Protokoll der Sitzung vom 11.04.2019

denn die ist in der Tat sehr viel weniger konjunkturabhängig als alle anderen Steuerarten, die wir gerade diskutiert haben. Das ist eine sichere Bank für die Kommunen. Und wenn Sie heute den Pressespiegel aufschlagen, lesen Sie ja, dass es da durchaus ordentliche Auseinandersetzungen gibt und verschiedene Sichtweisen. Davor habe ich ganz große Angst, und deswegen bitte ich Sie – also dass das nicht gelingt bis zum Ende des Jahres, weil das wäre für Land und Kommunen eine

Katastrophe, über 200 Millionen Euro Einnahmen wären das, die wegfallen würden –, und deswegen bitte ich um Verständnis dafür, dass ich meine ganze steuerpolitische Kraft in diesem Jahr ausschließlich für die Frage verwenden werde, einen Beitrag dazu zu leisten, die Grundsteuer zu retten, und zwar einigermaßen vernünftig, auch aufkommensneutral und verfassungskonform. Und deswegen bitte ich Sie, sich dieser grundsätzlichen Haltung anzuschließen und den Antrag abzulehnen.

(Torsten Renz, CDU: Ein Jahr lang schieben.)

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der AfD der Abgeordnete Herr Hersel.

Wertes Präsidium! Verehrte Gäste! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Pünktlich zum Wahlkampfauftakt präsentiert uns die Fraktion der Freien Wähler/BMV einen kommunalpolitischen Schnellschuss.

(Torsten Renz, CDU: Herr Wildt hat gesagt, das ist kein Wahlkampf.)

Peng, weg mit der Gewerbesteuer, her mit Zuschlägen! Fertig ist der Antrag!

(Zuruf von Bernhard Wildt, Freie Wähler/BMV)

Aber der Reihe nach: Die Gewerbesteuer ist die wichtigste originäre Einnahmequelle unserer Gemeinden. Sie besteuert gewerbetreibende Einzelpersonen, Personengesellschaften und Körperschaften. Mit dem eigenverantwortlichen Instrument des Hebesatzes haben sie ein individuelles Steuerungswerkzeug. Weiteren Einfluss haben die Gemeinden indes nicht, denn das Gesetz über die Gewerbesteuer liegt in der Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Und da dies so ist, tun sich die Beteiligten regelmäßig schwer, dringend benötigte Reformen umzusetzen. Selbst die letzte Änderung 2008 war eher ein Laborieren an Symptomen als eine ernsthafte Reform.

Die Gewerbesteuer unterliegt verhältnismäßig großen Schwankungen. Das Aufkommen lässt sich schwerer schätzen als beispielsweise die Einkommen- beziehungsweise Körperschaftsteuer.

(Bernhard Wildt, Freie Wähler/BMV: Das ist der Fall, richtig.)

Das hemmt Projektplanungen und birgt die Gefahr zur Aufnahme teurer Kassenkredite. Versuche der Glättung des Aufkommens spiegeln sich in diversen zweifelhaften Gewinnhinzurechnungen und einem komplexen Umverteilungssystem über alle föderalen Ebenen hinweg wider.

(Bernhard Wildt, Freie Wähler/BMV: Auch das ist richtig.)

Konsequent zu Ende gedacht, könnte man hier über einen Systemwechsel nachdenken, wie ihn beispielsweise die Republik Österreich Anfang der 90er-Jahre gegangen ist. Dort wurde die Gewerbesteuer abgeschafft

und durch eine bundeseinheitliche Kommunalsteuer ersetzt. Diese orientiert sich an den Lohnsummen der Beschäftigten, in ihrer Erhebung am ehesten vergleichbar mit unserer Lohnsteuer. Damit wurde den Kommunen aber die Steuerautonomie für ihre wichtigste Einnahmequelle vollends genommen. Aus Sicht der AfD gehört diese Kompetenz jedoch zu den unabdingbaren Grundsätzen der kommunalen Selbstverwaltung. Insoweit bin ich froh, dass sich diese Haltung auch im vorliegenden Antrag wiederfindet.

Die bürokratischen Prozesse in der Erhebung will ich gar nicht im Detail durchgehen.

