Protokoll der Sitzung vom 14.03.2018

Liebe Bürger von Mecklenburg und Vorpommern! Wertes Präsidium! Werte Kollegen! Verehrte Gäste! Juristenausbildung steht jetzt zur Debatte. Ich möchte mit dem Punkt anfangen, mit dem die Frau Minister aufgehört hat.

Eigentlicher Aufhänger ist die Anpassung des JAG an die Europäische Datenschutz-Grundverordnung. Das sind aber nur zwei Stellen, an denen diese Anpassung notwendig war. Die ist ordnungsgemäß und rügefrei erfolgt.

(Heiterkeit bei Ministerin Katy Hoffmeister)

Damit kann das Thema abgehakt werden. Der eigentliche Punkt, warum wir heute darüber sprechen, ist nicht diese Verwaltungsanpassung, sondern die Generierung juristischen Nachwuchses. Dazu sind zwei Punkte, die Frau Minister hat dazu ausführlich ausgeführt, in der geänderten JAG-Fassung vorgesehen: einmal die Verbeamtung der Rechtsreferendare und die Möglichkeit der Notenverbesserung ohne Freischuss. Zu beiden möchte ich kurz was sagen.

Zur Verbeamtung: Eigentlich ist das ein sehr kritisch zu beäugendes Instrument. Dazu werde ich mich bei TOP 9, beim Antrag der Linksfraktion, noch etwas weiter äußern. Da die Verbeamtung hier bei den Rechtsreferendaren eine solche auf Widerruf ist, die endet, wenn das Zweite juristische Staatsexamen erfolgreich bestanden wurde, und damit zunächst keine Pensionslasten für das Land generiert werden, steht das nicht so sehr in der Kritik. Das ist ein Punkt, wo ich sagen würde, kann man machen.

Zur Notenverbesserung: Es ist ein gewisser Anachronismus, wenn Juristen ihr Staatsexamen bestanden haben, dann konnten sie bislang zur Notenverbesserung in einen zweiten Versuch starten, wenn sie den ersten Versuch innerhalb der Freischussregelung, das heißt inner

halb der ersten acht Studiensemester, abgelegt hatten. Das soll jetzt von diesem Freischuss freigestellt werden. Das heißt, jeder soll die Möglichkeit haben, zur Notenverbesserung noch mal anzutreten, und auch im Zweiten Staatsexamen soll diese Möglichkeit eröffnet werden. Die war dort bisher nicht vorgesehen.

Auch das ist eine Forderung, die die Juristischen Fakultäten dieses Landes, als es noch zwei gab, und inzwischen die Juristische Fakultät an der Ernst-Moritz-ArndtUniversität Greifswald immer wieder aufgestellt haben. Das Justizministerium kommt damit einer Bitte der Jurafakultäten entgegen, weil die meisten anderen Bundesländer das auch so vorsehen und in der Tat Standortnachteile damit verbunden waren.

Trotzdem, ich muss mich jetzt mal umdrehen, ich sehe aber, Herr Brodkorb ist leider nicht, doch da hinten, er ist doch anwesend. Generierung juristischen Nachwuchses – Sie wissen, was jetzt kommt –,

(Heiterkeit und Zuruf von Torsten Renz, CDU)

ich habe Ihre Worte noch im Ohr, damals hochschulpolitischer Sprecher der SPD, Abwicklung des Studiengangs Rechtswissenschaft an der Universität Rostock.

(Marc Reinhardt, CDU: Oha!)

Ich darf aus der Erinnerung zitieren: Der Studiengang Rechtswissenschaft an der Juristischen Fakultät der Universität Rostock muss deswegen geschlossen werden, weil wir Juristen für andere Bundesländer weit über den eigenen Bedarf hinaus ausbilden – die heilige Einfalt der Landesregierung, die dem damals gefolgt ist mit dem Ergebnis, dass wir jetzt deutlich zu wenig juristischen Nachwuchs ausbilden.

(Heiterkeit bei Torsten Renz, CDU: Da muss jetzt aber ein Redebeitrag kommen!)

Das war eine grundlegende Fehlentscheidung. Sie war deswegen so gravierend, weil alles schon eingerichtet war. Das Land hatte sich für zwei Juristische Fakultäten entschieden, die anlaufenden Kosten, Bibliothekseinrichtung und so weiter, Einstellung der Professoren, jeweils 15 an beiden Fakultäten, war erfolgt.

(Im Plenarsaal geht das Licht an. – allgemeine Unruhe und Heiterkeit)

Und es werde Licht!

Die größten Kostenpunkte waren vom Land schon gestemmt. Was braucht ein Jurastudent, außer einer Bibliothek? Er braucht einen Hörsaal und einen Professor, der vorne steht und irgendetwas erzählt. Das heißt, das Fortführen des Studienganges hätte kaum relevante Kosten verursacht.

