Protokoll der Sitzung vom 23.09.2020

Eigentlich hatten die Wissenschaftsministerinnen und Wissenschaftsminister der Länder auf eine unkomplizierte bundeseinheitliche Lösung gehofft und diese auch bei der Bundesministerin eingefordert. Von Beginn der Corona-Pandemie an waren wir uns nämlich einig, dass die Studierenden keine langfristigen Nachteile durch die coronabedingten Einschränkungen an den Hochschulen und Universitäten haben sollen. Eine bundeseinheitliche Lösung wäre deshalb nur konsequent gewesen, doch sie ließ auf sich warten und kam schließlich überhaupt gar nicht. Und deshalb ist es gut und auch notwendig, dass wir nun selbst handeln, um unseren Studierenden die Sicherheit für ihr Studium zu geben, die Sicherheit, die sie brauchen.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir haben es eben schon gehört, die Maßnahmen zur Bekämpfung der

Covid-19-Pandemie verlagerten auch im Bereich der Hochschulbildung einen Großteil der Lehr- und Lerntätigkeit in die digitale Welt. Wir haben viele kreative Wege gesehen, um den Studierenden das notwendige Wissen zu vermitteln. Dies konnte vieles auffangen, aber eben nicht alles. Wir mussten den Beginn der Lehrveranstaltungen für das Sommersemester 2020 auf den 20. April verschieben, die Bibliotheken – neben den Hörsälen ein wichtiger oder sogar ein zentraler Lernort –, die Bibliotheken waren lange zu. Für unsere jungen Studierenden war der direkte Austausch mit den Kommilitoninnen und Kommilitonen und den Lehrenden stark eingeschränkt und noch immer müssen wir auf einen großen Teil der Präsenzlehre verzichten. Mit anderen Worten, es gab erhebliche pandemiebedingte Beeinträchtigungen, die sehr wahrscheinlich für eine Vielzahl der Studierenden auch zu Verzögerungen im normalen Studienverlauf geführt haben oder eben auch noch führen werden.

Vor diesem Hintergrund blicken nun viele Studierende sorgenvoll auf das Ende ihres Studiums. Ist noch alles in der bisherigen Regelstudienzeit zu schaffen? Und diejenigen, die darauf angewiesen sind, fragen sich: Reicht das BAföG? Diese Sorgen wollen wir ihnen nehmen. Wir helfen in so vielen gesellschaftlichen Bereichen, um die negativen Auswirkungen der Corona-Pandemie beherrschbar zu halten, wir müssen auch den Studierenden mehr Sicherheit geben. Und dafür ist der Schritt, die individuelle Regelstudienzeit um ein Semester zu verlängern, der absolut richtige Schritt.

Dass dem so ist, zeigt beispielsweise ein Anruf, der gestern bei mir in der Pressestelle eingegangen ist. Da hat eine Mutter angerufen, Mutter einer Studierenden, und sie sagte, sie ist so erleichtert über diese Gesetzesinitiative, sie hat zum Hörer gegriffen, um uns schon mal vorher zu danken,

(Peter Ritter, DIE LINKE: He! – Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

denn sie macht sich natürlich große Sorgen darum, ob sich ihre Tochter angesichts Corona ihr Studium bis zum Ende überhaupt leisten kann. Mehrere Monate war bei ihr der Studentenjob ausgefallen, weil das Café geschlossen war, wo sie ihr Geld verdiente, und dann die Unsicherheit, ob sie den Abschluss in der Regelstudienzeit überhaupt schaffen kann.

Wenn Sie, sehr geehrte Damen und Herren, diese Gesetzesinitiative beschließen, dann müssen sich diese Frau und ihre Tochter keine Sorgen mehr machen, dann wird die individuelle Regelstudienzeit um ein Semester als Ausgleich für das coronabedingt eingeschränkte Sommersemester automatisch verlängert. Ihre Tochter muss nicht aufwendig und mit viel Bürokratie Anträge stellen und beweisen, wie genau nun die Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie ihr Studien beeinträchtigt hätten. Dieser unsinnige Bürokratieaufwand bleibt ihr erspart und zum Glück auch unseren Studierendenwerken.

Ich halte es für dringend geboten, in Anbetracht der besonderen Situation pauschal anzuerkennen, dass die Covid-19-Pandemie im Sommersemester 2020 einen geordneten Studienverlauf, wie er für die BAföGFörderung vorausgesetzt wird, in Teilen behindert hat. Ich halte das für notwendig, trotz der großen Anstrengungen der Hochschulen im Sommer 2020, das Studie

ren möglich zu machen, und trotz auch der richtigen Entscheidung, dieses Semester eben nicht als Nichtsemester auszurufen.

