Protokoll der Sitzung vom 17.05.2002

Viertens. Wir wollen gemeinsam mit dem Verein WAAGE e. V. in Hannover erproben – damit sind wir das erste Bundesland -, ob der Täter-OpferAusgleich in steigendem Maß auf Ehrenamtliche übertragen werden kann. Der Grund liegt auf der Hand. Pro Fall kostet uns ein Täter-Opfer-Ausgleich gegenwärtig 300 Euro. Das ist viel Geld. Mit Ehrenamtlichen ginge das kostengünstiger.

(Klare [CDU]: Sie sollen die Fragen beantworten!)

Aber ich meine, es bedeutet auch ein Stück Verbesserung der Streitkultur in unserer Gesellschaft, wenn wir vermehrt Ehrenamtliche heranziehen. Es geht nicht nur um die Erweiterung der Kapazität ohne hohe Kosten, sondern es geht auch darum, die Akzeptanz des Täter-Opfer-Ausgleichs zu erhöhen. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der SPD - Rolfes [CDU]: Sie müssen die Fragen be- antworten! – Ehlen [CDU]: Das war nichts! – Weiterer Zuruf von der CDU: Deshalb gibt es auch keinen Beifall!)

Frau Kollegin Körtner, Sie haben eine Zusatzfrage.

Herr Minister, vor dem Hintergrund der unbestritten äußerst angespannten Personalsituation im gesamten Justizbereich in Niedersachsen und insbesondere angesichts der von allen Staatsanwaltschaften – auch von der Staatsanwaltschaft Osnabrück – beklagten hohen Arbeitsbelastung und vor

dem Hintergrund, dass Sie gerade gesagt haben, die Staatsanwaltschaften hätten etwas mehr Arbeit zu leisten, frage ich Sie, weil das für den Erfolg des Täter-Opfer-Ausgleichs wichtig ist, wie sich bei den einzelnen Staatsanwaltschaften in Niedersachsen – wir haben davon elf – der Arbeitsaufwand im Zusammenhang mit dem Täter-OpferAusgleichsverfahren entwickelt hat. Kann man wirklich eine angemessene Relation herstellen, Herr Minister? Ich hätte das gern ein bisschen konkreter.

(Jahn [CDU]: Das dauert jetzt noch einmal eine halbe Stunde!)

Bitte schön, Herr Minister, Sie beantworten die Frage von Frau Kollegin Körtner.

Frau Körtner, ich kann gerne auf jede einzelne Staatsanwaltschaft eingehen. Dann setze ich mich aber wieder dem Vorwurf aus, ich würde hier zu lange über eines meiner Lieblingsthemen sprechen.

(Zustimmung bei der SPD)

In Aurich beispielsweise wird gesagt: Die Vorteile überwiegen deutlich. Es gebe eine sehr hohe Befriedung.

(Frau Körtner [CDU]: Ich hatte kon- kret nach Zahlen gefragt!)

- Ach so, nach den absoluten Zahlen. Den Zettel kann ich holen.

(Frau Körtner [CDU]: Angemessen- heit der Zahlen! – Jahn [CDU]: So, jetzt geht es los!)

Ich hole mir den Zettel mit den einzelnen Zahlen.

(Biel [SPD]: Herr Minister, teilen Sie ihr das schriftlich mit! – Gegenruf von Frau Vockert [CDU]: Seit wann ge- ben Sie hier Anweisungen? – Biel [SPD]: Ich will vermeiden, dass sie das wieder nicht begreift! – Gegenru- fe von der CDU: Unverschämtheit! – Frau Vockert [CDU]: Von sich auf andere schließen! – Jahn [CDU]: Herr Biel, das war ganz schön schlimm! - Glocke der Präsidentin)

So, ich habe die Zahlen jetzt hier und kann Ihnen, beginnend mit Bückeburg, sagen, dass dort, wenn ich 1999 als Ausgangsjahr nehme, die Zahl der Fälle von neun auf 29 angestiegen ist, bei der WAAGE e. V. in Hannover von 286 auf 643 innerhalb von zwei Jahren.

(Frau Körtner [CDU]: Herr Minister, ich muss es noch einmal sagen: Ich habe nach der Arbeitsbelastung ge- fragt!)

