Protokoll der Sitzung vom 11.04.2019

Amtsgericht Grevesmühlen, das Amtsgericht Parchim, das Amtsgericht Neustrelitz und das Amtsgericht Demmin, alle diese sechs genannten Amtsgerichte müssen wiedereröffnet werden.

Warum muss das so sein? Da möchte ich direkt eingehen auf meinen Vorredner Herrn Friedriszik, der davon gesprochen hat, die Evaluation abzuwarten. Da stelle ich aber die Gegenfrage: Welche Evaluation gab es denn damals, als man die Gerichte geschlossen oder umgewandelt hat?

(Beifall vonseiten der Fraktion Freie Wähler/BMV – Zuruf von Dirk Friedriszik, SPD)

Ich sage Ihnen, es gab keine, und das ist das Problem. Es gab keine und das ist ja der Hauptkritikpunkt bis heute und damals auch gewesen. Jedweder konkrete Reformbedarf ist damals einfach nicht geprüft worden. Es ist bei keinem einzigen Gericht geprüft worden: Brauche ich dieses Gericht, in welchem Umfang brauche ich das, brauche ich das noch als vollwertig, brauche ich das als Zweigstelle? Das ist überhaupt nicht geprüft worden. Das ist bis heute unbegreiflich, wie man dort so vorgegangen ist.

Ich will jetzt nicht die ganze Gesetzgebungsgeschichte noch mal machen, das habe ich beim letzten Mal getan. Bekanntlich war das ein Trauerspiel für die Demokratie, wie dort – ich glaube, es waren über 60 Sachverständige, die da gehört wurden – fast alle gesagt haben, Leute, es geht so nicht, und die SPD- und die CDU-Fraktion haben auch kein einziges Komma, keinen einzigen Strich geändert im Gesetzentwurf der Landesregierung. Die haben das einfach alles so abgesegnet und durchgewunken, der Totalausfall der parlamentarischen Kontrolle, wenn man so will. Aber ich will die Vergangenheit jetzt nicht wieder heraufholen, ich habe es beim letzten Mal ausführlich dargestellt.

(Andreas Butzki, SPD: Das haben wir schon dreimal gehört.)

Ich will noch mal auf die wesentlichen Gründe eingehen. Und zwar sind wir der Meinung, auch die kleinen Amtsgerichte müssen wiedereröffnet werden, weil wenn sie jetzt Zweigstellen sind, so, wie Frau Bernhardt das gerade gesagt hat, können wir nicht sagen, das sind jetzt kleine Zweigstellen, deshalb brauchen wir sie nicht mehr als vollwertige Gerichte, sondern sie sind natürlich kleine Zweigstellen geworden infolge der Reform, und das Schicksal möchte ich noch mal in Erinnerung rufen. Das muss hier allen klar sein, ich will es aber trotzdem noch mal wiederholen, das Schicksal der Amtsgerichtszweigstellen in der Geschichte dieses Bundeslandes. Von allen amtsgerichtlichen Zweigstellen gab es 1992 noch 31 Amtsgerichte. Dann wurden ab 1997 die Amtsgerichte auf 21 reduziert und zehn Standorte blieben damals zunächst als Zweigstellen erhalten. Von diesen zehn Zweigstellen sind alle nach und nach geschlossen worden.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Genau.)

Auch den jetzt bestehenden Zweigstellen droht also eine Schließung. Zunächst erfolgt eine Ausdünnung der Zuständigkeiten. Ich möchte noch mal daran erinnern, welche Situation wir in Anklam im Moment haben. Das Justizministerium hat eine Zweigstellenverordnung erlassen

und dort Zuständigkeiten für die Zweigstellen festgelegt. Der Gedanke war damals, okay, ich lege das fest, und damit verhindere ich eine Ausdünnung der Tätigkeiten in den Zweigstellen. Ich zitiere aus der Begründung: Die Zweigstellen „sollen unter dem Blickwinkel der Bürgerfreundlichkeit und größeren Ortsnähe … amtsgerichtliche Kernaufgaben … wahrnehmen.“ Zitatende aus dem Gesetzentwurf.