Viele Professorinnen und Professoren, die Dozentinnen und Dozenten haben enorme Flexibilität gezeigt und alle Möglichkeiten ausgeschöpft, den Lehrbetrieb aufrechtzuerhalten. Bei all den Einschränkungen ist ihnen das auch recht gut gelungen. Und auch die Studierenden haben sich äußerst flexibel gezeigt und das Beste aus diesem schwierigen Semester herausgeholt. Dafür möchte ich eben auch mal Danke sagen, Danke an die Hochschullehrkräfte für ihr Engagement und herzlichen Dank an die Studierenden fürs Durchhalten!

Mit dem Ihnen vorliegenden Gesetzentwurf wollen wir in Mecklenburg-Vorpommern eine unbürokratische und anspruchssichere Lösung schaffen, um pandemiebedingt verlängerte Studienzeiten auszugleichen. Wir verlängern die individuelle Regelstudienzeit für Studierende des Sommersemesters 2020 um ein Semester. Damit erhöht sich für diesen Personenkreis automatisch die BAföGFörderhöchstleistung ebenfalls um ein Semester. Sollte die Covid-19-Pandemie im Wintersemester – wir haben es gerade gehört – 2020/21 zu vergleichbaren Einschränkungen führen, soll mein Haus ermächtigt werden, per Rechtsverordnung das auch, um ein weiteres Semester diese individuelle Regelstudienzeit auch zu verlängern. Dass dies nicht notwendig wird, das hoffen wir alle. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Danke, Frau Ministerin!

Für die Fraktion der AfD hat jetzt das Wort der Abgeordnete Professor Dr. Weber.

Liebe Landsleute! Wertes Präsidium und liebe Gäste! Zunächst mal möchte ich die Begrüßung gleich fortsetzen und möchte sagen: Einen wunderschönen guten Morgen, liebe Abgeordnete der Koalitionsfraktionen! Komischerweise ist es in diesem Jahr so wie seit 30 Jahren, wie seit der Wende auch, das Wintersemester beginnt zum 1. Oktober, wie immer. Und deswegen ist es doch rechtzeitig,

(Beifall Jens-Holger Schneider, AfD)

dass Sie am 23. September mit einem Antrag hier auflaufen, dass man das Landeshochschulgesetz ändern soll, mit dem Ziel, die Regelstudienzeit, um, wie ich jetzt wieder gehört habe, coronabedingte Ausfälle auszugleichen, um ein Semester aufzustocken. Das hätte alles auch viel früher passieren können.

(Beifall Jens-Holger Schneider, AfD)

Wie gesagt, es ist ja nicht überraschend, dass das Wintersemester zum 1. Oktober beginnt. Insofern noch mal guten Morgen, liebe Kollegen!

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Inhaltlich bin ich ganz bei Ihnen, ist unsere Fraktion ganz bei Ihnen. Es ist sicher richtig, dass man die, ich nehme mal Ihren Sprachgebrauch an, coronabedingten Erschwerungen im Studienverlauf – ich könnte aber auch

sagen, die zum Teil völlig unverhältnismäßigen Erschwerungen im Studienverlauf durch die Maßnahmen der Landesregierung –, dass die dazu geführt haben, dass Studenten später zu ihren Prüfungen und damit zum Hochschulabschluss gelangen, ist nachvollziehbar.

„Unverhältnismäßig“ – ich möchte das auch ein bisschen erklären aus meiner eigenen Lehrerfahrung –, gerade die studienbegleitenden Veranstaltungen in kleinen Gruppen, nicht mehr als 20 Leute, die hätten wie bisher auch in den dort vorgesehenen Hörsälen stattfinden können, da muss man nicht auf jede Präsenzlehre verzichten. Dass das bei Großveranstaltungen vielleicht der Fall sein sollte, leuchtet irgendwo noch ein, aber dass man die so wichtigen, für den Studienerfolg so wichtigen studienbegleitenden Veranstaltungen, dass man die auch hat ausfallen lassen, und da war oft auch kein Ersatz durch Nichtpräsenzlehre geboten, das ist völlig uneinsichtig,

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

insofern nicht nur verschlafen, sondern auch völlig falsch reagiert.

Aber wie gesagt, die Verlängerung der Regelstudienzeit um ein Semester, für diejenigen, die BAföG beziehen – für alle, aber es dient vor allem, wie wir gehört haben, denjenigen, die BAföG beziehen –, ist nachvollziehbar, wird von uns mitgetragen. Das sind aber, ich bleibe mal nur hier im Land, von den 38.393 Studenten an den Hochschulen und Fachhochschulen dieses Landes genau 10.043, 26,2 Prozent also. Die beglücken Sie zu Recht damit, dass die Verlängerung des Studiums, die entweder coronabedingt oder durch das Versagen des Bildungsministeriums bedingt, aber jedenfalls tatsächlich ohne Zutun der Studenten eingetreten ist, die beglücken Sie zu Recht mit einer Verlängerung der Regelstudienzeit.

