Protokoll der Sitzung vom 19.06.2019

gucke ich gerne nach, reicht auf jeden Fall nicht.

(Torsten Renz, CDU: Ich glaube, 200 Millionen.)

Betrachten wir einfach mal auch folgenden Umstand: Straßen weisen nach erstmaliger Herstellung beziehungsweise Erneuerung einen Sanierungsbedarf nach circa 30 Jahren auf. Und da kommt der Punkt, Herr

Renz. Es ist viel zu viel und zu lange in der Infrastruktur vernachlässigt worden. Jetzt haben wir diesen Sanierungsstau und den müssen wir nun ad hoc abarbeiten.

(Torsten Renz, CDU: Hat aber mit der Abschaffung der Straßenausbaubeiträge nichts zu tun!)

Das ist ein Teil der Gegenfinanzierung.

Das ist doch vollkommen klar, da spielen andere Faktoren auch noch eine Rolle. Aber wir reden ja jetzt hier konkret über die Straßenausbaubeiträge und die Gegenfinanzierung dazu.

Ein Großteil der Straßen wurde offenbar zur Wendezeit hergestellt beziehungsweise erneuert. Das bedeutet also, auf die Kommunen kommen schon sehr bald sehr gehäufte Sanierungsbedarfe zu. Der Landesrechnungshof warf die berechtigte Frage auf, wie das Land sicherstellen kann, dass die an die Kommunen weitergereichten Mittel auch bedarfsgerecht und sparsam für Sanierungsmaßnahmen an kommunalen Straßen eingesetzt werden. Auch monierte der Landesrechnungshof, dass dem Gesetzentwurf nähere Regelungen, wie die Landesmittel an die Kommunen möglichst zielgenau und bedarfsgerecht weitergeleitet werden, fehlen.

Schauen wir uns die Gemeindestraßenkilometer an. Gemeinden können unabhängig von der Anzahl der Gemeindestraßenkilometer einen unterschiedlich hohen Sanierungsbedarf aufweisen. Es gibt Gemeinden, die einen höheren Verschleiß an Straßen aufweisen. Zu Recht hat in der letzten Anhörung der Oberbürgermeister der Stadt Schwerin darauf hingewiesen. In seiner Stadt, also hier in Schwerin als Verkehrsknotenpunkt, sind sicherlich mehr Fahrzeuge unterwegs als in einer abgelegeneren ländlichen Gemeinde. Demzufolge wird die berechtigte Frage nach einem Verteilungsschlüssel aufgeworfen. Soweit ich mich entsinne, konnte die Regierung in der letzten Anhörung ihre Berechnungsgrundlage nicht darlegen.

Das sind für uns wesentliche Aspekte, die noch klärungsbedürftig sind. Daher werden wir uns zu dem vorliegenden Gesetzentwurf enthalten. Die Abschaffung der Erhebungspflicht von Straßenausbaubeiträgen begrüßen wir selbstverständlich.

Ich bitte um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Bevor ich die nächste Rednerin aufrufe, begrüße ich ganz herzlich auf der Besuchertribüne Schülerinnen und Schüler der Klassenstufe 9 des Robert-Koch-Gymnasiums aus Grimmen. Herzlich willkommen!

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der SPD die Abgeordnete Frau Tegtmeier.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Heute werden wir den Beschluss fassen, die Straßenbaubeiträge beziehungsweise die Heranziehung der Einwohnerinnen und Einwohner, der Bürgerinnen und Bürger, die entsprechend betroffen sind, abzuschaffen.

Ich möchte, bevor ich auf die Einzelheiten eingehe, vorab zu meinem Vorredner sprechen und auch zu den Anträgen, die uns hier als Tischvorlagen vorliegen. Wir werden nämlich keinen dieser Anträge unterstützen, weil diese Anträge vielleicht Teile der Probleme aufheben, aber andere, neue Probleme schaffen. Immer, wenn man eine Stichtagsregelung einführt, gibt es Menschen, die davon nicht profitieren. Das ist auch in diesem Fall so. Und wenn ich mir anschaue, welche Menschen alle nicht mehr profitieren können, das sind die Menschen, die in den letzten 27 Jahren vor 2018 – so lange haben wir das Kommunalabgabengesetz ja schon – bereits Beiträge gezahlt haben, und es werden niemals alle auch von irgendwelchen Änderungsanträgen hier betroffen sein, wenn wir Fristen ausweiten.

