Protokoll der Sitzung vom 21.06.2019

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Viele Kinder in unserem Land können nicht oder nicht sicher schwimmen. Im Jahr 2017 hatte die Deutsche LebensRettungs-Gesellschaft ermittelt, wie viele Kinder im Alter von zehn Jahren keine sicheren Schwimmer sind, und sie kamen zu dem erschreckenden Ergebnis, dass es mehr als die Hälfte, 59 Prozent, sind.

Ich wollte nun wissen, wie es konkret in MecklenburgVorpommern aussieht. Auf meine Frage teilte die Landesregierung mit, dass tatsächlich auch bei uns in Mecklenburg-Vorpommern 59 Prozent aller Grundschüler, die im Jahr 2018, also im vergangenen Jahr, die Grundschule beendet haben, keine sicheren Schwimmer sind. Damit hat sich also das bundesweite Bild in MecklenburgVorpommern genau so bestätigt.

Ein sicherer Schwimmer ist man bekanntlich dann, wenn man das Jugendschwimmabzeichen Bronze erworben hat. Das bedeutet, sie müssen 200 Meter schwimmen können in maximal 15 Minuten, sie müssen einmal vom Beckenrand springen, sie müssen einmal etwa zwei Meter tief tauchen und einen Gegenstand heraufholen, einmal aus einem Meter Höhe springen und sie müssen abschließend Baderegeln kennen. Erst wenn ein Kind dies beherrscht, kann es sich selbstständig und sicher im Wasser bewegen.

Doch wir haben nicht nur 59 Prozent nicht sichere Schwimmer, denn wir haben auch ein Drittel der Schüler, die die Grundschule im vergangenen Jahr verlassen haben, die noch nicht einmal das Niveau des „Seepferdchen“-Abzeichens haben. Das „Seepferdchen“Abzeichen, muss man dazusagen, entspricht den motorischen Fähigkeiten von 5-Jährigen. Es sollte also im Kindergartenalter bereits erlangt werden. Ein Drittel unserer Grundschüler in Mecklenburg-Vorpommern hat noch nicht einmal die Förderung erhalten, die ohnehin bereits im Kindergartenalter erfolgen sollte. Medial bekannt ist ein Fall im vergangenen Jahr aus Neustrelitz geworden. Dort gab es einen Schwimmtest an drei Grundschulen und hier war es so, dass ein Viertel der Schüler aus acht 3. Klassen nicht einmal den „Seepferdchen“-Test bestanden haben.

Schwimmunterricht ist für alle Grundschüler in Mecklenburg-Vorpommern verpflichtend. Laut dem Rahmenlehrplan der Landesregierung sollen alle Kinder bis zum Ende der Grundschule schwimmen können und Baderegeln befolgen können. Dabei hat sich die Landesregierung folgendes Ziel gesetzt, ich zitiere aus einer Antwort auf meine Kleine Anfrage, Zitatanfang: „Vielmehr sollen Schülerinnen und Schüler entsprechend den ‚Empfehlungen der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder...‘... sicher schwimmen können.“ Meine Damen und Herren, dieses Ziel verfehlt die Landesregierung um Längen.

(Heiterkeit bei Simone Oldenburg, DIE LINKE: Das stimmt. Um Bahnen!)

Warum ist das so? Die Gründe für den mangelhaften Schwimmunterricht sind zum einen technischer Natur. Es fehlen Schwimmhallen, beziehungsweise in den vorhandenen Schwimmhallen gibt es nicht genug Bahnkapazitäten. Ein weiterer Grund ist fehlendes Lehrpersonal. Die Schulen verfügen nicht über ausreichend befähigte Lehrer, um den Schwimmunterricht sicherzustellen. Dies hat der jüngste tragische Ertrinkungstod eines 10-jährigen Kindes im Landkreis Rostock zutage gebracht. Die ganze Klasse dieses Kindes hatte keinen Schwimmunterricht, und das, was diesen Fall auch noch so besonders macht, obwohl sich zumindest ein Freibad in unmittelbarer Nähe befindet. Die Schule hat mitgeteilt, der Schwimmunterricht konnte wegen fehlendem Lehrpersonal nicht durchgeführt werden.

