Protokoll der Sitzung vom 12.03.2002

(Meinhold [SPD]: Das hat er nicht getan!)

dann bin ich gerne dazu bereit. Das wollten wir von Anfang an. Wir wollten Herrn Aller von Anfang an helfen, und wir haben ihm deshalb nach dem Urteilsspruch des OVG - vor der Revision davon abgeraten, vor das Bundesverwaltungsgericht zu ziehen. Wir haben ihm vorgerechnet, was das an Anwalts- und Gerichtskosten bedeuten würde. Wir haben ihm vorgerechnet, was es an Einnahmeausfällen bei der Körperschaftsteuer bedeuten würde, und wir haben ihm vorgerechnet, welche zusätzlichen Zinslasten auf den Streitbetrag aufgehäuft würden. Von daher war eine Revision tatsächlich fahrlässig.

Für uns sind noch ein paar Fragen von eminenter Bedeutung, nicht nur die Frage der Belastung der niedersächsischen Kommunen. Diesbezüglich haben sie sich ja mittlerweile durch Ihren Gesetzentwurf offenbart: Sie wollen diese, wenn auch zeitverzögert, trotzdem belasten.

Für uns stellt sich auch folgende Frage: Wenn Sie, Herr Möhrmann, sagen, Sie seien bereit zu einer Klage, dann möchten wir gerne wissen: Wann ist denn eine solche Klage überhaupt möglich? Nach meiner Kenntnis ist es doch so, dass der Bund erst

im dritten Quartal durch Rechtsverordnung das festlegt, was am 15. März festgestellt wird. Das heißt, erst dann gibt es einen Verwaltungsakt, der beklagt werden könnte. Bis dahin, nämlich bis zum Ende des Jahres, zahlt das Land Niedersachsen täglich Zinsen auf Kassenkredite von rund 120 000 Euro, die im Landeshaushalt in dieser Form nicht gedeckt sind.

(Zurufe von der SPD)

Diese Zinsen müssen sie dann auch aufbringen.

Wir möchten also gerne wissen, wann Sie klagen, und wir möchten von Ihnen natürlich auch wissen, in welcher Form Sie denn über eine Korrektur Ihres Haushaltsplanentwurfs nachdenken. Wir befinden uns in einem Wahljahr. Wir befinden uns in einem Doppelwahljahr, und Sie haben einen Doppelhaushalt vorgelegt. Sie wissen genauso gut wie wir, dass dieser Haushaltsplanentwurf für 2003 nicht im Entferntesten mehr der Realität entspricht.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustim- mung bei der CDU)

Sie werden diese BEB-Last in das Jahr 2001 rückbuchen. Sie werden mit einem gigantischen Fehlbetrag abschließen, und Sie werden nach der Landeshaushaltsordnung gezwungen sein, diesen Fehlbetrag bis 2003 auszugleichen. Wir erwarten von Ihnen - das ist doch das Mindeste -, dass Sie jetzt damit anfangen und vor der Wahl einen Nachtragshaushalt vorlegen. Denn die Versprechungen, die Sie den Menschen in Niedersachsen machen - sei es bei der Schulreform, sei es in vielen anderen Bereichen -, sind wirklich nicht in Euro und Cent darstellbar. Wir verlangen Ehrlichkeit von Ihnen, und zwar auch durch die Vorlage eines Nachtragshaushalts nicht erst nach der Wahl, sondern in diesem Sommer.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU - Zuruf von der SPD: Das war wohl nichts!)

Wir kommen damit zu

b) Zuwanderung: CDU blockiert Steuerung und Begrenzung - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 14/3209

Das Wort hat der Abgeordnete Plaue.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Golibrzuch hat es schon gesagt: Wir befinden uns in einem Wahljahr, und in einem Wahljahr ist es offensichtlich kaum noch möglich, über Probleme, auch über wichtige Probleme dieses Landes und des Bundes angemessen und sachlich zu diskutieren.

(Busemann [CDU]: Das merkt man Ihnen an!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das mag bei den so genannten normalen Themen der Politik ja noch hinnehmbar sein, weil der Streit letztendlich untereinander, zwischen den politischen Parteien ausgetragen wird. Aber einen solchen Streit in der Frage der Zuwanderung zu organisieren, wie das die CDU tut, halte ich schlicht für unanständig.