Zum Antrag auf eine Härtefallkommission oder auf die Einrichtung möchte ich sagen, wir haben wie gesagt 27 Jahre lang Beiträge erhoben und ich glaube ganz fest, dass die allerhöchste Anzahl dieser Beitragserhebungen so gelaufen ist, dass sich die Bürgerinnen und Bürger in den Gemeinden über die unterschiedlichsten Modelle, die ja nach der Abgabenordnung bereits möglich waren, bereitfanden, letztendlich auch auf eine erträgliche Art und Weise ihre Beiträge zu bezahlen. Diese Härtefälle, die Sie hier heraufbeschwören eventuell in Größenordnungen, die gibt es nicht. Wenn es Härtefälle gab, dann haben sich in der Regel diese betroffenen Bürgerinnen und Bürger an den Bürgerbeauftragten gewandt

(Torsten Renz, CDU: Nee, die Bürgermeister!)

oder an den Petitionsausschuss – also da schlugen ja einige Dinge auf –, und auch da konnte man dann noch im Sinne der Bürgerinnen und Bürger Abhilfe schaffen.

Also mit der heutigen Verabschiedung der Novelle des Kommunalabgabengesetzes schaffen wir praktisch die Straßenbaubeiträge für alle Maßnahmen, die ab dem 01.01.2018 begonnen werden, ab. Und all jene, die davon nicht mehr profitieren, die mögen das auch als ungerecht empfinden. Es gibt auch noch andere Ungerechtigkeiten oder Ungereimtheiten, die wir natürlich mit diesem Gesetz nicht abschaffen werden oder nicht beheben können. Wir haben nach wie vor Abgrenzungsprobleme zwischen Erschließung und Ausbaubeitrag, wir haben das Thema Sanierungsgebiet, das Thema Flurbereinigungsgesetz. Beiträge, die sich in diesen Zusammenhängen für die Grundstückseigentümer ergeben, werden durch die Novelle des Kommunalabgabengesetzes ja nicht behoben. Grundsätzlich streben wir eine generationengerechte Verteilung der Lasten an.

Mit den Regelungen in diesem Gesetz wollen wir dafür sorgen, dass die Kommunen nicht infolge dieser – das muss ich noch mal betonen – von ihnen nicht gewollten Reform draufzahlen müssen. Es wurde hier schon einiges gesagt, wie die Gemeinden an dieser Stelle entlastet werden. Sie erhalten eine Gegenfinanzierung, die ja eben als unzureichend hier beschrieben wurde. Aber sie haben natürlich auch eine Entlastung für ihr Personal bei der Erhebung dieser Beiträge, die nicht mehr anfallen, und diese Reform wird auch nicht dazu führen durch die Art der Gegenfinanzierung, dass der Boden für die eigenen vier Wände gerade für junge Familien unerschwinglich wird. Das war ja auch ein Vorwurf, der eine Zeit lang im Raum gestanden hat, ihr haut das auf die Grunderwerbssteuer drauf, ein Prozent, gerade für junge Familien schwierig. Ja, Herr Renz, Sie haben das hier an

einem sehr nachvollziehbaren Beispiel vorgerechnet, dass es vollkommen unterschiedlich ist, ob ich eine moderate Erhöhung der Grunderwerbssteuer habe zu der absoluten Summe, die so ein Straßenausbaubeitrag angeht.

Warum machen wir das überhaupt, warum gab es überhaupt diese tolle, wahnsinnig erfolgreiche Unterschriftensammlung? Es ist viele Jahre lang relativ geräuschlos veranlagt worden in diesem Bereich, aber wir hatten in den letzten Jahren eine Explosion bei den Baukosten. Das muss man doch mal realisieren, dass wir heute ganz andere Kosten haben, als das noch vor zehn Jahren der Fall gewesen ist. Und deswegen war es jetzt durchaus vertretbar. Das ist ja nicht nur eine jahrzehntelange Regelung, das rührt ja aus dem preußischen Recht schon her, diese Abgabenerhebungsmöglichkeiten für die Gemeinden zur Finanzierung ihrer Aufgaben, also eine ganz lange Tradition schmeißen wir damit über Bord. Aber an dieser Stelle unter den jetzigen Voraussetzungen, die wir hier vorfinden, scheint das durchaus gerechtfertigt natürlich.