Letztlich fehlt es den Schulträgern an Geld. Sie müssen einmal die Busfahrten zur Schwimmhalle bezahlen und sie müssen die Gebühren für die Schwimmhallenbahnen bezahlen.

(Der Abgeordnete Dr. Ralph Weber bittet um das Wort für eine Anfrage.)

Die Landesregierung hilft den Kommunen...

Herr Manthei, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

In der Einbringung ist es nach meiner Kenntnis der Geschäftsordnung nicht zulässig,

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

eine Zwischenfrage zu stellen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Gut aufgepasst, Herr Manthei. – Minister Dr. Till Backhaus: Er ist ja auch Jurist.)

Die Landesregierung hilft den Kommunen finanziell nicht, um den Schwimmunterricht durchzuführen.

Aus diesen Gründen haben wir im Antrag unter Ziffer II die Nummern 1 bis 3 beantragt. Die Landesregierung soll den flächendeckenden Schwimmunterricht an Grundschulen in Mecklenburg-Vorpommern sicherstellen. Sie muss insbesondere für die Ausbildung von genügend Lehrpersonal für den Schwimmunterricht sorgen. Sie darf die Kommunen nicht auf den Kosten des Schwimmunterrichts sitzen lassen. Die Landesregierung hat die Vorgabe „Schwimmunterricht“ gemacht und muss sich also auch an den Kosten beteiligen. Sie muss endlich einmal feststellen, wo fehlen überhaupt Schwimmhallen.

Wir hatten bereits im vergangenen Jahr hier im Plenum beantragt, ein Konzept für die Schwimmhallenversorgung vorzulegen. Für den Schwimmunterricht soll eine Zeit von insgesamt 45 Minuten, also einer Schulstunde, für den Hin- und Rückweg zu einer Schwimmstätte in der Regel das Maximum sein. Das ist eine Vorgabe auch der Landesregierung selbst. Also 45 Minuten haben sie Zeit, um

zur Schwimmhalle hinzukommen und wieder zurück. Diese Vorgabe kann natürlich kaum eingehalten werden und leider scheint es der Landesregierung auch egal zu sein. Sie unternimmt jedenfalls nichts, um die oft viel zu weiten Fahrten von Schulen zu Schwimmhallen zu verkürzen.

Solch ein Schwimmhallenkonzept wäre dann auch gleichzeitig eine gute Grundlage für Entscheidungen der Landesregierung über Förderung von Neubauten für Schwimmhallen. Auch hier sollte ein bisschen systematisch vorgegangen werden und nicht nur punktuell nach irgendwelchen politischen Mehrheiten, die so jeweils vorhanden sind, weil eben Schwimmhallen nicht regionale Punkte sind, sondern oft überregional auch genutzt werden.

Immer wieder wird auf die Eigenverantwortung der Eltern hingewiesen, also auf den Schwimmunterricht außerhalb des Schulunterrichts. Auch hieran haben wir in unserem Antrag gedacht unter der Nummer II.4. Schwimmunterricht außerhalb der Schule kann tatsächlich helfen, die Schwimmfertigkeiten der Schüler zu verbessern. Aber auch dieser Schwimmunterricht sieht sich natürlich einem Großteil der Hürden ausgesetzt, denen sich auch der schulische Schwimmunterricht ausgesetzt sieht, denn auch hier besteht das Problem natürlich, dass es zu wenige Schwimmhallen gibt, zu wenige freie Schwimmbahnen in den Schwimmhallen, und auch hier müssen Kosten, die Gebühren bezahlt werden für die Bahnen.

