Protokoll der Sitzung vom 12.09.2018

(Henning Foerster, DIE LINKE: Nee, bekämpfen Sie mal Armut, dann müssten wir über so was gar nicht diskutieren!)

Wir als CDU-Fraktion werden dagegen stets darauf hinweisen, dass die Bürgerinnen und Bürger ihr Leben aus eigener Kraft meistern, dass sich Familien aus eigener Kraft einen Urlaub leisten können.

(Beifall Bernhard Wildt, BMV – Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr gut! Erzählen Sie das mal den Hartz-IV-Familien!)

Dafür setzen wir uns ein, indem wir die Mittel des Landes dafür einsetzen, neue Arbeitsplätze zu schaffen und bestehende zu sichern, indem wir in Bildung und Weiterbildung investieren,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Wissen Sie eigentlich, wie hoch die Kinderarmut in diesem Land ist?)

beispielsweise in unsere Kitas, damit Kinder und insbesondere Alleinerziehende die Chance erhalten, im gewünschten Umfang zu arbeiten und ein auskömmliches Einkommen zu erzielen, indem wir Rahmenbedingungen schaffen, in denen die Wirtschaft unseres Landes wachsen und damit steigende Löhne zahlen kann.

(allgemeine Unruhe)

Meine Damen und Herren …

(Glocke der Vizepräsidentin)

Einen Moment, Frau Abgeordnete!

Der Geräuschpegel ist deutlich zu hoch. Ich bitte Sie, sich etwas...

Nein, nicht nur, Herr Ritter, in die Richtung zeigen, es geht auch in die Richtung.

Also, bitte mäßigen Sie sich, damit man der Rednerin noch genügend folgen kann.

Sie haben das Wort, Frau Friemann-Jennert.

Meine Damen und Herren, „Sozial ist, was Arbeit schafft“, das ist eben nicht nur ein Wahlkampfslogan, sondern entspringt zutiefst unserer Überzeugung. Wir Politiker müssen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass möglichst alle Menschen und Familien die Chance erhalten, ihr Leben aus eigener Kraft und in Eigenverantwortung zu meistern. Unser Ziel muss es daher sein, den Titel „Familienerholungsmaßnahmen“ so weit wie möglich überflüssig zu machen, anstatt ihn ohne Not und in übermäßiger Weise zu überhöhen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ohne Not!)

Die Haushaltsdebatte war auch schon angesprochen. Wenn es notwendig ist, dann werden wir das im nächsten Doppelhaushalt auch berücksichtigen.

(Henning Foerster, DIE LINKE: Wir werden das beantragen.)

Den Antrag der Fraktion DIE LINKE lehnen wir daher ab und ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Für die Fraktion der SPD hat jetzt das Wort die Abgeordnete Julitz.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Viele Familien in Mecklenburg-Vorpommern – und das ist kein Geheimnis – müssen jeden Euro zweimal umdrehen und können sich aus eigener Kraft keinen Urlaub leisten. Deshalb war es richtig, dass das Land in den 1990er-Jahren entschieden hat, Familienerholungsmaßnahmen als freiwillige Leistung für Familien mit geringem Einkommen einzuführen. Ziel war es, den Familien nicht nur ein paar schöne Tage zu ermöglichen, sondern sie auch im Sinne des SGB VIII

zu fördern. Leider sind die dafür vorgesehenen Mittel viele Jahre nicht vollständig abgeflossen, allerdings nicht, weil es keinen Bedarf gab, sondern vor allem aufgrund einiger Hürden bei der Antragsstellung und aus Unkenntnis. Deshalb war es dringend notwendig, die Richtlinie anzupassen und dafür verstärkt zu werben. Genau das ist passiert.

Seit der im Jahr 2017 neu gefassten Richtlinie haben sich die Bedingungen für Familien deutlich gebessert. Zum einen sind die Fördervoraussetzungen erleichtert worden, damit noch mehr Familien profitieren können, zum anderen beantragen nun nicht mehr die Familien selbst, sondern die Anbieter der Urlaubserholungsmaßnahmen die Mittel. Damit wurden Hürden abgebaut. Außerdem wurden die Mittel im Rahmen der letzten Haushaltsberatung von 100.000 Euro auf 150.000 Euro erhöht. Diese Mittel sind erstmals im Jahr 2017 ausgeschöpft worden. In diesem Jahr wurden erstmalig mehr Mittel beantragt, als im Haushalt zur Verfügung standen. Vielen Familien werden so erholsame Tage in unserem schönen Bundesland ermöglicht. Meine Fraktion und ich sehen es da ganz genauso wie unsere Ministerin: Wir freuen uns mit und für diese Familien.