Nun hat ja bekanntlich das Oberverwaltungsgericht diese Zweigstellenverordnung teilweise für nichtig erklärt, weil eben die Amtsgerichte, die Präsidien selbst ihre Zuständigkeiten bestimmen. Von den ursprünglichen Zuständigkeiten der Zweigstelle Anklam sind nur noch sechs übrig geblieben und das Entscheidende ist, es werden keine amtsgerichtlichen Kernaufgaben mehr in der Zweigstelle Anklam ausgeübt, also es gibt keine Zivilverhandlungen, es gibt keine Strafverhandlungen, es gibt keine familiengerichtlichen Verhandlungen mehr. Es gibt keine Absicherung der Zweigstellen mehr durch die Zweigstellenverordnung. Es besteht also ständig die Möglichkeit, dass ein Gerichtspräsidium die Geschäfte so verteilt, dass in der Zweigstelle immer weniger Zuständigkeiten übrig bleiben. Eine bloße Zweigstelle kann damit also keine bürgernahe Justiz sicherstellen.

Die Gefährdung der Zweigstellen wird auch nicht durch ihre gesetzliche Festlegung gebannt. Eine inhaltliche Aushöhlung des Tätigkeitsbereiches kann, wie gesagt, nicht verhindert werden. Und ein Hauptzweck der Zweigstellenlösung war es, Personal leichter von einem zum anderen Standort zu verschieben. Ich zitiere noch mal die damalige Justizministerin Frau Kuder, Zitat: „Wir brauchen künftig größere Einheiten damit die Rechtspflege überlebt. Zwei Gebäude bilden eine Einheit und so kann notfalls ein Richter aus der künftigen Zweigstelle Anklam einfacher im Amtsgericht Pasewalk aushelfen …“, Zitatende.

Wenn Sie sich erinnern, ich habe gerade ausgeführt, es gibt keine gerichtlichen Aufgaben mehr in der Zweigstelle Anklam, es gibt auch keinen Richter mehr in Anklam, der in Pasewalk aushelfen könnte. Dieser Hauptzweck fällt also weg, wenn in der Zweigstelle niemand mehr richterlich tätig ist. Bezüglich der großen Gerichte, wenn wir zum Beispiel das Amtsgericht Bergen nehmen, schließe ich mich dann auch den Vorrednern an, da hat sich ja eigentlich kaum etwas geändert. Das Grundbuchamt ist umgesiedelt worden nach Stralsund, ansonsten ist es nach wie vor ein großes Gericht. Es gibt also praktisch überhaupt gar keinen Grund, warum man in Bergen auf Rügen das praktisch einfach nur umbenennt.

Von daher sind wir natürlich auf jeden Fall auch dabei. Mein Aber hier: So ist nicht der richtige Weg, der richtige Weg wäre ein Gesetzentwurf gewesen, mit dem alle amtsgerichtlichen Zweigstellen wiedereröffnet werden. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion Freie Wähler/BMV)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Ehlers.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Werte Kollegen von der AfD, Sie sind es ja gewohnt, dass ich mich jetzt hier nicht in anderthalb Minuten, sondern eigentlich sehr tiefgründig auch mit Ihren Anträgen auseinandersetze. Das fällt bei

dem Thema ein bisschen schwer. Wir haben das vor exakt vier Wochen miteinander diskutiert mit dem Gesetzentwurf der LINKEN, hier weitere Zweigstellen wieder umzuwandeln in volle Amtsgerichte. Die Argumente sind damals klar vorgetragen worden, sowohl die der Befürworter als auch die Argumente der Regierungsfraktionen. Von daher kann ich ehrlicherweise nicht ganz nachvollziehen, warum Sie sich jetzt diese beiden Standorte vier Wochen später nach dem Votum des Landtages noch einmal rausziehen. Das mag etwas mit dem 26. Mai zu tun haben, dass man jetzt noch mal vor Ort die Botschaften streuen kann, muss aber nicht sein.

Von daher betone ich an der Stelle noch mal ganz deutlich das, was auch die Ministerin gesagt hat, das habe ich im letzten Plenarprotokoll ebenfalls noch mal betont: Wir haben hier die klare Zusage, es wird eine Evaluierung geben. Die Dinge, die jetzt auch in der Anhörung im Rechtsausschuss besprochen wurden, kommen dann auf den Tisch und dort wird das in aller Offenheit, in aller Transparenz besprochen. Aber – und das will ich an der Stelle auch noch mal betonen – die Reform ist erst im Frühjahr 2017, also gerade mal vor zwei Jahren, mit der Schließung in Ribnitz-Damgarten abgeschlossen worden. Von daher sichere ich Ihnen das noch einmal zu, dass wir diese Evaluierung sehr ernst nehmen werden, es keine Alibiveranstaltung sein wird, wir aber heute an dieser Stelle Ihren Antrag ablehnen werden. Wir freuen uns dann auf die weiteren Debatten im Rechtsausschuss dazu. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der AfD offensichtlich der Abgeordnete Herr Förster, bei mir steht noch mal Professor Dr. Weber.