Die Änderungen, die der Innenausschuss noch vorgenommen hat, dienen in erster Linie dafür, das Gesetz besser anwendbar zu machen, Unklarheiten auszuräumen beziehungsweise Baumaßnahmen eindeutig zuzuordnen sowie Abgrenzungen zwischen spitz abzurechnenden Maßnahmen für den Zeitraum vom 01.01.2018 bis zum 31.12.2019 zu den pauschalen Zuweisungen ab 2020 vorzunehmen.

Neu dazugekommen ist die Verrentung der Schuld, anlehnend an das Baugesetzbuch, zur Werterhaltung der Grundstücke bei Ratenzahlung praktisch. Außerdem wird das Innenministerium ausdrücklich ermächtigt, durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen über das Erstattungsverfahren zu treffen. Damit werden sich weitere Probleme lösen lassen.

Mein Fazit an dieser Stelle und mein letzter Satz: Heute ist wirklich ein guter Tag für alle Grundstückseigentümer, die zukünftig von Straßenbaumaßnahmen profitieren. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Das Wort hat nun für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete Frau Rösler.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit der weitgehenden Abschaffung der Straßenbaubeiträge beenden wir eine mehrjährige und überwiegend strittige Diskussion innerhalb und außerhalb des Landtages.

(Torsten Renz, CDU: Warum „weitgehend“? Warum nicht „Abschaffung“?)

Sanierungsgebiete.

Wir werden dieses Gesetz zwar mit großer Mehrheit verabschieden, völlige Gerechtigkeit und absoluten Rechtsfrieden werden wir aber nicht schaffen – Stichpunkt „Stichtagsregelung“, Stichpunkt „Finanzierungsfragen“. Wir lösen heute ein großes Problem auch in unserem Land und schaffen möglicherweise neue, wenn ich etwa an praktische Konsequenzen der gesetzlichen Fik

tionen, der Anordnung einer Kostenspaltung und einer Abschnittsbildung denke. Wir werden vor Ort möglicherweise auch dadurch Spannungen erleben, dass die bei den Bürgerinnen und Bürgern durch die bisherige Beitragspflicht ausgehende dämpfende Wirkung künftig entfällt. Ich kann mir bildlich vorstellen, dass dann alte Plakate oder Transparente mit der Forderung nach Beitragsabschaffung mit der Losung „Unsere Straße jetzt sanieren!“ überklebt werden.

(Heiterkeit bei Bernhard Wildt, Freie Wähler/BMV)

Meine Damen und Herren, es sollte daran erinnert werden, dass die finanziellen Kompensationsmaßnahmen des Landes der Erstattung der Beitragsausfälle dienen und nicht der Sanierung aller kommunalen Straßen,

(Torsten Renz, CDU: Sehr richtig, Frau Rösler!)

denn das ist keine Frage des KAG, sondern eher eine des FAG.

Damit bin ich bei meiner zweiten Anmerkung. Wir ändern heute das KAG und das Grunderwerbssteuergesetz, das Finanzausgleichsgesetz ändern wir heute nicht. Und das ist in doppelter Hinsicht bedauerlich. Zum einen wird das vorliegende Gesetz erneut geändert werden müssen in diesem Jahr, und zwar im Zusammenhang mit der weiter ausstehenden FAG-Novelle, und zum anderen hätten wir den Kommunen und dem Städte- und Gemeindetag Befürchtungen nehmen können bezüglich künftiger Finanzierungen kommunaler Straßenbaumaßnahmen. Lassen Sie mich daher deutlich in Richtung Kommunen festhalten: Aus dem Konnexitätsprinzip resultiert die Verpflichtung des Landes, Ausfälle auszugleichen, die den Kommunen durch die Abschaffung der Beiträge entstehen, gegebenenfalls auch über die 30 Millionen Euro hinaus.

