Protokoll der Sitzung vom 17.10.2019

Erstens. Warum wurden die Vorgaben des Landtages aus der Gesetzeinbringung bisher nicht umgesetzt?

Zweitens. Ist es ausreichend, wenn das Gesetz dem Innenminister lediglich die Rechtsaufsicht des Verwaltungshandelns zuweist, aber die Fachaufsicht ungeklärt bleibt?

Drittens. Wer hat sich de facto von 1992 bis 2019 um die Fachaufsicht und den sorgsamen Umgang mit den Geldern unserer Kommunen gekümmert?

Viertens. Bei welchen Banken und mit welcher Rendite ist das Geld der Gemeinden aus Mecklenburg-Vorpommern angelegt worden?

Fünftens. Wer hat die Aufgaben der Finanzrevision im Verband vorgenommen?

Und sechstens. Wie effizient arbeitet eine Behörde mit Dienstsitzen in Kiel, Schwerin und Strasburg? Wann hat der Innenminister die Zweckmäßigkeit dieser Verwaltungsstruktur das letzte Mal überprüft?

Meine Damen und Herren, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird die ursprüngliche Zielsetzung des Parlaments aus dem Jahre 1992 umgesetzt. Zusätzlich wird der Innenminister neben der bisherigen Rechtsaufsicht auch mit der Wahrnehmung der Fachaufsicht über den Kommunalen Versorgungsverband Mecklenburg-Vorpommern betraut. Die nach dem ursprünglichen Willen des Landtages nur auf fünf Jahre angelegte Beauftragung der VAK Schleswig-Holstein wird nun endlich durch den Gesetzentwurf nach mittlerweile 27 Jahren beendet. Deshalb werbe ich um Zustimmung zur Überweisung des Gesetzentwurfes in die Ausschüsse für Inneres, für Finanzen und für Recht.

Unabhängig davon bleiben viele Fragen offen, insbesondere zum Finanzgebaren des Kommunalen Versorgungsverbandes Mecklenburg-Vorpommern in den letzten 27 Jahren. Hier ist die Aufarbeitung nicht abgeschlossen. Herr Caffier, Sie werden verstehen, dass wir auch dazu in naher Zukunft Aufklärung erwarten. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter.

Im Ältestenrat wurde vereinbart, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 55 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat für die Landesregierung der Minister für Inneres und Europa Herr Caffier.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In Anbetracht des straffen Zeitplanes kann ich mich zu dieser Thematik relativ kurzfassen, Herr Kollege Jess.

Worum geht es denn eigentlich? 1992 haben die Kommunalen Versorgungsverbände Mecklenburg-Vorpommern und die Versorgungsausgleichskasse Schleswig-Holstein eine Verwaltungsvereinbarung geschlossen, wonach der Kommunale Versorgungsverband Mecklenburg-Vorpommern die VAK in Kiel für die Durchführung seiner Aufgaben in Anspruch nimmt – im Übrigen was, was die Landesregierung immer wieder einfordert, dass wir auch gemeinsam Einrichtungen führen, dass wir über die Ländergrenzen hinaus zusammenarbeiten

(Beifall Thomas Krüger, SPD: Das ist das Ziel, das ist ausdrückliches Ziel.)

und dass wir einfach die Synergieeffekte, die sich für alle dadurch ergeben, auch nutzen.

Gestatten Sie mir die Anmerkung, die Anzahl der kommunalen Bediensteten, also sprich Verbeamteten in Mecklenburg-Vorpommern, hält sich sehr überschaubar,

insofern ist es auch sehr sinnvoll, dass wir nicht noch mal eine eigene Einrichtung zu dieser Thematik machen. Die Versorgungsleistungen für die kommunalen Beamten in Mecklenburg-Vorpommern werden aus Kiel verwaltet. Damals sah man sich schlicht noch nicht in der Lage, diese Aufgabe selbstständig wahrzunehmen. Das war der Ausgangspunkt. Diese Vereinbarung wurde auf unbestimmte Zeit getroffen, und die Zusammenarbeit mit der VAK Kiel hat sich über Jahrzehnte etabliert und bewährt.

Sie wollen nun mit Ihrem Gesetzentwurf aufgrund eines Falls veruntreuten Geldes, den Sie hier angesprochen haben, bei der Versorgungsausgleichskasse SchleswigHolstein bewirken, dass die entsprechende Verwaltungsvereinbarung zwischen den Verbänden mit der schleswigholsteinischen Seite aufgekündigt wird. Sie nehmen damit das Fehlverhalten einer einzelnen Person zum Anlass, um organisatorisches Versagen zu unterstellen und damit eine Änderung des Kommunalen Versorgungsausgleichsgesetzes zu begründen, denn nichts anderes schwingt ja letztendlich in Ihrer Begründung des Textes mit, die nicht sehr unterschwellige Unterstellung, dass es zu einem solchen Untreuefall nicht gekommen wäre, wenn die Versorgungsleistungen der kommunalen Beamten in Mecklenburg-Vorpommern nicht aus Kiel, sondern aus Schwerin verwaltet würden. Sie verschweigen dabei aber, dass der Untreuefall erstens lückenlos aufgeklärt worden ist und dass die verloren gegangenen Gelder auch in voller Höhe zurückgezahlt wurden beziehungsweise zurückgeflossen sind.

