Protokoll der Sitzung vom 12.09.2018

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE und Dr. Ralph Weber, AfD)

Für die Fraktion der AfD hat das Wort der Abgeordnete Professor Dr. Weber.

Liebe Bürger von Mecklenburg und Vorpommern! Frau Präsident! Werte Kollegen! Liebe

Gäste! Ich muss sagen, ich bin ein wenig entsetzt, mit welcher Kälte die Regierungskoalition hier über den Antrag der LINKEN hinweggeht. Hier geht es um spürbare Armut, um Hilfe im Einzelfall bei Familien und vor allem bei Kindern, die nichts dafürkönnen, dass der Urlaub gestrichen wird, weil der Topf eben leer ist. Ich hätte wenigstens erwartet, so etwas zu hören wie, dann greifen wir halt in unseren Strategiefonds und helfen da ein bisschen aus oder Ähnliches, aber sich hier hinter irgendwelchen Haushaltspunkten zu verstecken oder die fortzuführen bei einem relativ geringen Betrag, um den es hier geht, und so viel individuelle Ungerechtigkeit zuzulassen auf unschuldigen Schultern, macht mich fast sprachlos. Also ich bin entsetzt über die Kälte, die einem hier von den Regierungsparteien entgegenstrahlt. Das wollte ich doch mal zum Ausdruck bringen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 7/2567. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um ein Handzeichen. – Danke schön. Gegenprobe. – Danke schön. Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 7/2567 bei Zustimmung der Fraktion DIE LINKE und der Fraktion der AfD, ansonsten Gegenstimmen aller anderen Fraktionen abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 13: Beratung des Antrages der Fraktion der BMV – Qualität des Unterrichtsniveaus sichern – Umfangreiche Grundqualifizierung für Seiteneinsteiger, auf Drucksache 7/2563. Hierzu liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 7/2614 vor.

Antrag der Fraktion der BMV Qualität des Unterrichtsniveaus sichern – Umfangreiche Grundqualifizierung für Seiteneinsteiger – Drucksache 7/2563 –

Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE – Drucksache 7/2614 –

Das Wort zur Begründung hat für die Fraktion der BMV der Fraktionsvorsitzende Herr Wildt.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete!

(Thomas Krüger, SPD: Schule ist interessant.)

Schule ist interessant, um hier alle mal wieder ein bisschen wachzubekommen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Na, na, na! Hier schläft keiner!)

Man merkt doch, dass die Aufmerksamkeit etwas gelitten hat. Ja, tut mir leid, Herr Ritter.

Ich möchte doch mal als Erstes mit der Erlaubnis der Präsidentin aus dem „Behörden Spiegel“ zitieren, dem aktuellen: „Quereinsteiger: in sieben Tagen Lehrer“. Zuge

geben, das ist in Berlin, aber trotzdem, glaube ich, ein treffendes Beispiel. Aber man kann sich auch ein bisschen gruseln, was da in Berlin alles so möglich ist. Die Woche hat sieben Tage, die Lehrerausbildung in Berlin nun auch. Zum neuen Schuljahr kamen erstmals Blitzpädagogen, denen in einem siebentägigen Intensivkurs das Zeug zum Lehrerberuf vermittelt worden ist. Sieben Tage noch! Der „Behörden Spiegel“ macht dann auch sehr gute Vorschläge, schlägt vor, dass man auch andere Engpässe bei Fachkräften damit vielleicht lösen könnte,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Politiker zum Beispiel.)

zum Beispiel bei den Richtern. Man könnte auch Blitzrichter einführen oder auch Blitzärzte. Da müsste man vielleicht ein kleines bisschen länger schulen, die Rede ist da von zwölf Wochen. Ich denke, wir alle würden uns bestimmt sehr gerne von Blitzärzten operieren lassen. Ja, offensichtlich ist es bei den Schulkindern nicht so ein Problem, denn da mutet man das den Kindern tatsächlich zu, von Pädagogen unterrichtet zu werden, die keine sind, Lehrer ohne Lehrbefähigung.

Jetzt schauen wir mal so langsam von Berlin zu uns. Man könnte jetzt sagen, das ist nur in Berlin, in Berlin ist vieles möglich, was wir uns gar nicht vorstellen können, in Mecklenburg-Vorpommern ist das bestimmt ganz anders. Das ist leider nicht so, sondern wenn man sich dann mit der Direktorin vom Zentrum für Lehrerbildung und Bildungsforschung, ZLB, unterhält, die dazu vor Kurzem eine umfassende Pressemitteilung herausgegeben hat, Frau Professorin Carolin Retzlaff-Fürst, dann sagt sie, dass derzeit Seiteneinsteiger in Mecklenburg-Vorpommern ohne vorherige Schulung vollständig und eigenverantwortlich mit dem vollen Stundendeputat unterrichten. Eine Fortbildung werde meist erst Monate nach Einstellung und begonnener pädagogischer Arbeit angeboten. Ich komme gleich noch dazu, was daraus wird, aus dem Angebot. Dies ist für die betroffenen Lehrkräfte, aber auch für Schülerinnen und Schüler sowie deren Eltern eine unzumutbare Situation, so die Professorin. Sie führt auch an, dass sie seit 2003 umfangreich das Gespräch mit dem Bildungsministerium sucht, konkrete Vorschläge unterbreitet hat, wie man die Fortbildung organisieren und verbessern kann, leider bisher ohne jeden Erfolg. Also, seit 2013, das sind jetzt fünf Jahre. Ich würde mich freuen, wenn die Frau Ministerin darauf eingeht. Das ist jetzt nur eine Sicht. Mich würde interessieren, wie dann die Sicht des Ministeriums auf diese, ja, man muss schon sagen, Vorwürfe ist.

