Protokoll der Sitzung vom 20.06.2019

Antrag der Fraktion der AfD Ärztemangel bekämpfen – Rückkehrprämie für Ärzte – Drucksache 7/3701 –

Das Wort zur Begründung hat für die Fraktion der AfD der Abgeordnete Dr. Jess.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Landsleute und Gäste! Die Gesundheitsversorgung in den ländlichen Gebieten unseres Landes war bereits des Öfteren Thema in diesem Hause, gerade im vergangenen TOP auch. Der Minister hat gemeinsam mit den kassenärztlichen Verbänden und den Kassen verschiedene Projekte vorgestellt, um dem in den nächsten Jahren weiter wachsenden Ärztemangel in den ländlichen Regionen vorzubeugen. Ich gehe davon aus, dass er dazu noch ausführen wird. Nicht nur die Zahl der Ärzte auf dem Land ist knapp, sondern auch der Altersdurchschnitt der noch tätigen Ärzte steigt bekanntermaßen.

Im Wirtschaftsausschuss am 28. März 2019 erklärte der Präsident der Ärztekammer, Professor Dr. Andreas Crusius, dass es etwa 2.500 niedergelassene Ärzte in Mecklenburg-Vorpommern gäbe. Etwa 43 Prozent der niedergelassenen Hausärzte erreichen im Jahr 2020 ihr Rentenalter. Auch im stationären Bereich sind 2020 circa 12,6 Prozent der Ärzte über 68 Jahre alt. Es gibt zwar Fälle, dass selbst 78-jährige Ärzte noch Sprechstunden durchführen, aber eine Lösung sollten wir darin nicht

sehen, ganz im Gegenteil, es sollte uns den Ernst der Lage vor Augen führen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Professor Dr. Crusius erklärte, dass es einen Gesamtbedarf von circa 565 neuen Ärzten für das Jahr 2020 gibt. Unser Antrag soll ein weiterer Baustein sein, um zur Lösung des Problems beizutragen. Ausgangspunkt für den Antrag ist die Erkenntnis, dass in den vergangenen Jahren eine relevante Anzahl von jungen Ärzten aus Deutschland in das Ausland gegangen ist. Im Jahr 2015 sind insgesamt 2.143 ursprünglich in Deutschland tätige Ärzte ins Ausland gegangen. Der Anteil der deutschen Ärzte betrug darunter laut Bundesärztekammer 58,4 Prozent, das heißt also, 1.250 deutsche Ärzte wanderten 2015 aus Deutschland ab, um im Ausland tätig zu werden.

Hauptziele der deutschen Ärzte sind die deutschsprachigen Länder Schweiz und Österreich, aber auch der englischsprachige Raum und die skandinavischen Länder sind beliebt. Ich selbst habe Gespräche mit mehreren solcher Ärzte geführt. In der Regel werden die schlechteren deutschen Arbeitsbedingungen als Grund für die Auswanderung angegeben, aber natürlich auch familiäre Gründe. Doch nicht alle dieser Ärzte sind im Ausland familiär fest gebunden, sodass eine Rückkehr nach Deutschland nicht ausgeschlossen ist. Wir wollen deshalb mit diesem Antrag erreichen, dass die Regierung eine Rückkehrprämie für deutsche Ärzte auslobt. Die von uns vorgeschlagene Rückkehrprämie soll eine Höhe von 50.000 Euro betragen. Und ja, sie soll einen Lockeffekt haben, um die Ansiedlung im Raum MecklenburgVorpommern und insbesondere im ländlichen Raum zu unterstützen.

In einer Existenzgründungsanalyse der Deutschen Apotheker- und Ärztebank von 2017 wird die Übernahme einer Einzelpraxis in Deutschland mit circa 94.000 Euro kalkuliert. Hausärzte im Westen Deutschlands zahlen mit 105.000 Euro im Durchschnitt die höchsten Preise für Praxisübernahmen. In den östlichen Bundesländern sind die Durchschnittswerte mit 81.000 Euro also deutlich niedriger. Damit ist die Rückkehrprämie von 50.000 Euro ein guter Grundstock für eine Praxisübernahme.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Aber nicht nur Ärzte, die sich niederlassen wollen, sondern auch angestellte Ärzte sollen eine solche Prämie erhalten. Natürlich ist unklar, ob die Rückkehrprämie Ärzte zur Rückkehr bewegen kann. Wir meinen aber, dass man bereits rückkehrwillige Ärzte auf diese Weise nach Mecklenburg-Vorpommern holen kann. Natürlich sind Detailregelungen erforderlich, die einen Missbrauch dieser Förderung verhindern und Mitnahmeeffekte minimieren. Dazu gehören plausible Arbeitsdauer im Beruf im Ausland, Verpflichtung zur ärztlichen Tätigkeit im ländlichen Raum in Mecklenburg-Vorpommern und Ähnliches. Es bleiben zwei offene Fragen:

Erstens. Wie informiert man Ärzte im Ausland? Wir sehen einen gangbaren Weg über Annoncen im „Deutschen Ärzteblatt“, einer Zeitschrift, die von deutschen Ärzten im Ausland weiterhin gelesen wird.

Und zweitens. Wie bekommen wir die Finanzierung hin? Wir gehen davon aus, dass die Maßnahme in den Haushalt 2019/2020 eingestellt werden kann.

Wir halten diesen Weg jedenfalls für sinnvoller als die Anwerbung ausländischer Ärzte mit begrenzten Deutschkenntnissen oder unklaren Ausbildungsstandards. Zudem ist es aus unserer Sicht mehr als fragwürdig, die Ärzte aus wirtschaftlich schwächeren Ländern abzuwerben und diese Länder damit in prekäre Gesundheitsversorgungssituationen zu stoßen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Ich beantrage die Überweisung des Antrages in den Wirtschafts- und in den Finanzausschuss. Lassen Sie uns unsere Ärzte wieder nach Hause holen! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vorgesehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Und ich eröffne die Aussprache.

Für die Landesregierung hat zunächst das Wort der Minister für Wirtschaft, Arbeit und Gesundheit. Bitte, Herr Glawe.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Der wird das Thema jetzt wieder abräumen. – Simone Oldenburg, DIE LINKE: Kommt danach noch mal Herr Barlen? – Zuruf von Bernhard Wildt, Freie Wähler/BMV)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Rückkehrprämie für Ärzte aus dem Ausland, in besonderer Weise, das haben Sie angesprochen, aus dem deutschsprachigen Raum, aus Österreich und der Schweiz, aber Skandinavien wurde auch als Beispiel genannt – wir haben in den letzten Jahren vielfältige Aspekte auf den Weg gebracht.

Und als Erstes, wenn Sie von einer Rückkehrprämie für Ausländer sprechen, dann kann man eigentlich heute schon sagen, die gibt es. Die gibt es deswegen, weil die Kassenärztliche Vereinigung den Niederlassungswilligen in Mecklenburg-Vorpommern bis zu 50.000 Euro zahlt. Von daher, glaube ich, ist der Rahmen schon da. Zweitens hat das Land Mecklenburg-Vorpommern auch vor, dass wir zusammen mit dem Landwirtschaftsministerium und dem Wirtschaftsministerium sozusagen weitere Möglichkeiten fördern wollen, Gesundheitszentren zu entwickeln in unterversorgten Regionen. Dort können auch ausländische Ärzte sofort tätig werden. Diese Möglichkeiten muss man bekannt machen.

(Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

Und drittens ist es, glaube ich, relativ schwierig, aus der Schweiz Ärzte zu holen. Man muss damit rechnen, dass die dort bis zu 30, bis zu 50 Prozent mehr verdienen als in Deutschland. Das ist eher unwahrscheinlich und wenn, die meisten wandern ja auch sozusagen aus BadenWürttemberg, Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen in die Schweiz.

Wir haben verschiedene Wege eingeschlagen. Ich will dran erinnern, wir haben das Stipendienprogramm eingeführt. Da haben wir ja vorgesehen – 1 Million Euro –, mit 300 Euro pro Monat und vier Jahre lang zu fördern.

(Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

Das sind 72 Stipendienplätze, das ist genau die Million, und wir haben zurzeit 37 davon belegt. Also ich finde, wir sind genau in dem Rahmen, den wir uns vorgenommen haben. Bis 2022 werden wir die 72 Stellen besetzt haben.

Fort- und Weiterbildung ist ein weiteres Thema, das in Mecklenburg-Vorpommern intensiv vorangetrieben werden wird und wo in besonderer Weise die Ärztekammer mittlerweile Beispielhaftes leistet. Wir haben jedes Jahr bis zu 200 Ärzte in Fort- und Weiterbildungen. Das sind die Ärzte, die Fachärzte werden und die dann nach elf Jahren oder zehn Jahren insgesamt – Studium, Erstes Staatsexamen im Prinzip mit dem Zweiten Staatsexamen, Facharzt zu werden – selbstständig arbeiten dürfen.

