Die veröffentlichten Zahlen sind also Indikatoren für ein gravierendes Problem, unabhängig davon, ob sie das ganze Ausmaß des Schulabsentismus in unserem Bundesland wiedergeben. Deshalb fordern wir in unserem Antrag zunächst, dass der Umfang des Schulabsentismus künftig präziser festgestellt und analysiert werden muss. Auf Grundlage einer nach Ursachen gewichteten Analyse sind dann von der Landesregierung entsprechend geeignete Maßnahmen abzuleiten und zu entwickeln oder weiterzuentwickeln, wie dem Problem wirkungsvoller begegnet werden kann.
Wir werden aber sicherlich von Frau Ministerin Hesse gleich hören, was sie schon alles in die Wege geleitet hat. Das sei auch nicht in Abrede gestellt, aber es bleibt in Anbetracht der Zahlen, also im Angesicht einer Verdoppelung der Fälle, leider festzustellen, dass die diesbezüglichen Maßnahmen des Bildungsministeriums nicht von Erfolg gekrönt waren, weder das 7-Punkte-Programm gegen Schulschwänzer, das auf Grundlage von Empfehlungen des Landesrates für Kriminalitätsvorbeugung entwickelt worden ist, oder eben ein Jahr später auch der verabschiedete Handlungsleitfaden zum Schulabsentismus. Als der Erstere verabschiedet wurde, hatten wir sogar das Phänomen, dass die Zahl von 3,8 Prozent im Schuljahr 2015/2016 auf 4,4 Prozent im Schuljahr 2017 angewachsen ist. Ein Jahr später, nachdem der Handlungsleitfaden veröffentlicht wurde, verringerte sich zwar die Zahl der schulabstinenten Schüler geringfügig von 4,4 auf 4,2 Prozent, aber das kann auch, gewisse Nivellierungseffekte, mit dem erheblichen Vorjahresanstieg zu tun haben. Es sind also immer noch fast 5.500 Schüler
mit einem oder mehr unentschuldigten Fehltagen und davon Tausend Schüler mit mehr als zehn Fehltagen zu verzeichnen.
Das weit verbreitete Schulschwänzen findet seine Fortsetzung an den beruflichen Schulen. Dort ist dieses Problem noch gravierender, wie man von Berufsschullehrern zu hören bekommt. Hinter den Durchschnittszahlen verbergen sich regional und schulartspezifisch zum Teil wesentlich höhere Werte. So hatten zum Beispiel im Bereich des Staatlichen Schulamtes Rostock 10,5 Prozent der Schüler an Regionalen Schulen im letzten Schuljahr einen oder mehrere unentschuldigte Fehltage, an Förderschulen waren es landesweit sogar 13,3 Prozent.
Sehr geehrte Damen und Herren, alle Instrumente, die bisher zur Anwendung gekommen sind, waren nicht besonders wirkungsvoll, wie wir deutlich sehen können,
selbst, wenn sie sehr sinnvolle Maßnahmen erhielten, wie zum Beispiel das Instrument von Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen wie den schriftlichen Verweis, der nun sogar noch aus dem neuen Schulgesetz gestrichen werden soll, womit den Lehrkräften wiederum ein Mittel, was hier vielleicht noch zur Anwendung kommen könnte, aus dem Bereich des Sanktionierens weggenommen wird. Eine andere Möglichkeit, die der Leitfaden vorsieht, ist das Zuführen von unentschuldigt fehlenden Schülern mithilfe der Polizei. Hier ist kein einziger Fall von den Tausend Schülern bekannt, die mehr als zehn Fehltage im Schuljahr hatten.
