Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist für uns als Sozialdemokraten ein Antrag aus der Rubrik „Anträge, die die Welt nicht braucht“. Wir stehen zur Gewerbesteuer. Das werde ich noch begründen.
Die Abschaffung der Gewerbesteuer, wie hier von der Fraktion Freie Wähler/BMV im vorliegenden Antrag gefordert, ist ein altes FDP-Thema, also neoliberales CDUGehabe sozusagen, möchte ich mal so sagen, nur neu aufgewärmt.
Allerdings macht das Aufwärmen dieses Thema nicht besser, ganz im Gegensatz zu einem gut gemachten Eintopf.
Meine Damen und Herren, die SPD hatte und hat eine ganz klare Haltung zur Gewerbesteuer: Wir wollen sie behalten. Die Gewerbesteuer ist die wichtigste Einnahmequelle der Kommunen. Und wenn ich meinem Bürgermeister sagen würde, wir wollen die Gewerbesteuer abschaffen, ich glaube, er würde mir einen großen Vogel zeigen, und auch zu Recht. Wir haben gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden immer die Gewerbesteuer verteidigt und werden dies auch weiterhin tun.
Die Gewerbesteuer ist als wichtigste Einnahmequelle unverzichtbar und bleibt das Steuerungsinstrument der Kommunen für die Ansiedlung und auch für die Akzeptanz von Gewerbe auf ihrem Gebiet. Durch die Gewerbesteuer zahlen die ortsansässigen Unternehmen auch ihren Anteil an kommunalen Aufwendungen. Zum Beispiel Brandschutz ist eine Pflichtaufgabe der Kommunen. Hat die Kommune ein Gewerbegebiet, muss sie auch besondere Brandschutzvoraussetzungen planen und vorhalten. Sind Unternehmen ansässig, die zum Beispiel besondere Anforderungen an den Brandschutz stellen, wie zum Beispiel Tankstellen, Abfallentsorger, Holzlager, Holzverarbeitung, Lager mit brennbaren Materialien, muss das die Kommune in ihrem Brandschutzkonzept noch extra berücksichtigen. Und das kostet nun mal alles Geld. Weitere Beispiele für Vorleistungen von Kommunen für Gewerbeansiedlungen sind Erschließung von Gewerbegebieten, der Straßenbau und die Straßenunterhaltung, das Vorhalten bestimmter Verwaltungsleistungen und vieles, vieles mehr.
Meine Damen und Herren, eine Gemeinde würde kaum ein Interesse daran haben, Gewerbe anzusiedeln und die
entsprechenden Emissionen und Kosten in Kauf zu nehmen, wenn sie keinen direkten finanziellen Vorteil davon hätte. Statt den bisherigen Wettlauf um die Ansiedlung von Kommunen – oder von Unternehmen, Entschuldigung – würde ein Blockadewettlauf unter den Kommunen entstehen. Alle wollen dann die Einkommensteueranteile von ihren Einwohnern, aber keiner will die Unternehmen auf seinem Gebiet ansiedeln. Das sehen wir doch gerade bei den Windkraftanlagen. Keiner will sie, der nicht auch nur einen Nutzen davon hat. Die Gewerbesteuerzerlegung zugunsten der Standortkommunen, die wir schon einmal hier mit dem Bundesland mit unterstützt haben, ist damals im Vermittlungsausschuss des Bundestages endgültig gescheitert, weil die Kommunen, in denen die Unternehmen ihren Firmensitz haben, keinesfalls etwas von ihren Gewerbesteuereinnahmen abzugeben bereit waren.
Meine Damen und Herren, die Abschaffung der Gewerbesteuer wäre für die Entwicklung in Mecklenburg-Vorpommern unendlich schädlich. Die Fraktion Freie Wähler/BMV outet sich mit diesem Antrag als Wirtschaftsansiedlungsverhinderungsfraktion.
Der Vorschlag: Für die Kompensation der Einnahmen bei Wegfall der Gewerbesteuer sind die Einkommen- und Körperschaftsteuer vorgeschlagen. Einkommen- und Körperschaftsteueranteile sind ebenfalls konjunkturabhängig wie die Gewerbesteuer selbst, nur, dass die Kommunen dann keinen Einfluss mehr auf die Höhe der Einnahmen hätten. Wenn die Fraktion...
Wenn die Fraktion Freie Wähler/BMV uns nun auch noch weismachen will, dass eingesparte Gewerbesteuern die Unternehmer dazu veranlassen, diese frei werdenden Mittel für Lohnerhöhungen seiner Mitarbeiter 1 : 1 auszugeben, glaube ich persönlich nicht daran. Das hatten wir schon einmal bei der Mövenpick-Steuererleichterung der FDP gesehen, dass dieser Weg überhaupt nicht funktioniert. Eher das Gegenteil war der Fall.