Ferner haben wir jetzt auch ein weiteres Angebot gemacht für die Studenten, die Medizin studieren, die zehn Semester bestanden haben. Die müssen sich ja dann sozusagen auf das Assistenzleben vorbereiten und auf eine Prüfung am Ende des zwölften Semesters. Dort wollen wir in besonderer Weise zusammen – wir haben ja schon begonnen – mit der KV und den niedergelassenen Ärzten gerade jungen Studentinnen und Studenten, die zehn Semester hinter sich haben, Angebote machen, um in der ländlichen Region Praktika zu machen.

(Vizepräsidentin Beate Schlupp übernimmt den Vorsitz.)

Das praktische Jahr hat ja eine Triage, drei verschiedene Ausbildungsmöglichkeiten. Eine davon ist eben auch die Hausarzttätigkeit im ländlichen Raum. Dort haben wir mittlerweile 1.000 Euro pro Monat zur Verfügung gestellt, um also auch jungen Leuten die Möglichkeit zu geben, nicht nur an den Universitäten ihre Praktika zu machen, sondern tatsächlich bei Hausärzten. Das Entscheidende ist, dass Hausärzte mitmachen müssen, um dann auch zu zeigen, dass es durchaus lebenswerte Räume im ländlichen Raum gibt, die auch versorgt werden. Und entscheidend ist, dass eben junge Leute, die Arzt werden, sehen, dass man im ländlichen Raum durchaus auch eine Lebensqualität haben kann, die man vielleicht in Großstädten nicht jeden Tag hat. Diese Mittel sind bereitgestellt, wir haben die der KV zur Verfügung gestellt. Die jeweiligen Studenten kriegen dann die Förderzusage und damit auch die Garantie, dass sie Aufwendungen wie Miete oder Pkw, Benzinkosten oder Reparaturkosten sich dann auch leisten können, ohne dass sie an ihre Sparbüchse gehen müssen.

Das Nächste ist die Landarztquote, die wir gemeinsam auf den Weg bringen. Die Landesregierung ist ja dabei, die Dinge vorzubereiten. Das Gesetz ist de facto fertig. Die Anhörung in erster Runde ist in den Ministerien gelaufen. Einziger strittiger Punkt ist jetzt noch die Frage, wie die Zuständigkeit geregelt wird. Wird die Kommission, die die Auswahlkriterien und die Anhörung der Studenten macht, durch die Universitäten gestellt oder wird sie gestellt durch die Ärztekammer und die Kassenärztliche Vereinigung? Daraus ergeben sich finanzielle Konsequenzen und Fragen, aber ich denke, dass wir demnächst vom Bildungsministerium eine Antwort bekommen, wie das Thema zu bewerten ist. Es geht ja um eine Summe von 250.000 Euro. Wenn wir ein neues Gremium schaffen müssen, das die Entscheidung trifft, wer wird zugelassen zum Studium unter dem Petitum Landarzt

quote oder wer wird abgelehnt, dann muss das ein juristischer Vorgang sein, und der kostet natürlich Geld.

Insgesamt sind wir dabei, die sektorenübergreifende Versorgung weiterhin voranzutreiben. Einige Modelle laufen im Land. Das Protobeispiel ist Wolgast. Und von daher, glaube ich, sind wir so weit, dass wir auch sagen können, wir sind bereit, moderne Untersuchungsmethoden und neue Methoden einzusetzen, um einerseits die Wege der Patienten zu verkürzen und andererseits eben auch die Auswertung durch gut ausgebildete Ärzte in diesen Fragen dann auch zu haben und zu nutzen. Und unter Einbeziehung von Fachärzten und Hausärzten laufen ja etliche Modelle. Ich sage „HaffNet“ mal als Beispiel.

Meine Damen und Herren, auch MVZ, Ärztehäuser und Praxen können gefördert werden in unterversorgten Regionen, und ich denke, dass wir da schon gute Ansätze haben. Entscheidend ist, dass die Kommunen, Private oder auch Genossenschaften bereit sind, diese Häuser zu führen. Jedenfalls werden Kollege Backhaus und ich diese Dinge begleiten. Und da, wo Unterversorgung stattfindet, werden wir Lösungen anbieten, die gerade auch …

(Dr. Till Backhaus, SPD: Die ersten Modelle haben wir auch schon gemacht.)