Ja, neben den Schulsozialarbeitern sollen auch die Jugendämter laut Handlungsleitfaden in starkem Maße einbezogen werden, ohne dass gesagt worden wäre, wie diese Zusatzbelastung mit dem vorhandenen Personal geleistet werden soll. Obwohl der Handlungsleitfaden selbst eine Evaluation zum Schuljahr 2017/2018 vorsieht, ist diese unseres Wissens bisher nicht erfolgt. Bedenken wir nur, wie mit der Zukunft unserer Heranwachsenden hier umgegangen wird, denn es ist auch bekannt, dass notorische Schulschwänzer tendenziell häufig zu Schulabbrechern werden und in der späteren Laufbahn sogar kriminelle Entwicklungen aufweisen. Es geht also nicht nur um die schulischen Leistungen, sondern auch um Persönlichkeitsentwicklung, soziale Kompetenz, Pflichtbewusstsein. Schulabsentismus fügt der Entwicklung junger Menschen erheblichen Schaden zu.
Später werden die Schulschwänzer bitter erfahren müssen, wie wahr das Sprichwort ist: Die Schule des Lebens kann man nicht schwänzen.
Meine Damen und Herren, in diesem Kontext erlaube ich mir anzumerken, dass wir „Schuleschwänzen für das Klima“ in jeder Richtung für kontraproduktiv halten. Es ist das falsche Mittel für den falschen Zweck.
Im Gegenteil, wir sollten alles daransetzen, sinnvolle Lösungen für das Problem des Schuleschwänzens zu finden, und keine Gründe hinsichtlich einer moralisieren
den Legitimierung bieten. Wie die im Einzelnen aussehen müssen, wird sich erst mal aufgrund der von uns geforderten gewichteten Analysen ergeben. Generell betrachten wir es jedoch als wichtig,
Einige Forderungen stehen zwar bereits im Handlungsleitfaden des Bildungsministeriums, aber das Problem liegt entweder in einer unzureichenden Umsetzung oder eben auch daran, dass sie sich nicht als hinreichend zielführend erwiesen haben. Deshalb ist es unerlässlich, dass sich die Landesregierung erneut dieses Problems annimmt, und somit stellen wir hier heute diesen Antrag. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen und ich eröffne die Aussprache.
Für die Landesregierung hat zunächst ums Wort gebeten die Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur. Bitte, Frau Hesse.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die Herren von der AfD haben da ein prima Rezept für einen Blankoantrag entdeckt, und das lautet: Man mache ein Problem auf, male es möglichst schwarz, rufe nach geeigneten Maßnahmen, ohne selber welche zu benennen,
und trage die Kleine Anfrage vor. Funktioniert bei so gut wie jedem Thema und ist so bestechend einfach wie plump. Bleibt nur die Frage, ob Ihnen nur der Wille oder auch das Können zum Gestalten fehlt,
denn, ganz ehrlich, auch nach dem Vortrag, den wir eben gehört haben, sind wirklich keine neuen Maßnahmen dazugekommen,
Zur Sache – und ich glaube, dazu sollten wir dann auch alle zurückkommen –: So düster, wie dieser Antrag die Schulwelt hier zeichnet, ist sie glücklicherweise nicht. Das bezieht sich sowohl auf die erhobenen Zahlen zum Schulabsentismus als auch darauf, was daraus abzuleiten ist.
Zuerst ein paar Worte zur Statistik und ihrem Zustandekommen. Die stündliche Abwesenheit von Schülerinnen und Schülern tragen die jeweils unterrichtenden Lehrkräfte ins Klassenbuch ein, unterteilt nach entschuldigten und unentschuldigten Fehlstunden. Jede Schule meldet die unentschuldigten Fehlzeiten nach Ablauf eines Schuljahrs an die zuständige Schulbehörde. Hierfür haben die Schulen landesweit einheitliche digitale Formulare. Die so übermittelten Daten fassen die Schulbehörden zusammen und geben sie weiter an die oberste Schulbehörde.