Ich darf daran erinnern, der letzte Kollege, der in Rostock nicht mehr gebraucht und quasi über Gebühr mit Veranstaltungen beschäftigt war, die keiner gebraucht hat, ist letztes Jahr gegangen, ist letztes Jahr nach Leipzig berufen worden. Solange hat man dort Professuren finanziert, die unnötig waren. Kostenpunkt: etwa 150.000 Euro mit Sekretariat, Mitarbeitern und so weiter. Das ist genau der Kostenpunkt, 168.000 Euro, der anfällt, wenn wir die Verbeamtung auf Widerruf bei den Referendaren durch

setzen und alle 130 Planstellen für Rechtsreferendare besetzt wären. Ein einziger Professor hat im Jahr dieselben Kosten verursacht. Nur mal zur Erinnerung!

(Beifall Horst Förster, AfD)

Es tut mir gut, das hier noch mal erwähnen zu dürfen.

Wir haben damals in breiter Front gegen diese Schließung protestiert, konnten uns aber damit nicht durchsetzen in Rostock. Ich war persönlich nicht betroffen, weil netterweise die Kollegen in Greifswald sofort die Hand ausgestreckt und gesagt haben, komm nach Greifswald, dich können wir brauchen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Wenn die gewusst hätten, was ihnen blüht! – Zurufe von Torsten Renz, CDU, und Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE)

Das hat mir persönlich gutgetan. Es ging aber leider nicht allen Kollegen so.

(Thomas Krüger, SPD: Das haben die bestimmt schon bereut inzwischen! Heiterkeit vonseiten der Fraktion der SPD)

Langer Rede kurzer Sinn, das, worüber wir jetzt reden, ist auch mit verursacht worden durch eine alles andere als weitsichtige Haltung der Landesregierung in den Jahren 2006 bis 2008, als diese Strukturentscheidungen gefallen sind.

(Beifall Christoph Grimm, AfD)

Was bleibt noch zu sagen? Was wir hier machen, ist ein Verbessern am Krankheitssymptom. Was wir nicht tun, ist, die eigentliche Ursache, jedenfalls was das Referendariat angeht, zu beheben. Fest steht erstens, die Durchfallquote, die Quote der nicht erfolgreich Antretenden im Zweiten juristischen Staatsexamen, ist in MecklenburgVorpommern überdurchschnittlich hoch. Woran liegt das? Das liegt daran, dass die Ausbildung im Referendariat überdurchschnittlich schlecht ist. Weder sind die Richter, die die Arbeitsgemeinschaften leiten, flächendeckend freigestellt von ihrer normalen Richtertätigkeit oder auch nur erheblich von ihren eigentlichen Aufgaben dienstzeitbefreit, sondern sie machen das freiwillig nebenher. Das ist aller Ehren wert, aber dass dann die Zeit ein bisschen zu kurz kommt, in der man sich auf solche AGs vorbereitet, liegt auf der Hand.

Ich möchte mal aus der Praxis plaudern. Ich habe das Referendariat nicht hier durchlitten,

(Elisabeth Aßmann, SPD: Durchlitten!)

sondern in Baden-Württemberg abgeleistet, habe aber sehr viel Kontakt mit Kollegen, die hier das Rechtsreferendariat erlebt haben. Da kommt der AG-Leiter Zivilrecht in die Referendariats-AG, bringt die NJW mit und sagt, habe leider sehr viele Fälle zu bearbeiten gehabt, wir lesen jetzt zusammen die NJW. Und dann werden zwei oder drei Fälle aus dieser juristischen Fachzeitschrift vorgelesen. Dazu brauche ich keine zwei oder vier Stunden Arbeitsgemeinschaft abzuhalten. Das kann jeder selbst.

Oder gerade von einem Freund von mir erlitten, der in der öffentlich-rechtlichen Abteilung gehört hat: Na, Sie

haben ja ein ganz gutes Staatsexamen gemacht. Ich möchte einen Balkon anbauen. Mein Nachbar hat Widerspruch eingelegt. Gucken Sie sich das mal durch und schreiben Sie mir was Ordentliches. Wenn das klappt, brauchen Sie die restlichen drei Monate nicht mehr zu kommen.

Das ist praktische Wirklichkeit der Ausbildung im Referendariat in Mecklenburg-Vorpommern! Wenn wir das nicht in den Griff kriegen, dann bleiben die Maßnahmen, die insgesamt positiv zu bewerten sind, natürlich Stückwerk. Das heißt, das Hauptaugenmerk muss darauf liegen, die Ausbildung, die Qualität der Ausbildung im Referendariat deutlich zu verbessern.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Da das so ist, freuen wir uns über den Gesetzentwurf und stimmen natürlich einer Überweisung in die Ausschüsse gerne zu. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Ums Wort gebeten hat für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Brodkorb.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Herr Professor Weber, so, wie es für Sie eine Freude war, noch mal die Geschichte aufzuarbeiten, ist es für mich ein Vergnügen, darauf zu replizieren, zumal Sie im zweiten Teil Ihrer Ausführungen die Gründe dafür gelegt haben, warum Sie im ersten Teil Unrecht hatten.