Wir alle wissen, dass es in Organisationen immer wieder zu Fehlverhalten kommen kann, egal, ob in MecklenburgVorpommern, Schleswig-Holstein oder anderswo. Solche Vorfälle jedoch immer wieder aus politischen Gründen zu skandalisieren, um daraus politische Narrative von organisatorischem Fehlverhalten zu bauen, ist so sinnbefreit wie letztendlich auch durchschaubar.

Fakt ist, die Zusammenarbeit mit der VAK Kiel hat sich über Jahrzehnte bewährt. Aus Sicht der Landesregierung besteht überhaupt keine Veranlassung für die Beendigung der Kooperation. Natürlich kann man unabhängig von diesen Vorfällen in Kiel immer überlegen, ob die gleiche Aufgaben nicht auch in unserem Bundesland wahrgenommen werden können. Das ist natürlich grundsätzlich – das haben Sie richtigerweise ausgeführt – auch möglich, aber man muss den Aufbau einer eigenen Verwaltung in Mecklenburg-Vorpommern eben auch praktisch durchspielen.

Wir alle wissen um den Fachkräftemangel. Jedes Ministerium, jeder Verband, jedes Unternehmen hat damit zu kämpfen. Wir reden hier von absoluten Spezialisten in der Beamtenversorgung. Die muss der Kommunale Versorgungsverband Mecklenburg-Vorpommern erst einmal ins Land ziehen. Auch hätte der Verband erheblich höhere Kosten im Vergleich zur jetzigen Kooperation mit der VAK allein schon deshalb, weil die Verwaltungsvereinbarung kündigungsbedingte Kosten vorsieht, und aus schlichten Effizienzgründen macht es aus meiner Sicht keinen Sinn, eine eigene Verwaltung – das habe ich schon eingangs erwähnt – für die geringe Zahl der Beschäftigten in Mecklenburg-Vorpommern im Beamtenstatus innerhalb der kommunalen Ebene aufzubauen.

Vielmehr würden die Änderungen, die hier vorgeschlagen werden, einen Eingriff in die grundsätzlich verbriefte Selbstverwaltungsgarantie der Mitglieder des Verbandes

Mecklenburg-Vorpommern bedeuten. Die Mitglieder des Versorgungsverbandes Mecklenburg-Vorpommern können über Vertreter im Verwaltungsrat selbstverantwortlich entscheiden, wie die eigene Organisation im Rahmen der Gesetze zu erfolgen hat, und hier hat sich eben nun der Verwaltungsrat bewusst dafür entschieden, die Zusammenarbeit mit der VAK fortzuführen, auch im Angesicht des bekannt gewordenen Untreuefalls. Diese Entscheidung ist einzig und allein die Sache des Versorgungsverbandes Mecklenburg-Vorpommern und nicht die Entscheidung der Politik. Dies ist eine Entscheidung des Versorgungsverbandes und seiner Mitglieder, und sie ist so getroffen worden, und eben nicht von einzelnen Fraktionen oder anderen. Die Einführung der im Gesetzentwurf geforderten Fachaufsicht wäre dann auch absolut systemwidrig.

Im Übrigen wäre eine gesetzliche Bestimmung des Dienstsitzes des Direktors, wie in Ziffer 3 gefordert, ein absolutes Paradebeispiel für eine komplette Überregulierung. Und überhaupt ist sie auch ansatzweise nicht erforderlich. Wir sollten nicht auf der einen Seite kommunale Selbstverwaltung mit Eigenverantwortung, egal, ob auf der kommunalen Ebene oder auf der Ebene von Verbänden oder Sonstigem, einfordern und auf der anderen Seite ihnen dann sozusagen diese Eigenverantwortung entziehen, mit der Maßgabe, wir als Politik können das besser bestimmen. Ich glaube, das ist der falsche Ansatz, und deswegen empfehlen wir, das Gesetz abzulehnen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Vielen Dank, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE Frau Rösler.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin immer dafür, vorhandene Probleme und mögliche Lösungsansätze zu diskutieren. Ich bin aber strikt dagegen, künstliche Probleme zu konstruieren. Und wenn ein Gesetzentwurf auf einem künstlich konstruierten Problem basiert, dann sehe ich auch keinen Sinn, darüber im Ausschuss zu beraten.

