Protokoll der Sitzung vom 25.01.2018

Ehe ich den nächsten Redner aufrufe, möchte ich eine Bitte äußern. Manchmal ist der Geräuschpegel im Hause so groß,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Wenn mit Gummibärchentüten geraschelt wird.)

dass es für einige Abgeordnete Schwierigkeiten gibt, überhaupt dem Geschehen noch zu folgen. Es lässt sich nicht immer vermeiden, dass man nicht auch mal ein Wort zum Nachbarn richtet, das will ich überhaupt nicht kritisieren, das ist so. Aber wenn Sie Gesprächsrunden bilden, wo sich sozusagen die vordere Reihe nach hinten umdreht und dann dort eine Diskussion beginnt, werde ich das zukünftig nicht mehr zulassen. Ich bitte Sie, das zu berücksichtigen.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Jetzt erhält als Nächster das Wort für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Foerster.

Ach so, und da Herr Foerster noch nicht ganz am Pult steht, okay, begrüßen werde ich die Besucher, wenn sie alle sitzen, okay.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich glaube, niemand hier im Saal wird ernsthaft bestreiten, dass der Tourismus für Mecklenburg-Vorpommern eine besondere

(Peter Ritter, DIE LINKE: Herausforderung ist.)

Rolle spielt. 131.000 Vollzeitbeschäftigte, also knapp 18 Prozent der Erwerbstätigen in unserem Land, leben davon, dass sich Menschen aus der gesamten Bundesrepublik Deutschland, aus Europa und seltener auch aus dem Rest der Welt aufmachen, um unsere Küsten und unser Binnenland zu besuchen.

Es ist gesagt worden, erstmals ist Mecklenburg-Vorpommern in diesem Jahr als Bundesland Partner auf der ITB. Insofern ist es schon folgerichtig, dass sich auch der Landtag mal mit den Entwicklungen in diesem Bereich beschäftigt. Ob allerdings die Rolle von Herrn Waldmüller bei der Akquise

(Peter Ritter, DIE LINKE: Die entscheidende! Die entscheidende Rolle!)

die entscheidende gewesen ist

(Heiterkeit bei Andreas Butzki, SPD)

oder nicht doch die Tatsache, dass Venezuela zurückgetreten ist und dann ganz schnell Ersatz hermusste, darüber will ich jetzt hier nicht weiter philosophieren.

(Wolfgang Waldmüller, CDU: Das können wir ja dann bilateral machen.)

Ich glaube, klar ist aber,

(Zuruf von Wolfgang Waldmüller, CDU)

dass Venezuela im Moment andere Sorgen hat, als sich als Tourismusland auf der ITB zu präsentieren.

(Tilo Gundlack, SPD: Reden Sie jetzt nicht das Land schlecht!)

Nach vielen sehr guten Jahren musste die Branche 2017 einen Dämpfer hinnehmen, das ist gesagt worden. Bis einschließlich Oktober sind die Übernachtungen um 2,1 Prozent zurückgegangen und im Jahresvergleich fehlen somit 300.000 Übernachtungen. Das ist nicht schön, aber das ist auch nicht das Ende des Tourismuslandes Mecklenburg-Vorpommern, das ist auch kein Sturz von der Klippe ohne Bungee-Seil, aber es ist durchaus ein Warnschuss, der Gehör finden sollte, meine Damen und Herren, denn man hat es sich recht bequem gemacht in den letzten Jahren. So lautet auch das Fazit aus dem Tourismusbarometer des Ostdeutschen Sparkassenverbandes. Diese Einschätzung trifft den Nagel auf den Kopf, denn dass Tourismus kein Selbstläufer ist, das hat die Landesregierung stets betont, gehandelt, Herr Waldmüller, hat sie aber lange Zeit nicht.

Sie haben hier mehrfach die Fortschreibungen der Tourismuskonzeption angesprochen. Die aktuelle stammt noch aus dem Jahr 2010 und die darin enthaltenen Ziele und Maßnahmen waren eigentlich auf einen Zeithorizont bis 2015 ausgelegt. Wenn Sie so viel von Herausforderungen sprechen, dann muss ich Sie fragen: Was ist denn nach 2015 passiert? Hat denn nun die Landesregierung die alte Tourismuskonzeption evaluiert? Hat sie nachgesehen, welche Ziele erreicht und welche nicht erreicht wurden? Hat man sich das Marktumfeld mal wieder angesehen? Hat man neue Trends identifiziert? Zumindest lange Zeit wohl nicht, meine Damen und Herren von SPD und CDU.

