Protokoll der Sitzung vom 15.12.2017

Deshalb hat Mecklenburg-Vorpommern mit einem Antrag vom 27.11.2017 im Ausschuss für Frauen und Jugend des Bundesrates vorgetragen, dass die Beratung des Antrages, dem sich inzwischen auch Berlin, Thüringen und Bremen angeschlossen hatten, bis zum Wiederaufruf zu vertagen ist. Dieser Vertagung wurde dort wie auch im Rechtsausschuss des Bundesrates stattgegeben.

Ich verrate Ihnen deshalb sicherlich kein Geheimnis damit, dass unsere Landesregierung im Bundesrat dafür gesorgt hat, dass der Antrag nicht niedergestimmt wird. Unsere Initiative hat vielmehr dafür gesorgt, dass die Diskussion über die Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz aufrechterhalten bleibt – keinerlei Abebben, im Gegenteil. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das müssen auch Sie zur Kenntnis nehmen, Frau Bernhardt. Mit dem Kopf durch die Wand und hohem Erregungspegel erreicht man nichts.

Ich sage aber auch hier ganz deutlich, dass wir uns als Landesregierung das Ziel setzen, Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern – deshalb der Änderungsantrag, der uns beauftragt, eine Bundesratsinitiative möglichst frühzeitig im Jahr 2018 vorzubereiten. Dazu finden derzeit Vertreterinnen und Vertreter des Sozial- und Justizministeriums in einem Arbeitskreis zusammen. Unser Ziel als Sozialministerium ist die Erarbeitung eines von Mecklenburg-Vorpommern getragenen Grundgesetztextes, der die Rechte der Kinder verfassungsrechtlich begründet. Zudem soll ein Verfahren erarbeitet werden, das möglichst hohe Erfolgsaussichten in dem zugegebenermaßen ambitionierten Grundgesetzänderungsverfahren zulässt.

Ich glaube, dieser Weg ist erfolgversprechender. Ich würde mich freuen, wenn ihn auch die Linksfraktion mitgehen würde, nicht mit dem Kopf durch die Wand, sondern mit kühlem Kopf und heißem Herzen bei diesem wichtigen Thema. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Danke, Frau Ministerin.

Für die Fraktion der AfD hat jetzt das Wort der Kollege Abgeordnete Horst Förster.

Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine Damen und Herren!

(Andreas Butzki, SPD: Frau Präsidentin!)

Entschuldigung.

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

(Andreas Butzki, SPD: Nicht die Ministerin!)

Meine Damen und Herren!

(Ministerin Stefanie Drese: Aber begrüßen Sie mich auch gern.)

Ich beginne mit einem Zitat. Tacitus schreibt über die Germanen: Bei den Germanen bewirken die guten Sitten mehr als woanders die Gesetze. Das ist eigentlich das, was mir so als Ideal vorschwebt anstelle einer totalen Verrechtlichung.

(Beifall Dr. Gunter Jess, AfD)

Zunächst ist klarzustellen, dass hier eine Verfassungsänderung verlangt wird. Es ist zwar ein zu beklagender Mangel des Grundgesetzes, dass es bei diesem Provisorium nach der Wiedervereinigung geblieben ist, weil sich die politische Klasse nicht in der Lage sah, das Volk über eine neue Verfassung abstimmen zu lassen, obwohl dies ausdrücklich vorgesehen war,

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

gleichwohl hat das Grundgesetz Verfassungsrang und sollte nicht beliebig geändert werden, insbesondere dann nicht, wenn zu besorgen ist, dass der Zeitgeist die Feder geführt hat.

(Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

Es hört sich gut an, für die Aufnahme von Kinderrechten in das Grundgesetz einzutreten. Man könnte meinen, dass dies auch eigentlich nur dem Wohl der Kinder dienen kann. Kinder sind unsere Zukunft und das Wohl der Kinder muss doch jedem am Herzen liegen. Aber unter dem „Wohl der Kinder“ versteht eben nicht jeder dasselbe. Da gibt es unterschiedliche Sichtweisen. Die einen sehen das Kind in seinem spezifischen Sosein und Anderssein als Erwachsene, realistisch und wohlwollend immer den Blick auf die bestmögliche Förderung des Kindes. Die anderen widersprechen dem nicht grundsätzlich, betonen aber stärker den gesellschaftlichen Bezug und fordern für Kinder ein umfassendes subjektives Recht auf Beteiligung und Berücksichtigung ihrer Meinung. Nur so könne das Kindeswohl bei allen staatlichen Entscheidungen, die Kinder betreffen, vorrangig berücksichtigt werden, meint das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und offensichtlich auch unsere Landesregierung.

Dem ist zu widersprechen. Kinder werden erzogen, solange es die Menschheit gibt. Und die Evolution hat dafür gesorgt, dass Eltern normalerweise alles dafür tun, dass ihre Kinder gesund aufwachsen und in der Lage sind, unter den jeweiligen Bedingungen in ihrer Umwelt zu bestehen. Daran hat sich im Grundsatz nichts geändert. Die Liebe zum Kind, die Sorge für den Nachwuchs und all das, was liebende Eltern für ihre Kinder tun, haben ihren Quell in unserer Natur. Gesetzliche Regelungen zeichnen nach, was weithin vorgegeben ist. Dies erfolgt so, wie sich unsere Lebensbedingungen verändern, in einem Prozess ständiger Anpassung.

