Protokoll der Sitzung vom 25.04.2018

Zum Schluss möchte ich noch auf die Rede von Herrn Minister Caffier im letzten Jahr zurückkommen. Sie sprachen damals von einer Problemverlagerung. Das aber impliziert, dass es ein Problem gibt. Nun wird sich das Innenministerium mit dem Stadtvertreterbeschluss der Landeshauptstadt Schwerin beschäftigen müssen. Andere Kommunen werden folgen.

(Torsten Renz, CDU: Nee, der Bürgermeister widerspricht. Der kommt hier gar nicht an.)

Die Stadtvertretung wird daraufhin den nächsten Schritt machen.

(Torsten Renz, CDU: Das kann sein, ja. – Zuruf von Martina Tegtmeier, SPD)

Die Bürger werden verstärkt den Klageweg gegen die Beitragsbescheide gehen. Wollen wir hier in Mecklenburg-Vorpommern immer mehr Verwaltungs- und Gerichtsarbeit für dieses unnütze Problem aufwenden? Haben wir nicht andere wichtige Aufgaben, die die Arbeitsleistung benötigen? Die Personalkosten, die für die Berechnung der Straßenausbaubeiträge anfallen und die nicht ganz unerheblich sind, müssen auch nicht sein und können für wichtigere Aufgaben verwendet werden.

(Zuruf von Martina Tegtmeier, SPD)

Ich kann mir gut vorstellen, dass jede Fraktion Ideen hat, wo wir die eingesparte Man- oder auch Womanpower einsetzen können.

Lobend möchte ich noch den Sinneswandel der CDU erwähnen. Der CDU-Kreisvorstand Schwerin hat in der Pressemitteilung vom 17.04. dieses Jahres erklärt, Zitat: „Ziel der Schweriner CDU ist es, die Ausbaubeiträge für Anlieger abzuschaffen. Da sind wir uns einig.“ Zitatende.

(Zuruf aus dem Plenum: Hört, hört!)

Auch wenn es auf Landesebene noch eines Meinungsbildungsprozesses bedarf – mir wurde signalisiert, dass andere Kommunen und andere Kreisverbände dort positiv gestimmt sind.

(Martina Tegtmeier, SPD: So, so?! Die CDU! Hm!)

Ich bitte darum, unseren Antrag in den Innenausschuss zu überweisen, mitberatend in den Rechts- und Finanzausschuss. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Das Wort zur Begründung des Antrages der Fraktion DIE LINKE hat für DIE LINKE die Abgeordnete Frau Rösler.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Einen Gesetzentwurf und einen Antrag in verbundener Aussprache zu behandeln, bedeutet für mich zunächst, dass alle Fraktionen des

Landtages dem Beratungsgegenstand, also den Straßenausbaubeiträgen, eine erhebliche politische Bedeutung beimessen. Es geht für mich nicht in erster Linie um Zeitökonomie, aber das gewählte Beratungsverfahren lässt zumindest hoffen, eine fraktionsübergreifende Lösungssuche zur künftigen Handlungsmaxime zu machen.

Meine Damen und Herren, wenn das Expertengespräch zur Erhebung von Straßenausbaubeiträgen auf Antrag meiner Fraktion am 29. Juni des letzten Jahres im Innen- und Europaausschuss eines klargemacht hat, dann doch wohl, dass es die eine oder die einfache Lösung nicht gibt und auch nicht geben kann.

(Martina Tegtmeier, SPD: Genau.)

Da ist zunächst die in diesem Landtag seit Langem diskutierte Frage der Umstellung der Soll- in eine Kannregelung der Beitragserhebung. Dies greift der vorliegende Gesetzentwurf nach 2017 heute erneut und unverändert auf. Auf diesen Lösungsansatz werde ich in der Aussprache kritisch und ausführlich eingehen. An dieser Stelle mache ich nur die Anmerkung, dass dieser Ansatz nach meinem Eindruck von den angehörten Experten durchweg nicht als Lösung angesehen wird.

