Sie haben, wenn ich das jetzt richtig zitiere, eben in diesem Haus gesagt, das, was momentan als Zuwanderungspolitik auf Bundesebene initiiert worden ist durch diese Gesetze, die angesprochen worden wären, wäre eine asoziale Politik gegen die eigene Bevölkerung. Jetzt will ich das gar nicht mal aus meiner eigenen Sicht kommentieren, ich will jetzt einfach mal aus einem Schreiben zitieren, das mich erreicht hat von der Industrie- und Handelskammer Rostock, das genau Bezug nimmt auf das momentan geschaffene oder kommende Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Ich zitiere aus diesem Schreiben, das ist vom 16. Januar. Da geht es um die Frage der Vorrangprüfung, die auch schon mal angesprochen worden ist von Ihnen, Herr Kollege Foerster, und da zitiere ich:
„Für zuwanderungswillige potenzielle Auszubildende soll nach dem Entwurf weiterhin die Vorrangprüfung gelten. Dieses sollte jedoch im Interesse der Fachkräftesicherung in unseren Ausbildungsbetrieben, die bereit sind, auch jungen Menschen aus Drittstaaten eine betriebliche Ausbildung zu bieten, ausgesetzt werden.“ Und bitte, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, hören Sie mir an der Stelle dann auch mal zu: „Schon heute können 40 Prozent unserer Ausbildungsbetriebe nicht mehr alle Ausbildungsplätze besetzen. Die Ausbildung zuwanderungswilliger junger Menschen ist daher für unsere Unternehmen eine wichtige mögliche Maßnahme gegen den Fachkräftemangel.“ Zitatende.
Jetzt will ich vielleicht mal deutlich machen, was das eigentlich heißt, wenn 40 Prozent der Ausbildungsbetriebe die Ausbildungsplätze nicht mehr besetzen können. Das bedeutet nicht nur, dass an der einen oder anderen Stelle ein Auszubildender fehlt. Das bedeutet, dass in diesem Land in der Perspektive – nämlich spätestens dann, wenn das Ausbildungsverhältnis zu Ende ist – auch die Fachkraft fehlt. Ich habe das an dieser Stelle schon häufiger gesagt, wenn Sie in einem Unternehmen zehn Beschäftige brauchen, um eine Leistung zu erbringen oder um ein Produkt tatsächlich zu schaffen, und Sie haben nur acht, dann macht der Betrieb zu. Dann fehlen Ihnen tatsächlich zwei Menschen, zwei Arbeiternehme
rinnen/zwei Arbeitnehmer, um die Leistung zu erbringen, dann werden Sie diese Leistung am Markt nicht anbieten können und dann sind auch die acht anderen Arbeitsplätze gefährdet.
Das ist die Konsequenz, die tatsächlich vom Fachkräftemangel droht. Wer sich also nicht, und da sage ich das an dieser Stelle auch ganz deutlich, wer sich nicht mit der Frage „Zuwanderung in das Arbeitsmarktsystem“ auseinandersetzt, wer nicht bereit ist, dies als Teillösung – das sage ich ausdrücklich, das ist nicht die Lösung des Problems, aber es ist ein Teil oder es kann ein Teil der Lösung des Problems sein –, wer nicht bereit ist, sich damit auseinanderzusetzen, der gefährdet auch die bestehenden Arbeitsplätze der Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmer in unserem Land.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich will an dieser Stelle vielleicht noch ein paar Fakten in Erinnerung bringen. Laut einer IAB-Studie aus dem Jahre 2017, wenn ich das jetzt richtig sehe, bewerten die Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland erstmals seit 2015 den Fachkräftemangel als das größte betriebliche und betriebswirtschaftliche Problem, mit dem sie konfrontiert sind. Die gleichen Unternehmen sagen auch, dass es heutzutage 27 Tage länger als geplant – nicht 27 Tage insgesamt, sondern im Durchschnitt 27 länger als geplant – dauert, um eine neue Stelle zu besetzen. Das ist der höchste Wert seit 25 Jahren in der Bundesrepublik Deutschland. Die gleichen Unternehmen sagen auch – oder das sagen nicht nur die Unternehmen, das ist auch durch die statistischen Erhebungen festzuhalten –, dass die Zahl der offenen Stellen im Jahr 2017 mit 1,2 Millionen in der Bundesrepublik Deutschland noch nie so hoch war wie in den letzten 25 Jahren. Wer vor dieser Situation die Augen verschließt, der weiß auch, was in den nächsten fünf, zehn Jahren auf die Wirtschaft der Bundesrepublik Deutschland – und wir sind Teil in Mecklenburg-Vorpommern der Wirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland –, was auf dieses Land zukommt. Am Ende des Tages wird es Arbeitslosigkeit sein.