Auch die Landesregierung hat es sich offensichtlich bequem gemacht und das lässt nur den Schluss zu, dass man auch da davon ausgegangen ist, dass der Laden schon irgendwie laufen würde. Mehr als zwei Jahre lang läuft Mecklenburg-Vorpommern nämlich nun schon ohne Tourismuskonzeption durch die Weltgeschichte, ohne neue Impulse und ohne Plan. Insofern kommt der Warnschuss zur rechten Zeit, damit auch Sie als Landesregierung den gemütlichen Ohrensessel wieder verlassen und sich am Strandkorb zu schaffen machen.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Dazu braucht es allerdings mehr als eine unverbindliche Aussprache nach dem Motto: „Schön, dass wir mal wieder über den Tourismus geredet haben“, denn selbst beschlossene Anträge – und deswegen habe ich mich vorhin durchaus amüsiert, Herr Waldmüller – bieten, wie

wir in Vorbereitung auf diese Landtagssitzung recherchiert haben, keinerlei Gewähr dafür, dass die Landesregierung am Ende auch tatsächlich tätig wird.

Das möchte ich Ihnen gerne an einem Beispiel illustrieren: Im August letzten Jahres haben wir als Fraktion eine Kleine Anfrage gestellt, um zu erfahren, was aus dem Auftrag des Landtages geworden ist, der 2013 in der 35. Sitzung erteilt wurde, also vor mehr als vier Jahren. Herr Waldmüller, vielleicht erinnern Sie sich. Der sperrige Titel des Antrages lautete: „Ausbildungsoffensive zur Attraktivitätssicherung der Ausbildungsberufe im Hotel- und Gaststättengewerbe entwickeln“. Das haben Sie sich heute übrigens wieder gewünscht. Im Antragstext hieß es wie folgt: „Die Landesregierung wird gebeten, unter der Koordinierung des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus sowie unter Einbeziehung der IHK und des DEHOGA, ein Bündel von imagewerbenden Maßnahmen zur Qualitätssicherung der Ausbildungsberufe im Hotel- und Gaststättenwesen zu entwickeln.“

(Peter Ritter, DIE LINKE: He!)

Klingt ganz toll.

Die Nachfrage von uns, was denn nun aus diesem beschlossenen Auftrag für imagewerbende Maßnahmen wurde, ergab eine weniger tolle Antwort. Und jetzt halten Sie sich fest, ich darf das zitieren: „Im Ergebnis wurde festgestellt, dass alle Beteiligten bereits seit Jahren intensiv an einer Attraktivitätssicherung und an einer Attraktivitätssteigerung der Ausbildung im Hotel- und Gaststättenbereich arbeiten.“

(Peter Ritter, DIE LINKE: Na immerhin!)

Und weiter: „Eine gezielte Imagekampagne zur Werbung von Jugendlichen, um ihnen die Perspektiven der Ausbildungsberufe im Tourismus aufzuzeigen, hat es bisher nicht gegeben. … Es ist bisher keine Evaluierung erfolgt.“

Was hat also Ihr wegweisender Antrag von vor vier Jahren bewirkt? Real null Komma nix. Letztlich ist dieses Engagement des Landtages also verpufft. Gut also, dass wir hier mal wieder darüber gesprochen haben!