Meine Damen und Herren, daneben gibt es Überlegungen, das Beitragssystem, die Beitragserhebung sensibler zu machen für einzelfallbezogene Belastungen. Hier ist zu denken an Billigkeitsregelungen oder eigene Stundungsregelungen, losgelöst von den starren Vorschriften der Abgabenordnung. Der Presse war zu entnehmen, dass in der Koalition zu den Straßenausbaubeiträgen ein Nachdenken eingesetzt habe. Demnach werde geprüft, den Kommunen mehr Spielraum bei der Beitragsgestaltung zu geben. Das würde dann zu dem von mir gerade skizzierten zweiten Lösungsansatz passen und sollte ernsthaft und vertiefend diskutiert werden, eventuell sogar über die koalitionsinterne Arbeitsgruppe hinaus. Wenn der „Nordkurier“ aber vermutet, dass die CDU in den Straßenausbaubeiträgen ein Wahlkampfthema für die Kommunalwahlen 2019 entdeckt habe, dann hoffe ich, dass der „Nordkurier“ hier irrt im Interesse der Betroffenen und im Interesse möglicher und sinnvoller fraktionsübergreifender Sacharbeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, dann gibt es drittens den prinzipiellen Lösungsansatz, sich von dem historisch überkommenen Vorteilsbegriff zu lösen, der die Beitragserhebung bislang legitimierte, das bedeutet, auf die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen komplett zu verzichten. Das ist wohl auch die Position des VDGN und die Zielformulierung der Volksinitiative „Faire Straßen“. Ich erspare es uns an dieser Stelle, auf entsprechende Debatten und Beschlüsse von Stadt- und Gemeindevertretungen beziehungsweise Bürgerschaften sowie entsprechendes Abstimmungsverhalten der jeweiligen Fraktionen in Schwerin, Rostock, Güstrow, Bad Doberan und so weiter und so fort im Einzelnen einzugehen.

Meine Damen und Herren, dieser grundlegende Lösungsansatz, also die Abschaffung von Straßenausbaubeiträgen, wird inzwischen parteiübergreifend und auf verschiedenen Ebenen diskutiert. Deshalb sollten auch wir diesen Ansatz im Landtag aufgreifen und deswegen sollte der Landtag nicht erst auf mögliche Ergebnisse der

Volksinitiative warten, zumal hier vor dem Hintergrund von Artikel 59 der Landesverfassung und Paragraf 2 Absatz 1 Volksabstimmungsgesetz rechtliche Hindernisse nicht auszuschließen sind.

Meine Damen und Herren, die sofortige Abschaffung von Straßenausbaubeiträgen – das mag eine griffige Losung in der politischen Auseinandersetzung sein, parlamentarische Umsetzung hat neben politischem Wollen aber auch juristische und finanzielle Aspekte in den Blick zu nehmen. Genau hierauf zielt der Antrag meiner Fraktion ab. Es ist der verbundenen Aussprache geschuldet, dass meine Antragsbegründung von der Chronologie des Antrages abweichen musste. Sowohl der Gesetzentwurf als auch der zweite Forderungspunkt unseres Antrages zielen auf künftige Änderungen rechtlicher Grundlagen der Beitragserhebung ab.

Unser erster Forderungspunkt hingegen zielt auf Beitragsprobleme im Hier und Heute ab, völlig unabhängig von möglichen KAG-Änderungen. Hierbei geht es erstens in Anlehnung an die brandenburgischen Erfahrungen darum, den Kommunen mithilfe eines Leitfadens eine Orientierung für notwendige und sinnvolle Ausbaustandards an die Hand zu geben. Das vorhandene Regelwerk für die Planung und den Bau von Straßen bietet nämlich eine breite Palette bezüglich der Dimensionierung und Gestaltung von Straßen, allerdings mit erheblichen Kostenunterschieden.

