Ehe ich Herrn Foerster für die Fraktion DIE LINKE das Wort erteile, möchte ich eine neue Besuchergruppe auf der Besuchertribüne begrüßen. Das sind Vertreterinnen und Vertreter der Schweriner Selbsthilfegruppe „Frauen nach Krebs“. Ist das richtig, ja? Herzlich willkommen!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In gewisser Weise war vorhersehbar, wie diese Debatte heute hier laufen würde, vielleicht mit Ausnahme der philosophischen Ergüsse des Wirtschaftsministers, der hier zum Ausdruck gebracht hat, die Birne ist wie die Birne,
was mich persönlich eher an Sprüche von Fußballprofis erinnert hat, wie Franz Beckenbauer, der mal gesagt hat: „In einem Jahr hab ich mal 15 Monate durchgespielt.“
Das ist in etwa das gleiche intellektuelle Niveau wie das, was Sie hier – teilweise zumindest – an den Tag gelegt haben.
(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Minister Harry Glawe: Sie haben mich dann wohl weiter nicht verstanden, Herr Foerster?! Ich kann Ihnen das gerne noch mal erklären.)
Allerdings – und da gucke ich dann zum Kollegen Waldmüller – war spätestens seit seiner wutschäumenden Pressemitteilung als Reaktion auf die Einstellung dieses Antrages, über den wir heute hier reden, natürlich klar, wie Sie damit umgehen werden. Und dann, Herr Waldmüller, wissen Sie, muss ich doch mal persönlich werden. Ich war zur Wende 14 Jahre alt und hatte bis dahin eine, kann man sagen, behütete Kindheit verbracht. Ich habe es schon damals nicht gemocht, wenn aus Westdeutschland zu uns gekommene Politiker, Wirtschaftsvertreter, Staatsbedienstete oder sonst wer mir erklären wollten, wie meine Eltern, meine Familie, meine Freunde und ich in der gerade untergegangenen DDR gelebt hatten, wie wir all das, wofür sie stand oder eben auch nicht stand, zu verstehen hätten und vor allem, wie wir fortan die Welt zu sehen hätten.
Ich habe hautnah erlebt, Herr Waldmüller, was in den Jahren nach der deutschen Einheit passierte. Für mich sind Erfahrungen wie massenhafte Betriebsschließungen, Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit der Eltern, massenhafter Wegzug der Freunde und später der Abriss des eigenen Kindergartens, der eigenen Schule,
der Trainingsstätte, ja, ganzer Wohnviertel, mit denen ich Erinnerungen an Kindheit und Jugend verbinde, nicht bloß irgendeine traurige Geschichte aus irgendeinem Buch. Deshalb bin ich vielleicht auch etwas empfindlich, wenn ich mir nun ein Jahr, bevor sich die Ereignisse der friedlichen Revolution in der DDR zum 30. Mal jähren, wiederrum von einem aus Bayern nach MecklenburgVorpommern gekommenen CDU-Abgeordneten hier im Landtag erklären lassen muss, dass die durchaus noch problematischen Entwicklungen, die unser Antrag beschreibt und die im Übrigen viele Menschen in Ostdeutschland umtreiben, nicht mehr sein sollen als das Schlechtreden des Landes, in dem auch ich mich seit 1999 niedergelassen habe.
Im Übrigen, Herr Wildt, hat Mecklenburg-Vorpommern nach 1990 erst mal eine komplette Deindustrialisierung erfahren.
(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Weil die Treuhand die Betriebe verscherbelt hat. – Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)
Nein, meine Damen und Herren von SPD und CDU, niemand, ausdrücklich niemand in meiner Fraktion stellt
im Zusammenhang mit den Transformationsprozessen nach 1989 erbracht hat, infrage. Wir sind ihnen im Gegenteil sehr dankbar dafür, dass sie sich unter schwierigsten Verhältnissen behauptet haben, aber, Herr Waldmüller, das wird uns doch niemals davon abhalten, darauf hinzuweisen, wo wir es heute – inzwischen drei Jahrzehnte nach der deutschen Einheit – immer noch mit Ungerechtigkeiten zu tun haben und wo wir konkreten Handlungsbedarf sehen. Denn dass wir das so viele Jahre nach der Einheit vor dem Hintergrund des Verfassungsziels gleichwertiger Lebensverhältnisse immer noch tun müssen, das ist doch das eigentliche Desaster.