Meine Damen und Herren, dass die SPD zu dem Thema nun diese Aussprache beantragt hat, passt gewissermaßen wie die Faust aufs Auge – nicht nur aufgrund des eben geschilderten Beispiels, denn wir reden in dieser Landtagssitzung ja auch noch über einen konkreten Antrag, in dem Fall zum Kinder- und Jugendtourismus. Da machen wir es dann konkret, da sprechen wir über notwendige Investitionen und über Qualität. Das wird auch kein allgemeines Laberrhabarber, sondern da können Sie dann gleich mal beweisen, wie ernst es Ihnen wirklich ist. Nur mal nett über Tourismusentwicklung plauschen oder handeln und konkrete Maßnahmen beschließen, das liegt nun in Ihrer Hand.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Natürlich, und da gebe ich Herrn Waldmüller recht, hängt die Entwicklung des Tourismus nicht nur von den Entscheidungen oder Aktivitäten – oder man müsste ja mit Blick auf meine Beispiele Nichtaktivitäten sagen – der Landesregierung ab. Die Politik setzt einen Rahmen und die Branche selbst, also die einzelnen Akteure und Unternehmen, sind es letztlich, die die Fäden in der Hand haben.

Wenn wir über Investitionen in der Branche reden, dann geht es natürlich nicht nur um bauliche Investitionen – hier fordert der Tourismusverband ein Modernisierungsprogramm –, sondern auch um Reserven im SocialMedia-Bereich, also was die Bewerbungen der touristischen Angebote im Land angeht. Es geht um bessere Kooperation zwischen Tourismusverband und Agrarmarketing, insbesondere auf der regionalen Ebene, und es geht natürlich auch um das Aufzeigen alternativer Routen. Wie kommt man angesichts der Problemlagen auf der A 19 und A 20 im Sommer jetzt nach MecklenburgVorpommern? Da gibt es, das weiß ich aus Gesprächen beim Tourismusverband, verschiedenste Ideen: zum einen, für alternative Anreiserouten zu werben, und zum anderen, wenn es dann tatsächlich zu Staus kommt, auch sogenannte Stau-Promoter einzusetzen, die zumindest die im Stau Stehenden beruhigen, ihnen Getränke anbieten und Ähnliches mehr. Das kennt man auch von der Deutschen Bahn.

Was leider vergessen wird, ist, wir brauchen auch Investitionen ins Personal. Da sieht es, gelinde gesagt, vielfach immer noch lausig aus. Deshalb war der Tarifabschluss, den Herr Waldmüller angesprochen hat, zwischen NGG und DEHOGA, der Lohnerhöhungen von 8 bis knapp 13 Prozent in einer Zeitspanne bis 2019 vorsieht, ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, schließlich wird im Hotel- und Gaststättengewerbe immer noch am wenigsten verdient. Hinzu kommt, Sie haben es selbst angesprochen, immer noch bleiben in diesem Bereich die meisten Ausbildungsplätze frei. Allerdings hat das nicht nur was mit der Entlohnung zu tun, Herr Waldmüller. Hier spielt tatsächlich auch das Image der Branche eine Rolle, für die Teildienste, fehlender bezahlbarer Wohnraum am Arbeitsort, Saisonbeschäftigungen und somit schwierige Voraussetzungen für eine Vereinbarkeit von Berufs- und Erwerbsleben prägend sind.

Deshalb kann ich nur an die Unternehmen appellieren, die massive Kampagne für eine Änderung des Arbeitszeitgesetzes einzustellen, denn da bin ich vollkommen anderer Auffassung als Sie, Herr Waldmüller. Letztlich erweist sich die Branche damit einen Bärendienst, denn ich weiß nicht, wie Sie junge Leute für einen Job in der Gastronomie oder Hotellerie gewinnen wollen bei den Dingen, die sie im negativen Sinne ohnehin schon mit den Arbeitsbedingungen verbinden, wenn Sie jetzt auch noch dafür werben, dass das Arbeitszeitgesetz aufgeweicht werden soll. Das würde keine Verbesserungen der Arbeitsbedingungen bedeuten und würde es folglich eher schwerer machen, junge Leute davon zu überzeugen, in dieser wichtigen Branche eine Ausbildung und später eine Arbeit anzutreten.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Deswegen sage ich Ihnen und auch an die Adresse derjenigen, die im DEHOGA-Bereich diese Kampagne fahren: Statt die Kraft in eine aus meiner Sicht wenig gewinnbringende Debatte zur Wochenarbeitszeit zu stecken, sollten Sie diese besser darauf verwenden, darüber nachzudenken, wie Sie die Arbeit im Tourismus tatsächlich attraktiver gestalten können.