Warum also ein funktionierendes System, das auch wirklich im Interesse der Kommunen liegt, durch ein anderes ablösen? Irgendjemand muss die Zeche doch zahlen,
denn Sie fordern ja eine Kompensation. Dann sind es eben nicht mehr die ortsansässigen bekannten und mit der Standortkommune verbundenen Unternehmer, sondern andere anonyme Geldgeber.
Wenn Sie uns mit Ihrem Antrag, Herr Wildt, Bürokratieabbau verkaufen wollen, geht die Sache ja wohl komplett nach hinten los. Wer soll übrigens die entgangenen Gewerbesteuern jährlich errechnen und in das von Ihnen vorgeschlagene Finanzierungssystem einpflegen?
Die schon einmal 2010 von Union und FDP geplante Abschaffung der kommunalen Gewerbesteuer hätte zu erheblichen Steuerausfällen geführt. Das war das Ergebnis von Berechnungen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Kommunalsteuern. Das Prüfmodell errechnete jährliche Steuerausfälle in Höhe von 5,35 bis 6,1 Milliarden Euro für den Gesamtstaat. Das mag vielleicht nicht viel sein, aber für die Kommunen ist es doch viel.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der vorliegende Antrag ist schädlich für unsere Kommunen, er ist schädlich für unsere wirtschaftliche Entwicklung in Mecklenburg-Vorpommern, er bringt mehr Bürokratie und fordert einen Systemwechsel in der Kommunalfinanzierung, den wir von ganzem Herzen ablehnen. – Vielen Dank.
An dieser Stelle begrüße ich auf unserer Besuchertribüne Schülerinnen und Schüler des RecknitzCampus Laage.
Ums Wort gebeten hat noch einmal für die Fraktion Freie Wähler/BMV der Fraktionsvorsitzende Herr Wildt.
Am interessantesten fand ich die Ausführungen von Herrn Liskow, der erstens sich sehr kompetent und sachlich mit der Thematik auseinandergesetzt hat und dann aber auch ehrlicherweise gesagt hat, das Thema verschieben wir nach hinten, das können wir im Moment nicht machen, damit müssen wir uns später noch mal wieder beschäftigen. Das ist gar nicht so weit weg von unserem Antrag selbst, denn ich hatte ja eben auch schon gesagt, er zielt in die Zukunft, es ist ein Antrag, der mehrere Jahre in die Zukunft blickt und von dem ich nicht erwartet habe, dass wir da kurzfristig zu einer Änderung der Kommunalfinanzen kommen würden.
Trotzdem, wenn wir also einen Antrag verschieben – oder ein Thema verschieben vielmehr, ein Thema verschieben –, dann müssen wir uns schon so ein bisschen darüber im Klaren sein, dass es womöglich nie aufgegriffen wird. Man muss eben einen Startpunkt setzen, sonst geht es nicht los, und diesen Startpunkt hätte ich gerne heute gesetzt, aber wir müssen ihn dann halt ein anderes Mal setzen.
Ich möchte aber trotzdem noch mal darauf hinweisen, dass einige der Argumente, ich möchte gar nicht sagen, falsch gewesen sind, die hier gebracht wurden, sondern dass es tatsächlich für jedes Argument mittlerweile auch mindestens ein Gegenargument gibt. Es gibt so viele Studien und Untersuchungen und verschiedene Auffassungen – Herr Liskow nickt dazu –, man kann praktisch alles beweisen und den Gegenbeweis starten. Und deswegen möchte ich doch dafür werben, da nicht so apodiktisch aufzutreten, Tilo Gundlack, sondern wirklich sich der Thematik zu öffnen und noch mal genau zu überlegen, inwiefern man da eine Verbesserung herbeiführen kann.
das ist das ifo Institut München, was zum Beispiel speziell für Mecklenburg-Vorpommern errechnet hat, dass die Gewerbesteuer zu negativen Effekten auf die Lohnentwicklung führt. Laut Berechnung dieses Instituts werden 51 Prozent der Gesamtlast der heutigen Unternehmensbesteuerung durch negative Effekte bei den Löhnen direkt auf die Beschäftigten abgewälzt. Das will die SPD meines Wissens nicht. Ich weiß nicht, ob das sonst jemand will hier im Landtag, aber wir werben doch eigentlich immer, oder treten dafür ein, für gute Löhne. Gestern hatten wir das Thema Kita, dass also der Entfall der Kindergartenbeiträge, dass das die größte Lohnerhöhung überhaupt ist, hier für die Beschäftigten in MecklenburgVorpommern, zumindest für diejenigen, die Kinder in der Kinderbetreuung haben. Dann sollte man so ein Argument nicht einfach vom Tisch wischen, sondern sich doch tatsächlich Gedanken machen, ob da was dran ist und ob tatsächlich die Gewerbesteuern zu geringeren Nettolöhnen der Beschäftigten führen.