(Beifall Egbert Liskow, CDU)

Untreue in besonders schwerem Fall, wovon die SVZ, die OZ und andere Medien berichtet haben und worauf der Gesetzentwurf gestützt wird, diese Untreuevorgänge sind einerseits verbunden mit erheblicher krimineller Energie, andererseits aber sind derartige Vorgänge nicht auf Kiel oder auf Schleswig-Holstein begrenzt.

(Thomas Krüger, SPD: So ist es.)

Derartige Fälle sind leider grundsätzlich auch in Mecklenburg-Vorpommern denkbar. Eine Aufgabenübernahme durch den Versorgungsverband und eine Aufgabenerfüllung in Mecklenburg-Vorpommern würden hier also keinerlei Veränderung bringen.

(Thomas Krüger, SPD: Sehr richtig!)

Meine Damen und Herren, weder das Innenministerium noch der Deutsche Beamtenbund oder die kommunalen Landesverbände haben vor diesem Hintergrund eine Aufhebung der bestehenden Geschäftsbesorgung ver

langt. Gefordert wurden vielmehr effektivere Schutzmechanismen, und es darf auch daran erinnert werden, dass die kriminellen Vorgänge maßgeblich durch hausinterne Kontrollen aufgedeckt wurden.

Zweitens stützt sich der Gesetzentwurf auf das damalige Ansinnen von 1992, die Wahrnehmung der Aufgaben durch die Versorgungsausgleichskasse Schleswig-Holstein im Grunde auf rund fünf Jahre zu begrenzen. Danach sollten gegebenenfalls Alternativen geprüft werden.

Meine Damen und Herren, die AfD erwähnt zwar die Änderung des Kommunalen Versorgungsverbandsgesetzes Mecklenburg-Vorpommern vom Jahr 2015, inhaltlich aber wird dieses Änderungsgesetz eher ausgeklammert, denn es passt möglicherweise nicht so recht in die eigene Argumentation. 2015 sagt der Landesgesetzgeber nämlich, dass es sinnvoll erscheint, bereits vorhandene Ressourcen zu bündeln und weitere Dienstleistungen optimal mit einzubinden. Es ist von Kosteneinsparungen und von kosteneffizienteren Prozessabläufen zu lesen. Und schließlich stellt der Landesgesetzgeber 2015 – also nicht vor 27 Jahren – fest, dass die bestehende Geschäftsbesorgung dem kommunalpolitischen Willen der Intensivierung der Zusammenarbeit entspricht.

Meine Damen und Herren, damit geht dem vorliegenden Gesetzentwurf die Problembeschreibung verloren, die vermeintliche Lösung ist deplatziert. Wir werden einer Überweisung daher selbstverständlich nicht zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE und Beate Schlupp, CDU)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete.

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der SPD Frau Tegtmeier.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Den ablehnenden Argumenten kann man sich einfach nur anschließen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr gut!)

Wenn man sich das Konstrukt, das von Herrn Jess als struktureller Mangel praktisch umschrieben wurde, anschaut und die darin getroffenen Festlegungen, was zum Beispiel den Verwaltungsrat und seine Aufgaben angeht, was den Verlauf – der Minister hat das referiert, Frau Rösler hat auch noch mal darauf Bezug genommen – der Gesetzesumsetzung angeht, kann man zu gar keinem anderen Schluss kommen, weil den größten Makel, den der Antrag oder der Gesetzentwurf der Fraktion der AfD hat, ist eigentlich der, dass die kommunale Initiative gänzlich fehlt.

Im Gegenteil, auch wir sind der Auffassung, dass sich dieses Konstrukt nicht nur bewährt hat, sondern dass es eher zu fördern ist, auch über Ländergrenzen hinweg die Zusammenarbeit zu pflegen ist, um Effizienzgewinne zu generieren. Das machen wir in anderen Bereichen, in manchen Bereichen wäre das noch wünschenswerter, als wir es jetzt hinbekommen. Auf jeden Fall soll man bewährte Strukturen nicht zerschlagen und schon gar nicht auf Kosten anderer das tun, weil wenn man eine Struktur in diesem Land aufbauen würde – die Probleme

sind schon angeführt worden –, wäre das auch mit einem riesigen Kostenfaktor verbunden, und wer den tragen soll, das kann man sich dann ja auch wieder denken.

Und zu dem Fehlverhalten einzelner Personen kann ich nur sagen, es war mehr als eine, es waren mindestens zwei,

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

wenn nicht sogar noch mehr, aber wenn die Aufklärung bei allen Straftaten so erfolgen würde, dass die Schäden praktisch hinterher nicht mehr spürbar sind, dann kann man nur sagen, herzlichen Glückwunsch, das hat mal gut geklappt. Also mit anderen Worten, auch wir werden einer Überweisung nicht zustimmen, sondern den Gesetzentwurf ablehnen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD und Peter Ritter, DIE LINKE)