Wer das will, der soll das sagen. Meine Fraktion und, ich glaube, die Mehrheit in diesem Haus will das nicht.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich hätte mich eigentlich gefreut, wenn der Fraktionsvorsitzende der AfD nicht nur einmal sagt, wir wollen mal über dieses Thema sprechen, sondern dann auch genau gesagt hätte, was sind denn eigentlich – der Kollege Renz hat ihn ja darauf angesprochen –, wenn Herr Kramer gesagt hätte, was sind die Vorschläge der AfD, um der Frage Fachkräftemangel denn tatsächlich entgegenzuwirken.
Dass es eine Zuwanderung in das Arbeitsmarktsystem nicht sein soll, das habe ich verstanden. Was es stattdessen sein soll, das ist mir nicht klargeworden. Und ich will das an der Stelle, weil es sind zwar jetzt nicht, ich vermute es mal, es sind nicht die Vorschläge der Fraktion der AfD in diesem Haus, die hier zitiert worden sind, ich
habe jetzt den Namen des Herrn vergessen, aber die verschiedenen Punkte, die Herr Kramer angesprochen hat, aber ich will dann trotzdem mal auf die einzelnen Punkte eingehen, die er hier in den Raum gestellt hat.
Da war der erste Punkt „verstärkte Ausbildung eigener Potenziale“. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, da muss man natürlich erst mal fragen, welcher Potenziale. Ich will das mal an einem Punkt deutlich machen. Herr Kollege Foerster hat eben noch mal die Zahlen der Arbeitslosen – beziehungsweise es ist auch die Frage der Langzeitarbeitslosen, es ist ja ein komplexes Thema, um das es geht – hier in den Raum gestellt. Ich will das gar nicht bestreiten, Herr Kollege Foerster, dass auch eine Qualifizierung von Menschen, die länger in Arbeitslosigkeit sind, tatsächlich mit dazu beitragen kann, dieses Problem zu lösen. Auch das wird nicht der Lösungsansatz alleine sein, aber so habe ich Sie nicht verstanden.
Auf der anderen Seite, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, muss man auch ganz deutlich sagen, ich mache jetzt mal ein Extrembeispiel: Jemand, der auf Usedom arbeitslos ist, dem nützt es nichts, wenn zum Beispiel in Baden-Württemberg ein Arbeitsplatz nicht besetzt werden kann. Darüber muss man sich dann auch klarwerden, dass wir regionale Unterschiede haben, die wir so nicht einfach aus der Welt schaffen können.
Meine Damen und Herren, dann war der weitere Punkt, der angesprochen worden ist, die Abmilderung des Fachkräftebedarfs durch Mehrarbeit der Beschäftigten. Da will ich das mal an dieser Stelle ganz deutlich sagen, wir diskutieren hier – und damit meine ich nicht Mecklenburg-Vorpommern alleine, sondern die Bundesrepublik Deutschland – ohnehin schon seit Jahren über eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit. Es gibt permanente Vorstöße gerade aus dem Bereich BDI, aber anderer auch, die sagen, das Renteneintrittsalter muss noch weiter nach hinten verschoben werden. Ich will das gar nicht bewerten, aber wir haben natürlich in vielen Bereichen hier in der Bundesrepublik Deutschland, und das gilt auch für Mecklenburg-Vorpommern, heute schon Menschen, die eigentlich das gesetzliche Renteneintrittsalter aus gesundheitlichen Gründen so nicht erreichen können. Wenn wir das sehen, dann ist das gegenüber diesen Menschen in einem höchsten Maße unfair, wenn wir dann sagen, ja, aber zur Fachkräftemangelbeseitigung müsst ihr eure Knochen noch länger auf den Arbeitsplatz schleppen.
