Protokoll der Sitzung vom 25.04.2002

auch, dass man eine Verordnung, eine Satzung erlassen muss, die den Rechtsnormen entspricht und nicht widerspricht, die nicht höherrangiges Recht bricht. Das weiß ich alles, und ich gehe davon aus, dass die allermeisten Abgeordneten dieses Hauses das auch beurteilen können.

Der Skandal ist ein ganz anderer: Der Skandal ist, dass eine solche Verordnung von der Bezirksregierung Lüneburg genehmigt worden ist und derselbe Text - inhalts- und textgleich - für eine andere Kommune, nämlich Neustadt am Rübenberge, von der Bezirksregierung Hannover nicht genehmigt worden ist.

(Jahn [CDU]: Wie kommt das?)

Es ist ein unhaltbarer Zustand in diesem Lande, dass in einer Stadt etwas geht, was in einer anderen Stadt nicht geht, weil eine Bezirksregierung dies anders macht als eine andere.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Collmann, darauf sind Sie nicht eingegangen. Das wäre schön gewesen. Wir wollen uns nicht mit Ihnen darüber streiten, wer von uns sauberer ist. Das wollen wir anderen überlassen. Wir wollen uns mit Ihnen darüber streiten und zu einem Ergebnis kommen, dass in diesem Lande wenigstens rechtlich einwandfrei und einheitlich agiert wird. Wenn Sie das nicht machen, dann ist es nichts anderes als rechtliche Unordnung, die der anderen Unordnung noch hinzugefügt wird. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, jetzt liegen mir wirklich keine Wortmeldungen mehr vor. Ich schließe die Beratung.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Der Ältestenrat empfiehlt, mit diesem Antrag den Ausschuss für innere Verwaltung federführend zu befassen und den Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen mitberatend zu beteiligen. Gibt es andere Vorstellungen? - Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe jetzt auf den

Tagesordnungspunkt 35: Erste Beratung: Rot-grüne Untätigkeit beenden und eine Kronzeugenregelung zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität und des Terrorismus schaffen - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/3324

Das Wort hat der Kollege Stratmann. Wie immer, spricht anschließend Frau Bockmann.

(Heiterkeit bei der SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 11. Oktober 2001, also exakt einen Monat nach den schrecklichen Anschlägen von Washington und New York - ich glaube, es ist nicht ganz unwichtig, darauf hinzuweisen -, kündigte die Bundesministerin der Justiz im Deutschen Bundestag einen Gesetzentwurf zur Kronzeugenregelung für Ende desselben Monats, also Oktober 2001, an. Damit wurde seitens der Bundesregierung anerkannt, dass es einer gesetzlichen Regelung bedarf, die den Umgang mit solchen Straftätern regelt, die an der Aufdeckung oder an der Verhinderung von Straftaten mitwirken.

In derselben Bundestagsdebatte, meine Damen und Herren, wurde diese Ankündigung vom rechtspolitischen Sprecher der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, Herrn Beck, mit dem Hinweis begrüßt, dass es eine neue Strafzumessungsregel für Aufklärungs- und Präventionsgehilfen geben müsse, dass dies sinnvoll sei. Bemerkenswert ist dabei übrigens, dass die Grünen das Auslaufen der Kronzeugenregelung Ende des Jahres 1999 noch als politischen Erfolg verkauft hatten.

(Frau Stokar von Neuforn [GRÜNE]: Das war auch einer! Das ist immer noch einer!)

Das war allerdings vor dem 11. September. Ich glaube, auch dieser Hinweis ist nicht ganz unwichtig.

Am 12. Oktober 2001, also einen Tag nach der Bundestagsdebatte, lautete die Überschrift einer Presseinformation des hiesigen Justizministeriums: „Mitwisser von Straftaten werden einbezogen Pfeiffer legt Gesetzentwurf zur Neuregelung der Aufklärungshilfe vor.“ Gemeint ist damit ein niedersächsischer Gesetzentwurf im Bundesrat zur

Kronzeugenregelung. In der Erklärung wird mit guten Argumenten - das räume ich freimütig ein der Bedarf für die Wiedereinführung der Kronzeugenregelung begründet. Ferner wird darin im Wesentlichen der bereits vom Bundesrat am 9. März 2001 beschlossene Gesetzentwurf zur Wiedereinführung der Kronzeugenregelung begrüßt, der übrigens auf Initiative Bayerns zustande gekommen war.