Ja, die ersten Modelle – Woldegk – haben wir gemacht, das ist richtig. Oder wir machen jetzt auch in Friedland ein Modell.

Also es gibt verschiedene Ansätze, und die wollen wir natürlich verstärken. Insgesamt stehen da 6 Millionen Euro zur Verfügung. Und ich denke, dass wir auch in dieser Frage sagen können, es geht aufwärts. Und vor allen Dingen ist es entscheidend, dass wir die Abstimmung zwischen der KV, den Ärzteverbänden und den Ministerien so gestalten, dass wir das partnerschaftlich entscheiden. Entscheidend ist, dass wir dann auch die Ärzte dafür gewinnen, dass sie diese Angebote auch annehmen.

Von daher will ich sagen, diese 50.000 Euro würde ich jetzt nicht ausgeben, weil sie sozusagen schon auf dem Tisch liegen. Und jeder, der will, der kann davon auch Gebrauch machen. Ich gebe Ihnen recht, man muss es bewerben. Das ist ein Thema, das, glaube ich, wichtig ist, dass es auch bekannt ist, dass das Land MecklenburgVorpommern solche Angebote hat. Und wenn man das mal zusammenrechnet, was wir angeboten haben – also KV 50.000 und wir noch eine Summe wahrscheinlich auch so 50.000/60.000 –, dann ist es ein Zuschuss von 100.000 Euro auf einen niederlassungswilligen Arzt. Das ist sozusagen geschenktes Geld.

Und entscheidend wird nun sein, dass man dann auch die Gestaltung so macht, dass mindestens zehn Jahre Versorgung im ländlichen Raum stattfindet und dass dann eben auch steuerrechtliche Aspekte noch beachtet werden müssen. Das ist klar. Aber vom Grunde her gibt es dieses Programm, und daher kann ich nur sagen, lassen Sie uns über die Werbung noch mal nachdenken. Aber grundsätzlich würde ich sagen, diese 50.000 Euro brauchen wir jetzt nicht unbedingt einzusetzen, weil jeder Rückkehrwillige von dieser Möglichkeit der Förderung Gebrauch machen kann. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Herr Koplin.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Herr Dr. Jess, Sie hatten in dem vorhergehenden Tagesordnungspunkt darauf verwiesen, dass man immer über die Ursachen sprechen muss, die dazu führen, dass ein beklagenswerter Zustand eingetreten ist. Und das trifft hier auch zu. Wir sind uns, denke ich mal, völlig einig – das hat der Diskussionsverlauf der letzten Sitzungen, aber auch der heutigen Sitzung gezeigt –, dass wir um medizinische Fachkräfte, um Ärztinnen und Ärzte händeringend werben. Und nichts ist so gut, dass man es nicht noch besser machen kann, und dass wir dafür werben, in Mecklenburg-Vorpommern, im ländlichen Raum ganz besonders, eine Niederlassung zu finden, das ist damit auch verbunden. Was Sie uns heute vorschlagen, ist jedoch, dass mit Geldscheinen gewunken wird, um diejenigen zu holen, die weggegangen sind.

Und jetzt der Bezug zu den Ursachen: Warum sind Medizinerinnen und Mediziner weggegangen? Es lohnt sich wirklich, tiefgründig darüber nachzudenken. Sie sind weggegangen aus ganz unterschiedlichen Gründen. Die großen Zahlen haben Sie genannt. Es sind manchmal persönliche, familiäre Gründe,

(Zuruf von Dr. Gunter Jess, AfD)

es sind manchmal Tätigkeiten in Hilfsorganisationen im Ausland, es sind manchmal Teilnahmen an internationalen Forschungsprojekten.

(Bernhard Wildt, Freie Wähler/BMV: Richtig!)

Und dann sind einige weggegangen, weil sie nicht einverstanden sind mit den Arbeitsbedingungen, mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und mit überbordendem Bürokratismus. Und einige – das sind vielleicht auch nicht wenige, aber einige lediglich – sind weggegangen, weil sie woanders mehr verdienen. Im Übrigen trifft auf diese Personengruppe der Begriff „Wirtschaftsflüchtlinge“ auch zu,

(Dr. Gunter Jess, AfD: Ja.)

wenn man sich mal anschaut im Internet, wie Wirtschaftsflüchtlinge definiert werden. Dass Sie sich noch mal für Wirtschaftsflüchtlinge einsetzen, ist für mich auch ganz interessant an der Stelle.