(Dr. Ralph Weber, AfD: Danach, danach!)

Dann bitte Herr Förster, okay.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Selbstverständlich beinhaltet unser Antrag nicht die Aufforderung zum Rechtsbruch.

(Vizepräsidentin Dr. Mignon Schwenke übernimmt den Vorsitz.)

Er ist natürlich, wie Sie alle wissen, so zu verstehen, dass die Landesregierung aufgefordert wird, einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen.

(Torsten Renz, CDU: Dann sollte man das auch aufschreiben, Herr Förster.)

Sie verstecken sich doch hinter dieser Formalie.

(Torsten Renz, CDU: Sagen Sie doch einfach, das ist schlecht aufgeschrieben!)

Wir sind ja auch nicht so dumm, um nicht eine Prognose treffen zu können, trotzdem bleiben wir an der Sache dran, weil diese Justizstrukturreform wahrlich kein Glanzstück war.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Das Zauberwort war ja damals „zukunftsfähig“. Das habe ich auch hier in der Debatte gehört und ich weiß von

Kollegen, die damals als betroffene Richter die Debatte hier gehört haben, dass sie teilweise abgedreht haben, weil sie den Unsinn nicht mehr hören konnten. Und das hat der Kollege Manthei auch dargelegt, was damals die Experten gesagt haben, das war alles voraussehbar, diese Strukturreform ist nicht nur kein Glanzstück, sie ist gänzlich misslungen.

Deshalb, Frau Ministerin, meine ich, Sie hätten allen Grund, nicht noch lange zu warten, sondern das, was jetzt als reparaturfähig definitiv zu erkennen ist, auch jetzt schon zu reparieren, denn Sie haben ja den großen Vorteil, dass Sie das nicht zu verantworten haben.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Das war Ihre Vorgängerin, die dafür zuständig war.

Der Antrag geht auf diese zwei Amtsgerichte, obwohl wir natürlich genau wissen – da hat Frau Bernhardt völlig recht –, die anderen kleinen Zweigstellen sind auch deshalb besonders klein geworden, weil man sie klein gemacht hat. Aber wir wissen auch, dass inzwischen Fakten geschaffen wurden, die bei realistischer Betrachtung vermuten lassen, will ich mal so formulieren, dass trotz aller Evaluation, die jetzt das neue Zauberwort ist und Gutes für die Zukunft scheinbar verspricht – also ich bin da sehr skeptisch –, nicht alle Zweigstellen wieder zu vollwertigen Amtsgerichten gemacht werden. Das ist zu befürchten. Deshalb bleiben wir an der Sache dran und meinen, es ist völlig legitim mit und ohne Evaluation, dort, wo jetzt schon erkennbar ist, dass es absolut unvernünftig ist, diese Zweigstellen zu erhalten, und kein vernünftiger Grund dagegenspricht, sie in selbstständige Amtsgerichte zurückzuverwandeln und das dann auch jetzt bereits zu betreiben.

Wir hatten bereits in der letzten Debatte darauf hingewiesen, dass Demmin natürlich ein sehr warmer Kandidat dafür ist, denn Demmin oder die Grenze waren ja im Grunde die acht Stellen, die wir so in etwa akzeptieren, weil ab acht Richterstellen ein eigenständiges Präsidium möglich ist. Das war in Demmin so und dann ging es peu à peu weiter, indem man auch die Zuständigkeiten verändert hat und dann Richter abgezogen wurden. Jetzt, glaube ich, sind das nur noch fünf oder sechs, ich weiß es nicht mehr genau. Jedenfalls Demmin ist auch ein Standort, der sicherlich meines Erachtens in ein selbstständiges Amtsgericht zurückverwandelt werden muss.