(Beifall bei der SPD - Möllring [CDU]: Wer macht das denn zum Thema? Sie machen das doch zum Thema!)

Ich stelle hier fest, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist. Herr Kollege Möllring, diese simple Feststellung ist von Ihrer Partei, von Ihrem Bundeskanzler 16 Jahre lang ignoriert worden. Die Zuwanderung ist ungesteuert gewesen, sodass sie an den Gesetzen vorbei organisiert worden ist, und wir müssen uns jetzt mit den Folgen auseinander setzen. Sie haben sich die Hände vor das Gesicht geschlagen und zum Teil ausländerfeindliche Campagnen mit unterstützt. Das war Ihre Politik. Ich bin enttäuscht darüber, dass dies weitergeführt werden soll.

(Beifall bei der SPD)

Es ist dringend erforderlich, dass die ungesetzliche, dass die ungesteuerte Einwanderung nach Deutschland rechtlich organisiert wird. Dies sagen alle Beteiligten, jedenfalls diejenigen, die mit Ruhe und Sachlichkeit darüber diskutieren.

(Möllring [CDU]: Dann setzen Sie sich lieber wieder hin!)

Die Vertreterinnen und Vertreter der deutschen Industrie sagen das, das sagen die deutschen Kirchen aller Konfessionen, und das sagen die Wohlfahrtsverbände. Die einzigen, die sich noch dagegen sträuben, sind CDU und CSU, und zwar aus rein wahlkampftaktischen Gründen. Dies ist nicht in Ordnung, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Wulff, Sie haben noch im September des vergangenen Jahres erklärt, Sie seien dafür, die Zuwanderung noch vor der Bundestagswahl zu organisieren. Zwei Monate später kommt dann Ihre Aussage - ich zitiere -: Ich neige dazu, dass wir den Bundestagswahlkampf zur Auseinandersetzung über Zuwanderungskonzepte nutzen. - Meine Damen und Herren, zwei Monate Wind aus Bayern haben gereicht, um Herrn Wulff wie ein Fähnlein im Wind flattern zu lassen. Das ist nicht in Ordnung, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Lebhafter Beifall bei der SPD - Wi- derspruch bei der CDU)

Wer sich wie Sie hier hinstellt und die Bundestagswahl praktisch zu einer Volksabstimmung über die Zuwanderung machen will, der hofft darauf, dass das Gleiche, was Herrn Koch in Hessen gelungen ist, hier wieder passiert. Sie wollen mit den Unterschriftenständen die Lufthoheit über den Stammtische gewinnen, wollen sich aber nicht der Sache widmen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD - Busemann [CDU]: Finden Sie denn Ihr Zuwan- derungsgesetz nicht gut?)

Ich finde es schon sehr beachtlich, Herr Kollege Wulff, dass Sie, anders als der Kollege Müller im Saarland, der ja wenigstens noch gezwungen werden musste, offensichtlich ohne Widerstand auf die Linie von Stoiber eingeschwenkt sind, genauso wie bei der Energieversorgung, wie bei der Atommüllentsorgung. Sie vertreten nicht niedersächsische Interessen, sondern reine Interessen zum Wohle Ihrer Partei auf dem Rücken von Menschen. Das ist nicht in Ordnung, meine Damen und Herren!

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Ich habe ja Verständnis dafür, dass Ihr Wunsch, die Schill-Partei, also das, was am rechten Rand der CDU passieren könnte, überflüssig zu machen, übermächtig ist.

(Busemann [CDU]: Wie bitte? Was? - Weitere Zurufe von der CDU)

Aber lassen Sie uns einmal einen Moment lang über die Menschen reden, um die es hier geht. Es geht um Menschen, die hier in Deutschland leben und die als Folge von solchen Campagnen Aggressionen ausgesetzt sind, für die diejenigen politisch verantwortlich sind, die Unterschriftenlisten organisieren. Wenn Sie erleben, dass die Rechtsextremisten bereits ein Volksbegehren zu dieser Frage anregen, dann müssen Sie, meine Damen und Herren, sich die Frage gefallen lassen, an welcher Stelle Sie stehen. Herr Kollege Wulff, gilt das, was Ihre Abgeordneten in Diskussionen draußen sagen, dass Sie sich nämlich nicht an solchen Campagnen beteiligen wollen, dass Sie keine Unterschriften sammeln wollen, dass Sie das Thema der Zuwanderung aus dem Wahlkampf heraushalten wollen, oder gelten Ihre Worte, die allein auf den politischen Nutzen Ihrer Partei gerichtet sind? Beides geht nicht. Sie müssen sich entscheiden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Gilt das, was Herr Wulff will, nämlich eine Campagne, oder gilt das, was viele Ihrer Abgeordneten wollen? Wenn das gilt, was viele Ihrer Abgeordnete wollen, dann rufe ich diese auf, dafür zu sorgen, dass Herr Wulff seine Politik verändert.