Drittens haben Härtefallregelungen breiten Raum in der Diskussion eingenommen. Darüber ist ja auch schon gesprochen worden. Der Gesetzentwurf bietet hier kommunale Lösungen an. Festzustellen bleibt aber auch, dass weder dem VDGN noch den Freien Wählern möglich war, die Frage nach Härtefallbeispielen konkret zu beantworten. Uns war wichtig, deutlich herauszustellen, dass die Grunderwerbssteuer nicht umlagefähig ist, also keine künftige Härte für Mieterinnen und Mieter darstellen kann.

Meine Damen und Herren, bereits im Rahmen der Ersten Lesung hatte ich vorausgesagt, dass uns bei den Beratungen heftiger Wind ins Gesicht blasen wird. Und in der Tat hat der Landtag für diesen Gesetzentwurf viel Kritik einstecken müssen, vom Städte- und Gemeindetag bis hin zum Landesrechnungshof. Ich glaube, das muss bei einem radikalen Systemwechsel in Finanzierungsfragen wohl auch so sein.

(Torsten Renz, CDU: Nee!)

Lassen Sie mich gerade deshalb von dieser Stelle aus die Bitte an den Städte- und Gemeindetag richten, trotz aller bisherigen Vorbehalte an der Umsetzung und Anwendung der Neuregelung aktiv und konstruktiv mitzuwirken.

(Beifall Torsten Renz, CDU: Sehr richtig!)

Wenn ich allein die drei Zeitabschnitte, also a) bis zum 1. Januar 2018, b) 1. Januar 2018 bis 31. Dezember 2020 und c) ab 1. Januar 2020 denke, denen die jeweiligen Straßenbaumaßnahmen eindeutig zugeordnet werden müssen, dann dürfte, glaube ich, klar sein, wir dürfen die Kommunen bei der Umsetzung der Neuregelung nicht alleinlassen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Das Wort hat nun für die Fraktion Freie Wähler/BMV der Abgeordnete Dr. Manthei.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Volksinitiative „Faire Straße“ ist ein großer Erfolg, sie ist ein Erfolg für die direkte und gelebte Demokratie in diesem Land und sie findet heute praktisch ihren parlamentarischen Abschluss. Ich möchte mich nochmals bei allen Unterstützern dieser Initiative bedanken, die mit ihrer Unterschriftensammlung dafür gesorgt haben, dass wir heute dazu gekommen sind und die Straßenbaubeiträge endgültig abschaffen.

(Beifall vonseiten der Fraktion Freie Wähler/BMV)

Damit ist auch der Gesetzentwurf meiner Fraktion vom 18. Juni letzten Jahres faktisch erfolgreich und damit erledigt. Sie wissen, auch wir hatten im letzten Jahr bereits einen Gesetzentwurf zur Abschaffung der Straßenbaubeiträge eingereicht.

Es ist nunmehr Konsens unter den Fraktionen, dass die Straßenbaubeiträge ungerecht sind und abgeschafft werden müssen. Konsens besteht auch darin, dass es einen Stichtag geben muss, ab dem das der Fall ist. Man kann nicht, und da bin ich natürlich ganz bei Ihnen, Frau Tegtmeier, die gesamte Vergangenheit rückabwickeln. Aber einen entscheidenden Punkt haben Sie nicht erwähnt, Frau Tegtmeier: Was wir aber können, ist, die Gegenwart und die Zukunft gerecht gestalten. Und darum geht es in unserem Änderungsantrag zum Stichtag, mit dem wir meinen, der jetzige Stichtag ist für viele Bürger irreführend.

Gerade haben wir auch den Redebeitrag von Ihnen, Herr Liskow, gehört. Sie haben wörtlich gesagt, die Straßenbaubeiträge werden rückwirkend zum 01.01.2018 abgeschafft. Das ist zumindest eine ungenaue Formulierung. Ich erlebe es auch immer wieder in Gesprächen mit Bürgern, dass viele tatsächlich glauben, Straßenbaubeiträge sind jetzt ein Ding der Vergangenheit, das Thema ist durch und ist erledigt. Aber es geht eben nur um die Baumaßnahmen, das muss man immer wieder deutlich sagen, die ab dem 1. Januar 2018 beginnen. Das bedeutet, die Bürger in diesem Land müssen noch viele Jahre mit Straßenbaubeitragsbescheiden rechnen.