Herr Kollege Brade, ist Ihnen bekannt, dass sich die Künstlerinnen und Künstler des Mecklenburgischen Staatstheaters aufgrund der Situation ja gerade an die Politik mit der Bitte um Hilfe und um Unterstützung gewandt haben?
(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Nein, das hat er nicht mitgekriegt. – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)
Natürlich ist mir das bekannt. Ich bin Mitglied des Aufsichtsrats und die Dinge, die im Theater abgehen, soweit ich das einschätzen kann, sind bekannt.
Können Sie mir vor diesem Hintergrund erklären, wie Sie zu dem Schluss kommen können, dass es sich dann um reinen Populismus handelt angesichts dieses Hilferufes, das Thema sowohl auf der kommunalen Ebene im Stadtparlament als auch hier im Landesparlament zu thematisieren?
Also ich finde es schon recht populistisch, wenn gerade Sie, Herr Foerster, als Schweriner wissen, dass sich der Aufsichtsrat in zwei Sitzungen à fünf Stunden ehrenamtlich intensiv mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und auch mit dem Intendanten auseinandergesetzt hat. Ich glaube, genau da ist der Ort, sich mit diesen Themen intensiv zu beschäftigen, weil dort die Menschen sitzen, die, glaube ich, den größten Sachverstand haben. Das hier im Parlament auszubreiten und teilweise Halbwissen und Emotionen zu schüren und zu streuen, das finde ich populistisch, das finde ich unverantwortlich und ich glaube nach wie vor, das trägt nicht zur Besserung der Situation bei.
Ich möchte jetzt weitermachen. Ich weiß jetzt gar nicht genau, wo ich stehengeblieben bin, aber ich habe eine Bitte: Lassen Sie die Gremien arbeiten und die in den Gremien erarbeiteten Schritte wirken! Die wiederhole ich gerne noch mal, nämlich die Schritte, die in der Gesellschafterversammlung auf Empfehlung des Aufsichtsrats beschlossen worden sind:
Zweitens. In Abstimmung mit dem Betriebsrat soll eine Mitarbeiterbefragung durchgeführt werden. Ich habe gelesen, die Stadt Schwerin hat mit solchen Befragungen schon großen Erfolg gehabt. Beim Nahverkehr zum Beispiel erzählte Rico Badenschier, dass das wirklich erfolgreich gewesen ist.
Drittens. Das Führungsteam soll sich mit externer Moderation weiterentwickeln, und eine enge Zusammenarbeit mit den Theaterfördervereinen in Parchim „Spot an!“ und in Schwerin soll zur Unterstützung des Gesamtprozesses herangezogen werden.
Und, Frau Kröger, ich finde, es ist ein kleiner, aber wichtiger Unterschied, und ich finde es ganz wichtig, das noch mal zu erwähnen. Der Unterschied zwischen einer Mediation und einer Supervision sollte noch mal herausgestellt werden. Ich kenne Mediationen aus verschiedenen Gerichtsprozessen, da sind beide Seiten gegeneinander und man versucht irgendwie, eine Lösung der Trennung so schön wie möglich hinzukriegen. Ich glaube, das wäre hier der falsche Ansatz. Ich plädiere eher für eine Supervision, wo für beide Seiten ein Ziel klar ist, das zu erreichen ist, und nicht vorher schon auf eine Trennung gepocht wird. Ich denke, wir sollten dem Theater und wir sollten auch unserem Publikum die Chance geben, die neue Situation mal wirken zu lassen. Und wenn wir ein bisschen Geduld haben, hoffe ich – und ich erwarte das –, dass das Ganze dann auch zu einem Erfolg führt und, wie vorhin schon gesagt, dass das Staatstheater positiv über die Landesgrenzen hinauswirkt. – Vielen Dank.
Bis sich Herr Foerster am Pult hingestellt hat und seine Rede beginnt, gibt mir das Gelegenheit, eine neue Besuchergruppe zu begrüßen. Das sind ehrenamtliche Patientenhelferinnen und -helfer der Universitätsmedizin in Greifswald. Herzlich willkommen!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als Landtagsabgeordneter und Stadtvertreter aus Schwerin weiß ich natürlich um den hohen Stellenwert des Mecklenburgischen Staatstheaters in der Stadtgesellschaft, denn man könnte sagen, wenn an unserem Staatstheater jemand niest, hat die Stadt Schnupfen oder, anders ausgedrückt, läuft etwas schief, bewegt das viele Menschen, und das übrigens völlig unabhängig davon, ob sie selbst regelmäßige Theatergänger sind oder ob sie auftauchende Probleme nur durch die Berichterstattung in den Medien mitbekommen haben. Es kommt auch nicht von ungefähr, dass eine der
größten Demonstrationen der Nachwendezeit just in dem Moment auf dem Schweriner Marktplatz stattfand, als in der Stadtvertretung der vom Land verordnete Sparkurs und die Streichung von 80 Stellen zur Diskussion standen.