Ich will Ihnen noch mal kurz schildern, wie diese Strukturreform in Neubrandenburg sich praktisch ausgewirkt hat: Nach der Wende hatten wir das alte Kreisgericht. Das hat zunächst unter diesem Namen weitergemacht. Das Landgericht und andere Abteilungen des Amtsgerichts waren in Baracken untergebracht. Dann kam irgendwann als große neue Investition das Justizzentrum. Dort waren Amtsgericht und Landgericht untergebracht. Alle waren erfreut. Das ging über Jahre gut. Im alten Kreisgericht war dann die Sozialgerichtsbarkeit. Ich kann mich gut erinnern, dass damals schon überlegt wurde, ob es gut ist, dass das Landessozialgericht als Berufungsgericht und das Sozialgericht an einem Ort sind.

(Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

Diese sind jetzt nach Neustrelitz verlegt worden. Synergieeffekte gelten nicht mehr und zur Registerabteilung des Amtsgerichts Neubrandenburg müssen wir jetzt also

wieder über die Straße rüberlaufen, weil das alte Justizzentrum nicht groß genug ist. Das Grundbuchamt wurde zerschlagen, kann man so sagen. Das Archiv ist in Neubrandenburg, das laufende Grundbuchamt in Demmin. Also völlig unsinnige Strukturen wurden geschaffen unter dem Gesichtspunkt „zukunftsfähig“.

Ergebnis des Ganzen nochmals: die dringende Bitte, nicht mit der Evaluation uns zu vertrösten und abzuwarten, sondern dort, wo Reparatur sich als notwendig erwiesen hat, auch den Schritt mutig zu tun und zunächst die zwei Gerichte anzufassen und nicht den Verdacht zu nähren, dass doch im Grunde weiterhin Fakten geschaffen werden sollen. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Für die Fraktion der AfD hat das Wort der Abgeordnete Professor Dr. Weber.

Liebe Bürger von Mecklenburg und Vorpommern! Frau Präsident! Werte Kollegen und liebe Gäste! Ich möchte nur ganz kurz noch auf das eingehen, was die Debatte jetzt erbracht hat.

Zum einen, die zwei Jahre, die immer genannt werden, die Schließung des letzten Amtsgerichts in RibnitzDamgarten im Jahr 2017, Frühjahr 2017, war der Endpunkt einer Gerichtsstrukturreform, die 2014 in Kraft getreten ist. Es ist also nicht richtig, wenn Sie sagen, das sind genau zwei Jahre. Dann müsste man mal auf die Schließung oder die Rückstufung der Amtsgerichte Bergen auf Rügen und Parchim korrekt gucken, dann haben wir einen viel längeren Zeitraum. Insofern sind die zwei Jahre Augenwischerei.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Und wenn man in Betracht zieht, dass es dreieinhalb Jahre gedauert hat seit dem Inkrafttreten der Gerichtsstrukturreform, bis sie dann umgesetzt war, dann kann man sich ungefähr vorstellen, wie lange es dauert, bis gewisse Schritte wieder rückgängig gemacht werden. Insofern ist das Argument, es ist ja erst zwei Jahre her, Augenwischerei.

Zum anderen, möchte ich sagen, sind die vorgebrachten Argumente auch kleinherzig. Es war ja gar keine Reform im wahren Sinne, wenn wir auf die beiden von uns benannten Amtsgerichte, die ehemaligen Amtsgerichte Bergen auf Rügen und Parchim, schauen. Da hat sich ja nichts geändert strukturell. Es wäre also insofern nur ein Eingeständnis der Tatsache, dass man da etwas zu weit gegriffen hat mit der Herabstufung vom Amtsgericht zur Zweigstelle. Insofern wäre es keine Restrukturreform, sondern es wäre nur quasi ein Eingeständnis dessen, dass man dort einfach einen Fehler gemacht hat.

Und an die Seite der Fraktion DIE LINKE gerichtet, auch ein bisschen an die BMV/Freie Wähler, möchte ich sagen zu Ihrer Argumentation, ja, das können aber auch andere Amtsgerichte, jetzige Zweigstellen sein, die wieder zu vollwertigen Amtsgerichten aufgewertet werden sollen: Wissen Sie, wie Sie mir vorkommen?! Sie stellen fest, dass es an Bundesstraßen keine Notrufsäulen gibt. Dann kommt ein Angebot, alle vier Kilometer werden welche aufgestellt.