Protokoll der Sitzung vom 11.06.2020

Erstens. Die Frist gewährleistet, dass das Parlament im Oktober-Plenum bereits geeignete Maßnahmen für das Haushaltsjahr 2020/2021 beraten könnte.

(Zuruf von Beate Schlupp, CDU)

Zweitens. Zu diesem Zeitpunkt liegen auch die Ergebnisse der vom Bundesfinanzminister angekündigten Interimssteuerschätzung vom September 2020 vor.

(Zuruf von Tilo Gundlack, SPD)

Drittens. Bis zu diesem Zeitpunkt werden der Entwurf des Bundeshaushalts 2020/2021 und die rechtliche Umsetzung des 130-Milliarden-Euro-Konjunkturpaketes des Bundes vorliegen, sodass die Regierung finanzielle Auswirkungen auf den Landeshaushalt einschätzen kann.

Und viertens. Weiterhin werden voraussichtlich bis zu diesem Zeitpunkt belastbare Angaben über die für Mecklenburg-Vorpommern in der neuen EU-Förderperiode 2021 bis 2027 zur Verfügung stehenden Mittel vorliegen.

Wir möchten mit unserem Antrag sicherstellen, dass nicht leichtfertig der möglicherweise für die Regierung leichtere Weg der Neuverschuldung gegangen wird, zulasten unserer Kinder und Enkelkinder.

(Egbert Liskow, CDU: Und Großeltern.)

Unser Land hatte Ende 2018 immer noch annähernd 9,4 Millionen Euro Schulden. Mit dem Nachtragshaushalt 2020 sind weitere 0,7 Milliarden Euro Schulden hinzugekommen. Darüber hinaus ist noch eine implizite Verschuldung durch zukünftig noch nicht gedeckte Versorgungslasten in Höhe von 8,3 Milliarden Euro zu zahlen. Zudem haben wir auch an mögliche Bürgschaftslasten – ich denke nur an die MV WERFTEN und anderes – zu denken.

Meine Damen und Herren Abgeordnete, bitte stimmen Sie unserem Antrag zu oder überweisen Sie ihn in die zuständigen Ausschüsse! Bedenken Sie, wir dürfen unsere aktuellen Probleme nicht zulasten der nachfolgenden Generationen lösen! – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD und Holger Arppe, fraktionslos – Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 58 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen und wir verfahren so. Ich eröffne die Aussprache.

Für die Landesregierung hat zunächst das Wort der Finanzminister. Bitte schön, Herr Meyer!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Herren der AfD! Ich habe mich bei diesem Antrag ehrlicherweise wieder mal gefragt, was wollen Sie dem Plenum damit sagen.

(Beate Schlupp, CDU: Wir auch! Wir auch!)

Ich habe den Antrag gelesen und nach Ihrer Rede, Herr Dr. Jess, bin ich auch nicht schlauer geworden. Ich freue mich natürlich darüber, dass Sie noch mal referiert haben, was ich ja in diesem Saal auch schon häufiger gesagt habe, wie wir die 1 Milliarde Steuermindereinnahmen eigentlich zu decken gedenken im Jahre 2020, aber ansonsten sind es Dinge, die wir auch schon im Ausschuss hinlänglich diskutiert haben.

Die Mittelfristige Finanzplanung hat Programmcharakter. Selbstverständlich kann die Mehrheit eines Landtages von der Landesregierung verlangen, so etwas vorzule

gen. Bisher hat es diese Mehrheit nicht gegeben. Und was auch eine Banalität ist – ich will das ausdrücklich sagen –, dass natürlich die noch existierende Mittelfristige Finanzplanung Makulatur ist angesichts der Herausforderungen der Corona-Krise. Das muss ich auch niemandem sagen. Also werde ich mit diesem Antrag umgehen, wie mit so manch anderem – schade, lochen, abheften –, aber ich habe den Sinn nicht verstanden.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Aber ich will die Gelegenheit natürlich gerne nutzen, um zu sagen, was tut die Landesregierung. Sie tut nämlich schon eine ganze Menge, und da werden Sie dann auch merken, dass wir in der Diskussion über die Haushalte natürlich weiter im Gespräch bleiben.

Eines fand ich allerdings erfreulich: dass Sie den Verweis genommen haben auf das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz, immerhin ein Gesetz vom 8. Juni 1967, 53 Jahre her, aber das war der Beginn der Globalsteuerung und der praktischen Anwendung des Keynesianismus in Deutschland – das sollte man an der Stelle auch noch mal erwähnen –, mit Friedrich Schiller verbunden, SPDWirtschafts- und Finanzminister. Das darf dann auch mal so gesagt werden. Und es gibt die Parallelen zu heute. Es gibt die Parallelen zu heute, dass wir ja mit einer Krise zu tun haben, die sowohl die Angebotsseite als auch die Nachfrageseite betrifft, und dass jetzt ganz wichtig ist in dieser Krise, dass wir die Investitionen stärken und dass wir dafür sorgen, dass die Kaufkraft der Bevölkerung nicht einbricht. Das werden die wesentlichen Leitsätze sein in der Corona-Krise, meine Damen und Herren.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD und Dietmar Eifler, CDU)

Was heißt das konkret? Wir haben einen Doppelhaus- halt 2020/2021, ich habe an dieser Stelle mehrfach betont, mit Rekordinvestitionen, vor allen Dingen bei den Kommunen, und diese Investitionen, meine Damen und Herren, bleiben stehen. Erster Punkt.