Was ist mit den anderen 63,8 Prozent der Studenten? Die haben nämlich von der Verlängerung der Regelstudienzeit, jedenfalls finanziell, gar nichts. Die beziehen kein BAföG. Das sind diejenigen, die sich ihr Studium entweder durch die Eltern oder durch eigene Arbeit in Kneipen, Gaststätten, Hotels, Restaurants, in vielen Freizeitveranstaltungen, die alle oder viele durch Ihre Corona-Maßnahmen nicht stattgefunden haben im weiten Verlauf des Frühjahrs und des Sommers, die daher eher Geld hätten verdienen sollen und wollen und die es nicht konnten. Und die bleiben links liegen, die haben nichts, finanziell jedenfalls nichts, von der Regelstudienzeitverlängerung.

Ja, jetzt kommt, Sie haben diese Überbrückungshilfe geschaffen.

(Zuruf von Daniel Peters, CDU)

1,3 Millionen vom Bund und noch mal 175.000 Euro vom Land sind 1,5 Millionen, 1,5 Millionen für die verbliebenen 63,8 Prozent der Studenten, während jedes Semester, das Sie an der Regelstudienzeit verlängern, 20,9 Millionen Euro Kosten verursacht für die 26,4 Prozent Studenten. Das ist ein völliges Ungleichgewicht.

(Beifall Jens-Holger Schneider, AfD)

Das ist, um es mal deutlich zu sagen, ein Im-Regenstehen-Lassen all derer, die sich ihr Studium selbst verdienen müssen oder bei denen es die Eltern verdie

nen. Die sind vielleicht auch coronabedingt, wie Sie das ja immer hören wollen, oder durch die Willkürmaßnahmen dieser Regierung in Kurzarbeit gekommen und so weiter. Das heißt also, diese Maßnahme, die richtig ist, Regelstudienzeit zu verlängern, die ist sehr einseitig, die hilft nur wenigen.

Wir hatten im Mai eine Debatte zu Studenten, Sie hatten es ja, wie Sie es nennen, „Studierenden ordnungsgemäß helfen“. Herr Kolbe von den LINKEN hat dazu gesprochen, und der hat damals schon gesagt, dass diese 400 Euro Überbrückung, oder diese Überbrückungshilfe, wenn Sie das runterbrechen, das sind 400 Euro Einmalzahlung pro Student gewesen. Damit kann ich nicht arg viel anfangen, wenn ich die ganze Zeit über keinen Zuverdienst oder sogar den Alleinverdienst habe, mit dem ich mein Studium finanzieren muss. Herr Kolbe hatte das damals zu Recht und deutlich gebrandmarkt.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Und dem ist da nichts hinzuzufügen. Sie haben nichts gelernt, Sie haben nichts weiter getan.

Und dann verweisen Sie auf den Kredit der KfW. Ja, da gibt es Studentenkredite, die man in Anspruch nehmen kann. Die kosten normalerweise 4,3 Prozent Zinsen. Das ist in den Zeiten, in den Zinsphasen, die wir jetzt haben – jeder, der ein Haus bauen will, jeder, der seine Wohnung ausbauen will, kriegt zurzeit Kredite irgendwo in der Größenordnung zwischen 2,2 und 2,9 Prozent –, da nimmt die bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau von den Studenten 4,3 Prozent Zinsen. Das ist, Wucher will ich jetzt nicht sagen, aber das ist ungeheuerlich.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Und dann feiern Sie es, dann feiern Sie es als besondere Wohltat, dass man jetzt mal maximal bis März 2021, also maximal für ein Jahr, auf diese Zinsen verzichtet. Das sind unter 100 Euro pro Student, auf die man da verzichtet. Das ist eine Wohltat, da kann der Student wirklich sein volles Studium mit finanzieren.

(Beifall und Heiterkeit bei Jens-Holger Schneider, AfD)

Gratulation, also doppelt geschlafen! Termin verpennt und nichts getan für all die vielen Studierenden, die sich ihr Studium selbst finanzieren oder die es durch ihre Eltern finanziert bekommen, die vielleicht auch in finanzielle Schieflagen geraten sind.

Insofern Primärziel ja, Regelstudienzeit verlängern, aber die Sekundärhilfen, die das für die Nicht-BAföG-Bezieher absichern müssten, die fehlen bei Ihnen völlig, und deswegen freuen wir uns auf die Überweisung in den Ausschuss, denn die werden wir mittragen, und hoffen, dass dann entsprechend mit Maßnahmen nachgearbeitet wird. Ansonsten würden wir einen solchen Entwurf selbstverständlich ablehnen müssen. – Danke schön!

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Für die Fraktion der CDU hat jetzt das Wort der Abgeordnete Peters.

Bis Herr Peters hier am Pult ist, darf ich wieder eine Schülergruppe aus dem Gymnasium...

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der SPD – Simone Oldenburg, DIE LINKE: Na, der trödelt mal wieder.)

Gab es da was Lustiges? Nee, ne?

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Na, weil er trödelt, ne? Der Herr Peters trödelt. – Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Ich wollte nur, bis Herr Peters hier seinen Platz eingenommen hat, eine weitere Schülergruppe des Gymnasiums aus Grimmen begrüßen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr gut!)