Protokoll der Sitzung vom 14.11.2019

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich habe es gestern schon gesagt, als wir über das Schulgesetz debattiert haben: Ziel unserer Bildungspolitik muss es sein, dass wir überall im Land für alle Kinder und Jugendlichen eine gute Schule haben, die ihnen gleiche Chancen und eine umfassende gute Bildung ermöglicht. Die größte Herausforderung, um genau dieses Ziel – ich denke, was wir alle gemeinsam haben –, die größte Herausforderung, dieses Ziel umzusetzen, das ist, dass wir genügend und auch genügend gute Lehrerinnen und Lehrer in den Klassen haben.

Und auch niemand hier hat das, diese Situation, die wir ja haben, bisher schöngeredet, liebe Frau Oldenburg,

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Sie stimmt zu, das ist doch gut.)

denn wir wissen schon lange, nicht erst seit der RadischStudie, die heute auch schon zitiert wurde,

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Nee, meine Kleine Anfrage.)

dass die Schere zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt für Lehrkräfte bedenklich auseinandergeht. Rund 60 Prozent unserer Lehrerinnen und Lehrer sind heute älter als 50 Jahre. In den kommenden zehn Jahren werden 80 Prozent circa in den wohlverdienten Ruhestand gehen. Das bedeutet, dass wir im Schnitt jährlich rund 700 zusätzliche Lehrerinnen und Lehrer ins System, ins Schulsystem, hineinbekommen müssen. Der Einstellungsbedarf ist also hoch. Und ich wiederhole es deshalb auch gerne noch mal: Die größte Aufgabe für die Schulpolitik in diesem Land ist es bereits heute und wird es in den kommenden Jahren sein, die Lehrerbildung und die Lehrergewinnung gut zu strukturieren. Beides steht für mich an erster Stelle der Prioritätenliste.

Trotzdem halte ich gar nichts davon, bei diesem Thema Panik zu machen und den Teufel an die Wand zu malen. Es hilft uns ganz sicher nicht, zusätzliche Lehrkräfte ins Land zu bekommen, wenn wir

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Sie schweigen.)

unseren Schulstandort Mecklenburg-Vorpommern immer nur schlechtreden, im Gegenteil, denn bislang ist es uns in den vergangenen Schuljahren, in denen der hohe Bedarf schon sehr spürbar wurde, bislang ist es uns in der Tat gelungen, zahlenmäßig jedes Jahr in den letzten zwei Jahren zusätzlich 700 zusätzliche Lehrer zu gewinnen, und wir stellen auch zusätzlich über das ganze Jahr hinaus immer wieder natürlich Lehrerinnen und Lehrer neu ein. Das ist – und da hat Frau Oldenburg wiederum völlig recht – ein absoluter Kraftakt. Und wir wissen, dass diese Situation sich von Jahr zu Jahr verschärfen wird. Insofern, ja, wir haben einen hohen Handlungsbedarf.

Hier nur zum Vergleich: Wir haben früher – sagen wir, es ist noch gar nicht so viele Jahre her – im Schnitt 200 zusätzliche Lehrkräfte jährlich zum neuen Schuljahr eingestellt. Es sind jetzt 700, wie ich gerade gesagt hatte. Das ist ein riesiger zusätzlicher Kraftakt.

Noch dazu befinden wir uns bundesweit in einem erheblichen Wettbewerb um ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer, denn in den anderen Bundesländern ergeht es dem Arbeitsmarkt Lehrerinnen und Lehrer ja auch nicht anders. Das sieht man nicht zuletzt auch daran, dass um uns herum alle Bundesländer auch – so wie wir – eine Lehrerwerbekampagne eingeführt haben. Es ist also völlig klar, dass wir uns um die Qualifizierung, um die ausreichende und gute Qualifizierung der Lehrkräfte im eigenen Land mit Nachdruck kümmern müssen.