Ich selbst habe ehrenamtlich Rettungsschwimmerkurse im Rahmen des Hochschulsports an der Universität Greifswald angeboten und ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, dass es zunächst schwierig war, überhaupt Bahnen in der Schwimmhalle in Greifswald zu bekommen, weil sie einfach belegt sind von montags bis freitags. Wir haben am Ende welche bekommen, allerdings zu Zeiten mitten an einem Arbeitstag, und es ist dann auch schwer, dafür Ausbilder zu bekommen. Die Studenten, die konnten es dann teilweise einrichten, auch mitten in der Woche da mal an Kursen teilzunehmen. Aber wenn Sie das vergleichen mit Schwimmkursen für Kinder, wenn sie die Mittwochnachmittag haben, dann ist das einfach für Eltern auch schwierig sicherzustellen, dort hinzukommen. Und die Vereine, die diese Schwimmkurse durchführen, müssen eben auch die Nutzungsgebühren pro Bahn und Stunde bezahlen.

Aus all diesen Gründen ist es eine gute Idee, den Schwimmunterricht unserer Kinder dadurch zu ergänzen, indem wir ihn in die Zeit außerhalb der Schulzeiten, also zum Beispiel in die Ferien, verlegen. In dieser Zeit gibt es eben mehr freie Bahnen in den Hallen, da in der Regel Schulen und Vereine dort nicht trainieren.

Und hier setzt unser Vorschlag für ein Sofortprogramm an. Er beruht auf unserem Antrag aus der Märzsitzung, in dem wir ein Programm „‚MV kann schwimmen!‘ – Schwimmen lernen in den Schulferien“ gefordert haben. Hierbei handelt es sich um ein seit zehn Jahren erprobtes und bewährtes Programm in Nordrhein-Westfalen. Dieses Programm hat zum Ziel, die Anzahl der sicher schwimmenden Schüler zu erhöhen, aber auch einfach die Freude an der Bewegung im Wasser zu vermitteln. Mit dem Programm werden Schwimmvereine unterstützt, in den Ferien Schwimmkurse für Schüler anzubieten, die nicht oder noch nicht sicher schwimmen können. Die

Vereine erhalten dort einen Zuschuss von 250 Euro. Ganz aktuell wurde ein neuer Rekord bei diesem Programm in Nordrhein-Westfalen aufgestellt: Im vergangenen Jahr haben 5.600 Kinder daran teilgenommen, und insgesamt über die zehn Jahre der Laufzeit des Programms waren es etwa 30.000 Kinder.

Meine Damen und Herren, meine Fraktion legt Ihnen erneut positiv-konstruktive und vor allem auch leicht umsetzbare Konzepte vor, um die Schwimmfertigkeiten unserer Schüler zu verbessern. Lassen Sie uns alles Mögliche tun, um allen Kindern in MecklenburgVorpommern zumindest die Chance zu geben, sicher schwimmen zu können.

Und zum Schluss noch eine Anmerkung: Vielleicht gibt es jetzt noch einen weiteren kleinen Hoffnungsschimmer auf Besserung, dass sich die Aktivität der Landesregierung in Sachen Schwimmfertigkeit unserer Kinder verbessert, denn die „Ostsee-Zeitung“ hat berichtet, dass unsere neue zuständige Sportministerin Frau Martin vom Fach ist.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Seit gestern nicht mehr.)

Sie war mit elf Jahren,

(Zuruf von Ministerin Bettina Martin)

so schreibt die „Ostsee-Zeitung“, in Westberlin Meisterin im Freistilschwimmen.

(Heiterkeit und Beifall Patrick Dahlemann, SPD – Torsten Renz, CDU: He! – Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE)

Das könnte doch ein guter Anfang für mehr Verständnis für die Schwimmfertigkeiten unserer Kinder sein. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion Freie Wähler/BMV – Torsten Renz, CDU: Herr Manthei, Sport ist nicht mehr Soziales. – Peter Ritter, DIE LINKE: Die Zuständigkeit wechselt.)

Im Ältestenrat

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 150 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Frau Drese hat auch ein „Seepferdchen“, ne? – Ministerin Stefanie Drese: Na klar! – Simone Oldenburg, DIE LINKE: Na also!)

Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort erhält für die Landesregierung die bereits angekündigte Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Frau Bettina Martin.