Wir stimmen demnach der Fraktion DIE LINKE zu, dass ein gemeinsamer Familienurlaub und Zeit zum Erholen wichtig für alle und insbesondere für die Kinder ist. Seine Eltern mal ohne Sorgen und Stress außerhalb des gewohnten Umfeldes zu erleben, gemeinsam Erlebnisse teilen zu können und mit neuer Kraft in den oft viel zu schnellen und stressigen Alltag zu starten, haben selbstverständlich alle Familien verdient.

Trotzdem pflichten wir auch hier der Ministerin bei und schließen uns dem Vorschlag an. Viele Jahre sind die Mittel, wie anfänglich erwähnt, nicht in vollem Umfang abgeflossen. In diesem Jahr konnten erstmals – und ich betone, erstmals – nicht alle Anträge berücksichtigt werden. Einige wenige Familien gingen also leer aus. Jetzt gleich daraus zu schließen, der Ansatz müsse verdoppelt werden, geht an der Realität vorbei. Deswegen ist es doch sinnvoller zu beobachten, wie sich die Beantragung entwickelt. Eines zeichnet sich aber ab: verdoppelt hat sie sich nicht. Deshalb lassen Sie uns die Entwicklung ein weiteres Jahr verfolgen und die Beratungen dann dort fortführen, wo sie geführt werden müssen, und das ist im Rahmen des nächsten Doppelhaushaltes. Wir lehnen den Antrag daher ab. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Für die Fraktion DIE LINKE hat noch einmal das Wort der Abgeordnete Foerster.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Üblicherweise versucht man, die Notwendigkeit einer politischen Entscheidung auch durch entsprechende Zahlen zu unterlegen. Ich habe in der Einbringung bereits einige genannt. Ich könnte jetzt die gesamten neun Minuten fortfahren, indem ich Ihnen beispielsweise erzähle, dass die meisten Familien, die an den Familienfreizeiten teilnehmen, aus einer erwachsenen Person und ein bis drei Kindern bestehen – was übrigens ein Indiz für Reisen von Alleinerziehenden ist –, oder weiter, dass es auch mehrere Familien mit zwei Erwachsenen und vier bis acht Kindern unter den Teilnehmern gab, und schließlich, dass beides nicht verwun

derlich ist, wenn man weiß, dass mehr als 56 Prozent der Alleinerziehenden und auch mehr als 40 Prozent der Familien mit mehr als drei Kindern in unserem Bundesland von Armut betroffen oder bedroht sind.

Ich will es dabei belassen und stattdessen an einem konkreten Beispiel darstellen, was es für so eine Familie bedeutet, wenn sie einerseits Kenntnis vom Familienzuschuss erlangt und Anträge stellt und dann am Ende des Tages doch zu Hause bleiben muss, denn dann wird diese bislang eher technische Debatte sehr konkret und für die betroffene Familie auch durchaus sehr bitter.

Der „Nordkurier“ – ich habe den Artikel hier, darf ihn bekanntermaßen nicht hochhalten – hat das auch aufgegriffen und Bezug genommen auf das Beispiel der Familie Kluge aus Anklam. Silke Kluge wollte nämlich mit ihren drei Kindern und ihrem Lebensgefährten endlich einmal einen solchen Urlaub machen. In dem Fall ging es um eine Woche Familienurlaub in Prora auf Rügen. Mündlich hatte sie bereits nachgefragt und das Signal erhalten, dass auch alles glattlaufen werde. Nachvollziehbar herrschte in der Familie große Vorfreude, insbesondere bei den Kindern. Nur noch fix einen kurzen Antrag stellen und dann mit gepackten Koffern auf Deutschlands größte Insel. Tja, meine Damen und Herren, und dann kam die Nachricht: Pustekuchen, das Geld ist alle, es wird leider nichts. Können Sie sich überhaupt vorstellen, was das bedeutet, den Kindern dann wiederum sagen zu müssen, dass sich das Thema Urlaub wieder einmal erledigt hat, den Kindern, die ihre Hello-Kitty- und Eisprinzessin-Koffer schon gepackt haben, zu sagen, dass sie die nun wieder auspacken können?