Und deshalb ist es auch gut und richtig, dass wir uns mit dem Thema Lehrkräfte im Seiteneinstieg hier im Hohen Haus binnen weniger Wochen nun jetzt noch mal auseinandersetzen. Denn zur Wahrheit gehört, und das haben wir gerade auch gehört, dass ein großer Prozentsatz derer, die wir neu ins System holen, Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger sind. In diesem Jahr waren es zu denen, die zusätzlich hinzugekommen sind, rund ein Drittel. Der Vergleich zu anderen Bundesländern zeigt, dass wir damit, das verändert jetzt die Tatsache nicht, aber wir liegen damit im Vergleich zu anderen Bundesländern nicht oben, sondern eher ganz gut im Vergleich.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Der Bundesdurchschnitt ist 13, wir haben 16 Prozent.)

Wir haben in Berlin 70 Prozent Seiteneinsteiger gehabt in diesem Jahr, aber uns ist auch völlig klar, wir werden in den nächsten Jahren nicht ohne Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger auskommen, um die Unterrichtsversorgung sicherzustellen.

Das weiß ich, dass das sehr kontrovers diskutiert wird, aber ich möchte auch hier noch mal betonen – und ich habe auch Frau Oldenburg nicht so verstanden, dass sie das getan hat –, dass wir die Arbeit der Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger nicht schlechtreden. Es gibt viele Schulen, die mir sagen, die machen gute Arbeit, die sind auch eine Bereicherung für den Schulalltag. Aber was auch stimmt, ist, dass wir schauen müssen, dass Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger eine gute und eine ausreichende Qualifizierung haben, damit sie neben dem Fachwissen, was sie ja oft schon mitbringen, eben auch die pädagogischen und didaktischen Fähigkeiten erwerben können, die eine Lehrkraft benötigt, und dass

sie auch im Lehrerzimmer, sage ich jetzt mal, auf Akzeptanz stoßen und auch da eine Kooperation auf Augenhöhe passieren kann.

Hier sehe ich – und das haben auch Sie, Frau Oldenburg, betont –, hier sehe ich einen großen Handlungsbedarf. Wir müssen bei der Ausbildung, bei der Fortbildung der Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger etwas obendrauf legen.

Ich bin auch der Meinung, dass alle, die sich in den Schuldienst begeben als Seiteneinsteigerin und Seiteneinsteiger, vorher schon etwas gehört haben sollten von Pädagogik und Didaktik. Ich glaube, dass der Schritt, den wir getan haben mit dem Kompaktkurs – das ist in diesem Jahr das erste Mal so gewesen,

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: 20 Prozent haben teilgenommen, 20 Prozent!)

dass wir das in den Schulferien gemacht haben, es ist dort nicht gelungen, alle zu erwischen,

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: 20 Prozent!)

die dann am ersten Schultag als Seiteneinsteiger drin waren. Das hatte etwas damit zu tun, dass sie zu dem Zeitpunkt, wo der Seiteneinsteigerkompaktkurs losging, noch gar nicht unter Vertrag standen. Ich glaube, hier müssen wir hingucken. Auch ich bin der Meinung, jeder muss vorher schon etwas von Pädagogik und Didaktik gehört haben und dort einen ersten Anstoß bekommen haben.

Und ich teile auch die Position, dass wir einen berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst ins Auge fassen sollten, also ein Referendariat auch für Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger einführen sollten. Das ist nicht trivial. Die Lehrkräfte im Seiteneinstieg bringen ganz unterschiedliche formale Qualifikationen mit. Die allermeisten bringen ein abgeschlossenes Hochschulstudium mit. Können daraus jetzt ein Fach, zwei Fächer abgeleitet werden oder auch keins,

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Oder gar keins, genau.)

genau – wie beispielsweise bei den Juristen, das haben wir ja auch beispielsweise –, oder hat die Person stattdessen vielleicht eine Berufsausbildung, auch das gibt es, viele Jahre Berufserfahrung. Gerade in den beruflichen Schulen ist das durchaus sinnvoll. Sie sehen schon, man kann nicht alle über einen Kamm scheren, es muss also passgenau sein und es muss vergleichbar sein.