(Heiterkeit und Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! In der Tat ist mir Schwimmen sehr geläufig. Ich war in der Tat, als ich höchstens so groß war, mal Schwimmmeisterin in Berlin. Allerdings ist das lange her. Trotzdem ist mir der Schwimmsport wichtig und ich weiß, was es bedeutet, ich habe nämlich auch Kinder, dass die schwimmen lernen und schwimmen können.

Der Anlass für diese Debatte heute ist ein trauriger, diese erneute Debatte im Landtag, muss man sagen, zum Thema Schwimmunterricht. Es wurde schon erwähnt, vor zwei Wochen ist ein 10-jähriges Mädchen im Freibad in Tessin ertrunken, und das ist eine furchtbare Tragödie. Und zuallererst muss man da, glaube ich, auch sagen, dass unser Mitgefühl dort mit der Familie ist.

Es ist richtig, dass nach solch einem tragischen Unfall gefragt wird, was getan werden kann, um so etwas zu verhindern, insbesondere in einem Land wie Mecklenburg-Vorpommern, wo wir sehr viel Wasser haben. Und es ist auch richtig, dass wir grundsätzlich über die Badesicherheit und das Schwimmenlernen in unserem Land beratschlagen. Was ich aber nicht richtig finde – und das ist mir wichtig, das gleich zu Beginn zu sagen –, ist, mit dem Finger allein auf die Schule zu zeigen und in dem Fall auch auf die Lehrerinnen und Lehrer, die eine große Verantwortung haben im Sportunterricht, aber ganz sicherlich nicht die Einzigen sind, die dafür da sind, Kindern das Schwimmen beizubringen.

Ja, Schwimmunterricht ist ein Baustein dabei, ein wichtiger Baustein. Aber dass Kinder schwimmen lernen, da gibt es noch sehr viele andere Verantwortliche dafür. Das war mir wichtig klarzustellen. Doch gleichzeitig möchte ich auch betonen, noch mal, die Landesregierung legt ein sehr großes Gewicht auf den Schwimmunterricht in den Schulen. Wir nehmen das sehr ernst als Aufgabe. Lassen Sie mich aber ein paar Dinge klarstellen nach den Ausführungen.

Wir haben dort, wo behauptet wird, dass der Schwimmunterricht im Land mangelhaft ist, da möchte ich sagen, das ist ein falsches Bild, was Sie da zeichnen. Fangen wir erst mal an mit den Zahlen: Im Schuljahr 2016/2017 hat an 272 von 279 staatlichen Grundschulen der Schwimmunterricht regulär stattgefunden. Das sind 97,8 Prozent. Es gab im ganzen Land nur sieben Schulen, wo das nicht der Fall war, weil hier kurzfristig ein Lehrer ausfiel oder etwas anderes Unvorhergesehenes dazwischenkam. Das sind sieben Schulen zu viel, das stimmt, aber es waren eben 97,8 Prozent, wo der Schwimmunterricht stattfinden konnte.

An diesen sieben Schulen hat dann trotzdem der Schwimmunterricht stattgefunden, nämlich wenn er in der 3. Klasse nicht stattfindet, kann er dann in der 4. Klasse nachgeholt werden oder in der 4. Klasse durchgeführt werden, und das übrigens entspricht auch durchaus dem Lehrplan. So steht es da drin, dass das geht. Auch für Tessin, wo im vergangenen Schuljahr der Schwimmunterricht entfallen musste, weil die Lehrerin kurzfristig gekündigt hatte, war geplant, dass die 4. Klasse diesen Schwimmunterricht dann durchführen würde. Tragischerweise jetzt im Juni war das geplant. Wir müssen also feststellen, den von Ihnen geforderten flächendeckenden Schwimmunterricht gibt es.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, und doch möchte ich es noch einmal betonen, wie sicher sich ein

Kind im Wasser und erst recht in freien Gewässern bewegt, diese Verantwortung können wir nicht allein an die Lehrerinnen und Lehrer weitergeben.

(Andreas Butzki, SPD: Genau.)