Zweiter Punkt. Wir haben einen Nachtragshaushalt hier in diesem Hause vorgelegt, am 1. April verabschiedet worden, mit einem MV-Schutzfonds, mit einem Volumen von 1,1 Milliarden Euro. Das, meine Damen und Herren, hilft in der Krise. Ja, es tut weh, 700 Millionen Euro neue Schulden aufzunehmen, und wir haben ja schon darauf hingewiesen in dieser Notsituation, dass wir das tun müssen.

Drittens. Auch darüber haben wir gesprochen, die Steuerschätzung im Mai sagt eben, erhebliche Steuerausfälle beim Land, etwas weniger bei den Kommunen, und wir werden uns Gedanken darüber machen, wie wir mit diesen Steuermindereinnahmen umgehen. Für 2020, das haben Sie referiert, habe ich das schon deutlich gemacht.

Viertens. Gestern Diskussionspunkt hier in diesem Haus, das Bundeskonjunkturprogramm. 130 Milliarden Euro Wums, und das bedeutet, dass wir auch als Land uns klar bekennen zu den einzelnen Maßnahmen, die dort drin sind, die, glaube ich, sehr, sehr hilfreich sind für die weitere Entwicklung. Das bedeutet nach erster Schätzung – und wir müssen da ganz vorsichtig sein, weil es insbesondere bei der Umsatzsteuer immer wieder unter

schiedliche Interpretationen gibt – Mehrausgaben, Kofinanzierungserfordernisse beim Land 2020/2021 in Höhe von rund, zurzeit berechnet, 130 Millionen Euro, gleichzeitig eine Entlastung – eine Entlastung! – der Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern in 2020 und 2021 zusammen von über 400 Millionen Euro. Das betrifft insbesondere die Übernahme der KdU-Ausgaben bis 75 Prozent und natürlich die Ausfälle bei der Gewerbesteuer, die entsprechend dann kompensiert werden sollen.

Und ich sage an der Stelle ganz ausdrücklich für die Landesregierung, wir werden diese Gewerbesteuerausfälle hälftig – so wie mit dem Bund – gemeinsam kompensieren, das hilft unseren Kommunen in der Krise, und wir werden auch überall da, wo unsere Kofinanzierung erforderlich ist, da werden wir dabei sein, weil es ganz wichtig sein wird, zum Beispiel bei der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur, wenn jetzt allein in diesem Bereich 50 Millionen Euro mehr nach Mecklenburg-Vorpommern kommen, dass wir diese Gelder abrufen und mit der gleichen Summe auch kompensieren, meine Damen und Herren, um die Wirtschaft wieder in Fahrt zu bringen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Und deswegen werden wir uns jetzt genau angucken, Herr Dr. Jess, da kommt das Konjunkturpaket des Bundes in Gesetzesform, es kommt ein Nachtragshaushalt auf Bundesseite, es kommt der Entwurf des Bundeshaushaltes für 2021, es kommt – darauf haben Sie hingewiesen – die Zwischensteuerschätzung im September. Und ich schlage vor – und im Bereich der Landesregierung werde ich das dem Kabinett auch mitteilen –, dass wir einen zweiten Nachtragshaushalt in diesem Jahr machen, und das müssen wir auch, um das Bundeskonjunkturprogramm zu untersetzen, die entsprechenden Kofinanzierungen sicherzustellen.

Das bedeutet Chefgespräche ab Mitte September, wenn die Zwischensteuerschätzung vorliegt. Dann wird das Kabinett sich damit befassen. Ich gehe davon aus, dass wir das in den Landtag Ende Oktober einbringen. Dann haben wir die Steuerschätzung im November, meine Damen und Herren, während der Beratungen des Landtages und dann kann der Landtag noch in diesem Jahr diesen zweiten Nachtragshaushalt verabschieden. Das ist Planung von Politik, Herr Dr. Jess, und insofern bedarf es nicht des Antrages.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Nun ist aber nicht alles in Ordnung, meine Damen und Herren, denn ich kann Ihnen versprechen, das wird finanzpolitisch eine harte Zeit. Nicht alle Wünsche werden finanzierbar sein, aber ich möchte drei Kriterien der Vorsortierung, wenn wir in die Gespräche gehen, dann doch gerne definieren.

Erstens. Was hilft in der Krise? Dazu gehört die Kofinanzierung, wie ich gesagt habe, aller Bundesprogramme.

Zweitens. Was hilft für die Zukunft von MecklenburgVorpommern? Denn das Bundeskonjunkturprogramm, noch ein bisschen unterschätzt, hat viele Zukunftsprojek

te und Punkte, nicht nur das Thema Wasserstoff, und auch da müssen wir die Finanzierung sicherstellen.

