der Landtag die Landesregierung auffordern soll, sich in geeigneter Weise auf der Bundesebene für eine bedarfsgerechte finanzielle, personelle und instrumentelle Ausstattung der Jobcenter einzusetzen und zunächst die geplante Mittelkürzung für das Jahr 2018 zu stoppen.
Herr Foerster, Sie sind darauf eingegangen, dass die Kanzlerin gesagt hat, Vollbeschäftigung wäre in den Jahren zwischen 2025 und 2030 erreichbar. Das ist eine politische Aussage, die im Wahlprogramm der CDU steht, und die ist realistisch, denn das Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen haben gezeigt, dass auch Mecklenburg-Vorpommern in diesen Jahren sehr erfolgreich ist. In jedem Jahr werden etwa 8.000 bis 9.000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Das ist die eine Seite.
Das, was Sie hier vorgetragen haben, führt dazu, dass wir in Mecklenburg-Vorpommern natürlich stolz darauf sind, dass viele Leute mehr Arbeit bekommen, und wir haben 80.000 neue Arbeitsplätze in den letzten zehn Jahren schaffen können – das ist Ihnen, glaube ich, auch bekannt –, also genau 76.000 neue sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse. Das sind 576.000 zurzeit. Sie haben richtig gesagt, dass 12.000 offene Stellen vorhanden sind. Die muss man natürlich auch betrachten, wenn man andererseits die Zielrichtung hat, dafür zu sorgen, dass Langzeitarbeitslose mit mehreren Vermitt
lungshemmnissen eine Chance auf dem Arbeitsmarkt bekommen. Da gebe ich Ihnen recht. Die Themen werden wir weiter angehen. Das ist, denke ich, wichtig. Aber schwierig ist einfach, dass das, wenn der Eingliederungstitel hier kritisiert wird, die eine Seite ist, denn der Wiedereingliederungstitel führt natürlich dazu, dass auch Löhne, Lohnsteigerungen, Mietkosten et cetera bezahlt werden müssen, und dazu sind Planungen durch die jeweiligen Arbeitsagenturen sicherzustellen.
Meine Damen und Herren, wir haben das Ziel, bei der Langzeitarbeitslosigkeit zurückzuführen. Den Vorwurf, dass die Landesregierung sich nicht kümmert, kann ich nur zurückweisen, weil gerade in der vorigen Woche die Arbeits- und Sozialminister aller Bundesländer den Bund aufgefordert haben, dafür zu sorgen, dass in besonderer Weise für die Eingliederung in Arbeit, auch bei den Verwaltungskosten et cetera, die Mittelausstattung erhöht werden soll.
und der Entwurf von daher in Scheiben ausgezahlt wird je nach dem jeweiligen Ausgangsmodus des Jahres 2017.
Die Planungen sind nun mal so, wie sie sind. Also ich kann nur hoffen, dass wir schnell eine handlungsfähige Bundesregierung bekommen.
Ja, aber geschäftsführend heißt noch lange nicht, dass der Haushalt jetzt umgesetzt werden muss, sondern es werden Tranchen gezahlt, Monat für Monat. Von daher will ich nur sagen, dass die Pflichtaufgaben erfüllt werden können. Darauf will ich hinweisen. Das wissen Sie auch ganz genau.
(Torsten Koplin, DIE LINKE: Ich will nur auf die Geschäftsführung hinweisen. Wir widersprechen uns jetzt.)