- Ach so, Sie wollen nicht die Zahlen. Gut, jetzt habe ich es verstanden, Verzeihung.

Ich kann nur sagen: Die Arbeitsbelastung erhöht sich entsprechend der Zunahme der absoluten Zahlen. Wenn sich eine Staatsanwaltschaft entscheidet, einen einzelnen Fall wegzugeben und hierfür in Kauf zu nehmen, dass der Täter-OpferAusgleich nach einiger Zeit als Akte zurückkommt und sie sich die Akte erneut vorlegen lassen muss, dann hat sie mehr Aufwand als bei einem Strafbefehl. In Minuten haben wir das noch nicht berechnet; wir können das aber gerne nachtragen.

(Frau Körtner [CDU]: Darum bitte ich, Herr Minister!)

- Gut. - Gegenzurechnen ist dann freilich der schwer zu messende Erfolg, dass in einer unbekannten Zahl, die wir nur schätzungsweise ermitteln können, Zivilgerichtsverfahren unterbleiben, weil die Opfer sofort ihren Schadenersatz geleistet bekommen und es dann nicht mehr nötig ist, über einen Anwalt eine Klage einzureichen. Wir können mit einiger Mühe möglicherweise über die WAAGE erfahren - weil es dort Begleitforschung gegeben hat -, wie hoch diese Quote ist.

Allerdings halte ich es in Anbetracht der Vorteile, die die Opfer haben - allein bei der WAAGE haben sich für die Opfer in drei Jahren zusammen 300 000 DM Schadenersatz ergeben -, für gerechtfertigt, dass wir den Staatsanwaltschaften diese kleine Mehrbelastung zumuten. Ich bin gern bereit, Ihnen dazu schriftlich ergänzende Ausführungen zukommen zu lassen, sobald mir Daten vorliegen.

Danke schön, Herr Minister. - Frau Kollegin Körtner hat noch eine Zusatzfrage.

Herr Minister, vor dem Hintergrund, dass unsere Mündliche Anfrage sehr konkret war, und vor dem Hintergrund, dass Sie als Minister sich immer sehr sorgfältig auf diese Mündlichen Anfragen vorzubereiten haben, frage ich Sie noch einmal: Ist es Ihnen möglich, mir die von mir eingeforderten Daten zur Angemessenheit der mit dem Täter-Opfer-Ausgleich verbundenen Arbeitsbelastung der Staatsanwaltschaften, die von der Staatsanwaltschaft Osnabrück und von allen anderen Staatsanwaltschaften in Niedersachsen beklagt wird, innerhalb kürzester Zeit vorlegen? Sonst wäre ich gezwungen, für das nächste Plenum eine erneute Mündliche Anfrage zu stellen.

(Beifall bei der CDU)

Bitte schön, Herr Minister!

Frau Körtner, ich habe mir Ihre Frage noch einmal durchgelesen. So präzise, wie Sie es jetzt hier konkretisiert haben, stand es in der ursprünglichen schriftlichen Anfrage nicht. Von daher habe ich mich so vorbereitet, wie die Frage war. Das ist jetzt eine neue Fragerichtung.

(Frau Körtner [CDU]: Aber das steht in einem kausalen Zusammenhang mit der Mündlichen Anfrage!)

Ich bitte, Herrn Minister Pfeiffer die Antwort geben zu lassen.

(Frau Vockert [CDU]: Kann er nicht!)

Diese Konkretisierung kann ich versuchen zu leisten. Im Augenblick ist das nicht möglich. Ich werde prüfen müssen, ob der Arbeitsaufwand vertretbar ist, den wir unseren Staatsanwaltschaften zumuten, wenn wir sie bitten, sehr exakt, sozusagen minutengenau aufzulisten, welche Mehrarbeit damit verbunden war.

(Frau Körtner [CDU]: Herr Minister, das sollte im Interesse der Staatsan- waltschaften sein!)

Ich bezweifle im Übrigen den Sinn dieser Nachfrage, weil sich in ihren Rückantworten alle einig sind, dass sie diese Mehrbelastung in Anbetracht der Vorteile, die den Opfern durch den TäterOpfer-Ausgleich zuteil werden, gerne in Kauf nehmen.

Frau Kollegin Bockmann hat noch eine Zusatzfrage. Bitte schön!

