Für die Landesregierung hat ums Wort gebeten die Ministerin für Soziales, Integration und Gleichstellung. Frau Drese, Sie haben das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Erneut liegt ein Antrag der Linksfraktion zum Thema Gewaltschutz vor. Der Antrag ist, wie wir es von Peter Ritter gewohnt sind, fachlich sehr fundiert. Rund um die Istanbul-Konvention ist alles zusammengefasst, was thematisch hierhergehört. Der Antrag erkennt ausdrücklich an, dass wir in Mecklenburg-Vorpommern über ein gutes Beratungs- und Hilfenetz für Betroffene von häuslicher und sexualisierter Gewalt verfügen. Das sehe ich genauso. Es besteht aus neun Frauenhäusern, fünf Interventionsstellen gegen häusliche Gewalt und Stalking mit angeschlossener Kinder- und Jugendberatung, fünf Fachberatungsstellen für Betroffene von sexualisierter Gewalt, acht Beratungsstellen für Betroffene von häuslicher Gewalt, einer Beratungsstelle für Betroffene von Menschenhandel und Zwangsverheiratung, drei Täter- und Gewaltberatungsstellen sowie einer Landeskoordinierungsstelle.
Peter Ritter wäre aber auch nicht Peter Ritter, wenn dem Lob im Antrag und in der Rede nicht sofort eine Einschränkung hinterhergeschickt würde. Das gute Beratungsnetz sei „nicht lückenlos“, heißt es im Antrag. Das ist natürlich hauptsächlich eine Definitionsfrage. Ich sage, wir können uns mit unserem Hilfenetz gerade im bundesweiten Vergleich sehen lassen. Wir alle sollten auch nicht das Ergebnis der Evaluation aus dem Jahr 2010 ausblenden, in der ausdrücklich festgestellt wurde, dass das Land Mecklenburg-Vorpommern über ein flächendeckendes und ausdifferenziertes Beratungs- und Hilfenetz verfügt.
Das heißt im Umkehrschluss natürlich nicht, dass es nichts zu verbessern gibt. Dieser Aufgabe stellen wir uns und wollen die Angebote Schritt für Schritt weiterentwickeln. So sind bereits mit der erwähnten Evaluation Betroffenengruppen identifiziert worden, die die Angebote unseres Beratungs- und Hilfenetzes nicht so gut erreichen. Insofern sieht bereits der Dritte Landesaktionsplan zur Bekämpfung von häuslicher und sexualisierter Gewalt zielgruppenspezifische Maßnahmen vor. Dabei geht es nicht nur um das Aufsuchenkönnen einer Beratungsstelle, sondern es geht auch um Information und Aufklärung, um die Betroffenen besser erreichen zu können.
Auf diesen Feldern ist in den letzten Jahren viel getan worden. Der Antrag der Linksfraktion kommt aus meiner Sicht deshalb zur richtigen Zeit, um noch einmal über eine Reihe von Maßnahmen zu berichten. Ausdrücklich möchte ich betonen, dass natürlich nicht nur die Landesregierung ihre Verantwortung an dieser Stelle wahrnimmt, sondern auch die Vereine und Verbände als Träger der vielen Beratungs- und Hilfeeinrichtungen in unserem Land.
Sehr geehrte Damen und Herren, lassen Sie mich einige Beispiele nennen, die die Erreichbarkeit von besonderen Zielgruppen verbessern sollen. In Schwerin und RibnitzDamgarten stehen behinderten, von häuslicher und sexualisierter Gewalt betroffenen Frauen barrierereduzierte Frauenhäuser zur Verfügung. Zudem hatten die beiden letzten Auftaktveranstaltungen der Landesregierung zur Antigewaltwoche einen thematischen Bezug mit der
Zielgruppe von häuslicher und sexualisierter Gewalt be- troffener Behinderter. Wichtig ist dabei auch der Austausch untereinander, etwa von Frauenbeauftragten aus den Werkstätten mit kommunalen Gleichstellungsbeauftragten und Mitarbeitenden aus den Beratungs- und Hilfeeinrichtungen. Dieses Miteinander-ins-GesprächKommen und Voneinander-zu-Erfahren ist enorm hilfreich. Deshalb hat es mich sehr gefreut, dass die Frauenbeauftragten aus den Werkstätten unserer Einladung in einfacher Sprache im vergangenen Jahr so zahlreich gefolgt sind.