(Zuruf von Christian Brade, SPD)

Zum Prozedere: Es startet im Unternehmen, geht in der Regel zum Steuerberater, der schickt das weiter ans Finanzamt. Das Finanzamt schickt das weiter an die Gemeindekämmerer und am Ende landet dann der Bescheid irgendwann doch beim Unternehmen. Wenig Autonomie, Schwankungsbreite und überbordende Bürokratie – das sind gute Gründe, die Gewerbesteuer in ihrer jetzigen Form abzuschaffen.

Als Kompensation schlagen neben der AfD auch andere Akteure aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft ein Zuschlagsrecht für Gemeinden auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer ihrer Bürger und Unternehmen vor. Technisch ist dies zweifellos möglich, da den Finanzämtern alle erforderlichen Daten vorliegen. Das bedeutet wiederum auch, dass dem Steuerpflichtigen in seinem Steuerbescheid ausgewiesen wird, zu welchem Anteil seine Steuerlast auf seine Wohnsitzgemeinde entfällt. Das schafft Transparenz und ein Bewusstsein für staatliche Leistungen beim Bürger. Bietet eine Gemeinde viele öffentliche Leistungen, wird sie höhere Zuschläge verlangen müssen als eine Gemeinde, in der die Bürger über ihr ehrenamtliches Engagement zum Gesellschaftsleben im wahrsten Sinne des Wortes beisteuern.

Unabhängig, wie man schlussendlich zu dem Thema steht, die Diskussion wird seit Jahrzehnten in jeder Koalition aufs Neue geführt. Der große Wurf ist dabei bisher nie gelungen. Mit Ihrem Antrag helfen Sie da auch leider nicht weiter, denn Sie fordern hier lediglich die Landesregierung auf, den Bundesrat aufzufordern, den Bundestag aufzufordern, genau das zu tun, was seit Jahrzehnten diskutiert und zerredet wird. Otto von Bismarck sagte einmal: „Die Scheu vor der Verantwortung ist eine Krankheit unserer Zeit.“ Das gilt leider bis heute.

Für die AfD heißt das weiterwachsen, damit wir mit den vernunftorientierten Kräften in diesem Land endlich Verantwortung übernehmen können. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Liskow.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Ziel des vorliegenden Antrages der Fraktion Freie Wähler/BMV ist es, die Gewerbesteuer abzuschaffen und durch ein kommunales Zuschlagsrecht auf Einkommensteuer und Körperschaftsteuer zu ersetzen. Gleichzeitig beantragt die BMV, wie schon gesagt, dieses als eine Bundesratsinitiative noch zu unterstützen.

Jetzt möchte ich nicht auf die ganzen Modelle eingehen, die es in den letzten Jahren da schon gegeben hat, von der Wirtschaft, von den unterschiedlichsten Playern und so weiter, also es gab wirklich in den letzten Jahren sehr, sehr viele bemerkenswerte Modelle, die aber nirgendwo eine Mehrheit im politischen Raum gefunden haben, aber auch nicht bei den Kommunen, auch Vorschläge, die vom BDI oder von der Bertelsmann Stiftung hier entsprechend schon eingebracht worden sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte dann mal ganz speziell auf den Antrag des angestrebten Modells einer kommunalen Einkommen- und Gewinnsteuer in Form eines kommunalen Zuschlagsrechts auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer eingehen, das sich sozusagen für alle Positionen im Grunde genommen sozusagen schon als relativ schlechteste Variante herausgestellt hat. Es ist das am wenigsten geeignete Modell, das in den letzten Jahren überhaupt vorgeschlagen worden ist.

Kurz gesagt widerspricht das Modell den elementaren Anforderungen an die Gemeindesteuern. Der wesentliche Grund hierfür liegt darin, dass die Einkommensteuer im Gegensatz zu Körperschaft- und Gewerbesteuer nicht nach den Betriebsstätten, sondern nach dem Wohnsitzprinzip verteilt wird. Das Modell würde somit das Steueraufkommen von den Wirtschaftszentren in die Wohnorte verlagern. Für die Kommunen entfiele die finanzielle Gegenleistung für die unternehmensbezogene Infrastruktur. Damit fiele auch der finanzielle Anreiz zur Ansiedlung von Unternehmen und Arbeitsplätzen wesentlich geringer aus, wodurch die fiskalische Äquivalenz und der Interessenausgleich unter den Kommunen massiv beschnitten wären.

