Protokoll der Sitzung vom 05.09.2019

(Unruhe vonseiten der Fraktion der SPD – Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Sie können hier jetzt nicht was anderes erzählen. Das steht da nicht drin. Da steht nur von Müttern, die zu Hause bleiben. – Glocke der Vizepräsidentin)

dass Sie das tun mit auskömmlichen Einkommen und gesellschaftlicher Anerkennung, meine Damen und Herren. Das ist die Intention unseres Antrages. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der AfD auf Drucksache 7/4015. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um ein Handzeichen. – Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion der AfD auf Drucksache 7/4015 bei Zustimmung der Fraktion der AfD, ansonsten Ablehnung aller anderen Fraktionen abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 22: Beratung des Antrages der Fraktionen der SPD und CDU – Demokratie stärken – engagierte Menschen schützen, auf Drucksache 7/4030. Hierzu liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 7/4119 vor.

Antrag der Fraktionen der SPD und CDU Demokratie stärken – engagierte Menschen schützen – Drucksache 7/4030 –

Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE – Drucksache 7/4119 –

Das Wort zur Begründung hat für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Barlen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erschreckende Ereignisse und tatsächlich sehr beängstigende Erkenntnisse rund um das terrorbereite rechtsextreme Prepper-Netzwerk „Nordkreuz“ haben uns hier in Mecklenburg-Vorpommern, aber längst auch im gesamten Bundesgebiet in den vergangenen zwei Jahren wiederholt beschäftigt. Und auch nach zwei langen Jahren sind diese extremistischen Vorgänge alles andere als erledigt für uns. Im Gegenteil, die Ermittlungen hier im Land und vor allem auch die Recherchen zahlreicher Medien laufen und bringen immer wieder neue widerwärtige Details zur Gedankenwelt, zur Organisation und auch zur Menschenverachtung der mutmaßlich Beteiligten ans Licht.

Meine Damen und Herren, wie so oft war der öffentliche Fokus zunächst hauptsächlich auf die mutmaßlichen Täter und deren Täternetzwerk gerichtet. Wer steckt dahinter? Was war geplant? Wer wusste davon? Wer ist dafür womöglich verantwortlich? Und weitgehend ausgeblendet und oftmals auf einen potenziellen Opferstatus reduziert wurden sehr bedauerlicherweise die Betroffe

nen, die Bedrohten und damit ja die Hauptleidtragenden dieser kriminellen Machenschaften. Erst die Berichterstattung über die nunmehr lobenswerterweise durch BKA und LKA erfolgte Unterrichtung vieler dieser engagierten Männer und Frauen, deren Namen und teils Kontaktdaten gesammelt wurden, hat deren Situation stärker beleuchtet.

Meine Damen und Herren, diese Männer und Frauen sind aber keine Nummern und Namen auf Tag-X-Listen von rechtsextremen Psychopaten, diese Frauen und Männer sind ehrenamtlich, zivilgesellschaftlich und politisch engagierte Mitmenschen unseres Landes, die vorbildlich und die aus freien Stücken für ein friedliches und für ein demokratisches und soziales Miteinander eintreten und gerade deshalb Feindbilder dieses kriminellen Netzwerkes geworden sind.

Und wenn uns die Szene auch wie aus einem schlechten Film entnommen vorkommen mag, zu wissen, dass für einen selbst oder für Freunde und Verwandte schon der Leichensack und der Ätzkalk auf der Einkaufsliste, auf dem Wunschzettel stehen, das ist schlicht grauenhaft und das hat vielen Betroffenen wirklich zu Recht sehr große Angst gemacht. Einige von Ihnen waren vorhin zu einer Mahnwache vor dem Schloss zugegen und haben dieser Angst und dieser Sorge Ausdruck verliehen.

Diesen bedrohten Menschen zu helfen, sie zu unterstützen und sie zu schützen, das, meine Damen und Herren, muss unser gemeinsamer Auftrag sein.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Und deshalb legen wir Ihnen heute den Antrag „Demokratie stärken – engagierte Menschen schützen“ vor. Es darf trotz der leider ja fortschreitenden Verrohung der politischen Debatte auch in diesem Hause keine Gewöhnung, keine Abstumpfung geben. Bedrohungen, Einschüchterungen, Angriffe und Gewalttaten gegen zivilgesellschaftlich und politisch engagierte Menschen sind ein sehr ernst zu nehmendes Alarmsignal für unseren gesamten demokratischen Rechtsstaat. Es ist in höchstem Maße demokratie- und staatsgefährdend, wenn Menschen, die sich für unser Land, für unsere Werte, für unser Gemeinwesen einsetzen, dass die für dieses Engagement bedroht werden und dass sie körperlichen und seelischen Schaden nehmen oder sogar mit dem Leben bezahlen müssen. Und auch die Familien dieser engagierten Menschen haben sehr oft zu leiden. Gegen diese Form der Bedrohung muss sich der Staat mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln und mit einer harten Gangart stellen.