Deshalb erlaube ich mir jetzt auch noch mal, auf einzelne Punkte aus der Debatte auf unseren Antrag einzugehen. Das erste Stichwort, das hier oft schon thematisiert worden ist, ist Ihr Jobwunder. Ich weiß nicht, Ihr persönliches oder Herrn Glawes,
(Heiterkeit vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Minister Harry Glawe: Das können Sie sich aussuchen. Ich weiß es nicht. Das können Sie sich aussuchen.)
aber auf jeden Fall schreiben Sie die Entwicklungen immer Ihrer hervorragenden Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik zu.
seit 2006 ist zumindest nach Ihrer Diktion alles nur noch besser geworden, die Arbeitslosigkeit ist auf einem Rekordtief und die Beschäftigtenzahlen boomen.
So mancher Rentner und Arbeitnehmer wird sich ob dieser Selbstbeweihräucherung verwundert die Augen reiben,
denn zu einer seriösen Betrachtung gehören mindestens zwei Dinge und die erwähnen Sie in der Regel nicht:
Erstens profitiert die Große Koalition aus SPD und CDU wie keine Regierung in diesem Land zuvor vom demografischen Wandel. Sie haben übrigens in eigenen Strategiepapieren,
Dazu auch einige Zahlen: Während beispielsweise 2004 im Land lediglich 15,4 Prozent beziehungsweise 106.000 Menschen in Teilzeitbeschäftigungen waren, gibt es heute annähernd 29 Prozent beziehungsweise 217.000 Betroffene. Ich brauche Ihnen hoffentlich nicht zu erklären, dass es für derart Beschäftigte besonders dann problematisch wird, wenn Teilzeitjobs und niedriges Lohnniveau zusammentreffen.
Ebenfalls deutlich gestiegen ist die Zahl der Beschäftigten, die mehr als einen Job hat. Waren es 2006 noch 18.000, so sind es heute 28.000. Dabei möchte ich betonen, dass es hier nicht um Nebentätigkeiten geht, die einem zu besonderem Reichtum verhelfen. Wir reden nicht von findigen Bundestagsabgeordneten der CDU, die hier und da noch einen netten Nebenverdienst haben, sondern wir reden von Menschen, die zwei Jobs brauchen, um überhaupt über die Runden zu kommen. Wir reden im übernächsten Tagesordnungspunkt ja noch über die notwendigen Weichenstellungen in der Arbeitsmarktpolitik des Bundes und des Landes, sodass ich an der Stelle auf weitere Ausführungen zu diesem Themenkomplex verzichte.
Meine Damen und Herren, ein weiteres Thema in unserem Antrag und somit in dieser Debatte ist die Förderung von Start-ups. Hier scheint mir, Herr Waldmüller, dass Sie den Kern unserer Kritik nicht so wirklich verstanden haben.
Zunächst mal lässt sich an Zahlen belegen, dass wir zu wenige Leute haben, die sich mit einer innovativen Idee an den Markt trauen. Laut „Startup Monitor 2017“ wurden nur 1,6 Prozent der erfassten Start-upUnternehmen in dem Jahr in Mecklenburg-Vorpommern gegründet. Weniger waren es nur in Bremen und in Brandenburg. Das ist zunächst mal die nüchterne Feststellung Nummer eins. Die bestehenden Start-ups wurden aber darüber hinaus befragt, wie sie die Bedingungen ihres jeweiligen Landes bewerten, also dort, wo sie ansässig sind. Dabei ist Folgendes herausgekommen: In Sachsen-Anhalt, in Hessen und in Mecklenburg-Vorpommern gab es die schlechtesten Noten, nämlich 4,2 beziehungsweise 4,1. Das ist die zweite nüchterne Feststellung.
Deshalb kommen wir zu der Schlussfolgerung, dass sich offenkundig doch etwas ändern muss. Offenkundig haben diese Gründerstipendien nicht so gegriffen, wie es sich der Wirtschaftsminister erhofft hat und vielleicht sogar wir. Es ist ja nicht so, dass wir nicht wollen, dass es an dieser Stelle eine vernünftige Entwicklung gibt. Ob der kürzlich vorgestellte, von Ihnen zitierte neue Risikokapitalfonds in Höhe von 15 Millionen Euro hält, was man sich davon verspricht, das muss sich natürlich erst in der Zukunft zeigen.
Was will ich damit sagen? Wir kritisieren nicht, dass es einen Werkzeugkasten gibt. Natürlich soll, ja, muss gefördert werden, aber wenn es nicht wie gewünscht, läuft – ich habe eben versucht, das an den Zahlen deutlich zu machen –, weil im Werkzeugkasten, bildlich gesprochen, zwar 20 Schraubenzieher liegen, aber der Maulschlüssel fehlt, dann muss man sich doch bitte schön auch einmal selbstkritisch hinterfragen.