Im Kern hat sich jedoch nichts geändert. Kinder sind und bleiben Kinder, sie sind keine kleinen Erwachsenen und sollten auch nicht wie solche behandelt werden.

(Manfred Dachner, SPD: Ja.)

Was ihrem Wohl dient, sollten wir aus der Sicht der Kinder, die wir alle einmal waren, und nicht aus der Sicht eines Erwachsenen sehen. Fragen wir uns doch einmal, was besonders schön in unserer Kindheit war, was uns vorangebracht hat und worunter wir gelitten haben. Ich glaube kaum, dass irgendwer unter dem Fehlen von Beteiligungsrechten gelitten hat.

Und wenn man an Rechte denkt, dann muss man auch hier – das ist mal die andere Seite der Medaille – an Pflichten denken. Wir haben eher, konkret auf die Situation unseres Landes bezogen, das Problem, dass Kinderrechte nicht wahrgenommen werden, dass die Pflicht zur Wahrnehmung verletzt wird. Ich denke da insbesondere an die Schulproblematik. Wir haben nicht wie in fernen Ländern und wie in früheren Zeiten das Problem, dass es keine Schulen gibt und damit ein Kinderrecht verletzt wird. Wir haben das Problem, dass dieses Recht nicht ausgenutzt wird, dass Kinder nicht in die Schule gehen, dass wir Schulschwänzer haben, dass wir hinterher junge Leute haben, die keinen Beruf erlernen können, weil sie nicht die notwendige Bildung haben. Und woran liegt es? Weil die Pflicht zur Wahrnehmung dieser Rechte durch sie oder die Eltern verletzt wird.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Zuruf von Sebastian Ehlers, CDU)

Die Gefahr besteht,

(Zuruf von Sebastian Ehlers, CDU)

dass sich die Politik unter dem Deckmantel der Beteiligungsrechte frühzeitig der Köpfe der Kinder bemächtigt und sie weltanschaulich zu beeinflussen versucht.

(Ministerin Stefanie Drese: Oh Gott!)

Ich zitiere aus einem Projekt für Kinderrechte: In „unserem … Modellprojekt ‚bestimmt bunt – Vielfalt und Mitbestimmung in der Kita‘ geht es darum“, so der Text, „im Kita-Alltag ein Miteinander zu fördern, in dem Vielfalt wertgeschätzt wird und das die Kinder aktiv mitgestalten können. Durch altersgerechte Mitbestimmungsmöglichkeiten erlernen Kinder durch das Projekt demokratische Prozesse ganz spielerisch.“ Ende des Zitats. Wenn Kinder unterschiedlicher Herkunft miteinander gut auskommen, ist das natürlich völlig in Ordnung, ihnen jedoch bereits in der Kita zielgerichtet ein multikulturelles Weltbild zu verpassen,

(Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE)

ist bedenklich.

(Heiterkeit bei Ministerin Stefanie Drese: Mein Gott, wann haben Sie das letzte Mal mit Kindern zu tun gehabt?!)

Von einem Netzwerk für Kinderrechte wird eine neue Lernkultur zitiert, ich zitiere:

(Zuruf von Sebastian Ehlers, CDU)

„Kinderrechte brauchen eine … partipi-“,

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Jaja.)

„parzi-“,

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Partizipation.)

„partizipative Lernkultur und Möglichkeitsräume, in denen sie erprobt, evaluiert und gestaltet werden können. … In Verantwortungsprojekten und -strukturen (z. B. Klassen- rat, Schülerparlament, Service Learning)“ – was ganz Neues – „lernen Kinder und Jugendliche Selbstwirksamkeit, Beteiligung, Verantwortung und zivilgesellschaftliches Engagement und wachsen durch demokratisches Handeln in eine demokratische Gesellschaft hinein.“ Ende des Zitats.

Ich bin der Meinung, dass das Einüben von demokratischen Entscheidungsprozessen in Kitas – zum Beispiel Abstimmungen, welche Spielgeräte angeschafft werden, wann man draußen spielt oder drinnen sitzt, was als Beispiel angeführt wird – keinen hinreichenden Bezug zur Realität in einer Kita und zu den Bedürfnissen der Kinder hat.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Zuruf von Sebastian Ehlers, CDU)

Aus einem Ablaufplan zur Gestaltung einer Unterrichtsstunde zum Thema Kinderrechte, an die Lehrer gerichtet:

„1. Einführung

Sensibilisieren Sie die Kinder dafür, dass sie Rechte haben. Fragen Sie Ihre Schüler zum Beispiel, was Rechte sind“ und so weiter.

Dann wird die UN-Kinderrechtskonvention besprochen, da ist das Thema Kinderrechte weltweit: „Zeigen Sie den Kindern eine Weltkarte oder einen Globus … Vermitteln Sie Ihren Schülern, dass alle Kinder weltweit die gleichen Rechte haben und laden Sie die Kinder ein, diese Rechte gemeinsam mit Ihnen auf einer Weltreise zu entdecken. …

Fliegen Sie mit den Schülern zur ersten Station. Sie selbst sind der Flugkapitän …“ Die Kinder sollen Fluggeräusche machen und so weiter.

Und dann kommt als erste Station Somalia. Dann wird das ganze Elend von Somalia beschrieben, zweite Station Vietnam, ähnlich, und dann geht das also so weiter. Bolivien – Schulsituation, Hunger, all diese ganzen Dinge, die wir ja kennen.