(Lebhafter Beifall bei der SPD - Frau Körtner [CDU]: Das war ungefähr Kreistagsniveau!)

Es spricht jetzt Frau Stokar von Neuforn.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich würde diese deutsche Debatte über Zuwanderung, die wir jetzt auch hier im Niedersächsischen Landtag führen, gerne parallel auf eine Großbildleinwand auf das Messegelände übertragen. Ich würde mir gerne das Kopfschütteln der internationalen Besucher der CeBIT über diese deutsche Zuwanderungsdebatte ansehen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Möllring [CDU]: Glauben Sie ernsthaft, dass die stehen bleiben würden?)

Meine Damen und Herren, wir hatten nicht nur die EXPO in Hannover. Wir haben jetzt wieder die CeBIT.

(Möllring [CDU]: Wer war denn ge- gen die EXPO?)

Unser Stadtbild ist in diesen Tagen der CeBIT davon geprägt, wie eine Einwanderungsgesellschaft eigentlich aussehen könnte. Ich bin für die Internationalisierung des deutschen Arbeitsmarktes; denn dies ist doch heute völlig selbstverständlich. Gehen Sie doch einmal mit einem anderen Blick über die CeBIT. Wir alle werden doch in den nächsten Tagen die CeBIT besuchen. Fragen Sie doch einmal die deutschen Firmen, in welchen Ländern dieser Welt sie Niederlassungen haben. Fragen Sie doch einmal die deutschen Firmen, mit welcher Selbstverständlichkeit in allen anderen Industrienationen die Arbeitsbelegschaft international zusammengesetzt ist. Wir führen hier eine rückwärts gewandte, erbärmliche Abschottungsdebatte.

Herr Stoiber sagt, nur unter der Bedingung, dass der Anwerbestopp aufrechterhalten bleibt, sei er bereit, über ein Zuwanderungsbegrenzungsgesetz weiter zu verhandeln.

Meine Damen und Herren, ich meine, die Grünen haben sich in der Frage der Zuwanderung in den letzten Wochen und Monaten mehr als kompromissbereit gezeigt.

(Zustimmung bei der SPD - Oh! bei der CDU)

Wir haben in dem rot-grünen Zuwanderungsgesetz 80 % der Vorschläge aus dem Müller-Papier übernommen. Wir sind auch in den umstrittenen Fragen der Flüchtlingspolitik weit über das hinausgegangen, was Inhalt grüner Flüchtlingspolitik ist.

Meine Damen und Herren, welche Grenzen haben die Grünen in dieser Debatte denn gesetzt? Wir fordern nichts anderes als die Anerkennung des internationalen Völkerrechts

(Beifall bei den GRÜNEN)

und die Anerkennung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs.

Ich will Ihnen an einem Beispiel deutlich machen, weswegen uns der Aspekt der nichtstaatlichen Verfolgung so wichtig ist. Es geht nämlich überhaupt nicht um die Frage, ob weitere Flüchtlinge

hier nach Deutschland kommen dürfen, sondern es geht um die Frage, was wir mit den mehr als 200 000 Flüchtlingen machen, die seit zehn Jahren und länger hier in Deutschland geduldet werden, aber keinen Zugang zum Arbeitsmarkt haben. Wir wollen, dass diese Flüchtlinge, die integriert sind, die deutsch sprechen, die arbeiten wollen, ein Aufenthaltsrecht bekommen, damit sie und ihre Kinder, die hier geboren sind, die hier in die Schule gehen, in Deutschland die Perspektive des sozialen Aufstiegs haben. Bei dem Aspekt der nichtstaatlichen Verfolgung geht es um die Frage, ob die afghanischen Frauen, die seit zehn Jahren und länger hier in Deutschland wohnen, ein Aufenthaltsrecht bekommen. Aber auch in diesem Punkt verweigert die CDU jedes Gespräch.