Hier gilt es, Ermessensspielräume für weniger aufwendige und preiswertere Lösungen aufzuzeigen. Der Leitfaden wäre durchaus ein Instrument für die Kommunalpolitik, dem Bauplaner bereits den klaren Auftrag zu erteilen, individuell zu planen sowie mehrere Varianten mit jeweiligen Kostenberechnungen anzubieten. Vielleicht führen auch diesbezüglich Überlegungen im Ergebnis zu klareren Formulierungen in unserem KAG. So könnten etwa künftig Beiträge nur für Kosten der Standardausführung, also Kosten für Beton statt Granit, erhoben werden. Denkmalpflegerische und gestalterische Mehrkosten müsste dann die Kommune selbst tragen.

Neben diesem Ausführungsleitfaden soll mit unserem Antrag die Kommunikation zwischen Kommune und Anliegern beziehungsweise Beitragspflichtigen deutlich verbessert werden. Den Kommunen sollten Verfahrenshinweise für einen optimalen Beteiligungsprozess von Beginn an gegeben werden. Es geht um Informationen und Mitbestimmung. Laut Kommunalverfassung sollen Einwohnerinnen und Einwohner bei wichtigen Planungen und Vorhaben frühzeitig über Grundlagen, Ziele und Auswirkungen sowie mögliche Folgen für Steuern, Beiträge und Hebesätze informiert werden. Praktisch läuft es aber regelmäßig so ab, dass ein Planer die fertige Vorentwurfs- oder Entwurfsplanung vorstellt und dabei längst feststellt, wie ausgebaut wird. Zur Wahl stehen dann bestenfalls der Belag, die Farbe oder die Lage der Straßenentwässerung und der Zufahrten. Durch ein anderes Verfahren ließe sich bereits an dieser Stelle eine spätere Beitragsproblematik deutlich entspannen, wenn auch nicht vollständig lösen.

Sollte der Antrag angenommen werden, sind wir bereit, über die Terminstellung zu diskutieren. Wichtiger aber ist, dass dieser Landtag in Sachen Straßenausbaubeiträgen zügig handelt. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine verbundene Aussprache mit einer Dauer von bis zu 120 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Ums Wort gebeten hat zunächst der Minister für Inneres und Europa Herr Caffier.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Frau Rösler, ja, Sie haben zu Recht gesagt, die Lösung gibt es nicht. Insofern bin ich sehr dankbar, dass das Thema von Ihnen zumindest so geführt wird, dass wir sagen, wir müssen über alle Optionen reden, denn die einfachste Option ist natürlich, einfach abzuschaffen. Da stellt sich zum Schluss die Frage, wie das finanziert werden soll.

(Peter Ritter, DIE LINKE: So ist es.)

Wenn ich höre, Herr Lerche, was in letzter Zeit so alles abgeschafft werden soll, dann stellt sich natürlich die Frage, wie bestimmte Aufgaben, die wir auch noch vorhalten müssen, wollen und sollen, in Zukunft finanziert werden.

Mal wieder steht das Thema Straßenausbaubeiträge auf der Tagesordnung des Landtages und, wie ich vermute – die Diskussion zeigt es auch –, nicht zum letzten Mal in diesem Jahr. Straßenausbaubeiträge waren, werden und sind noch nie beliebt gewesen, erst recht nicht bei den Betroffenen. All die, die hier im Parlament sitzen, kennen die Diskussionen um Straßenausbaubeiträge nun schon seit unterschiedlichen Zeiten, ich seit fast drei Jahrzehnten. Doch in letzter Zeit – das ist unstrittig – hat die Debatte spürbar an Dynamik zugenommen. Auch ich als Innenminister, die Landesregierung, Frau Rösler – ich glaube auch Sie, Herr Lerche, gingen schon kurz darauf ein – erkennen an, ja, es gibt Handlungsbedarf. Wir müssen darüber reden, wie wir mit der jetzigen Situation umgehen.

Die Grundidee der Straßenausbaubeiträge ist relativ simpel: Vom Straßenausbau profitieren natürlich auch Anlieger, deswegen sollen sie anteilig zur Finanzierung beitragen. Je stärker die Allgemeinheit profitiert, desto weniger sollten nach der Gesetzessituation die Anlieger, die Eigentümer der anliegenden Grundstücke zahlen. Das sieht auch unsere Gesetzeslage vor, denn in der Gesetzeslage heißt es, nicht 90 Prozent sollen grundsätzlich eingetrieben werden, sondern es heißt bis 90 Prozent, 10 Prozent können auch. Die Frage ist, warum Gemeindevertreter oder Satzungen, die dies hergeben, dies in der Form nicht beschlossen haben. Darüber wird man reden müssen.