Jetzt noch mal zur Definition, was sind überhaupt Seiteneinsteiger, weil es wahrscheinlich nicht alle wissen. Seiteneinsteiger sind Personen, die weder Lehramt studiert haben noch am Vorbereitungsdienst oder Referendariat teilgenommen haben. Sie kommen häufig direkt aus dem Berufsleben in die Schule. Berufsbegleitende Qualifizierungsmaßnahmen werden in etlichen Bundesländern angeboten – in etlichen, aber eben nicht in allen. Wir haben uns das – das kennen Sie schon von uns – natürlich angeschaut, wie ist das denn in den anderen Bundesländern. Da gibt es tatsächlich große Unterschiede.

(Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE: Bei den Partnerfraktionen.)

Sie werden sich nicht wundern, dass es in Bayern wieder anders organisiert ist. In Bayern gibt es keine Seiten

einsteiger, in Bayern gibt es nur Quereinsteiger. Das sind also Lehrer ohne Lehrbefähigung, die tatsächlich dann noch das Referendariat nachholen und komplett die Abschlüsse nachholen. Selbst die sind nur für Berufsschulen zugelassen, nicht für allgemeinbildende Schulen, was auch eine gewisse Logik hat, denn in der berufsbildenden Schule braucht man natürlich geradezu die Seiteneinsteiger, die einen anderen beruflichen Werdegang haben.

Ja, nun wollen wir uns aber nicht immer nur mit Bayern beschäftigen. Wir wissen, dass da die Früchte sehr hoch hängen. Bayern hat halt auch bessere finanzielle Möglichkeiten, damit können wir uns tatsächlich nicht immer vergleichen. Schauen wir mal in ein ärmeres Bundesland in der Nachbarschaft, zum Beispiel Brandenburg. In Brandenburg müssen die Seiteneinsteiger, bevor sie mit dem Unterrichten beginnen, obligatorisch drei Monate lang in Vollzeittätigkeit eine sogenannte pädagogische Grundqualifizierung absolvieren. Diese wird durch das im Einzugsbereich zuständige Schulamt organisiert und von erfahrenen Seminarleitern und -beratern durchgeführt. Außerdem bekommen sie einen Mentor an die Seite gestellt und erhalten zwei Lehrerwochenstunden ein Jahr lang als Abminderungsstunden.

Ein anderes Bundesland, was wir uns auch noch als Vergleichsland herausgesucht haben, weil es auch unser Nachbarland ist, ist Schleswig-Holstein. Dort geht man etwas anders vor. Die Qualifizierung in diesem Bundesland erfolgt berufsbegleitend und erstreckt sich über 24 Monate.

Ja, und in Mecklenburg-Vorpommern ist es eben, wie gerade schon gesagt, anders, und zwar entsprechend der Lehrbefähigungsanerkennungsverordnung, Paragraf 6 und Paragraf 7, ist die Voraussetzung für die Teilnahme an diesen Qualifizierungsmaßnahmen, die es auch bei uns gibt, tatsächlich eine unbefristete Beschäftigung im Land Mecklenburg-Vorpommern.

(Thomas Krüger, SPD: Ja.)

Da hängt tatsächlich einiges dran, denn nicht alle Seiteneinsteiger sind unbefristet eingestellt. Von den 785 Lehrern ohne Lehrbefähigung sind nur 374 Lehrkräfte unbefristet und 411 befristet eingestellt, also die Mehrzahl befristet. Dementsprechend brauchen sie auch nicht an den Qualifizierungsmaßnahmen teilzunehmen. Allerdings machen sie das zum Teil. Das kann man der Drucksache 7/2392 entnehmen: 117 von diesen befristeten Lehrern ohne Lehrbefähigung haben an der pädagogischen Qualifizierung im letzten Jahr teilgenommen.