Sie, Frau Friemann-Jennert, können sich das ganz sicher nicht vorstellen. Ich erinnere mich gut an eine Rede von Ihnen in der letzten Wahlperiode zum Thema „Armut und Armutsbekämpfung in Deutschland“. Da haben Sie wörtlich zu Protokoll gegeben, dass Sie beim Thema Armut an hungernde Kinder unter Brücken in Afrika denken, und den Eindruck erweckt, hier gebe es diesbezüglich gar keine Probleme.

(Maika Friemann-Jennert, CDU: Man kann das aber nicht aus dem Zusammenhang reißen.)

Ich kann Ihnen nur sagen,

(Zuruf von Maika Friemann-Jennert, CDU)

eine solche Botschaft, wie sie die Frau Kluge ihren Kindern dann überbringen musste, das ist doch die Höchststrafe für Eltern. Ich übersetze Ihnen das auch gern noch mal, weil Sie sich das so schwer vorstellen können: Das ist auch tatsächlich schlimmer, als wenn der gegrillte Hummer im 5-Sterne-plus-Hotel auf den Seychellen alle ist.

(Zuruf von Maika Friemann-Jennert, CDU)

Meine Damen und Herren, ich habe jetzt ein Beispiel gebracht.

(allgemeine Unruhe)

Wer meint,

(Glocke der Vizepräsidentin)

ich hätte hier zu dick aufgetragen, dem empfehle ich den „Nordkurier“ vom 15.07.2018, der unter der Überschrift „Fördertopf leer – Familienurlaub gestrichen“ über den Fall von Familie Kluge berichtet hat. Im Übrigen war es nicht die einzige in diesem Sommer. So erging es mindestens den drei, die in der Antwort auf meine Kleine Anfrage auch aufgeführt sind, und da das Jahr noch einige Monate hat, steht zu befürchten, dass weitere dazukommen.

Natürlich kann man sich jetzt hier hinstellen und sagen, solche Fälle kann es unabhängig von der Summe, die letztlich im Fördertopf drin ist, immer geben. Das stimmt natürlich, aber ich möchte auch noch einmal hervorheben, dass wir hier mit Blick auf die tatsächliche Betroffenheit eine doch eher bescheidene Erhöhung der zur Verfügung stehenden Summe fordern. Noch mal, es geht um 150.000 Euro, um ein paar mehr Kinder zumindest einmal im Jahr in den Urlaub schicken zu können – übrigens, ein Urlaub um die Ecke und keine Weltreise –, 150.000 Euro mehr, damit ab dem kommenden Jahr vielleicht auch Familie Kluge endlich die langersehnte Familienreise antreten kann. Von mir aus könnten Sie auch die einzelnen Koalitionsabgeordneten mit Spendenchecks losschicken beziehungsweise den Staatssekretär für Vorpommern oder seinen Vertreter.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Vertreter ist noch besser.)

Der hätte dann insbesondere auch mal eine sinnvolle Mission. Denn es ist doch so, zur Selbstdarstellung der Koalitionsabgeordneten von SPD und CDU ist immer Geld da, siehe Strategiefonds.

(Beifall Dr. Ralph Weber, AfD)

So positiv Ihre Ankündigung zur Anhebung des Haushaltsansatzes ist, Frau Ministerin Drese, ich darf daran erinnern, bis dahin vergehen noch zwei Sommer. Die Frage, die sich da stellt, ist natürlich, was passiert denn bis dahin.

Man könnte natürlich auch viel grundsätzlicher werden, meine Damen und Herren, und darauf aufmerksam machen: Dass es nach wie vor so viele Familien gibt, die sich keinen Urlaub leisten können, ist letztlich nur das Symptom. So gesehen ist die Förderung der Familienmaßnahmen eigentlich nur ein Medikament, um die Symptome zu unterdrücken. Über eine eigenständige Kindergrundsicherung werden wir in diesen Tagen auch zum wiederholten Male diskutieren, aber diese Entscheidung ist natürlich wesentlich schwieriger umzusetzen, als den Fördertopf für Familienerholungsmaßnahmen aufzufüllen.

Geben Sie sich also einen Ruck! Das tut auch gar nicht weh, zur Abwechslung mal einem guten Oppositionsantrag zuzustimmen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE und Dr. Ralph Weber, AfD)