Als Zweites haben Sie einen Antrag eingebracht, dem man auch nicht zustimmen kann, weil die ganze Finanzierung, wie gesagt, nicht geregelt ist. Dem Antrag der LINKEN zu diesem Thema werden wir zustimmen, weil es zumindest eine Signalwirkung hat, und die Opposition kann das machen.
Das finden wir gut, das ist eine positive Signalwirkung, dass man die Kommunen eben nicht im Regen stehen lassen will, meine Damen und Herren. Wir empfehlen, wir selber lehnen diesen Gesetzentwurf ab und empfehlen dies auch allen Abgeordneten in diesem Landtag,
(Thomas Krüger, SPD: Ich denke, Sie wollen was für Menschen mit Behinderung machen?! Jetzt lehnen Sie es ab?!)
Und das nützt auch nichts, auf die Frage hin, was passiert denn mit den vielen Menschen mit Behinderung ab dem 1. Januar 2020,
dass der Staatssekretär aus dem Sozialministerium sagt, dann kriegen die eben kein Geld. Das war die Aussage, das war die dreiste Aussage aus dem Sozialministerium, und dem ist eben nicht so. Es gibt einen Rechtsanspruch, und wenn Sie nicht liefern und die Landesregierung nicht liefert, obwohl der Termin für die Umsetzung seit Langem feststeht, dann hat jeder Mensch mit Behinderung und haben die Kommunen auch ein Klagerecht, meine Damen und Herren, gegen das Land, und die werden ihr Geld bekommen. Also diese Erpressungsmethode seitens des Sozialministeriums wollte ich hier noch mal kundtun. So funktioniert das hier nicht, meine Damen und Herren. – Vielen Dank.
Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, begrüße ich recht herzlich auf der Besuchertribüne Schülerinnen und Schüler der Heinrich-Heine-Schule in Gadebusch. Herzlich willkommen hier im Landtag!
Und gestatten Sie mir an dieser Stelle auch einmal ein herzliches Dankeschön an unseren Besucherdienst, der mit sehr viel Engagement unsere Besuchergruppen betreut. Vielen Dank dafür!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Damen und Herren! Die abschließende Beratung des Gesetzgebungsverfahrens zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes steht unter besonderen Vorzeichen.
Das BTHG ist ohne Frage die zentrale sozialpolitische Herausforderung unserer Zeit, und zwar für Bund, Länder, Landkreise, Kommunen und Betroffene gleichermaßen. Der Bund hat am 23. Dezember 2016 den Reformprozess initiiert und die Länder sind nun in einem schrittweisen Verfahren zur Umsetzung bis 2023 aufgerufen. In Mecklenburg-Vorpommern konnten wir bereits im Januar 2018 erste notwendige Anpassungen ins Landesrecht umsetzen. Ein Großteil der mit dem BTHG verbundenen Änderungen erfolgt nun zum 01.01.2020, und zwar die Herauslösung der Eingliederungshilfe aus dem SGB XII in das SGB IX.
In der öffentlichen Anhörung zum Bundesteilhabegesetz Ende August 2019 wurde noch einmal mehr als deutlich, vor welchen Herausforderungen die beteiligten Akteure stehen. Richtschnur für die Umsetzung ist die UNBehindertenrechtskonvention, und das heißt, auch in Deutschland sind wir dazu aufgerufen, die Rechte der Menschen mit Behinderungen neu zu denken. Rechte für beeinträchtigte Menschen wurden in der Anhörung als besondere Rechte eingestuft, und das aus gutem Grund. Es geht um echte Teilhabechancen auf dem Arbeits
Und es ist auch ein Eingeständnis darüber, dass wir Menschen ohne Behinderungen die Bedarfe von beeinträchtigten Personen nicht wirklich alltagstauglich einschätzen können. Was wissen wir schon darüber, wie schwer es für behinderte Menschen ist, Anschluss auf dem Arbeitsmarkt zu bekommen oder vermeintlich simple Dinge im Alltag zu erledigen? Daher ist es doch richtig und wünschenswert, dass wir mit dem BTHG und unserem Landesausführungsgesetz zum Neunten Buch des Sozialgesetzbuches diesem Anspruch gerecht werden wollen und die Belange von Menschen mit Behinderungen in den Mittelpunkt unserer sozialpolitischen Agenda stellen.