Also ich hoffe, es ist deutlich rübergekommen, dass ich versucht habe, ein differenziertes Bild zu zeichnen. Es ist natürlich nicht alles eine Katastrophe, sondern wir haben schon die Versuche zu qualifizieren, aber das reicht uns noch nicht, sie sind noch nicht durchgängig, sie sind noch nicht verpflichtend genug. Wir müssen an dieser Stelle einfach besser werden. Sie haben es jetzt auch schon gesehen, wir haben uns an den beiden Ländern Brandenburg und Schleswig-Holstein orientiert und möchten genau aus diesem Grund diese dreimonatige Grundqualifizierung haben und anschließend die Betreuung über 24 Monate. Das muss dann natürlich nicht mehr genau in dem gleichen Ausmaß sein wie in SchleswigHolstein, weil wir uns schon die drei Monate aus Brandenburg vorher dazugenommen haben. Das muss man aufeinander abstimmen, das ist klar. Aber ich bitte doch

sehr herzlich darum, dass wir im Ausschuss darüber reden. Die Seiteneinsteiger haben einen großen Stellenwert in Zukunft bei uns, das wird gar nicht anders möglich sein. Wir brauchen sie und deshalb müssen wir sicherstellen, dass sie vernünftig qualifiziert werden. Ansonsten kann man es auch, glaube ich, den normal und ordentlich ausgebildeten Pädagogen nicht mehr vermitteln, warum sie eigentlich diesen langen Weg, Studium und Referendariat, gehen sollen, wenn es einen ganz anderen Weg gibt. Ich sage noch mal, Blitzlehrer/Blitzpädagogen wie in Berlin.

Zu dem Änderungsantrag der LINKEN möchte ich jetzt noch nichts sagen, weil er wird sicherlich gleich von Frau Oldenburg vorgestellt werden. Ich gehe dann später in der Debatte noch mal darauf ein. Nur so viel: Aus unserer Sicht ist unser Vorschlag ein Schritt in die richtige Richtung.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Genau.)

Es ist noch nicht der perfekte Zustand, wir werden da sicherlich noch besser werden können, aber eines ist klar, wir haben einen großen Lehrermangel vor der Brust. Der wird noch viel schlimmer werden, als er heute ist. 2025 wird das absolute Maximum an Lehrermangel erreicht sein. Das heißt, das sind die Lehrer, die jetzt anfangen zu studieren. Die wären dann in sieben Jahren fertig. Wir können also schon fast ausrechnen, wie viele fehlen werden. Wir brauchen dafür diese Seiteneinsteiger. Heute Morgen ist schon gesagt worden, es darf einen bestimmten Anteil am Gesamtkollegium nicht übersteigen.

(Torsten Renz, CDU: Wie hoch ist der?)

Es gibt sozusagen eine Obergrenze, eine Obergrenze der Seiteneinsteiger.

(Torsten Renz, CDU: Sagen Sie mal eine Zahl!)

Darüber müssen wir …

Verhandlungsgrundlage wären 30 Prozent.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Ja, das dürfte nicht überschritten werden. Wenn wir nichts weiter unternehmen, wird diese 30-Prozent-Quote aber überschritten. Das wäre also aus unserer Sicht die absolute Maximalgrenze. Man muss dann auch sehen, wie ist das regional verteilt.

(Torsten Renz, CDU: Und was machen Sie dann, wenn Sie keine haben?)

Wir haben größere Schwierigkeiten …

(Torsten Renz, CDU: Wenn der Seiteneinsteiger sagt, ich will nicht, was machen Sie dann?)

Na ja, wenn wir gar keine anderen haben, dann sind natürlich die Seiteneinsteiger immer noch besser als gar keine, das ist schon ganz klar. Aber darauf dürfen wir uns nicht von vornherein einstellen, Herr Renz. Wir müssen doch versuchen, ordentlich ausgebildete Pädagogen zu bekommen.

(Torsten Renz, CDU: Ja, da bin ich bei Ihnen.)

Ich glaube, wir werden gleich in der Debatte noch einen anderen Tagesordnungspunkt haben, da geht es um die Lehrervergütung. Das hängt miteinander zusammen, diese beiden Themen.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Das stimmt.)

Natürlich müssen wir uns damit beschäftigen, wie kriegen wir den Lehrernachwuchs an Bord, wie bekommen wir die jungen Abiturienten dazu, ein Lehramtsstudium aufzugreifen. Ich freue mich auf die Debatte. Das ist ein wichtiger Punkt, jedenfalls aus meiner Sicht einer der wichtigsten überhaupt, wie kriegen wir unser Schulsystem so hin, auch in Zukunft – ich sage nicht, dass in der Vergangenheit alles schlecht war, aber wir sehen mit Sorgen, wie es in der Zukunft sein wird, wenn wir nichts täten –, wie bekommen wir das hin.

Wir wissen auch, dass es ein wichtiger Punkt übrigens aus den Reihen der Wirtschaft ist. Das ist also nicht so, dass man da irgendwie die Wirtschaft gegen die Bildung ausspielen und sagen kann, na ja, das Geld würden wir lieber für etwas anderes ausgeben. Nein, das ist überhaupt nicht der Fall. Die Wirtschaftsverbände, alle Unternehmer haben als Hauptpunkt immer wieder die Fachkräftesicherung und das Niveau, die Niveausicherung der Schulabsolventen. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Das heißt, wenn es uns darum geht, die Zukunft des Landes positiv zu gestalten, dann führt kein Weg an den Schulen vorbei. – Danke.