Herr Minister, vor dem Hintergrund, dass die CDU-Fraktion im Jahr 2001 einen konkreten Haushaltskürzungsantrag in Sachen Täter-OpferAusgleich gestellt hat - und zwar in Höhe von 150 000 DM -, frage ich Sie, ob diese Erfolgsstory in Sachen Täter-Opfer-Ausgleich in Niedersachsen auch dann möglich gewesen wäre, wenn wir diesem Kürzungsantrag der CDU-Fraktion gefolgt wären.

Frau Bockmann, es liegt auf der Hand, dass das nicht möglich gewesen wäre. Es ist Gott sei Dank anders gekommen. Ich danke der Fraktion, dass sie diesem Antrag wiederstanden hat, dass sie trotz der Haushaltsschwierigkeiten die Mittel in voller Höhe bewilligt hat;

(Beifall bei der SPD)

denn dadurch war es möglich, den Täter-OpferAusgleich wie geplant zu erweitern. Ich danke dafür, dass dieses Jahr erneut Erweiterungen gekommen sind.

Wenn wir den Ratschlägen der CDU und ihren Anträgen gefolgt wären, dann wären wir nicht so weit, wie wir jetzt sind.

(Beifall bei der SPD)

Weitere Wortmeldungen zu dieser Frage liegen mir nicht vor.

Ich rufe auf

Frage 3: Ist die Landesregierung gegen die Fleisch produzierende Agrarindustrie machtlos?

Die Frage wird gestellt von Herrn Kollegen Klein. Bitte schön, Herr Klein!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die ökologischen Probleme u. a. mit den Nährstoffüberschüssen der Massentierhaltung in den Intensivtierhaltungsgebieten in Südoldenburg sind nach Auffassung von Wissenschaftlern allein Grund genug für einen Stopp des weiteren Ausbaus von Mastanlagen in diesem Bereich. Hinzu kommen gesundheitliche Probleme der dort lebenden und arbeitenden Menschen durch die Emissionen der hohen Tierkonzentrationen. Aber auch ökonomische Risiken etwa durch den Seuchendruck oder die von den Verbrauchern nicht akzeptierten Tierschutzdefizite zwingen zum Handeln.

Im März letzten Jahres kündigte Landwirtschaftsminister Bartels ein Umsteuern in den Ballungsgebieten der tierischen Veredelung in Niedersachsen an. Außerdem wurde angekündigt, mit Hilfe der ab 2003 fließenden Modulationsmittel bestehende Mastplätze „herauszukaufen“, um damit eine ökologische Entlastung zu erreichen.

Die Agrarindustrie vor Ort zeigt sich davon gänzlich unbeeindruckt. Die Stallbauoffensive ist ungebrochen, und die Größenordnungen geplanter Mastställe gehen über das bisher bekannte Maß weit hinaus. Eine Abfrage bei der Kreisverwaltung Vechta - dem Landkreis mit der weltweit höchsten Viehdichte und einem 50-prozentigen Gülleüberschuss - dokumentiert folgende aktuelle Einzelplanungsvorhaben: Sauenhaltungsanlagen mit 2 056 und 1 776 Sauenplätzen plus entsprechenden Ferkelaufzuchtsplätzen in Goldenstedt-Einen und Visbek-Siedenbögen (der erstere Antragsteller be- antragt gleichzeitig 7 500 Putenmastplätze), eine Schweinemastanlage mit 5 200 Mastplätzen plus 1 700 Ferkelplätzen in Dinklage-Bahlen, Hähnchenmastanlagen mit 93 000 und 96 000 Mastplätzen in Holtorf und Visbek-Varnhorn und eine Rindermastanlage mit 450 Mastplätzen in DammeSüdfelde.

Nach wie vor gibt es eine Schieflage zugunsten der Antragsteller in den Genehmigungsverfahren. Gründe dafür sind u. a. die rechtliche Privilegierung dieser Anlagen, die Nichtberücksichtigung

von Umgebungsvorbelastungen, die eventuelle Nichtbeachtung der Neufassung der TA Luft und die Verneinung gesundheitlicher Belastungen, die auch durch die zögerliche Beauftragung der laufenden Gesundheitsstudien durch die Landesregierung mit verursacht ist.