An der Auffassung des Niedersächsischen Justizministers, hat sich, soweit ich weiß - Herr Minister, wir haben vor kurzem noch einmal darüber gesprochen -, bis heute nichts geändert. Wir können auch in einigen Zeitungen immer wieder nachlesen, dass der Minister der Meinung sei, wir bräuchten diese Regelung. Das heißt, wir werden vermutlich heute - ich kenne die Einlassung des Kollegen Schröder von den Grünen noch nicht - im Wesentlichen nicht über das Ob einer solchen Regelung streiten müssen. Das heißt, im Hinblick auf die Ziffer 1 unseres Antrages dürfte die Mehrheit dieses Hauses eigentlich gesichert sein.

Interessanter ist deshalb die Ziffer 2 unseres Antrages. Meine Damen und Herren, trotz anders lautender Ankündigungen seitens der Bundesjustizministerin, aber auch seitens des Niedersächsischen Justizministers Pfeiffer gibt es bis heute weder einen in die Beratung eingebrachten Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Kronzeugenregelung noch einen solchen der Niedersächsischen Landesregierung. Auch das wäre eigentlich nicht zu kritisieren, wenn man sich dem aus Bayern stammenden Gesetzentwurf des Bundesrates im Bundestag angeschlossen hätte. Dieser war vom Bundesrat beschlossen und eingebracht worden. Dies ist aber leider nicht der Fall; der Gesetzentwurf wurde mit rot-grüner Mehrheit abgelehnt.

Wieder einmal, meine Damen und Herren, müssen wir leider erleben, dass die jetzige Bundesregierung mehr als Verbalakrobatik nicht zustande bringt. Das ist leider wieder Tatbestand. Wer - ich sage das auch an dieser Stelle sehr deutlich - seinen Sprüchen keine Taten folgen lässt, den nimmt auf Dauer in dieser Republik niemand mehr ernst.

(Beifall bei der CDU)

Das ist auch einer der Hauptgründe dafür, dass selbst führende Sozialdemokraten derzeit die SPD, die Partei, im Keller sehen und dass sich bei ihnen durchaus Nervosität breitmacht. Diejenigen, die das sagen, haben ein Recht, das so zu behaupten.

(Haase [SPD]: Das sind Träume, Herr Kollege!)

Ich glaube, Herr Kollege Inselmann, aus dem Keller kommen Sie auch nicht so schnell wieder heraus.

(Haase [SPD]: Schneller als alle ande- ren!)

Denn es ist sehr einfach, Glaubwürdigkeit zu verspielen, aber es ist außerordentlich schwierig und sehr zeitintensiv, diese Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen.

(Zustimmung bei der CDU)

Das wird Ihnen vermutlich bis zu den anstehenden Wahlen im Bund und in Niedersachsen nicht gelingen.

Unmittelbar nach dem 11. September haben Sie das will ich auch zugeben - die innere Sicherheit urplötzlich für sich entdeckt. Ihre programmatische Wandlungsfähigkeit hätte ein Chamäleon vor Neid erblassen lassen.

(Zustimmung bei der CDU)

Das ist allerdings kein Zeichen für Qualität, sondern nach meinem Dafürhalten eher ein Zeichen für das Gegenteil. Es ist nämlich Ausdruck Ihres Scheiterns und Ihrer Unfähigkeit, Probleme unseres Landes rechtzeitig zu erkennen und sie dann auch rechtzeitig zu lösen.

Ich sage auch an dieser Stelle sehr ehrlich: Trotzdem hat es uns natürlich geärgert, dass Sie bei Fragen der inneren Sicherheit plötzlich anfingen, uns zu kopieren. Ich glaube, es ist auch nachvollziehbar, dass es so war. Aber letztlich hätte das der Sache gedient, nämlich einem verbesserten Schutz vor Terrorismus und allgemeiner Kriminalität, und dagegen konnte niemand etwas haben. Deshalb sind wir davon ausgegangen, dass den Ankündigungen im Hinblick auf die Kronzeugenregelung, die der Herr Minister in Niedersachsen, aber auch die Frau Bundesministerin in Berlin gemacht haben, Taten folgen würden.

Dass sich allerdings in so kurzer Zeit bei Ihnen die alte Ideologie wieder durchsetzen und die SPD wieder vor den Grünen einknicken würde, hat uns dann doch erneut überrascht. Ich sage das auch in allem Ernst: Das stellt in Anbetracht des Ausmaßes und der Gefährlichkeit der terroristischen Bedrohung und der organisierten Kriminalität und der

damit verbundenen Notwendigkeit, alle rechtsstaatlich gebotenen Mittel dagegen auszuschöpfen, wiederum einen unverantwortlichen Vorgang dar.