Bei einer Abschaffung der Gewerbesteuer müsste daher der Verteilungsmaßstab der Einkommensteuer verändert werden, weil sonst Gemeinden mit vielen Einpendlern kein Interesse mehr an der Ausweisung von Gewerbegebieten hätten, da die Einkommensteuern in die Wohnsitzgemeinde abflössen. Da den entstandenen Erschließungskosten für Gewerbeflächen nur bei Ansiedlung von Kapitalgesellschaften Einkommensteuern gegenüberstünden, bestünde die Gefahr, dass Gemeinden künftig mehr Wohngebiete und weniger Gewerbegebiete ausweisen. In Kommunen mit bislang hohen Gewerbesteueraufkommen beziehungsweise sehr hohen Hebesätze würden aufgrund der höheren notwendigen Zuschläge die dort lebenden Bürger höher belastet als vor der Reform. Da sich der individuelle Steuersatz dadurch von Kommune zu Kommune deutlich unterschiede, zum Beispiel zwischen Großstädten und Umlandgemeinden, könnten gerade Bürger mit höheren Einkommen vermehrt in Kommunen mit niedrigeren Zuschlägen abwandern. Da zumindest auf regionaler Ebene die Bürger mobiler sind als die Unternehmen, würde die Schaffung von Wohngebieten für gut und sehr gut verdienende Bürger aus fiskalischer Sicht zur besseren Standortpolitik, während das kommunale Interesse an Gewerbegebieten deutlich abnähme.

Bei dem angestrebten kommunalen Zuschlagsrecht auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer sind je nach Modell zudem Einnahmeausfälle für Kommunen, Länder und den Bund zu befürchten, weil zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet werden. So würde beispielsweise aufgrund des Wegfalls der Hinzurechnung die Gewinnverlagerung ins Ausland wieder attraktiver. Der

Steuerwettbewerb zwischen den Kommunen würde sich verstärken, einkommensteuerstarke Kommunen würden durch den Wegfall des Sockelbetrages bei der Einkommensteuer zulasten von einkommensteuerschwachen Kommunen profitieren. Die Beziehung zwischen Wirtschaft und Kommunen würde dagegen geschwächt.

Eine weitere Kritik an dem Vorschlag lautet, dass ein kommunaler Körperschaftssteuerzuschlag nicht die notwendige Verbreiterung der Steuerpflichtigen biete. Zudem biete die Körperschaftsteuer eine sehr schmale gewinnorientierte Bemessungsgrundlage, sodass sich mit dem Vorschlag die Konjunkturanfälligkeit der Kommunalfinanzen nicht wesentlich verringert. In den letzten 20 Jahren hat sich sogar gezeigt, dass die Gewerbesteuer nicht konjunkturabhängiger ist als Einkommen- und Körperschaftsteuer. Insgesamt bewerten sowohl Finanzwissenschaftler als auch kommunale Spitzenverbände ein kommunales Zuschlagsrecht auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer als ungeeignetes Instrument.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zusammenfassend lässt sich das von der Fraktion Freie Wähler/BMV favorisierte Modell wie folgt bewerten: Es führt für die Kommunen teilweise zu Einnahmeverlusten und geht insbesondere zulasten einkommensschwacher Kommunen. Die Kommunen werden in großem Umfang Zuwendungsempfänger. Der Anreiz für Kommunen zu Gewerbeansiedlungen entfällt und somit geht es nicht nur um Kapitalgesellschaften.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, auf die anderen Modelle einzugehen, erspare ich mir, das hatte ich ja vorhin schon mal gesagt, weil auch dieses nicht mehr für die Zukunft sozusagen fruchtbringend ist und wir eigentlich die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen für die Zukunft nicht schwächen wollen, wir wollen aber auch die Kommunen nicht schwächen, und ich glaube, wir haben im Moment, wie der Minister schon gesagt hat, andere wichtige finanzpolitische Probleme, müssen die Grunderwerbsteuer sichern für die Kommunen als Einnahmequelle und sollten...

(Bernhard Wildt, Freie Wähler/BMV: Grundsteuer.)