Und drittens natürlich, was können und sollten wir uns in Zukunft nicht mehr leisten? Auch das werde ich mit den Ressortkollegen erörtern müssen, denn der Landeshaushalt ist nicht unendlich vermehrbar. Wir müssen die finanzpolitischen Rahmenbedingungen einhalten, vollkommen richtig. Eine Mentalität des „Weiter so!“ hilft uns an der Stelle nicht.

Ich will dazu ein Beispiel nennen, was auf der Bundesebene heftig diskutiert wurde, eine Abwrackprämie, eine Autokaufprämie für Verbrennungsmotoren. Ich kann Ihnen aus eigener Anschauung sagen, 2008 während der Finanzkrise war ich persönlich in einer Telefonschaltkonferenz mit dem damaligen Bundesfinanzminister Steinbrück, und dann kam das Argument, weil es inhaltlich keins mehr gab, wir müssen jetzt der deutschen Automobilindustrie helfen, die Autos müssen vom Hof. Zwölf Jahre später habe ich genau das gleiche Argument häufiger gehört als Argument dafür, und so, meine Damen und Herren, können wir nicht weitermachen. Wenn wir Zukunft planen, insgesamt in Deutschland und hier in Mecklenburg-Vorpommern, da müssen wir auch die Diskussion positiver führen.

Meine Herren von der AfD, Sie haben es gehört, wir reden dann im Herbst über den zweiten Nachtragshaushalt. Wir reden dann natürlich auch über die Mittelfristige Finanzplanung, und deswegen sage ich zu diesem Antrag, alles zu seiner Zeit, wir haben das in der Planung. – Vielen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Für die Fraktion DIE LINKE hat jetzt das Wort die Abgeordnete Rösler.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die AfD legt hier erneut einen inhaltsleeren Finanzantrag mit Bezug auf die Corona-Krise vor. Eigentlich lohnt es nicht, sich damit wirklich zu befassen.

Es geht um die Mittelfristige Finanzplanung 2020 bis 2025. Wir erinnern uns, in der letzten Landtagssitzung waren die Konsolidierungs- und Einsparungsmöglichkeiten im laufenden Haushalt die Stichworte der AfD. Die Herren von der AfD wollen mit dem Antrag feststellen lassen, dass die Mittelfristige Finanzplanung fortzuführen ist, dass sich die wirtschaftlichen und finanzpolitischen Rahmenbedingungen aufgrund der Corona-Pandemie erheblich verändert haben und dass die Einnahmeerwartungen nicht erreicht werden. Die Landesregierung soll mit diesem Antrag aufgefordert werden, die Mittelfristige Finanzplanung anzupassen und diese dem Landtag bis Oktober 2020 vorzulegen.

Meine Damen und Herren, einen solchen Antrag, der nur das wiedergibt, was die Landesregierung ohnehin zu gegebener Zeit umsetzen muss und – davon gehe ich auch aus – auch umsetzen wird, einen solchen Antrag brauchen wir nun wirklich nicht. Er nimmt keinerlei Bezug auf aktuell anstehende Probleme. Die AfD unterbreitet damit keinerlei Vorschläge für notwendige politische Entscheidungen. Konkrete, eigene, konstruktive Politik- ansätze suchen wir in Ihrem Antrag wie so oft vergebens.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der CDU und DIE LINKE)

Wir sind nun wirklich nicht diejenigen, die diese Landesregierung in Schutz nehmen, aber die Anpassungen und Fortschreibungen der Mittelfristigen Finanzplanung, die gehören, denke ich, zum Einmaleins eines jeden Finanzministeriums, und das müssten Sie mittlerweile auch wissen. Und in diesem Falle vertraue ich, vertrauen wir dem Finanzministerium, dass es seine Arbeit machen wird und die Anpassung und entsprechende Fortschreibung auch vornehmen wird, wenn – und das ist das Entscheidende –, wenn die erforderlichen fundierten Erkenntnisse, zum Beispiel über Folgekosten, über gesamtwirtschaftliche Daten und die entsprechenden Einnahmeprognosen auch vorliegen. Also Ihres Antrages bedarf es nun überhaupt nicht. – Vielen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE)

Für die Fraktion der CDU hat jetzt das Wort der Abgeordnete Eifler.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Zu dem Antrag der Fraktion der AfD ist ja so schon vieles gesagt worden. Der Minister hat dazu vorgetragen, Frau Rösler hat es auch sehr objektiv und kritisch auch gesehen.

Herr Dr. Jess, das Einzige, was zutreffend ist in Ihrer Einbringung, was Sie dargelegt haben, ist der Umstand oder der Fakt, das ist in der Tat, dass die Bewältigung der Pandemie uns zusätzlich viel Geld kosten wird, was auch richtig ist, dass wir es ausgeben werden, und dass wir mit Steuermindereinnahmen zu tun haben werden. Sie haben aber hier den Eindruck erweckt, dass Sie sich ernsthaft mit haushaltspolitischen Fragen auseinandersetzen. Das, was Sie vorgetragen haben, außer den Punkten, war volkswirtschaftlicher und finanzpolitischer Unfug.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)