Protokoll der Sitzung vom 24.01.2019

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Darum geht es ja auch nicht.)

Ich wäre dann doch dafür, dass wir vielleicht informiert werden.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Nee, Sie müssen sich informieren!)

Ja, dann gibt es die Landesregierung, und das finde ich auch sehr interessant, die dieses Programm aufgelegt hat, den Handlungsleitfaden, die aber auch vier Arten des Schulschwänzens definiert, und die erste Art ist die Schulverdrossenheit,

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Ja.)

die innere Abkehr im Unterricht. Das finde ich sehr wichtig, das schon als Schulschwänzen zu definieren, denn damit fängt es an, dass die Kinder dem Unterricht gar nicht mehr folgen, sich innerlich abkehren – etwas, was wir auch hier im Landtag immer wieder erleben, dass einzelne Abgeordnete sich bei einzelnen Reden innerlich abkehren und überhaupt nicht mehr zuhören. Das Gleiche, was wir also hier machen, bei dem einen oder anderen nicht zuhören,

(Beifall Horst Förster, AfD)

das ist also auch eine Art von Landtagsschwänzen, und das machen die Kinder ebenso.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion Freie Wähler/BMV – Beifall Ralf Borschke, Freie Wähler/BMV)

Weil es sie nicht interessiert oder wenn sie Probleme haben, hören sie mit einem Mal nicht mehr zu.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Landtagsabsentismus. Herr Arppe hat Landtagsabsentismus.)

Und...

(Dr. Ralph Weber, AfD: Geistiger Landtagsabsentismus, bei einigen Fraktionen weit verbreitet.)

Ja, es ist durchaus weit verbreitet, muss man mal ganz klar so sagen. Und deswegen finde ich es..., wir brauchen keine Landtagssozialarbeiter,

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion Freie Wähler/BMV)

aber ich finde die Schulsozialarbeiter außerordentlich wichtig, dass die sich nämlich gerade individuell mit den Kindern beschäftigen und mit allen Problemen. Diese Probleme, wie gesagt, sind sehr unterschiedlich, und wir haben hier im Landtag tatsächlich schon über mehrere Problemfälle gesprochen, wir haben schon mal über Drogen gesprochen, über Computerspielsucht, wir haben auch heute noch das Thema Adipositas auf der Tagesordnung. Das hängt teilweise zusammen mit Mobbing. Wenn Kinder gemobbt werden, haben sie auch keine Lust mehr, zur Schule zu gehen, und weichen aus. Das sind hier alles diese Randbedingungen, die da eine Rolle spielen.

Mit den geeigneten Maßnahmen, Herr Kröger, haben Sie es ja nicht falsch, per se falsch formuliert, Sie sagen einfach, sie sind geeignet, aber man weiß jetzt halt nicht, was man sich darunter vorzustellen hat. Das ist das Problem, was wir auch damit haben, deswegen können wir dem Antrag nicht zustimmen. Er müsste etwas detaillierter sein oder detaillierter vorgetragen werden. Das Problem ist richtig erkannt oder wichtig auch, aber was genau wollen Sie, was genau soll da passieren?

Die Folgen des Schulschwänzens sind natürlich die zunehmenden Wissenslücken, das heißt, man gerät da auch in einen Teufelskreislauf hinein, wenn man immer weniger weiß, immer schlechter mitkommt. Das ist wahrscheinlich die zweite Chance, nehme ich mal an, Frau Oldenburg. Wenn diese Wissenslücken so groß sind, dann ist natürlich der Anreiz, wieder zur Schule zu gehen und am Unterricht teilzunehmen, immer kleiner, weil die Probleme, die im Unterricht auftauchen oder auch bei den Lernkontrollen, immer größer werden. Wir haben eine signifikant steigende Zahl von Misserfolgserlebnissen, und wir wissen, wie wichtig die Erfolgserlebnisse für die Schullaufbahn sind. Nur Kinder und Jugendliche, die immer wieder auch mal einen Erfolg haben, nicht in allen Fächern, keiner von uns ist überall perfekt, aber hier und da mal ein Erfolgserlebnis, das führt dazu, dass man gerne zur Schule geht. Immer nur Misserfolg führt zum Schwänzen. Soziale Ausgrenzung, ich habe es gerade schon mal genannt, auch die Gefährdung der Versetzung ist natürlich eine Folge, und die reduzierten Chancen bei der Ausbildungs- und Beschäftigungssuche.

