Protokoll der Sitzung vom 14.03.2019

(Zurufe von Horst Förster, AfD, und Torsten Koplin, DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, wir haben jetzt schon ein starkes Konkurrenzdenken zwischen niedergelassenen

Gynäkologinnen und Gynäkologen und Hebammen. Da gibt es nämlich Überlappungsfelder, wo wir hinterher in Abrechnungsprobleme kommen, weil die Hebammen ja auch völlig selbst abrechnen mit den Krankenkassen, zum Teil wird das von den Gynäkologen doppelt abgerechnet. Das sind Probleme, die in der Fläche auftauchen, darüber redet im Augenblick keiner. Da geht es aber tatsächlich um den Verdienst und dass wir überhaupt noch Hebammen in der Fläche haben.

Ich finde schon, wenn man sich dem Thema noch mal nähern will, dann hätte man durchaus andere Dinge und Themen, die man da besprechen könnte. Aber eins weiß ich jedenfalls auch, und da gebe ich Ihnen recht, Frau Weißig: Das Thema wird nicht dadurch besser, dass man einfach wegguckt, tote Maus spielt und sagt, das Thema geht uns nichts an und der Bund wird das schon irgendwann für uns regeln. Im Augenblick sieht das eher so aus, dass sich der Bund einen schlanken Fuß macht und wartet, was die Bundesländer tun. Und da, können Sie mir glauben, werde ich einen meiner nächsten Gesprächstermine mit Jens Spahn nutzen und ihn darauf ansprechen, wie das jetzt weitergehen soll. Das mache ich schon aus persönlichem Interesse, weil ich keinen Ärger mit meiner großen Schwester haben will und mit meiner Frau auch nicht.

Das ist doch der Punkt, dass wir uns viel mehr trauen müssen. Was spricht eigentlich dagegen, auch wenn man von der CDU kommt und Herr Spahn von der CDU kommt, zu sagen, das, was da passiert, ist nicht richtig? Jedenfalls wird uns das nicht weiterhelfen. Wissen Sie, da stelle ich mich ganz locker hin und gestehe das hier auch zu.

Aber noch mal zurück in unser Bundesland, wir werden uns die Frage beantworten müssen: Machen wir das mit, was in Brüssel vorgeschlagen wurde, oder machen wir das nicht mit? Haben wir den Mut zu sagen, nein, wir können wie in den letzten 30 Jahren eine qualitativ hochwertige Hebammenausbildung in unserem Land anbieten, die auch einen dualen Ausbildungsstatus hat?

Meine Damen und Herren, ich jedenfalls wäre persönlich dazu bereit, dieses Risiko einzugehen, weil ich nicht glaube, dass wir auch nur eine einzige Hebamme in Deutschland und in Mecklenburg-Vorpommern mehr haben, wenn wir die Ausbildung einfach nur akademisieren. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 7/3318 abstimmen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Gibt es Stimmenthaltungen? – Damit ist der Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 7/3318 bei Zustimmung der Fraktionen DIE LINKE und Freie Wähler/BMV, ansonsten Ablehnung abgelehnt.

Wer dem Antrag der Fraktion Freie Wähler/BMV auf Drucksache 7/3250 zuzustimmen wünscht, den bitte ich

jetzt um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Gibt es Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion Freie Wähler/BMV auf Drucksache 7/3250 bei Zustimmung der Fraktion Freie Wähler/BMV und Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE, ansonsten Ablehnung ebenfalls abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 24: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Gewaltschutz ist Menschenrecht – Umsetzung der Istanbul-Konvention voranbringen, Drucksache 7/3243.

Antrag der Fraktion DIE LINKE Gewaltschutz ist Menschenrecht – Umsetzung der Istanbul-Konvention voranbringen – Drucksache 7/3243 –

Das Wort zur Begründung hat für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Herr Ritter.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muss gestehen, ich fand das eben eine sehr spannende Debatte, sehr inhaltsreich, auch wenn nur Männer sich zum Thema geäußert haben oder fast nur. Es ist bei solchen Themen nicht abträglich, wenn man sich sozusagen aus einer anderen Geschlechterperspektive solchen Themen widmet. Insofern habe ich die Hoffnung, dass wir beim jetzigen Thema ebenfalls eine solch spannende Debatte miteinander führen und erleben, auch wenn ich vermute, dass der Antrag das gleiche Schicksal erhalten wird wie eben der Antrag der BMV-Fraktion.