Ich bin die Tage, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, mit Abgeordneten des Berliner Abgeordnetenhauses auf der Rostocker Werft gewesen. Das ist trotz aller Technisierung, die in den Werften stattfindet, auch noch heute in vielen Bereichen Knochenarbeit. Wer das gemacht hat und denen dann sagt, ihr müsst aber noch bis 70 arbeiten, weil wir einen Fachkräftemangel haben, der weiß im Endeffekt nicht, wovon er redet.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, eins lassen Sie mich an dieser Stelle auch noch deutlich machen. Wir haben schon über die letzten 20 Jahre eine permanente Verlängerung der Wochenarbeitszeit bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Das ist kein Zustand, den man erst neu einführen muss. Wir sind schon dabei, dass die Beschäftigten auch in unserem Land regelmäßig mehr als die üblichen 40 Stunden arbeiten. Das ist letzt
endlich auch eine Frage, was ich denn will. Will ich das soziale Leben auch der Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land tatsächlich vollends kaputt machen oder will ich ihnen die Chance geben, auch in Zukunft mit ihren Familien, mit ihren Kindern ein gewisses Maß an Freizeit zu verbringen?
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, dann wurde als Nächstes angesprochen „Rationalisierungsprozesse in der Wirtschaft“. Jetzt schaue ich Sie mal an, Herr Kollege Wildt, weil Sie früher auch in einem Unternehmen gearbeitet haben: Glauben Sie denn wirklich, dass die Unternehmer, egal ob das die in diesem Land sind oder in einem anderen Ort in der Bundesrepublik Deutschland, nicht ohnehin die Rationalisierungsprozesse, die Automatisierungsprozesse machen, die sie in ihren Unternehmen durchführen können? Ich glaube, wir beide – so schätze ich Sie zumindest ein und so schätze ich die anderen Kolleginnen und Kollegen in diesem Haus auch ein –, wir sind uns doch darüber im Klaren, dass ein Unternehmer, und das hat ja gar nichts mit Fachkräftemangel im ersten Moment zu tun, das ist alleine eine betriebswirtschaftliche Rechnung, dort, wo er rationalisieren kann, wo er auf Personalkosten verzichten kann, das ohnehin tut. Aber irgendwo, irgendwo an einem Punkt, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen – und da müssten Sie sich vielleicht auch nur mal mit Ihren Parlamentarischen Geschäftsführern in Ihren Fraktionen unterhalten –, ist halt der Punkt angekommen, wo Sie auch Menschen für die Arbeit brauchen und Rationalisierungsprozesse sich nicht weiter gestalten lassen, es sei denn, Sie wollen diese Menschen tatsächlich dann auch über den Haufen fahren.
Meine Damen und Herren, ein weiterer Punkt, der hier angesprochen worden ist durch Herrn Kramer, der Mangel an Fachkräften führe zu höheren Löhnen – das ist schön, wenn das so ist.
Da bin ich ganz ehrlich, ja, das ist gut so, und das ist eine Diskussion, die wir in diesem Haus – ich bin seit 2002 Mitglied in diesem Haus – immer wieder geführt haben. Wir wollen höhere Löhne, und die höheren Löhne müssen sich natürlich dann auch wirtschaftlich umsetzen lassen. Aber worüber diskutieren wir denn? Wir als SPDFraktion haben das hier an dieser Stelle immer wieder gesagt, die Ministerpräsidentin hat das immer wieder gesagt, wir wollen gute Löhne in diesem Land für gute Arbeit. Nur, das sage ich an dieser Stelle auch ganz offen, das heißt doch nicht, dass damit tatsächlich weniger Arbeit vorhanden ist, sondern das heißt doch nur, dass die Menschen, die diese Arbeit machen, dann auch tatsächlich besser bezahlt werden.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, das sind alles Punkte, wo ich mir eigentlich gewünscht hätte, dass der Fraktionsvorsitzende der AfD nicht nur irgendwelche Themen anreißt, sondern tatsächlich auch hier Lösungsvorschläge macht. Und weil der Fraktionsvorsitzende der AfD das nicht getan hat, rekurriere ich jetzt mal auf Äußerungen der AfD, wie sie woanders gekommen sind. Das ist jetzt nicht polemisch gemeint. Das ist ja offensichtlich eine Diskussionsebene bei Ihnen in der Partei, in der Fraktion, dass gesagt wird, statt dem, was hier in Deutschland politisch diskutiert wird, sollten wir nachden
ken über zum Beispiel ein Punktesystem wie in Kanada oder, ich glaube, in Australien ist es auch so.
Das kann man machen, aber, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich mache Ihnen jetzt mal einen Punkt deutlich, warum das aus meiner Sicht, aus Sicht meiner Fraktion, meiner Partei falsch ist. Das kann ich Ihnen an den Gegebenheiten in Kanada beweisen, darüber müssen wir nicht theoretisieren. Was bedeutet denn so ein Punktesystem? Das klingt erst mal in der Theorie ganz toll. Da schaue ich, wen ich haben möchte, zum Beispiel einen höher qualifizierten Arbeitnehmer, der kriegt entsprechend seiner Qualifikation einen bestimmten Punktesatz, und wenn er ein Level erreicht hat von soundso vielen Punkten – ich glaube, in Kanada sind es 67 von 100 Punkten –, dann dürfen sie in das Land einreisen.