Und hier schließt sich ein bisschen der Kreis zu den Themen, die wir gestern besprochen haben. Wir haben Fachkräftemangel, wir haben gestern gesagt, es gibt keine große Gesamtlösung, sondern es gibt nur viele, viele, viele kleine Schritte und einzelne Teillösungen, und einer dieser Schritte ist auch, das Schulschwänzen zu verringern und damit die Fähigkeit der Jugendlichen, in den Beruf zu starten, zu erhöhen. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion Freie Wähler/BMV)

Für die Fraktion der SPD hat jetzt das Wort der Abgeordnete Butzki.

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Heute beschäftigen wir uns mal wieder mit einem Schulantrag der AfD-Fraktion, diesmal zum Thema Schulabsentismus. Zu dieser Problematik könnte ich jetzt sehr lange referieren, aus meiner langjährigen beruflichen Erfahrung habe ich da einiges schon mitgemacht. Und ich muss auch sagen, ich habe heute gute Reden gehört. Bis auf die Einbringungsrede waren wirklich alle nachdenklich und haben viele Ansätze gebracht, wo man auch dieser Problematik nachgehen kann.

Von vornherein möchte ich gleich sagen, wir werden diesen Antrag ablehnen. Ich muss der AfD auch sagen, Sie springen hier wieder auf ein Thema auf, was die LINKEN – und Frau Oldenburg hat es ja schon gesagt, wie oft sie es schon hier angesprochen hat, und Sie wollen das hier thematisieren, eigentlich, in dem Falle muss ich wirklich sagen, Thema geklaut.

Dieses Schulschwänzen, das haben wir heute schon mehrfach gehört, hat wirklich die verschiedensten Ursachen. Dieses Problem tritt nicht nur bei uns im Land auf, sondern auch in anderen Bundesländern und in anderen

Industrieländern. Ich habe mir schnell noch mal die Mühe gemacht,

(Zuruf von Jens-Holger Schneider, AfD)

ganz kurz hier so ein paar Dinge nachzulesen, wie das andere Länder machen. Ich habe hier gefunden – wo gehts los – Frankreich. Bei unseren französischen Nachbarn gilt die Schulpflicht obligatorisch bis zum Alter von 16 Jahren. Die Abwesenheit vom Unterricht ist nur in Ausnahmefällen gerechtfertigt. Die Haltung zum Schulschwänzen könnte man mit „kann ja mal vorkommen“ zusammenfassen. Geahndet wird das Fernbleiben selten.

Italien: großzügige Regelung bei guten Leistungen. Gesetzlich gilt in Italien, mindestens drei Viertel des Schultages muss ein Kind anwesend sein.

(Dirk Lerche, AfD: Sie orientieren sich also an den Schlechten?)

Hören Sie doch erst mal zu! Sie gerade, Herr Lerche!

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion Freie Wähler/BMV und Simone Oldenburg, DIE LINKE)

Österreich, fünf Stufen für notorische Schulstangler.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ausgesprochener Bildungsbürger.)

Stangeln, so nennt man das Schulschwänzen in Österreich. Wer es damit übertreibt, dem drohen Maßnahmen, die sich nach Verhalten des Schwänzers über fünf Stufen erstrecken können.

Schweiz: Jeder Zweite schwänzt, aber es gibt einen Joker.

Also ich will Ihnen bloß mal sagen, das ist jetzt kein Thema – ich will das nicht verniedlichen,

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

ich will es auch nicht ins Lächerliche ziehen –, das ist ein Problem, was alle Bundesländer haben und auch die anderen Industrieländer. Es gibt wirklich umfangreiche Analysen zu Umfang und Ursachen des Schulschwänzens. Und wenn Sie jetzt noch mal fordern eine neue Statistik zu Ursachen und so weiter, muss ich Ihnen ganz deutlich sagen, vom vielen Wiegen wird das Schwein auch nicht fett bei dieser Sache. Wir kennen die hohen Zahlen und dagegen müssen wir letztendlich arbeiten.