Im Bildungsministerium arbeiten wir bereits an einem konkreten Konzept der Seiteneinsteigerqualifizierung, bei der wir natürlich all diese Fragen, die aufgeworfen wurden soeben, auch mit in den Blick nehmen. Und wir begrüßen es ausdrücklich, dass auch die Opposition sich konkret mit dieser Frage auseinandersetzt, wie eine solche Neustrukturierung aussehen sollte. Bei den einzelnen Vorschlägen im Antrag allerdings, die die Fraktion der LINKEN hier einbringt, mache ich noch so die einen oder anderen Fragezeichen, ob das fachlich so Sinn macht. In Teilen würden Sie unter anderem auch die Vorgaben der Kultusministerkonferenz nicht erfüllen.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Quatsch!)

Aber noch einmal, ich denke, dass wir uns der Diskussion, wie wir das in Zukunft mit den Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern halten wollen, was die Qualifizierung angeht, und ja, auch der Referendare, ich teile die Ansicht, dass wir uns damit auseinandersetzen müssen – gemeinsam, die Regierungskoalition mit allen, die sich an der Debatte beteiligen –, und ich freue mich auf die Debatte in den kommenden Monaten, um da auch konkret zu werden. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Vielen Dank, Frau Ministerin.

Für die Fraktion der AfD hat jetzt das Wort der Abgeordnete Schneider.

Wertes Präsidium! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Landsleute! Der Einfachheit halber verweise ich vorneweg schon mal darauf, dass wir die männliche Form gewählt haben, wir selbstverständlich aber alle infrage kommenden Geschlechter ansprechen, da wir Menschenfreunde sind und niemanden außen vor lassen wollen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Der Antrag der Fraktion DIE LINKE versucht, das zunehmende Problem des Lehrermangels von zwei Seiten her anzugehen, einerseits durch Verkürzung des Vorbereitungsdienstes für Lehramtsanwärter und Referendare auf 12 Monate, sodass diese früher an die Schulen kommen, und zum anderen durch einen 18-monatigen Vorbereitungsdienst für Seiteneinsteiger, sodass dann mehr voll ausgebildete Lehrkräfte zur Verfügung stehen. Beides halten auch wir für sinnvolle Maßnahmen und befürworten deshalb die Überweisung in den Bildungsausschuss.

Der vorliegende Antrag lässt allerdings einige wichtige Fragen offen. Beginnen wir mit II.1.a). Hier wird ein verpflichtender dreimonatiger Vorbereitungskurs für Seiteneinsteiger gefordert. Die jetzige Regelung sieht einen lediglich fünfwöchigen Kompaktkurs vor. Ein solcher lässt sich bequem in die Ferien legen. Die Organisation eines dreimonatigen Vollzeitkurses ist dagegen schwerer zu organisieren und erfordert die Einstellung weiteren Personals im IQ M-V.

Unter Punkt 1.b) wird daran anschließend ein verpflichtender 18-monatiger Vorbereitungsdienst gefordert, der mit einer Prüfung zum Zweiten Staatsexamen abschließt. Hier bleibt allerdings unklar, wie dieser Vorbereitungsdienst konkret ablaufen soll. Das genannte Ziel des Zweiten Staatsexamens deutet darauf hin, dass er analog zum bisherigen Vorbereitungsdienst der Lehramtsanwärter organisiert wird. Die Seiteneinsteiger müssten dann also das ganze vielfältige Programm des Vorbereitungsdienstes absolvieren.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Genau so.)

Dabei hätten sie aber im ersten Halbjahr nur wenig und im zweiten Halbjahr nur zehn Stunden selbst zu unterrichten. Sie sollen ja aber gerade den Unterrichtsbedarf abdecken,

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Nee, das ist eben falsch. Sie sollen erst mal das Unterrichten lernen, Mensch!)

für den keine regulären Lehrkräfte gewonnen werden konnten. Für die Behebung des Lehrkräftemangels könnte das also eher kontraproduktiv wirken.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Ja, genau, weil wir alles nach vorne stellen.)