Meine Damen und Herren, Bedrohte und auch Opfer politischer Gewalt müssen immer wissen, dass eine breite zivilgesellschaftliche Mehrheit und auch der gesamte Staat hinter ihnen stehen, dass sie von uns getragen und dass sie von uns geschützt werden.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Nur so, meine Damen und Herren, wenn dieses Wissen vorhanden ist, kann eine Demokratie überhaupt lebendig funktionieren, und nur dann werden mehr und nicht weniger Menschen bereit sein, sich auch für das Gemeinwesen aktiv einzubringen.

Bei unserem Kampf gegen die Feinde der Demokratie geht es indessen nicht nur um Tag-X-Listen und Leichensäcke, zu diesem Kampf gehört ebenfalls eine Ächtung der Verbreitung von Hass, Hetze und schlichten Lügen, die das politische Klima vergiften. Hass, Hetze und Lügen verhindern Engagement und vor allen Dingen erschweren sie eine vielfältige und respektvolle politische Willensbildung.

Meine Damen und Herren, die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes und insbesondere auch die Engagierten verlassen sich zu Recht darauf, dass einzelne kriminelle Kräfte und Netzwerke in Sicherheitsbehörden stigmatisiert und strafverfolgt werden. Dieses Vertrauen darf nicht weiter erschüttert oder enttäuscht werden, dieses Vertrauen muss neu zurückgewonnen werden. Und deshalb begrüßen wir ausdrücklich die Initiative unseres Innenministers Lorenz Caffier, eine gründliche Untersuchung und Aufklärung durchzuführen. Diese muss nachträglich auch zur Aufklärung der Vorgänge führen. Nur so, meine Damen und Herren, lässt sich das Ansehen auch der übrigens absolut übergroßen Mehrheit vollständig rechtschaffender Männer und Frauen bewahren, die in den Sicherheitsorganen tagtäglich ihren Kopf für die Bürger in Mecklenburg-Vorpommern hinhalten,

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

und diesen Männern und Frauen gilt unser ausdrücklicher Dank.

Meine Damen und Herren, neben dem Bekenntnis zum Schutze unserer engagierten Mitmenschen müssen weiterhin und auch zusätzlich ganz konkrete Maßnahmen ergriffen werden. So ist es sehr wichtig, dass bedrohte Menschen zukünftig immer frühzeitig über die Sicherheitslage informiert und selbstverständlich im Ergebnis der Gefährdungseinschätzung auch sensibilisiert werden. Ganz akut gibt es unserer Auffassung nach Handlungsbedarf bei der Möglichkeit, die eigene Auskunftssperre für Meldedaten zu erwirken. Hier hören wir aus der Praxis im Land, dass einige Bedrohte dies versuchen und so flapsige Antworten vom Amt bekommen nach dem Motto: Ihre Daten sind jetzt ja schon öffentlich, dann braucht man sie auch nicht mehr zu sperren. Oder: Wir würden Sie bitten, Beweis darüber zu führen, dass Sie tatsächlich bedroht sind. Hier wünschen wir uns, dass auch eine Beratung der Betroffenen, aber vielleicht auch eine Sensibilisierung der zuständigen Ämter dazu führt, dass dort die Betroffenen eher das Gefühl haben, dass sie sich auch an der Stelle auf die Unterstützung des Staates verlassen können und ihre persönlichen Daten auf eine einfachere Weise geschützt werden.

Meine Damen und Herren, darüber hinaus muss zum Schutze der Bevölkerung natürlich weiterhin das rechte Gewaltpotenzial inklusive militanter Arme, wie das oft in Rede stehende Combat 18, weiter mit hohem Verfolgungsdruck kontrolliert, zurückgedrängt und zerschlagen werden. Waffen dürfen nicht in potenzielle Mörderhände gelangen. Die Waffenbesitzkontrolle und die Entwaffnung extremistischer Kräfte müssen in Mecklenburg-Vorpommern mit Hochdruck fortgesetzt werden. Das länderübergreifende Zusammenarbeiten der Sicherheitsorgane für Gefährder muss verstärkt werden. Solche Taten müssen frühzeitig erkannt und verhindert werden. Der deutsche Staat hat versprochen, dass sich so etwas wie der NSU nie wiederholen kann.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Wir sind mittendrin in der Wiederholung.)

Hier stehen wir in der Pflicht und müssen beweisen, dass dies auch tatsächlich nicht geschehen kann.

Meine Damen und Herren, ich freue mich auf eine Debatte hierzu im Sinne der Betroffenen. – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE)

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 64 Minuten vereinbart. Ich kann Widerspruch nicht sehen und auch nicht hören, dann ist das so beschlossen und wir verfahren so. Ich eröffne die Aussprache.

Für die Landesregierung hat ums Wort gebeten der Minister für Inneres und Europa. Bitte schön, Herr Caffier.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Ich danke den Regierungsfraktionen für ihren Antrag, führt er doch im Einzelnen aus, was Sicherheitsbehörden in unserem Land unternehmen, um Menschen zu schützen, die sich für unsere Freiheit und unsere Demokratie engagieren, führt er auch aus, wo wir im Einzelnen gegebenenfalls nachsteuern müssen. Unbestritten, diesen Menschen gilt unser Dank, egal, ob sie aus der Zivilgesellschaft, aus Politik, Journalismus, der Wissenschaft oder aus welchem Bereich auch immer kommen. Die Demokratie lebt von einer vielfältigen Willensbildung. Alle Meinungen, alle Interessen und Erfahrungen gehören in unserer Demokratie dazu.