(Zuruf von Horst Förster, AfD)

Irgendwelche Prozentzahlen zu bewerten, bringt im pädagogischen Prozess überhaupt nichts. Maßnahmen zur Durchsetzung der Schulpflicht gibt es, und diese werden auch durchgesetzt, auch wenn es bei einigen Schulpflichtigen Probleme gibt, wir haben es heute gehört. Zum Gelegenheitsschwänzer will ich nachher noch mal kurz was sagen.

Der Schulabsentismus ist ein Phänomen aller Schularten, das muss man auch sagen, obwohl es bei den Regionalen Schulen und bei den Förderschulen gehäufter auftritt beispielsweise als beim Gymnasium. Die Landesregierung hat schon zahlreiche Maßnahmen ergriffen. Viele Partner sind damit wirklich im Boot – die Schulen, die Schulträ

ger, die Jugendämter, aber auch die Ministerien, Sozial-, Bildungs- und Innenministerium. Entscheidend bei allem, egal, welche Maßnahmen wir machen, ist eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Elternhaus und Schule. Es gibt den Flyer, der wurde jetzt schon mehrfach erwähnt – darauf will ich gar nicht weiter eingehen, aber dort wird noch mal kurz und knapp einiges den Eltern mitgegeben –, und auch den Handlungsleitfaden Schulabsentismus. Ja, der ist sehr umfangreich, gibt aber auch der Schule genügend Maßnahmen mit an die Hand.

(Horst Förster, AfD: Was hat es gebracht?)

Wichtig ist aber, dass die Schulen für sich passende Frühwarnsysteme entwickeln. Und wichtig, ich sagte es, ist wirklich immer diese vertrauensvolle Zusammenarbeit, diesmal auch innerhalb einer Schule.

Wenn wir jetzt das mit 2013/2014 vergleichen, wir hatten auch eine andere Lehrersituation an den Schulen. Wir hatten da noch das Lehrerpersonalkonzept zum Teil, es waren wirklich wesentlich mehr Lehrer noch vor Ort. Jetzt haben wir schon das Phänomen, dass etliche Lehrer auch abgeordnet werden müssen, und wenn ein Kollege nur einen Tag an einer Schule ist, und das vielleicht am Mittwoch, und am Montag finden die Tagungen an dieser Schule statt, dann kann er daran nicht teilnehmen, kann dieser abgeordnete Lehrer auch nicht in die entsprechenden Gespräche kommen, weil er an seiner Stammschule in den Beratungen ist. Das sind alles Probleme, die man angehen muss.

An vielen Schulen des Landes gibt es Unterstützersysteme. Wir haben fast flächendeckend die Schulsozialarbeit, wir haben an vielen Schulen Personal mit sonderpädagogischen Aufgabenstellungen, die sogenannten PmsA-Kräfte, und die Schüler können sich dann auch bei Problemen an diese Kollegen an den Schulen wenden. Es gibt zahlreiche Probleme. Ich will mal so nur einige Ursachen kurz nennen, was Schüler für Probleme haben, wo vielleicht die Lehrer gar nicht Bescheid wissen. Was läuft im Elternhaus, also mit den Eltern, mit mangelnder Anerkennung bei den Mitschülern, das kriegt man vielleicht mal mit, das sogenannte Mobbing, mit Süchten, entweder bei den Schülern selbst oder vielleicht auch im Elternhaus, ein ganz großes Problem, ob Alkohol, Rauschmittel, Medikamente und so weiter, mit Ängsten.

Ich hatte zum Beispiel mal einen Schüler, wir haben eine kleine Radtour gemacht gehabt, der hatte Probleme damit, mit dem Fahrrad über eine Brücke zu fahren.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Das ist aber auch gefährlich.)

Also ich sage mal, das hört sich jetzt vielleicht so ein bisschen an, aber die Schüler haben auch Ängste, auch da haben sie die Probleme oder die Möglichkeiten, sich an die Schulsozialarbeiter zu wenden, mit Überforderung und Leistungsdruck, mit Liebeskummer, gerade in der Pubertät ein Riesenproblem bei den Jugendlichen, mit Bulimie oder Dicksein, auch wieder so ein Problem,

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Kommen wir nachher noch zu, zum Dicksein.)

wie viele Essstörungen, mit fehlender Lust auf Schule und mangelnder Motivation. Das hatten wir heute auch schon mal gehört.