Was Theater im Allgemeinen bedeutet, hat Benno Schirrmeister von der Berliner „taz“ Anfang des Jahres in seiner Kolumne zur Dienstanweisung „unabgesprochene politische Meinungsäußerungen“ sehr treffend beschrieben: „Theater ist nicht eine, sondern die bürgerliche Kunstform: Es lebt von Demokratie und belebt sie. Hier hat die Bevölkerung seit dem 18. Jahrhundert gelernt, wie man sich über aktuelle Vorfälle austauscht, wie man sich eine Meinung bildet, und – wie man gegen Zensoren Gedankenfreiheit fordert.“
Und weil das so ist, war die Empörung über den Maulkorberlass des Intendanten zu Jahresbeginn schon so groß. Das war übrigens, Frau Ministerin, der erste Aushang und der Anfang des ganzen Dilemmas. Das an die Künstlerinnen und Künstler gerichtete Verbot politischer Meinungsäußerungen brachte nämlich unser Haus bundesweit negativ in die Schlagzeilen. Und bereits in der damaligen Debatte in der Stadtvertretung habe ich deutlich gemacht, dass schon etwas mehr im Argen liegen muss, wenn künstlerische Freiheit mit arbeitsrechtlichen Drohgebärden beantwortet wird.
Dazu kam, dass der Intendant offenbar in völliger Unkenntnis der Geschichte des Hauses handelte. Benno Schirrmeister hat auch darauf hingewiesen, indem er das Theater als den mit Abstand wichtigsten Ort demokratischer Opposition in der DDR bezeichnete. Er verwies auf Intendant Christoph Schroths SED-kritische „Faust“Inszenierung von 1979, die den Eisernen Vorhang skandalisierte und die die meist besuchte Theateraufführung der DDR war und somit deutsche Bühnen- und Politikgeschichte geschrieben hat.
Der Maulkorberlass als Dienstanweisung, die eine ganze Belegschaft unter Generalverdacht stellte, wurde schlussendlich kassiert. Zu groß war der öffentliche und auch der politische Druck auf den Intendanten. Viel wichtiger als das schlichte Kassieren dieser unsäglichen Dienstanweisung wäre jedoch schon damals das Einleiten eines offenen Dialoges zwischen der Hausspitze und den Beschäftigten gewesen. Zwar fanden Betriebsversammlungen statt, wirklich aufgearbeitet wurden die Probleme aber offenbar nicht, und so ereilte eben die Politik im Herbst dieses Jahres erneut ein Hilferuf aus der Belegschaft.
Vertreterinnen und Vertreter – und das wissen Sie faktisch – aller Gewerke beklagten darin das schwer gestörte Verhältnis zur Leitung im Allgemeinen und zum Intendanten im Speziellen. Das Klima habe sich spätestens mit der Nichtverlängerung der Verträge des Chordirektors Joseph Feigl und des Ballettensemblesprechers Dan Datcu extrem verschlechtert. In einem der Aushänge war gar von einem Klima der Angst die Rede, das Kolleginnen und Kollegen selbst von der Formulierung fachlicher Nachfragen abhalte. Vieles klang so ein bisschen nach dem Prinzip Champignon: Wer zuerst den Kopf rausstreckt, wird abrasiert.
Die Stadtvertretung hat sich sehr zeitnah mit dem Thema befasst, und in Schwerin – das möchte ich ausdrücklich festhalten – gab es anders als hier im Landtag auch kein
politisches Ränkespiel, sondern den Wunsch und die klare Erwartungshaltung, dass der gestörten Kommunikation zeitnah abgeholfen werden muss. Folgerichtig wurde der Oberbürgermeister auch beauftragt, die Gespräche mit allen Beteiligten zu suchen und Lösungsmöglichkeiten zu erarbeiten. Diesen Auftrag hat er nach meiner Einschätzung durchaus ernst genommen. Zumindest lassen die neuerlichen Verlautbarungen aus Aufsichtsrat und Gesellschafterversammlung einen Entwicklungsprozess erkennen.