Oft ist die Rede von einem Paradigmen- oder Systemwechsel, und das ist es ja auch. Die Vielzahl der Rechtsänderungen, die mit dem stufenweise seit Januar 2018 in Kraft tretenden BTHG wirksam werden, führt dazu, dass wir mit dem Anspruch auf personenzentrierte Leistungen – also ich sage mal das Stichwort „Integrierte Teilhabeplanung“ – eine grundlegende Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe vollziehen. Die Leistungen, die mit dem BTHG reformiert werden, lassen sich in die Bereiche Arbeit, Bildung und soziale Teilhabe klassifizieren. Nicht nur für die Leistungserbringer ist dies Neuland, sondern natürlich zugleich auch für die Menschen mit Behinderung selbst.
Ich möchte vier Stichpunkte benennen, die mir aus der Anhörung ganz besonders prägnant für die Umsetzung des BTHG in Erinnerung geblieben sind:
Der Zugang zum Arbeitsmarkt wird mit dem BTHG neu organisiert und schafft mit dem Budget für Arbeit Alternativen zu einer Tätigkeit in einer Behindertenwerkstatt. Noch immer haben Menschen mit Behinderung trotz guter Qualifizierung zahlreiche Hürden zu überwinden, um auf dem Arbeitsmarkt dauerhaft Fuß zu fassen.
Die Inklusion in der Wohnsitzgemeinde, meine Damen und Herren, stellt einen weiteren Paradigmenwechsel dar, da das BTHG den Ansatz verfolgt, niemanden gegen seine Absicht in einer besonderen Wohnform leben zu lassen.
Auch müssen die Fachleistungen neu geregelt und von den Leistungen zum Lebensunterhalt getrennt werden. Für die Träger und auch für die Betroffenen ist dies mit nicht geringem Aufwand verbunden, da bestehende Verträge neu geschlossen werden müssen.
Eine weitere Herausforderung ist die individuelle Bedarfsfeststellung. Im neu gestalteten Eingliederungshilferecht muss die Ermittlung des individuellen Bedarfs auf Grundlage der ICF, also der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit – sperriger Begriff –, geschehen, das heißt bei uns, auf Basis des Integrierten Teilhabeplanes. Diese mehrseitige Bedarfsfeststellung wird durch die Ebene der Sachbearbeitung und des Fallmanagements in den Kreisen geleistet. Wer sich mit diesem ITP einmal befasst hat, wird sofort die Komplexität und den damit verbundenen zeitlichen Aufwand erkennen. Die Aufgaben erfordern personell qualifizierte Kapazitäten im Fachkraft-Klienten-Schlüssel, und das spielt natürlich dann auch bei den im nächsten Jahr fortzuführenden Konnextitätsverhandlungen zwischen Land und kommu
nalen Spitzenverbänden eine entscheidende Rolle. Hier müssen wir uns im Vergleich mit den anderen Bundesländern im Übrigen nicht verstecken.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das BTHG setzt einen Rahmen für ein aktiveres und selbstbestimmteres Leben von Menschen mit Behinderung. Die damit verbundenen und bereits geschilderten Herausforderungen verursachen einen nicht unerheblichen Konnexitätszusammenhang, der für uns als CDU-Fraktion unstrittig anzuerkennen ist, und zwar für den Mehrbedarf durch die Umsetzung des BTHG. Das SGB IX weist dem Land die Gesamtverantwortung in der Umsetzung des BTHG zu. Die Landkreise und kreisfreien Städte sind zuständig für die Eingliederungshilfe, wodurch eine konnexitätsrelevante Aufgabenübertragung vorliegt. Und hier steht die Umsetzung des BTHG, wie zu Beginn meiner Rede erwähnt, unter besonderen Vorzeichen.
Es ist sicher zu bedauern, dass die Konnexitätsverhandlungen bis heute zu keinem Konsensergebnis mit den kommunalen Spitzenverbänden geführt haben. Dennoch werbe ich heute um Ihre Zustimmung zu einem Änderungsantrag, der das finanzielle Angebot des Landes an die kommunalen Spitzenverbände nochmals deutlich erhöht und damit Rechts- und Finanzsicherheit für alle Beteiligten schafft. Die im ursprünglichen Entwurf veranschlagten 3,64 Millionen Euro erhöhen wir auf 4,228 Millionen Euro. Somit ermöglichen wir insgesamt 60 Stellen, die den Kommunen zur Umsetzung des BTHG zur Verfügung stehen. Der Bund sieht für Mecklenburg-Vorpommern 22 Stellen vor, und das entspräche 1,54 Millionen Euro. Und das nehmen Sie bitte, verehrte Oppositionsfraktionen, zur Kenntnis.