Unter Leitung unseres jetzigen Justizministers Pfeiffer hat das Kriminologische Forschungsinstitut bereits 1999 bei der Befragung von knapp 500 Strafrichtern, Staatsanwälten und Polizeibeamten festgestellt, dass es zur wirkungsvollen Bekämpfung der organisierten Kriminalität einer Kronzeugenregelung bedarf. 90 % der Befragten haben sich damals für eine Wiedereinführung der Kronzeugenregelung ausgesprochen, damit der unhaltbare Zustand, dass sich die Praxis bis an die Grenzen des Vertretbaren mit allgemeinen Strafzumessungsregelungen behelfen muss, endlich beendet wird, damit Rechtssicherheit geschaffen wird.

(Zustimmung von Jahn [CDU])

Auch eine seitens des Bundestages zu dieser Frage durchgeführte Anhörung ist zu dem eindeutigen Ergebnis gekommen, dass eine solche Wiedereinführung der Kornzeugenregelung notwendig ist. Selbst die von den Koalitionsfraktionen benannten Sachverständigen haben sich unisono für die Wiedereinführung der Kronzeugenregelung ausgesprochen.

Dass Sie die Auffassung aller Experten, dass Sie die Auffassung der Wissenschaft und der Praxis derart ignorieren, ist für mich nicht nachvollziehbar und ist unverantwortlich. Es ist und bleibt unredlich, wenn Sie gegenüber der Öffentlichkeit ständig davon sprechen, dass Sie die organisierte Kriminalität, dass Sie die terroristischen Gefahren nachhaltig bekämpfen wollten, dann aber keine entsprechenden Maßnahmen folgen lassen.

Ich kann unter keinem Gesichtspunkt nachvollziehen, warum Sie, Herr Minister, im Oktober 2001 ankündigen, dass schnell ein Gesetzentwurf von Niedersachsen kommen solle, es aber bei einem schlichten Positionspapier belassen. Dass es eine Initiative Bayerns gab, war Ihnen bereits zum Zeitpunkt Oktober 2001 bekannt. Wenn Sie dieser Initiative - von mir aus mit geringfügigen Änderungen - hätten beitreten wollen, dann hätte es einer solchen Ankündigung, es solle nun ein Gesetzentwurf folgen, gar nicht bedurft. Aber es macht sich eben besser, wenn gegenüber der Öffentlichkeit der Eindruck erweckt wird, dass die Initiative von Niedersachsen ausgeht und dass

nicht die Bayern in einer wichtigen Frage wieder einmal schneller waren als wir.

Ich sage deshalb abschließend, meine Damen und Herren: Es ist auch Aufgabe der Opposition, Ihre Politik, meine Kolleginnen und Kollegen von der SPD, als das zu entlarven, was sie in Wirklichkeit ist, nämlich nur Schein, nicht Sein. Oder, um mit den alten Griechen zu sprechen, die viel von Politik und Rhetorik verstanden: Jede Politik erscheint eitel und nichtig, sobald die Tat ihr nicht Nachdruck gibt.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, vermutlich wird der Herr Justizminister gleich ankündigen, demnächst sehr schnell einen Gesetzentwurf einbringen zu wollen. Das würden wir natürlich sehr begrüßen, soweit es nicht erneut bei einer bloßen Ankündigung bleibt. Erst wenn der Entwurf den Eingangsstempel des Bundesrates trägt, wäre das Ziel unseres Antrages erfüllt. Wenn das passiert, freuen wir uns. Wir hoffen, dass unser Antrag dazu beiträgt. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU - Ontijd [CDU]: Sehr ordentlich! - Gegenruf von Haa- se [SPD]: Aber neben der Sache!)

Frau Kollegin Bockmann!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bekämpfung der organisierten Kriminalität erfordert wirksame Instrumentarien.

(Zuruf von der CDU: Sehr wohl!)

Zumindest darin sollten wir uns einig sein. Deshalb bitte ich Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition, auf der Zielgeraden keine Nervosität zu zeigen, denn bei Ihnen scheint sich ja Nervosität breit zu machen.

Ich danke Ihnen, dass Sie sich so viele Gedanken um die SPD machen. Aber ich hielte es für erforderlicher, wenn Ihre Gedanken um Ihre eigene Partei kreisen würden.