Ich halte es bildungspolitisch für wichtig, abzuklären, Herr Renz, was aus den Absolventen mit akademischen Abschlüssen wird.
... das betrifft nicht in erster Linie die sogenannten „Brotstudien“, die Mediziner, Juristen und Lehrer.
Hier ist der Übergang in die Berufslaufbahn in der Regel vorgezeichnet. Wenn ich aber die Diskrepanz zwischen Studierendenzahl bei Chemikern, Physikern,
Geisteswissenschaftlern, Psychologen, Historikern und ähnlichen und der gemeldeten Stellenzahl für diese Berufe sehe, dann fragt man sich, wo bleiben diese Absolventen. Sicher finden die meisten im Bildungswesen ihr Bleiben. Es ist jedoch auch zu vermuten, dass diese Absolventen einen zusätzlichen Wettbewerbsdruck auf die nicht akademischen Berufsfelder ausüben, allerdings leider in insbesondere nicht produktiven Bereichen wie zum Beispiel Verwaltung und allerlei sonstigen Institutionen.
Ich wage das Postulat, dass die Akademisierung unseres bildungspolitischen Lebens zu einer strukturellen Fehlentwicklung bezüglich der praktischen, produktiven Lebensbereiche unserer Wirtschaft führt. Unsere Forderungen:
Erstens. Akademische Ausbildung nicht überbewerten, sondern in den gesellschaftlich sinnvollen Kontext stellen.
Zweitens. Wertschätzung aller Berufsebenen sicherstellen und kommunizieren. Wertschätzung kann durch Entlohnung und/oder Sicherheit des Arbeitsplatzes geschehen.
Lassen Sie mich nun zur Situation bei den nicht akademischen Berufen kommen. Aus der Antwort zu meiner Kleinen Anfrage 7/1722 geht hervor, dass für Mecklenburg-Vorpommern 145 verschiedene Berufsgruppen gemäß der Klassifikation der Berufe 2010 geführt werden. Die gemeldeten Arbeitsstellen in diesen Berufsgruppen stiegen insgesamt von 2010 bis 2017 von 4.617 auf inzwischen 10.219 – eine durchaus erfreuliche Entwicklung. Unter den 145 Berufsgruppen sind 20 die Treiber dieser Entwicklung. Dazu gehören allerdings in der Regel nicht besonders hoch qualifizierte, aber auch Metallbau und Schweißtechnik, Maschinenbau, Fahrzeugbau und so weiter. Nur bei zwei dieser Berufsgruppen ist derzeit das Angebot an Arbeitskräften unter der Nachfrage, nämlich Energietechnik und Sanitärtechnik. Aufgrund der aktuellen Entwicklung in den Mecklenburg-Vorpommern-Werften wissen wir, dass dort 2018 der Bedarf an Metall- beziehungsweise Schiffsbauern noch weiter deutlich angestiegen ist, was zu einer Abwerbung der Fachkräfte aus anderen kleinen Betrieben führte.
Des Weiteren zeigen die Zahlen aber auch, dass wir in Mecklenburg-Vorpommern eine Nachfrage Arbeitsuchender in Zielberufen haben, denen kein entsprechendes
Stellenangebot gegenübersteht. Wir hörten davon. Das betrifft Landwirtschaft, Tierwirtschaft, Gartenbau, technisches Zeichnen und Baugeräteführung, Objektschutz und so weiter. Die Zahl der Stellensuchenden geht seit 2010 in allen Zielberufen – mit einer Ausnahme, nämlich dem Objektschutz – stetig zurück. Dies ist offensichtlich auf das zunehmende Ausscheiden der älteren Jahrgänge aus dem Arbeitsmarkt zurückzuführen. Gleichzeitig steigt die Zahl der gemeldeten offenen Arbeitsstellen seit 2010 stetig an.
Erstens. Wir haben in Mecklenburg-Vorpommern keinen Mangel an Arbeitsuchenden. Das zahlenmäßige Arbeitskräfteangebot lag 2017 mit 59.809 Arbeitsuchenden deutlich über den 10.219 Stellenangeboten, aber darauf hatte ja auch der Minister schon hingewiesen. Nur in zwei Bereichen ist der Bedarf höher als das Arbeitskräfteangebot.
Zweitens. Wir haben aber in Mecklenburg-Vorpommern eine Homöostasestörung, das heißt, eine Diskrepanz zwischen Bedarfs- und Angebotscharakter auf dem Arbeitsmarkt nicht akademischer Berufe. Die Ungleichgewichte sind auf grundsätzliche strukturelle Defizite zurückzuführen. Wir haben große Angebote an Fachkräften in Zielberufen, bei denen nur geringer oder kein Bedarf besteht.