Sehr geehrte Damen und Herren, für uns als Landesregierung ist es von hoher Bedeutung, Maßnahmen nicht nur in einen Aktionsplan zu schreiben, sondern sie auch umzusetzen und sie mit Leben zu erfüllen. Auch für die Gruppe der geflüchteten Frauen gibt es eine Reihe von Infomaterial in verschiedensten Sprachen zu unterschiedlichsten Themenstellungen. Der Bund hat hier her- vorragende Arbeit geleistet. Zudem unterstützt der Bund mit seinem Projekt der Gewaltschutzkoordinatoren in den Gemeinschaftsunterkünften den Schutz von geflüchteten Frauen.
Und wo wir schon dabei sind, möchte ich auch noch mal auf das bundesweite Hilfetelefon aufmerksam machen. Dieses bundesweite Hilfetelefon ist 365 Tage im Jahr rund um die Uhr unter der Nummer 0800 0116006 kostenfrei erreichbar. Es bietet sowohl telefonische Beratung als auch Onlineberatung in 17 Sprachen, in Gebärdensprache und leichter Sprache an. Das Angebot ist niedrigschwellig und erreicht eine große Zielgruppe. Wenn es um den Schutz von Frauen und Männern geht, dann sind alle Ebenen gefragt, und wie wir sehen, sind auch alle Ebenen aktiv.
Sehr geehrte Damen und Herren, zu dem Punkt der fachlichen Beratung und Betreuung von Kindern und Jugendlichen als Mitbetroffene von häuslicher und sexualisierter Gewalt freue ich mich, dass die Aufforderung im Antrag, die Kommunen bei der Umsetzung zu unterstützen, zutreffend formuliert ist. Hier sind die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe verantwortlich, deren Arbeit wir als Land unterstützen.
Auch die tarifgerechte Entlohnung der Beschäftigten wird im Antrag erneut thematisiert. Ich wiederhole hierzu gern meine Ausführungen aus der letzten Landtagssitzung noch einmal. Bei diesem wichtigen Thema sind alle Verantwortlichen gefordert, ihren Beitrag zu leisten – Land, Kommunen und die Träger als Arbeitgeber. Wir haben als Land im letzten Jahr deutliche Fortschritte erreicht. Es war mir persönlich ein sehr wichtiges Anliegen, die Personalausstattung in den Frauenhäusern zu verbessern und unsere Zuschüsse für die Personalkosten zu erhöhen. Wir haben den Einstieg in die Dynamisierung der Gehälter geschafft, meine Damen und Herren.
Natürlich ist mehr immer wünschenswert und die Opposition kann das natürlich auch immer fordern. Ich möchte aber nochmals betonen, wie umfangreich unsere Erhöhungen waren. Der Landeszuschuss für die personelle Ausstattung der Frauenhäuser steigt mit dem Doppelhaushalt 2018/2019 um stattliche 20 Prozent. Zusätzlich haben wir die Haushaltsmittel für den Betrieb der Einrichtungen im Beratungs- und Hilfenetz um 2,3 Prozent erhöht. Damit können die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besser bezahlt werden. Wir erwarten ebenso, dass Kommunen und Träger ähnliche Anstrengungen unter
nehmen, um faire Gehälter zu ermöglichen. Für das Jahr 2019 wurden die Haushaltsmittel durch uns nochmals um 2,3 Prozent aufgestockt, das heißt, in diesem Jahr stehen 2,4 Millionen Euro im Titel für das Beratungs- und Hilfenetzwerk für Betroffene von häuslicher und sexualisierter Gewalt zur Verfügung. 2017 waren es rund 2,16 Millionen Euro. Bei aller Opposition, Herr Ritter, diese deutlichen Verbesserungen lasse ich mir einfach nicht schlechtreden.
Sehr geehrte Damen und Herren, lassen Sie mich noch kurz zur Forderung nach einer Evaluation des Dritten Landesaktionsplanes Stellung nehmen. Ich halte das zum jetzigen Zeitpunkt nicht für sinnvoll. Warum? Über den Dritten Landesaktionsplan wurde der Landtag im Frühjahr 2016 informiert. Eine Evaluation nach einem solch kurzen zeitlichen Abstand halte ich nicht für zielführend, denn es braucht Zeit, Maßnahmen umzusetzen, und es braucht Zeit, dass diese Maßnahmen wirken. Mein Anspruch ist es, dass nicht nur Häkchen an die Maßnahmen gesetzt werden, sondern diese auch mit Blick auf die Istanbul-Konvention einzuordnen sind.