(allgemeine Unruhe – Zuruf aus dem Plenum: Man weiß es nicht.)

Man weiß es nicht, aber man sammelt ja so seine Erfahrungen hier im Landtag.

Aber zum Thema, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Istanbul-Konvention ist das Übereinkommen des Europarates – auch da haben wir wieder eine Verknüpfung zum vorangegangenen Thema –, ein Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt. Sie wurde im Jahr 2011 aufgelegt und im gleichen Jahr von 13 Mitgliedsstaaten des Europarates in Istanbul unterzeichnet. Das Übereinkommen regelt die umfassende Bekämpfung jeglicher Form von Gewalt an Frauen – körperliche, seelische und sexuelle Gewalt, Stalking, Genitalverstümmelung, Zwangsverheiratung. Ziel sind der Schutz vor Gewalt, die Beseitigung jeder Form von Diskriminierung, ein umfassender Schutz und die Unterstützung der Betroffenen sowie Strafverfolgung der Täter und Täterinnen.

Die Istanbul-Konvention trat am 1. August 2014 unter anderem in Andorra, in Dänemark, in Bosnien-Herze- gowina, in Finnland, Island und Italien in Kraft. In Deutschland wurde die Istanbul-Konvention erst sechs Jahre nach der Erstunterzeichnung ratifiziert und hierzulande schließlich am 1. Februar 2018 rechtsgültig.

Parallelen zur Kinderrechtskonvention der UNO tun sich hier auf. Ich stelle mir an dieser Stelle wirklich die Frage, warum es in Deutschland immer so lange dauert, bevor solche Konventionen, die gemeinsam erarbeitet und auf den Weg gebracht worden sind, ratifiziert und rechtsgültig werden.

(Horst Förster, AfD: Weil nationales Recht vielleicht reicht.)

Ob nationales Recht immer reicht, weiß ich nicht. Warum sich Andorra, Dänemark, Bosnien-Herzegowina, Finnland und andere Länder in der Europäischen Union hier anders positionieren und die meinen, dass das nationale Recht hier nicht ausreicht, sondern dass es durchaus einer internationalen Untersetzung bedarf, Herr Förster, diesen Beweis müssen Sie mir dann erst mal liefern.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, viel Zeit ist vergangen und die zögerliche Haltung Deutschlands zur Ratifizierung spricht dann eben doch Bände. Die Anstrengungen zum Schutz von Frauen und Mädchen vor Gewalt sowie die Verbesserung der Hilfestrukturen für Betroffene von häuslicher Gewalt müssen noch deutlich verstärkt werden, um der Konvention gerecht zu werden. Deutschland hat einen Flickenteppich aus Hilfsangeboten. Oft hängt es einzig von der Region des Wohnsitzes ab, ob, wie schnell und in welcher Qualität Unterstützung, Hilfe und Schutz gewährleistet werden können. Das ist im Sinne der Istanbul-Konvention natürlich nicht zufriedenstellend. Das erkennt man, wenn man sich mit der Istanbul-Konvention auseinandergesetzt hat.

Das Hilfenetz in Mecklenburg-Vorpommern, bestehend aus mittlerweile nur noch 31 Einrichtungen, darunter Interventionsstellen, Beratungsstellen und Frauenhäusern – Achtung: Lob! –, gehört zu den besseren im bundesweiten Vergleich. Aber das ist kein Grund zum Ausruhen, Frau Ministerin.