Was tun zum Beispiel Unternehmen, um junge Mütter im Unternehmen zu halten? Mit 14- oder 15-Stunden-Tagen, ohne Wohnung am Ort und abgesicherte Kinderbetreuung wird das wohl nichts werden. Was ist Ihre Strategie, um das Personal auch in der Nebensaison halten zu

können? Es gibt gute Beispiele, Herr Waldmüller, davon brauchen wir allerdings mehr. Ich habe mich selbst davon überzeugt, habe mir das angeschaut, was in der Seenplatte in Zusammenarbeit mit der Arbeitsagentur passiert. Da ist es so, dass die Bundesagentur für Arbeit für einige Monate das Gehalt in der Nebensaison weiterzahlt unter der Voraussetzung, dass die Beschäftigten aus der Tourismusbranche sich im ÜAZ weiterqualifizieren.

Als Politiker sind wir alle aufgefordert, darüber nachzudenken, wie man die Unternehmen bei all den angesprochenen Vorhaben unterstützen kann. Das ist richtig, denn eines ist klar: Wenn die Gäste weniger werden und die Einnahmen sinken, dann steht logischerweise auch die Frage, wie ich meine Beschäftigten bezahlen und halten kann. Wie kann das Land an dieser Stelle helfen?

Aus unserer Sicht zum Beispiel mit Investitionszuschüssen für saisonverlängernde Maßnahmen, also Angeboten, damit unsere Gäste einen Grund haben, auch jenseits von Sommer, Sonne, Strand zu uns zu kommen. Da passiert einiges, das will ich nicht verhehlen, aber da geht aus unserer Sicht sicherlich noch mehr.

Es gibt auch direkte Unterstützungsmöglichkeiten. Ich will jetzt nicht jedes einzelne Modellprojekt hier vortragen, aber ich will auf ein aktuelles Beispiel gerne eingehen. 2017 hat die Landesregierung eine Modellförderung an 15 Betriebe ausgereicht unter dem Titel „Saisonzuschuss“. Dabei hat man den ausgewählten Betrieben über die Nebensaison hinweg Zuschüsse zu den Personalkosten gezahlt, damit diese die Beschäftigten über die Saure-Gurken-Zeit halten konnten. Nach unseren Recherchen hat die Landesregierung für dieses Thema 72.000 Euro in die Hand genommen. Ich kürze das jetzt mal ab und berichte vom Ergebnis: Die Landesregierung sagte selbst, das war ein Erfolg. So ist es eingeschätzt worden auf einer Veranstaltung, wo die Ergebnisse vorgestellt wurden.

Jetzt könnte ich fragen: Wenn es ein Erfolg gewesen ist, wie geht es denn weiter mit dem Modellprojekt oder erfolgt da gar eine Verstetigung? Da muss ich dann sagen, offenbar gar nicht, denn wir haben das noch mal im Rahmen einer Kleinen Anfrage evaluiert und jetzt zur Antwort bekommen: „Die Landesregierung zieht ein Förderprogramm zur Förderung von ganzjähriger Beschäftigung im Hotel- und Gaststättengewerbe unter anderem deshalb nicht in Erwägung, weil die Kostenbelastung primär beim Land, die Einspareffekte über die Träger der Bundesagentur für Arbeit jedoch primär beim Bund liegen würden.“ Zitatende.

Da sage ich, klasse! Sie haben also 72.000 Euro in ein Modellprojekt gesteckt oder, man könnte auch sagen, in einem Modellprojekt versenkt, von dem Sie vorher gewusst haben, dass es keine Fortsetzung finden wird. Das ist schade, vor allem für die Saisonbeschäftigten, deren Hoffnung auf eine ganzjährige, heimatnahe Beschäftigung erneut enttäuscht wurde.

Auch hier ist das Fazit: Gut, dass wir mal darüber geredet haben. Passiert ist nichts, außer einer Ausgabe von 72.000 Euro und einem neuen Leitz-Ordner für ein Modellprojekt in den Schubladen von Minister Harry Glawe.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Gut angelegtes Geld!)

Da kann ich nur sagen, nicht Harry wirkt, sondern Glawe wirkt, hatten Sie, glaube ich, letztens gesagt. Die Frage ist nur, wie.