Stichwort „Istanbul-Konvention“: Natürlich streben die Frauen- und Gleichstellungsministerinnen und -minister eine koordinierende bundesweite Gesamtstrategie an, darauf haben wir uns verständigt. Ich kann Ihnen aber auch sagen, dass hinsichtlich der bundeseinheitlichen Finanzierung viele Bundesländer neidisch auf unser Finanzierungssystem für die Frauenhäuser schauen. Insofern kann ich Ihrem Antrag so nicht folgen, denn natürlich werden wir genau hinschauen, wenn es um Leistungen für von Gewalt betroffene Frauen und Kinder geht. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Liebe Bürger von Mecklenburg und Vorpommern! Frau Präsident! Werte Kollegen! Liebe Gäste! Gewaltschutz ist Menschenrecht. Wenn man das so weit liest, hat es erst mal Spannung und Neugier erregt. Ich hatte gedacht, da kommt jetzt vielleicht noch was über Gewalt gegen Polizei, gegen die Feuerwehren,
Dann liest man weiter, Umsetzung der Istanbul-Konvention, also Gewalt gegen Mädchen und Frauen, okay.
Pflegebedürftige und pflegende Angehörige sind ganz sicher wichtig, aber das sind eben nicht nur Mädchen und Frauen, die da betroffenen sind. Die Gewalt in Alten-
und Pflegeheimen ist ein ganz wichtiger Problemkreis, aber das hat mit der Umsetzung der Istanbul-Konvention nur bedingt was zu tun.
Auch das sind jedenfalls nicht nur Mädchen und Frauen. Insofern ist das alles so ein bisschen unabgestimmt, was ich da lese.
Wenn ich auf die Umsetzung der Istanbul-Konvention zurückkommen will, dann muss ich sagen: „Das Land Mecklenburg-Vorpommern“ – ich zitiere aus Ihrem Antrag – „verfügt über ein gutes … Beratungs- und Hilfenetz“. Punkt! Eigentlich Thema beendet. Was will man mehr als ein gutes Beratungs- und Hilfenetz?
Es geht dann weiter: Es ist „nicht lückenlos.“ Die „Erreichbarkeit“ wollen Sie „für alle Personengruppen“ sicherstellen, die „Angebote barrierefrei, diskriminierungsfrei und zielgruppenspezifisch“ ausgestalten und „mit proaktiven Elementen … versehen“ – wunderbar, Wunschkonzert, Märchenstunde.
Dann gehen wir zu den Frauenhäusern. Das ist sicher ein Problem. Wir haben von der Ministerin gehört, in den meisten Frauenhäusern oder in vielen Frauenhäusern kann noch nicht mal die zweite Fachkraft ordnungsgemäß ausfinanziert werden. Jetzt wollen Sie, nachvollziehbar von der Forderung her, dass in jedem Frauenhaus noch eine psychologisch-pädagogische Fachkraft zur Verfügung steht für die mitbetroffenen Kinder.
Was Sie dabei nicht berücksichtigen, ist, das möchte ich jetzt mal ansprechen, einige Frauenhäuser nehmen mitbetroffene Kinder schon ab 14, spätestens aber ab 16 nicht auf.
Männer, Jugendliche, Knaben, Jungen, wie Sie sie nennen wollen, weil zugegeben Gewalt gegen Frauen eine Affinität gegen dort lebende Männer –
und mit 16 ist man das eventuell schon, mit 14 kann man das so sehen – hervorruft. Das ist auch ein Problem, das man ansprechen muss: Wie gehen wir mit den Jugendlichen um?
Sie wissen ganz genau, dass etliche betroffene Frauen nicht in die Frauenhäuser kommen, weil sie sonst von ihren 16, vielleicht auch nur 15 Jahre alten Jungen, Kindern getrennt werden müssten und das nicht wollen.
(Karen Larisch, DIE LINKE: Mensch, Sie haben aber in der letzten Sitzung gut zugehört, Herr Professor Weber! Gut zugehört! – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)