(Heiterkeit und Zuruf von Ministerin Stefanie Drese)

Es bestehen alte und neue Lücken, Unterversorgungen und sogenannte blinde Flecken, vor allem, was die einzelnen Personengruppen mit spezifischen Belangen und Problemlagen angeht. So haben es Frauen mit Behinderungen, Menschen im Bereich der häuslichen Pflege, Menschen mit komplexen Problemlagen, wie Suchterkrankungen, psychische Beeinträchtigungen, von Wohnungslosigkeit betroffene Menschen, Menschen aus anderen Herkunftskontexten und Transgender ungleich schwerer, unmittelbare und geeignete Beratung, Unterstützung und Hilfe zu bekommen, von passenden und erreichbaren Einrichtungen der Schutzunterbringung ganz zu schweigen.

Die Landeskoordinierungsstelle CORA appelliert in ihrer Ausgabe des „Fachinformationsdienstes zur Bekämpfung häuslicher und sexualisierter Gewalt in M-V“ vom Dezember 2018 an alle zivilgesellschaftlichen AkteurInnen und Einzelpersonen, dazu beizutragen, Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt aus dem Dunkelfeld zu holen. Wir haben an dieser Stelle schon häufig darüber gesprochen, ohne wirklich Fortschritte erreichen zu können. Weiter heißt es, ich zitiere: „Und vor allem könnten Politiker*innen in Kommunen und Landtag Verantwortung übernehmen, indem sie den notwendigen finanziellen Mehrbedarf zur Verfügung stellen, um das Hilfenetz bei häuslicher und sexualisierter Gewalt in M-V entsprechend der Istanbul-Konvention weiterzuentwickeln.“ Zitatende.

Das ist also kein Einfall oder keine Idee von mir oder von meiner Fraktion, das ist die Erwartungshaltung der zuständigen Fachfrauen und Fachmänner in unserem Land.

(Beifall Karen Larisch, DIE LINKE)

Das ist konkreter Auftrag von zentraler Stelle. Bei CORA laufen alle Belange und Informationen zum Hilfenetz zusammen. Und wenn CORA nicht weiß, wo der Schuh drückt, wer dann, liebe Kolleginnen und Kollegen?

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Mit der Istanbul-Konvention, die seit gut einem Jahr nunmehr für Deutschland als einem von 33 Staaten rechtlich bindend ist, sind Bundesregierung und Bundestag sowie die Landesregierung und der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern verpflichtet, gesetzgeberisch tätig zu werden. Das kann man bezweifeln, das muss man als nicht nötig ansehen und man kann hier auf Nationalstaatlichkeit pochen, aber nein, wir sind dieser Konvention beigetreten und wir sind verpflichtet, gesetzgeberisch tätig zu werden, erforderliche Maßnahmen zur Prävention von Gewalt gegen Mädchen und Frauen sowie häuslicher Gewalt zu ergreifen und die dafür notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen. Flächendeckende und wohnortnahe Strukturen und Einrichtungen zum wirkungsvollen Schutz der Betroffenen und für eine effektive Verfolgung von Täterinnen und Tätern müssen finanziell, personell und organisatorisch sichergestellt werden.

Konkret heißt das für die Umsetzung der Konvention, dass Hilfsangebote verbessert und ausgebaut werden müssen – flächendeckend und zielgruppenspezifisch –, dass öffentlichkeitswirksam für die Problematik der Gewalt gegen Frauen und der häuslichen Gewalt sensibilisiert werden muss, dass Hilfe beim Zugang zu Unterbringungsmöglichkeiten für Betroffene von häuslicher Gewalt garantiert werden muss, unabhängig vom sozialen, finanziellen und kulturellen Hintergrund und unabhängig von körperlichen oder psychischen Beeinträchtigungen der Betroffenen und auch unabhängig vom Geschlecht. Die Länder müssen laut der Istanbul-Konvention umfassende sozialpädagogische und psychologische Beratung anbieten.

Eine Lücke besteht hierzulande immer noch in der Betreuung der mitbetroffenen Kinder, die in die Frauenhäuser mitgenommen werden müssen.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Die Istanbul-Konvention verpflichtet zur Prävention und dem offensiven Vorgehen gegen geschlechtsspezifische Misshandlungen, Verfolgungen, Diskriminierungen und Belästigungen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, viele Betroffene bleiben nach wie vor im Verborgenen. Das belegt das Ergebnis der Dunkelfeldstudie des Landeskriminalamtes. 98 Prozent der Fälle von häuslicher Gewalt werden nicht zur Anzeige gebracht, und das hat Ursachen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Vizepräsidentin Dr. Mignon Schwenke übernimmt den Vorsitz.)