Und, Frau Rösler, die Abschaffung der Gewerbesteuer ist verfassungsrechtlich zulässig, solange sie durch eine wirtschaftsbezogene Steuer mit Hebesatzrecht ersetzt wird. Das wäre in unserem Vorschlag ja der Fall. Man kann aber auch über andere Vorschläge sprechen. Klar ist jedoch, es muss immer einen Ersatz geben. Und das ist auch der große Unterschied zu dem Antrag der FDP, die das wie gesagt immer verbunden hat mit einer Entlastung der Wirtschaft, um die es mir nicht geht. Man braucht also eine Kompensation, und das muss eine wirtschaftsbezogene Steuer mit Hebesatzrecht sein. Hierbei definiert sich die Wirtschaftskraft über den Wirtschaftsraum, nicht über den Steuerschuldner, falls jetzt gerade einer den Gedanken hatte, dann wäre man ja wieder bei den Unternehmen.
Das Hebesatzrecht am Gemeindeanteil an der Einkommensteuer wurde bereits 1969 als Instrument zur Stärkung der kommunalen Selbstverfassung geschaffen und in die Verfassung, also in das Grundgesetz Artikel 106 Absatz 5 aufgenommen. Dieses Recht lässt sich also vom Gesetzgeber ohne Verfassungsänderung aktivieren. Also warum gibt es dieses Recht im Grundgesetz schon seit mittlerweile 50 Jahren, wenn das so ein abwegiger Gedanke wäre? Eine Einführung eines ähnlich gestalteten Hebesatzrechts bei der Körperschaftsteuer erfordert eine Verfassungsänderung, wäre jedoch ganz einfach zu realisieren, wenn man eben diesen Konsens hätte. Und diesen Konsens, den haben wir nicht.
Ach so, übrigens wäre eine Abgrenzung der Bemessungsgrundlage – darüber wurde auch gesprochen – auf kommunaler Ebene unproblematisch, wie das ja bei den Stadtstaaten zu sehen ist. Wir haben ja auch drei Stadtstaaten, wo also Kommune und Land tatsächlich zusammenfallen. Also man könnte über das Thema, wenn man wollte, sprechen, man kann bessere Vorschläge machen, wir können aber auch sagen, nein, wir schaffen das nicht. Das ist im Grunde genommen ein Armutszeugnis, wenn wir sagen, es muss alles so bleiben, wie es ist, weil wir die Kraft nicht haben, uns solch eines Themas anzunehmen. Und dann wird es eben dazu führen, dass zukünftig nicht mehr nur 90 Prozent der weltweiten Steuergesetzgebung in deutscher Sprache verfasst sind, sondern dann wird es eben auf 95 oder 99 Prozent ansteigen. Das kann man natürlich wollen, das ist allerdings sicherlich ein Punkt, der die deut
sche Wettbewerbsfähigkeit international nicht stärkt, sondern schwächt. Deswegen denken Sie noch mal darüber nach! Bei der nächsten passenden Gelegenheit muss man das Thema angehen, Steuerrechtsvereinfachung.
Und ich gebe zu, Herr Minister Brodkorb, das ist eher ein Thema der Bundesregierung und des Bundestages als hier bei uns, wir können das nur flankieren. Ich hatte dargestellt, warum ich der Meinung bin, dass gerade Mecklenburg-Vorpommern Initiator sein kann, warum das vernünftig ist, aber Sie sind ja alle auch im Bundestag vertreten. Ich würde mich auch freuen, wenn Sie es dort im Bundestag vorbringen.
Liebe Bürger von Mecklenburg und Vorpommern! Frau Präsident! Werte Kollegen und liebe Gäste! Ich möchte ganz kurz erklären, warum ich persönlich gegen diesen Antrag stimmen werde. Für mich ist das entscheidende Argument, die vorgeschlagene Regelung, die die BMV und die Freien Wähler hier vorgelegt haben, führt zu einer gewaltigen Umschichtung im Verhalten der Gemeinden, weg von Förderungen von Gewerbegebieten hin zu Wohngemeinden, das heißt, die Speckgürtel werden gestärkt und die Kernstätte oder die regionalen Zentren würden Einnahmeverluste in erheblichem Maße hinnehmen. Das ist für mich das Zeichen in die völlig falsche Richtung.
Wir haben Einnahmeäquivalente durch die Einkommensteuer, die Lohnsteuer und so weiter, die auf den Wohnsitz frequentieren, wir brauchen aber eben ein Gegengewicht, das auf die Niederlassung der Gewerbeunternehmen abzielt. Das war die Gewerbesteuer, das soll sie bitte auch bleiben. Wer hier die Gewerbesteuer abschaffen und durch Zuschläge für die Einkommensteuer ersetzen will, der setzt ein Zeichen in die falsche Richtung, der setzt ein Zeichen in die reinen Wohngemeinden, Ausweisung von Wohngebieten statt Gewerbegebieten. Für mich persönlich ist das völlig inakzeptabel und deswegen werde ich dagegenstimmen, während ein Teil meiner Fraktion sich enthalten möchte.