In der Theorie klingt das Ganze schlüssig, doch in der Praxis sorgen Straßenausbaubeiträge vor allem für Streit, für Empörung und für Verdruss. Seien wir ehrlich: Straßenausbaubeiträge existieren nicht, weil ihre innere Logik so bestechend ist, sondern weil sie nach der Wiedervereinigung eingeführt wurden und in der Gesetzgebung der Nachbarländer enthalten waren.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Ob man sich heutzutage so ein Abschreiben wieder leisten würde, darüber kann man zumindest diskutieren.

Nun leben wir aber in der Gegenwart und nicht im Konjunktiv. Straßenausbaubeiträge sind für die Städte und Gemeinden eine wichtige Finanzierungsquelle. Sie gehören zu einem sorgsam ausgeklügelten System von kommunalen Ein- und Ausgaben. Insofern – und da gebe ich allen Rednern recht – sollten Änderungen sorgfältig diskutiert und überlegt sein. Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass hohe fünfstellige oder gar sechsstellige Ausbaubeiträge für Privatpersonen nicht vermittelbar sind. Gerade im ländlichen Raum besteht die Gefahr, dass die Straßenausbaubeiträge den Wert der zugrunde liegenden Immobilie sogar manchmal übersteigen. In der Versicherungswirtschaft würde man das als wirtschaftlichen Totalschaden bezeichnen.

Bei der grundsätzlichen Frage, ob überhaupt Straßenausbaubeiträge erhoben werden sollen, gehen die Meinungen hingegen auseinander. Das hat man schon zum Teil bei der Einführung gehört. Da wird die Lage schnell unübersichtlich. So verteidigt der Städte- und Gemeindetag als Verband die jetzige bestehende Regelung vehement, er hat sie sogar entscheidend mitgeprägt. Wenn ich aber mit den hauptamtlichen Bürgermeistern spreche, die Mitglieder im Städte- und Gemeindetag sind, höre ich häufig ganz andere Töne. Sich im Verband für den Status quo auszusprechen und vor Ort, in den Städten und Gemeinden dagegen zu opponieren – so, meine Damen und Herren, geht es allerdings auch nicht. Hier ist die kommunale Familie gemeinsam in der Pflicht, sich einmal ehrlich darauf zu verständigen, was sie eigentlich möchte und wo die Reise in dieser Frage hingehen soll.

Meine Damen und Herren, aus meiner Sicht sind wir in erster Linie mit drei Problemen konfrontiert:

Erstens. Straßenausbaubeiträge sind in vielen Fällen schlicht zu hoch.

Zweitens. Viele Straßenbausatzungen werden als nicht gerecht empfunden und werden manchmal von Einzelnen beschlossen. Es werden Planungen vorgesehen bis zum goldenen Papierkorb, die dann natürlich umgelegt werden.

Und drittens. Die Information und Beteiligung der Ausbaupflichtigen sind zwar bei uns gesetzlich festgelegt, aber sie kommen offensichtlich – jetzt formuliere ich es mal sehr freundlich – häufig zu kurz, wenn sie denn überhaupt in allen Fällen stattfinden.

Nun gibt es drei Möglichkeiten, diesen Problemen zu begegnen:

Erstens. Wir schaffen das bestehende System ersatzlos ab. Der Applaus der Bürger wäre uns zunächst sicher und es wäre ein signifikanter Beitrag zur Entbürokratisierung. Sie gingen schon kurz darauf ein, Bayern will offenbar genau diesen Weg gehen.

Herr Foerster, ich habe ganz erstaunt zur Kenntnis genommen, dass Sie gestern erklärt haben, von Bayern lernen, heißt siegen lernen.

(Henning Foerster, DIE LINKE: Ich habe vorher gesagt, ich sage es nicht gerne.)