Für Betroffene von häuslicher Gewalt ist es schwer genug, den Weg aus dem Teufelskreis zu finden. Nicht selten besteht eine emotionale, soziale oder wirtschaftliche Abhängigkeit vom Peiniger. Zudem soll oftmals der Familienverbund als solcher nicht gefährdet werden. Oft vergeht viel Zeit und viel Leid, bis die Betroffenen sich

Hilfe suchen oder schließlich als Opfer von schweren Taten bei der Polizei bekannt werden. Für Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderungen ist es sogar nahezu unmöglich, sich selbstständig aus der Gewaltsituation zu lösen. Deshalb brauchen wir in Mecklenburg-Vorpommern geeignete, zielgruppenspezifische und proaktive Angebote.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Auch neue Formen der Gewalt durch die Digitalisierung müssen wir in den Fokus rücken.

Häusliche Gewalt in der Familie bedeutet, dass auch die Kinder, die in dieser Gewaltsituation leben, so ziemlich alles mitbekommen und tief erschüttert, verstört, verängstigt, mitunter traumatisiert sind. Um die mitbetroffenen Kinder müssen sich ebenfalls Fachkräfte in den Frauenhäusern kümmern. Die Kinder, die mit ihrer Mutter ins Frauenhaus kommen, müssen aufgefangen, psychologisch und pädagogisch betreut werden. Im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe ist es Sache der Kommunen. Die Hansestadt Rostock hat als erste Kommune eine solche Fachkraft eingesetzt. Die Landesregierung soll dies befördern, das ist unsere feste Überzeugung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Hilfesystem in Mecklenburg-Vorpommern braucht Selbsthilfe, denn es ist unterfinanziert und die Beschäftigten sind unterbezahlt. Auch die positive Widerspiegelung in der Halbzeitbilanz der Landesregierung in diesem Politikfeld ändert nichts an der Tatsache, dass hier dringender Handlungsbedarf besteht. Eine Beratungsstelle hat zum Ende 2018 aus betriebswirtschaftlichen Gründen bereits geschlossen. Ich bin der festen Überzeugung, das kann und darf in unserem Land so nicht weitergehen. Die im aktuellen Haushalt zusätzlich zur Verfügung gestellten Mittel für eine dritte Stelle in jedem Frauenhaus sind zweckgebunden. Sie bringen nichts, wenn nicht einmal die zweite Stelle adäquat besetzt werden kann. Wir benötigen circa 600.000 Euro mehr pro Jahr, um die Beschäftigten tariflich anzupassen. Das ist eine jahrelange Forderung und ich hoffe, dass wir mit der Vorlage des nächsten Doppelhaushaltes einen Schritt vorankommen.

Die Istanbul-Konvention gibt vor, in regelmäßigen Abständen einschlägige, genau aufgeschlüsselte statistische Daten über Fälle in allen Geltungsbereichen dieses Übereinkommens fallende Formen von Gewalt zu sammeln. Wir fordern deshalb eine gezielte Erhebung und Analyse für Mecklenburg-Vorpommern bis zum Ende dieses Jahres.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Umsetzung der Istanbul-Konvention richtet ihr besonderes Augenmerk auf Frauen, die Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt geworden sind. Es geht aber ebenso um die häusliche Gewalt insgesamt. Auch Männer und Personen des dritten Geschlechts sind in die Istanbul-Konvention oder die Umsetzung mit einzubeziehen. Ich bitte daher um Zustimmung zu unserem Antrag, ein wichtiges Aufgabenfeld, was vor uns liegt, was wir auch gemeinsam bearbeiten sollten. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Für die Landesregierung hat ums Wort gebeten die Ministerin für Soziales, Integration und Gleichstellung. Frau Drese, Sie haben das Wort.