(Beifall Jens-Holger Schneider, AfD)

Ist diese Vielfalt nicht gegeben, weil Menschen eingeschüchtert werden und Angst um ihre Unversehrtheit haben müssen, kommt der Maschinenraum der Demokratie ins Stottern.

Aber es gibt Grenzen in dieser Willensbildung. Aussagen, die beispielsweise bestimmten Menschengruppen die Menschenwürde absprechen, fallen nach meiner festen Überzeugung nicht unter das Recht auf freie Meinungsäußerung. Sie sind mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht vereinbar. Ich möchte das ganz klar in Richtung derjenigen sagen, die sich auf das Recht auf freie Meinungsäußerung berufen, um Hass und Hetze zu verbreiten, in Richtung derjenigen, die einen Keil in unsere offene Gesellschaft treiben wollen und die der Demokratie damit großen Schaden zufügen.

Meine Damen und Herren, gerade weil die vielfältige Willensbildung die größte Stärke unseres Staates ist und uns von der übergroßen Mehrheit der Länder auf dieser Erde unterscheidet, muss es uns auch unglaublich viel wert sein, sie zu schützen und diejenigen zu unterstützen, die unsere Demokratie mit Leben füllen.

(Jens-Holger Schneider, AfD: Ja.)

Der Staat, die Sicherheitsbehörden tun dies rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr hoch professionell. Der deutsche Staat ist ein Paradebeispiel dafür, wie Verwaltung gewissenhaft und verlässlich und geräuschlos, schlicht, rechtsstaatlich funktioniert – mit allen damit verbundenen Hö

hen und Tiefen, die es gibt. Wir können stolz darauf sein, dass die Verwaltung in Deutschland zu den guten auf der Welt zählt. Ja, es gibt da Bürokratie. Der Grund dafür liegt aber in der Regel nicht in der Verwaltung selbst, sondern daran, dass wir Deutsche gerne gerechtigkeitshalber jeden Einzelfall regeln wollen. Dennoch, auch in Europa beneiden uns viele Menschen um unseren Verwaltungsapparat. Gerade mit Blick auf die Opfer von Bedrohung, Einschüchterung und Extremismus sollten wir die Sicherheitsbehörden dabei unterstützen, dass sie ihrem Auftrag stets hoch professionell nachkommen können und nachkommen müssen, denn es ist ja auch ihr Auftrag. Trotzdem müssen wir wachsam bleiben, um Einzelfälle konsequent aufzudecken.

Die ganze Diskussion um die in der Öffentlichkeit oft als „Todeslisten“ bezeichneten Materialsammlung wurde 2017 durch Razzien bei einem Rostocker Anwalt und einem suspendierten Polizisten losgetreten.

(Peter Ritter, DIE LINKE: „Losgetreten“, wenn ich das schon höre!)

Auch Personen aus unserem Bundesland sind hiervon betroffen. Nichts deutet jedoch daraufhin, dass für diese Personen eine reale Gefahr bestand oder besteht.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Da bin ich ja beruhigt!)

Aus rein sachlicher Sicht ist die Diskussion hierzu deshalb sicherlich ein Stück weit aus der Kontrolle gelaufen. Von Feindes- oder gar Todeslisten kann nach Einschätzung aller an dem Verfahren beteiligten Behörden überhaupt keine Rede sein.

(Zuruf von Horst Förster, AfD)

Emotional kann ich nach Bekanntwerden einiger der Aspekte der Ermittlung und der teilweisen Fehler, die dabei aufgetreten sind, und auch der Berichterstattung jedoch verstehen, dass eine Verunsicherung eingetreten ist. Nach der Befragung der Zeugen durch das BKA habe ich mich deshalb bekanntermaßen dazu entschlossen, die Personen und Institutionen zu informieren, die in dieser Materialsammlung erfasst sind und Bezug zu unserem Bundesland haben.

Trotzdem, wenn die Sicherheitsbehörden einhellig zu dem Schluss kommen, dass keine Gefahr für Personen besteht, würde ich mir schon wünschen, dass dies nicht durch wilde Spekulationen infrage gestellt wird.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Ich betone ausdrücklich, die Sicherheitsbehörden, und sage noch mal deutlich: nicht der Minister oder der Staatssekretär, sondern die zuständigen Sicherheitsbehörden. Alles andere trägt nur zur Verunsicherung unter den Menschen bei und spielt letztendlich Extremisten in die Hände.

Für die Sicherheitsbehörden gibt es überhaupt keinen Grund, wissentlich Zehntausende Personen einer Gefahr auszusetzen. Die Frauen und Männer, die für Sicherheit und Ordnung sorgen, dienen nichts anderem als dem Schutz der Menschen in unserem Land, und diesen Auftrag erfüllen sie zu überwiegend großen Teilen gewissenhaft. So werden Gefährdungsprognosen für Personen