Das bedeutet, wir sichern damit ein Betreuungsverhältnis von einem Sachbearbeiter zu 120 Klienten ab und liegen damit deutlich über den Richtwerten des Bundes, die für Mecklenburg-Vorpommern vorgesehen sind. Und zum Vergleich, Niedersachsen kalkuliert mit einem Verhältnis von 1 : 150. Sicher gibt es Länder, die auch unter diesem Wert liegen, aber im Ergebnis halte ich diesen Richtwert für tragfähig.
Die Botschaft meiner Fraktion ist, dass wir die Kommunen sachgerecht personell ausstatten und sie in ihren Bemühungen, das BTHG umzusetzen, nicht alleinlassen. Wir stehen da an der Seite der Kommunen, und dies unterstreicht ebenso der Entschließungsantrag von CDU und SPD, der Ihnen vorliegt. Auch für diesen bitten wir um Ihre Unterstützung. Wir fordern darin auf, die Konnexitätsverhandlungen möglichst bis zum 31.03.2020 mit der kommunalen Ebene einvernehmlich abzuschließen und anschließend einen Vorschlag für eine Änderung im Gesetz zu unterbreiten. Somit sind die Kommunen nach dem heutigen Beschluss weiter im Boot.
Und, verehrte Kolleginnen und Kollegen von den LINKEN, eine Beschädigung des demokratisch-parlamentarischen Verfahrens, wie Sie es in der Ausschusssitzung behauptet haben, kann ich definitiv nicht feststellen. Im Gegenteil, eine Verschiebung oder ein anhaltendes Gesetzgebungsverfahren – auch an Sie, Herr de Jesus Fernandes, gerichtet – würde nicht vertretbare Risiken beinhalten,
da das Land keine Rechtsgrundlage für die Ausreichung der Mittel hätte. Das würden in der Konsequenz die Leis
tungserbringer, also die Träger der Eingliederungshilfe würden das ausbaden müssen, die dann nicht an ihr Geld kommen würden.
In summa beträgt die Kostenerstattung für die Mehraufwendungen an die Landkreise und kreisfreien Städte ab dem Jahr 2020 insgesamt über 4,4 Millionen Euro. Uns allen ist bewusst, dass die Bedarfe der kommunalen Seite darüber liegen werden und hier weiterhin ein angemessener Kompromiss gefunden werden muss. Diese Verhandlungsmöglichkeit sichern wir aus diesem Grund durch die Entschließung des heutigen Tages ab, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Diese Verantwortung, die Kommunen bei der Umsetzung des BTHG zu unterstützen, erwarte ich nämlich auch weiterhin in diesem Prozess. Insofern appelliere ich natürlich an die Sozialministerin, nehmen Sie diese Verhandlungen bitte ernst und erklären Sie diese zur Chefsache,
dies sicher nicht nur, um dieses eher ungewöhnliche Verfahren zu beschleunigen, sondern auch, um die Umsetzung des BTHG auf kommunaler Ebene wirkungsvoll zu untersetzen. Das sind wir den Menschen mit Behinderung schuldig. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Einen Moment bitte, Frau Friemann-Jennert! Herr Professor Weber hat eine Kurzintervention angemeldet und ich würde Sie bitten, am Rednerpult stehen zu bleiben.
Frau Friemann-Jennert, sicher, Sie haben recht, das ist eine wichtige sozialpolitische Aufgabe, diese Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes. Umso schlimmer ist die Trödelei, die die Landesregierung hier an den Tag gelegt hat. Was Sie jetzt machen werden mit der Mehrheit der regierungstragenden Fraktionen, ist das Durchpeitschen eines Gesetzes, das jedenfalls – und ich formuliere jetzt ganz vorsichtig – dem Ablaufplan unserer Landesverfassung nicht entspricht.
Unsere Landesverfassung würde vorsehen, dass die Konnexitätsverhandlungen abgeschlossen sein müssen. Wenn Sie jetzt die Regierung auffordern, die Konnexitätsverhandlungen bis März/Ende März abzuschließen, obwohl das Gesetz im Dezember 2019 beschlossen werden soll, dann grenzt das in meinen Augen an ein verfassungswidriges Durchpeitschen eines so nicht abschließbaren Gesetzes.