Nachdem sich der Aufsichtsratsvorsitzende zunächst mit sinngemäßen Aussagen wie „Am Schweriner Staatstheater müsse man sich nun endlich auch mal ein Stück bewegen“ aufs Glatteis begab, verkündete er im Ergebnis der Anhörung im Aufsichtsrat nunmehr mir gut bekannte, vernünftige und zumindest lösungsorientierte Vorschläge. Um die Kritik aus der Belegschaft genauer verifizieren zu können und den Leuten gleichzeitig die Angst vor arbeitsrechtlichen Konsequenzen zu nehmen, ist die Durchführung einer anonymen Mitarbeiterbefragung sicher ein probates Mittel.
Die Führungskräfte auf künftige Gespräche mit der Belegschaft durch ein entsprechendes Coaching vorzubereiten, Frau Ministerin, kann helfen, allerdings nur dann, wenn dies mit der Bereitschaft einhergeht, sich auf deren Argumente einzulassen. Aus meiner Sicht sollte man auch das Publikum befragen, denn nicht zuletzt der hier schon angesprochene Förderverein der Schweriner Theaterfreunde bestätigte die vielfach anzutreffende Kritik an der künstlerischen Qualität der Aufführungen
und forderte in Anlehnung an Herrn Ministerpräsidenten a. D. Erwin Sellering folgerichtig wieder mehr Glanz in unserem Theater.
Schlussendlich sollte man insbesondere auf der Landesseite auch einmal bedenken, was am 24.11. in einer Kolumne der SVZ zu lesen war. Das möchte ich gerne zitieren: „Ein Theater ist nicht in erster Linie ein Wirtschaftsbetrieb, der mit Chefetagen-Routine zu“ lenken „ist … Im Vergleich zu manch anderen Zeitgenossen sind Theaterleute seltsam, sie beschweren sich nicht über zu viel Arbeit, sondern über zu wenig. Schauspieler wollen spielen … Tänzer haben ihren“ Job „nicht ergriffen, um unterfordert dekoratives Beiwerk in Operetten und Musicals zu bieten. Chorsängern ist … ein häufiger Wechsel ihres Leiters nicht förderlich. Wenn Orchesterdirektoren wie die Tauben ein- und ausfliegen, kann das einer Kapelle kaum Spaß machen. Und vor allem sind Künstler Freigeister, Kritik gehört zu ihrem Beruf. … Mit ihnen muss diskutiert, sie sollten nicht administriert werden.“ Besser kann man es, glaube ich, kaum ausdrücken.
Abschließend sei gesagt, dass ich es durchaus ernst gemeint habe, als ich jüngst im Lokalfernsehen „TV Schwerin“ sagte, man müsse dem eingeleiteten Prozess jetzt eine Chance geben. Genauso ernst war jedoch gemeint, dass sich, meiner Meinung nach, Intendant Lars Tietje nicht mehr viele derartige Vorfälle erlauben darf. Ansonsten passiert das, was man vom Profifußball kennt, denn, wenn eine Mannschaft als Gesamtgefüge nicht funktioniert, kann man ja schlecht alle Spieler entlassen, dann muss der Trainer gehen und ein neuer wird versuchen, den Karren aus dem sprichwörtlichen Dreck zu ziehen.
Folglich geht es für alle wieder bei null los, Herr Krüger. Auch im Theater wird man schlecht alle Beschäftigten entlassen können.
Und da, Herr Krüger, liegt die entscheidende Verantwortung zuallererst beim Land als dem größten Gesellschafter.
(Unruhe vonseiten der Fraktion der SPD – Thomas Krüger, SPD: Die Frage ist doch, wer die Verantwortung wahrnimmt. Wir haben es doch dargestellt. – Glocke der Vizepräsidentin)
Und dann, Frau Ministerin Hesse, muss ich doch noch eine Bemerkung zu Ihren Ausführungen machen. Dass Sie sich hier so selbstbewusst hinstellen können und davon reden können, dass man unseren Antrag jetzt ja nicht mehr brauchen würde, weil Sie, wie so oft, schon unterwegs seien und alles regeln würden, kann ich ehrlich gesagt nicht so richtig nachvollziehen,
denn in dem gesamten Prozess seit Bekanntwerden der Probleme glich Ihr Auftritt doch, ehrlich gesagt, eher einem U-Boot auf Schleichfahrt. Und wenn Sie es doch mal auf Seerohrtiefe geschafft haben, dann kam auch meistens nur Unkonkretes, nur heiße Luft, zum Beispiel, die Lage ist ernst, wir müssen mal reden, wir müssen mal sehen.
Die konkreten abrechenbaren Maßnahmen, die jetzt auch in der Presse zu lesen waren – im Anschluss an eine übrigens zehn Minuten dauernde Gesellschafterversammlung –, sind doch alles Dinge, die letztendlich vom Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Schwerin eingespeist worden sind.