Nur, das Problem an der Sache, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, das ist eine Rückwärtsbetrachtung. Ich schaue immer danach, was sich in den letzten Monaten/Jahren an Fachkräftebedarf in dem Land gezeigt hat, und das führt dazu, und das ist die Realität in Kanada, dass ich alle paar Jahre dieses Punktesystem ändern muss. Brauche ich tatsächlich Höherqualifizierte, setze ich das Punktesystem hoch. In dem Moment führt es dazu, dass ich weniger Qualifizierte nicht mehr ins Land lasse, was wiederum dazu führt – diese Arbeit muss ja auch gemacht werden, diese Arbeit muss übrigens auch in Deutschland gemacht werden –, dass dann diese Menschen erst mal nicht reinkommen, ich einen größeren Bedarf an weniger Qualifizierten habe. Also muss ich zwei oder drei Jahre später wieder anfangen, dieses Punktesystem zu ändern,
Das Problem ist, sehr geehrter Herr Kollege, ich bin nie in der Lage, aktuell auf das zu reagieren, was tatsächlich am Arbeitsmarkt benötigt wird.
Gestatten Sie mir, dass ich da, ich will jetzt nicht den Kolleginnen und Kollegen aus dem Agrarausschuss zu nahe treten, wenn man 16 Monate braucht, um einen Antrag zu qualifizieren – und das ist offensichtlich nötig, da will ich jetzt,
wie lange, glauben Sie denn, brauchen die Kanadier, um da entsprechend ihre gesetzlichen Änderungen zu machen? Im Regelfall sind es drei Jahre, drei Jahre Zeit, die vorbei am Arbeitsmarkt läuft, ohne dass tatsächlich der Bedarf der Unternehmen aktuell bedient werden kann. Das ist genau das Problem einer solchen Punkteregelung, und das ist auch der Grund, weswegen sie nicht funktioniert.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich will damit an dieser Stelle zum Ende kommen. Lassen Sie mir noch einen Satz: Man kann über alles diskutieren, sofern es darum geht, wie man bestimmte Vorschläge, wie sie jetzt zum Beispiel auch von der Bundesregierung, den Koalitionsfraktionen in Berlin vorbereitet worden sind und eingebracht worden sind, verbessern kann. Das ist überhaupt nicht die Frage, nichts und niemand ist perfekt, aber man sollte die Frage, dass man Zuwanderung als Teillösung des Gesamtproblems braucht, nicht infrage stellen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich habe mich im ersten Schritt mal mit dem Eckpunktepapier der Bundesregierung beschäftigt zur Fachkräfteeinwanderung aus Drittstaaten. Das ist dem Gesetzentwurf vorgelagert, aber es beschreibt sehr schön die Zielrichtung des Gesetzes. Da findet man als Erstes die Aussage, dass das Fachkräftekonzept der Bundesregierung neu ausgerichtet werden soll und sich auf drei Bereiche konzentriert: erstens die inländischen, zweitens die europäischen und drittens die internationalen Fachkräftepotenziale.
Die Priorisierung: Die erst mal wichtigsten Anstrengungen konzentrieren sich auf die Hebung des inländischen Potenzials. Das halte ich für eine ganz wichtige Aussage. Es ist also nicht richtig, dass man ein Problem schnell über eine Massenzuwanderung, wie ich es eben gehört habe, lösen möchte, sondern genau das, was Sie auch gefordert haben, Herr Kramer, nämlich die Fokussierung auf das inländische Potenzial ist erst mal mit der Priorität A versehen. Da werden dann auch unzählige Maßnahmen aufgezählt, wie man das alles erreichen kann, die gleichen, die Sie auch gefordert haben, und auch noch ein paar mehr. Also da kann ich erst mal nicht erkennen, dass man diese Priorisierung nicht sehen würde.
Dann wird auch ganz klar gesagt, am Grundsatz der Trennung von Asyl- und Erwerbsmigration halten wir fest. Man kann auch sagen, man kehrt verstärkt wieder dazu zurück, das sauber auseinanderzuhalten, denn das war ja ein Vorwurf, den es im Jahr 2015/2016 gegeben hatte. Aber das wird jetzt als einer der Grundsätze festgelegt.