Für die allgemeinbildenden Schulen berechnen wir nun Fehltage, sprich, wir fassen einzelne Fehlstunden zu ganzen Fehltagen zusammen. Fünf Stunden ergeben laut Verwaltungsvorschrift einen Fehltag. In der beruflichen Bildung erfolgt die Erhebung nach Fehlstunden. Zudem sind die erhobenen Fehlzeiten die Grundlage für die Abbildung auf den Halbjahres- und Jahreszeugnissen und somit Bestandteil der Verwaltungsvorschrift über die Allgemeinen Bestimmungen über die Zeugnisse und für die Zeugniserteilung allgemeinbildender Schulen. Die von der AfD vermutete lückenhafte Erfassung ist unter dieser Prämisse äußerst unwahrscheinlich.
Ebenso verhält es sich übrigens auch mit, wie Sie sie nennen, möglichen Gefälligkeitsentschuldigungen. Grundsätzlich gehen wir davon aus, dass eine Entschuldigung, die von einem Erziehungsberechtigten mündlich oder schriftlich vorgebracht wird, glaubhaft ist, denn eine begründete Entschuldigung ist Elternpflicht. Fehlt sie, handelt es sich um unentschuldigte Fehlzeiten. Punkt!
Meine sehr geehrten Damen und Herren, eins will ich aber nicht negieren: Schulschwänzen ist ein Problem, in jedem einzelnen Fall, und umso größer, je länger es andauert. Die Gefahr wächst, nicht mehr mitzukommen, den Abschluss nicht zu schaffen, keinen Ausbildungsplatz zu erhalten, inklusive des Ganzen unrühmlichen Rattenschwanzes, der da mitunter dranhängt.
Wir haben – und das hat Herr Kröger ausgeführt – uns dieses Problems angenommen, wohl wissend, dass wir hier nicht schlagartig Jubelwerte in den Statistiken erreichen würden. Mit dem Handlungsleitfaden gegen Schulabsentismus haben die Schulen seit 2017 eine konkrete Empfehlung zur Hand, an der sie sich im Umgang mit Schulschwänzern entlanghangeln können, angemessen und konsequent. Das war auch die Forderung aus den Schulen. Wir haben die Dokumentation der Fehlzeiten verbessert und auch einen Informationsflyer für Eltern veröffentlicht, denn Eltern sind auch ein entscheidender Faktor gegen Schulschwänzen. Unser Augenmerk liegt
darauf, diese Instrumente treffsicher und sensibel weiterzuentwickeln, die Lehrkräfte und Schulleitungen fortzubilden. Zudem intensivieren wir auf der Ebene der Schulämter die Kooperation von Jugendhilfe und Schulen und beziehen die kommunalen Präventionsräte sowie auch die Polizei stärker mit ein.
Mir geht es vor allem um zwei Dinge: Wehret den Anfängen! Es geht darum, Schulabsentismus bereits in den Startlöchern zu erkennen und ihm konsequent entgegenzutreten. Wir müssen die Kinder und Jugendlichen wieder in die Schule kriegen, nicht nur physisch, sondern auch mental. Wer lernt, ist beschäftigt und hat eben auch weniger Zeit für Unsinn, denn es ist zwar nicht so, dass jeder Schulschwänzer kriminell wird, durchaus aber so, dass Jugendliche, die auf die schiefe Bahn geraten, häufig auch die Schule schwänzen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Anteil der Intensivschwänzer ist mit 0,82 Prozent vergleichsweise gering, aber dahinter stecken immer noch über Tausend Schülerinnen und Schüler mit einer jeweils eigenen und meist sehr komplexen Problemlage. Schule allein kann das nicht auffangen oder auflösen. Die Prozesse, die wir unter anderem mit dem Handlungsleitfaden angestoßen haben, wirken nicht auf Knopfdruck, sondern brauchen eben auch Zeit. Einen Antrag zu schreiben, der mal eben geeignete Maßnahmen fordert, ohne wirklich eigene Ideen, welche das auch sein könnten, das geht natürlich deutlich schneller, bringt nur leider niemanden weiter, geschweige denn zurück in die Schule. – Vielen Dank.