(Bernhard Wildt, Freie Wähler/BMV: Die Grundsteuer.)

Ja, die Grundsteuer, Entschuldigung, nicht Erwerbs-, sondern die Grundsteuer, Entschuldigung für den Versprecher.

Die Grundsteuer ist, glaube ich, ein ganz wichtiges Thema für uns und da sollten wir unsere Kraft als Parlament einbringen und, ich sage jetzt mal, dieses Problem der Gewerbesteuer, der Gerechtigkeit, was alle eigentlich irgendwo sehen, was sich aber im Moment nicht lösen lässt, auf einen späteren Zeitpunkt verschieben. – Ich bedanke mich und wir werden den Antrag ablehnen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der CDU und AfD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete Frau Rösler.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Fraktion Freie Wähler/BMV möchte also die Gewerbesteuer abschaffen. Und wenn wir den Antrag richtig verstanden haben, dann favorisieren Sie ein Modell, das die FDP bereits vor Jahren gefordert hat, zumindest liest sich Ihr Antrag so.

(Bernhard Wildt, Freie Wähler/BMV: Das ist noch nicht so lange her. – Zuruf von Sandro Hersel, AfD)

Um es gleich vorwegzunehmen, wir lehnen Ihren Vorschlag ab. Die Gewerbesteuer ist neben der Grundsteuer die einzige Steuer, auf die Gemeinden unmittelbaren Regelungszugriff haben. Über den Hebesatz können die Kommunen die Höhe ihrer zu erzielenden Einnahmen direkt beeinflussen. Und die Gewerbesteuer steht nicht umsonst unter dem Schutz der Selbstverwaltungsgarantie des Paragrafen 28 Absatz 2 des Grundgesetzes.

Ja, es stimmt, die Gewerbesteuer ist konjunkturabhängig und damit unterliegt sie auch Schwankungen. Die Einnahmen sind nicht genau planbar, sie sind mal mehr, mal weniger, aber die Kommunen wissen das und die zumeist ehrenamtlichen Bürgermeister, die Kämmerer in den Ämtern und den Städten haben das auch im Blick. Da bin ich mir ganz sicher. Der Finanzminister hatte es gesagt, die Kommunen haben nie um die Abschaffung der Gewerbesteuer gebeten, im Gegenteil, sie sollte gestärkt werden.

Im Übrigen weist die Gewerbesteuer eine hohe Wachstumsdynamik auf. Ihr Aufkommen hat sich auch bei uns im Land deutlich erhöht in den letzten Jahren. Bei einer Abschaffung der Gewerbesteuer mit dem Zuschlagssystem sehe ich noch nicht, dass dies tatsächlich ohne Verluste funktioniert, und das sogenannte FDP-Modell hat keine Mehrheit gefunden, weil eben keine Rechnung präsentiert werden konnte, die die Einnahmen für die Kommunen zu 100 Prozent aufkommensneutral ausgleichen konnte.

Also zu befürchten ist, dass es dann tatsächlich zulasten der einkommensschwachen Kommunen geht. Am Ende, so war es ja auch im Gespräch, hätten die Einwohnerinnen und Einwohner mit einer höheren Mehrwertsteuer das Finanzierungsloch stopfen sollen. Das wollen wir natürlich nicht, und auch deshalb können wir diesem Antrag nicht zustimmen. Unternehmerinnen und Unternehmer, die von einer guten Infrastruktur und von zuweilen kurzen Wegen, von guten öffentlichen Rahmenbedingungen und auch guten Kontakten in die Verwaltung profitieren, können und müssen sich auch an der Finanzierung der Kommunen mit beteiligen, wenn sie denn leistungsfähig sind. Wir sollten sie also nicht aus der Verantwortung entlassen.

Sie schreiben in Ihrer Begründung, dass die Gewerbesteuer gegen den Grundsatz der allgemeinen Besteuerung verstoße. Wenn Sie hiermit einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz meinen, muss ich Ihnen sagen, dass der Bundesfinanzhof und auch das Bundesverfassungsgericht diese Frage bereits anders ausgeurteilt haben. Und mehr will ich zu diesem Antrag gar nicht sagen. Wir lehnen ihn ab. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Gundlack.