Ich darf Sie an die Geschichte noch mal erinnern: Es war der Vorschlag der Universität Rostock, namentlich des Rektors, zwischen Greifswald und Rostock eine Arbeitsteilung zu organisieren und Rostock zum Hauptstand der Lehrerbildung zu machen und Greifswald zum Hauptstand der Juristenausbildung. Es war kein Vorschlag der Landesregierung, sondern der Universität selbst. Ich würde sagen, das ist historisch zutreffend. – Sie nicken.

Der Rektor hat dann zur Überraschung innerhalb weniger Tage seine Meinung geändert.

(Dr. Ralph Weber, AfD: Was erfreulich ist.)

Ob dafür allein Sachgründe oder andere Motive ausschlaggebend gewesen sind – es stand eine Wiederwahl bevor –, ist eine andere Frage.

Ich halte die Gründe für die damalige Reform auch heute noch für richtig. Wir können uns die Zahlen gerne mal ansehen, denn die Juristische Fakultät in Greifswald hat ein weit größeres Ausbildungspotenzial, was die Plätze angeht, als der langfristige Juristenbedarf in Mecklenburg-Vorpommern, also der Wiedereinstellungsbedarf in den öffentlichen Dienst und den Ersatzbedarf im Bereich der Rechtsanwälte, ist. Sie haben eben genickt, dem würden Sie auch zustimmen.

Genau das war der Grund, warum die Landesregierung damals – da war ich noch Abgeordneter, war nicht Mitglied der Landesregierung – den Vorschlag der Universität Rostock aufgegriffen hat. Ich glaube, die Zahlen halten auch immer noch stand.

Das wurde auch aus dem deutlich, was Sie als Zweites gesagt haben. Es reicht nicht aus, Studienplätze bereitzustellen und Leute auszubilden, die müssen am Ende auch bereit sein, in Mecklenburg-Vorpommern ihr Referendariat zu machen. Ich spitze es etwas zu, will damit nicht behaupten, die Wirklichkeit zu beschreiben: Angenommen, wir hätten die schlechtesten Karriereaussichten und die schlechtesten Ausbildungsbedingungen im Referendariat in ganz Deutschland, dann könnten wir fünfmal so viele Juristen ausbilden, wie wir brauchen, die würden trotzdem nicht hier in Mecklenburg-Vorpommern ihren Beruf ergreifen. Das heißt, wenn Sie grundsätzlich ausreichend Studienplätze bereitstellen, um langfristig den Ersatzbedarf zu bedienen, was der Fall ist, ist die eigentliche Baustelle – deswegen kann ich der Justizministerin zu diesem Gesetzentwurf nur gratulieren –, den Eintritt ins Berufsleben auch im öffentlichen Dienst für Juristinnen und Juristen attraktiver zu machen und sie dann hier zu halten. Das ist etwas, das gilt auch für Lehrer und viele andere Bereiche.

Ich hätte einen kleinen Vorschlag. Nach meiner Kenntnis ist es so, dass die Universität Rostock noch immer über eine Juristische Fakultät verfügt, so nennt sie sich jedenfalls, die allerdings nicht mehr das Staatsexamen anbietet. Sie hat eine Juristische Fakultät, bietet aber nicht das Staatsexamen an. Es sind insgesamt sechs ordentliche Lehrstühle und drei Juniorprofessoren an der Universität Rostock arrondiert. Wir haben schon damals, das muss zwölf Jahre oder länger her sein, ins Landeshochschulgesetz die Möglichkeit aufgenommen, dass Hochschulen hochschulübergreifende Fakultäten bilden können. Wir haben jetzt diese Norm extra für die Juristen ins Hochschulgesetz aufgenommen, dass diese beiden Fakultäten zusammen eine Juristische Fakultät bilden. Ich nehme an, Greifswald hat 14 Professuren, so ungefähr müsste es sein,

(Dr. Ralph Weber, AfD: 15.)

oder 15, sodass wir eine Fakultät hätten mit deutlich über 20 Lehrstühlen. Wir haben damals schon diskutiert, dass es aus unserer Sicht kein Problem wäre, wenn die beiden Universitäten sich vernünftig absprechen, dass selbstverständlich auch die Universität Rostock daran beteiligt sein kann, Staatsexamenskandidaten auszubilden. Man muss nur bereit sein, das gemeinsam auf den Weg zu bringen.