Daran schließt sich die Frage an, wie die Vergütung dieser Neulehrer aussehen soll. Werden sie wie die regulären Lehramtsanwärter und Referendare bezahlt, so werden sich wohl erheblich weniger Interessenten für einen Seiteneinstieg ins Lehramt finden.

(Zuruf von Simone Oldenburg, DIE LINKE)

Vergütet man sie wie bisher als Lehrer, so entstünde eine erhebliche Gerechtigkeitslücke gegenüber den regulären Referendaren, die das Gleiche bei deutlich niedrigeren Einkünften leisten müssen. Wie will man ihre erhebliche Besserstellung beim Einkommen begründen? Ein Studium haben in der Regel ja beide Gruppen schon absolviert. Wenn man dagegen den Seiteneinsteigern das normale oder wenig reduzierte Unterrichtsdeputat eines Lehrers auferlegt, so dürften sie zumindest kaum in der Lage sein, den Anforderungen des Vorbereitungsdienstes mit anschließendem Zweiten Staatsexamen gewachsen zu sein.

Gänzlich unberücksichtigt bleiben im Antrag eben auch die sehr unterschiedlichen Qualifikationen der Seiteneinsteiger, die in fachlicher Hinsicht nicht immer mit den Kenntnissen regulärer Lehrer deckungsgleich sind, sodass in manchen Fällen durchaus die Forderung nach fachlicher Nachschulung angebracht wäre, während andere Seiteneinsteiger deutlich herausragende fachliche Kenntnisse und Kompetenzen mitbringen.

II.2 will derartige Probleme in den Fächern Sport, Musik, Kunst und Gestaltung durch eine Eignungsprüfung lösen. Gerade in diesen Fächern haben viele Lehrkräfte keine Lehrbefähigung, darunter zahlreiche Seiteneinsteiger. Hier stellt sich die Frage, ob diese Eignungsprüfung auf dem fachlichen Niveau des Ersten Staatsexamens erfolgen soll. Vermutlich würde sich die Zahl der dringend gebrauchten Seiteneinsteiger dadurch weiter verringern, während dann im Anschluss die Qualität stiege.

Punkt II.3 würde dagegen den Lehrermangel quantitativ lindern, indem der Vorbereitungsdienst der Lehramtsanwärter auf zwölf Monate verkürzt würde. Dieser Vorbereitungsdienst gehörte ohnehin einer gründlichen Evaluation unterzogen, zumal angesichts der massiven Kritik, die von Referendaren immer wieder an ihrer Ausbildung geübt wird. Teile der theoretischen Ausbildung könnten dann in das Fachstudium vorverlagert und eine entsprechende Verschiebung zugunsten des praktischen Teils stattfinden.

Dann erscheint uns aber die Forderung des Antrags als wenig sinnvoll, den eigenverantwortlichen Unterricht der Lehramtsanwärter und Referendare generell auf nur fünf Stunden festzulegen. Nach der bisherigen Regelung sind es zehn Wochenstunden eigenverantwortlicher Unterricht im zweiten und dritten Ausbildungsjahr. Im ersten Halbjahr, wie gesagt, folgen einer Hospitationsphase nur relativ wenige Wochenstunden.

Unbeantwortet bleibt auch die Frage, wie lange der Vorbereitungsdienst mit Doppelqualifikation dauern soll, der

bisher 24 Monate umfasste, und welche Möglichkeiten der Verkürzung des Referendariats bestehen bleiben. Auch fehlt dem Antrag jegliche Differenzierung nach Lehrämtern. In den höheren Jahrgangsstufen spielt das Fachwissen in den Unterrichtsfächern eine ungleich größere Rolle als in der Grundschule.

Wenngleich der Antrag in die richtige Richtung weist, bleiben doch noch viele Details auszufeilen und auszudifferenzieren. Deshalb schlagen wir seine Überweisung in den Bildungsausschuss vor, könnten uns jetzt bei einer Abstimmung aber nur enthalten. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.