Welche Maßnahmen sind nun notwendig, um die strukturellen Arbeitsmarktdefizite zu beseitigen? Die dazu benötigten Stellschrauben sind aus unserer Sicht im Wesentlichen bekannt. Die wichtigste, weil nachhaltige Maßnahme ist jedoch die bedarfsgerechte Ausbildung von Fachkräften in den Betrieben selbst. Dazu ist die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe zu fördern. Gerade beim letzten Punkt gibt es Problembereiche, die einer Lösung entgegenstehen. So beklagt die Handwerkskammer Ostmecklenburg-Vorpommern, dass fast 600 Ausbildungsstellen im Land unbesetzt bleiben.
Ja, Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin eigentlich nur deshalb noch mal kurz nach vorne gekommen, um die Aussage, die Herr Waldmüller eingangs in seinem Redebeitrag getätigt hat, er habe zur Kenntnis genommen, dass sich DIE LINKE von der Möglichkeit der Fachkräftezuwanderung verabschiedet habe, hier richtigzustellen.
Herr Kollege Waldmüller, richtig ist vielmehr, dass ich darauf hingewiesen habe, wodurch bestimmte Problemlagen in den Bedarfsbranchen verursacht werden und wo
Ansätze dafür liegen, diese zu lösen. Und drei möchte ich dann auch noch mal konkret nennen, damit ich hier nicht missverstanden werde.
Konkret habe ich erstens auf das Potenzial der immer noch hohen Zahl der Arbeitslosen bundesweit und hierzulande verwiesen. Um das zu heben – darüber haben wir hier schon oft gesprochen –, braucht es sinnvolle und individuell passgerechte Qualifizierungsangebote.
Zweitens habe ich darauf hingewiesen, dass natürlich auch in den Unternehmen selbst die Pflicht besteht, durch bessere Arbeits- und Entgeltbedingungen wieder mehr junge Leute für eine Tätigkeit in den Bedarfsbranchen zu begeistern, denn sie wissen selbst um das schlechte Image, was bestimmte Berufe und bestimmte Branchen, in denen die Not am größten ist, angeht.
Zuletzt habe ich deutlich gesagt, dass wir Zuwanderung in den Arbeitsmarkt durchaus auch unterstützen, als Teillösung, dass wir aber immer ein Auge darauf haben müssen, dass diejenigen, die dann zu uns kommen, hier nicht zu prekären Bedingungen beschäftigt werden. Und meine letzte Aussage bezog sich darauf, dass wir eben genauso auch denjenigen, die als ausländische Fachkräfte hierherkommen oder auch als Arbeitskräfte, dass wir denen Unterstützung anheimstellen müssen, wenn es um die Frage der Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse geht, insbesondere mit Blick auf Unterstützung bei der kostenseitigen Bewältigung der Anforderungen, die es da gibt. Das wollte ich hier noch mal ganz deutlich sagen, damit hier keine Missverständnisse entstehen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 15: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Aufbau Ost – mehr Bahn braucht das Land, Drucksache 7/3053.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieser Antrag reiht sich ein in unser Bemühen, die öffentlichen Verkehrsangebote in unserem Land zu verbessern. Er folgt unser tiefen Überzeugung, dass auch die Ausweitung öffentlicher Verkehrsangebote auf der Schiene für eine gedeihliche Landes- und Regionalentwicklung und einen erfolgreichen Aufbau Ost erforderlich ist.
Die Schiene hat nach unserer Auffassung keine Lobby bei der Landesregierung und den Regierungsfraktionen. Das ist daran festzumachen, dass kein einziger Euro aus Landesmitteln für den Schienenpersonennahverkehr eingesetzt wird und auch nicht eingesetzt werden soll in der Zukunft. Aus den Regionalisierungsmitteln werden Ausgleichsleistungen im Ausbildungsverkehr abgezweigt. Es werden Äpfel mit Birnen verglichen, indem Bus- und Bahnkosten verglichen werden. Somit ist die Bahn immer im Nachteil.
Statt das Angebot auszuweiten, werden Regionalisierungsmittel gehortet, und das seit Jahren. Es ist nicht einmal zu erkennen, dass zumindest die Abwärtsspirale gestoppt wird. Für Minister Pegel sind allein die Regionalisierungsmittel des Bundes für den Schienenpersonennahverkehr maßgebend. Es war der Deal bei der Bahnreform, salopp ausgedrückt. Der Bund finanziert den Schienenpersonennahverkehr, der durch die Länder als Aufgabe der Daseinsvorsorge zu bestellen ist. Dass der Bund die Mittel nicht in ausreichendem Maße bereitstellt, ist allgegenwärtig und wir haben auch schon oft darüber gesprochen.