Protokoll der Sitzung vom 13.06.2002

Jetzt hat Herr Kollege Schröder das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Entschließungsantrag der CDU-Fraktion ist in vieler Hinsicht überholt. Ich werde das gleich erläutern. Vor allem ist es nicht ein Justizskandal, was sich 2001 um die Wahl von zwei Bundesrichtern ereignet hat, sondern für skandalös halte ich den Umgang mit den beteiligten Personen dabei.

Zwei Dinge vorweg. Erstens. Am 21. März dieses Jahres ist Wolfgang Neskovic erneut zum Richter am BGH gewählt worden, und zwar auch mit Stimmen aus CDU/CSU und FDP. Vielleicht nehmen Sie auch einmal zur Kenntnis: Dieser neue Richter am BGH ist nicht Mitglied der Grünen, und auch der SPD steht er nicht sonderlich freundlich gegenüber. Sie versuchen hier also, jemandem am Zeug zu flicken, der Ihnen aus welchen Gründen auch immer nicht in Ihr Konzept passt, der aber sicherlich als unbequeme, aber interessante Persönlichkeit dieses Gericht bereichern wird.

Zweitens. Sie beziehen sich in Ihrem Antrag auf die Gesetzesinitiative des Landes Baden

Württemberg zur Änderung des Richterwahlgesetzes. Dieser Reformvorschlag ist, soweit ich informiert bin, sang- und klanglos von Minister Goll zurückgezogen worden und steht gar nicht mehr auf der Tagesordnung. Damit ist auch Ihr Entschließungsantrag gegenstandslos, meine Damen und Herren, mit dem Sie das Land auffordern wollen, diese Initiative zu unterstützen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ich verstehe ja, Herr Kollege, dass es gegenüber der Art und Weise, wie Bundesrichter gewählt werden, Unbehagen gibt: intransparent, undurchsichtiger als die Papst-Wahl - so jedenfalls die Kritik.

(Klare [CDU]: Was? Das glaube ich nicht!)

Es wird ja immer wieder der Eindruck kolportiert, die beiden Obleute der beiden großen Lager würden sich treffen und einen Kuhhandel schließen nach dem Motto „Zwei links, zwei rechts und einen fallen lassen“ - das ist dann meistens der grüne oder parteilose Bewerber - und derartig über solche Positionen beschließen. Sie sollten mit solcher Kritik aber sehr vorsichtig sein. Wenn Sie - wie ich finde, zum Teil mit nicht nachvollziehbaren Argumenten - derartige Kungelgeschäfte auf Bundesebene kritisieren, dann frage ich auch einmal: Wie werden eigentlich hier im Lande Richter bestellt und gewählt? Wie war es eigentlich gestern bei der Wahl eines stellvertretenden Mitglieds des Staatsgerichtshofs? In seiner Person, nach seiner fachlichen und persönlichen Eignung, ist er sicherlich erste Wahl. Aber auch hier habe ich von der CDU keine Forderung gehört, die Wahlen für Richter am Staatsgerichtshof öffentlich auszuschreiben, Anforderungsprofile zu erstellen usw.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Sie haben sich, wie es hier regelmäßig der Fall ist, im Vorfeld mit der SPD geeinigt, wer jetzt dran ist. Mit den Grünen brauchte man da nicht zu reden. Dann wird das in zehnminütigen Sitzungen kurz verabschiedet und im Plenum gewählt.

Wenn wir ernsthaft über dieses Thema diskutieren, dann kann die Kritik an fehlender Transparenz auf Bundesebene nicht auf die Bundesebene beschränkt bleiben, sondern dann müssen wir auch über die Art und Weise reden, wie in Niedersach

sen Richter gewählt und wie auch in Niedersachsen Beförderungspositionen - beispielsweise für OLG-Präsidenten, für Präsidenten der Landgerichte und Direktoren der Amtsgerichte - besetzt werden, ohne dass wir - im Gegensatz zu vielen anderen Bundesländern - eine Mitwirkung der Öffentlichkeit und des Parlamentes haben. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Frau Merk [SPD])

Jetzt hat Herr Kollege Voigtländer das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Biestmann, ich gebe Ihnen Recht: Dieses Thema ist nach wie vor im Gespräch. Aber Sie hinken der Entwicklung meiner Ansicht nach sehr hinterher. Baden-Württemberg hat davon Abstand genommen.

Sie müssen sich entscheiden: „Biestmann“ oder „Dr. Biester“!

Bitte, Herr Präsident?

Sie haben dem Kollegen Biestmann gerade zu einer Promotion verholfen.

(Biestmann [CDU]: Danke!)

Das ist doch nicht unangemessen!

(Heiterkeit)

Aber zur Sache selbst zurück: Ich würde mich gerne noch einmal mit Ihrem Antrag befassen, weil deutlich werden muss, ob er wirklich geeignet ist, uns bei diesem Thema voranzubringen oder nicht.

Sie sagen, Sie wollen bessere Kandidaten haben, Sie wollen fachlich besser geeignete Richter haben. Das ist eigentlich nicht das Thema. Es ist unstreitig, dass es an dieser Stelle kein Qualitäts

problem, sondern eher ein Akzeptanzproblem gibt, nämlich Akzeptanz in der Hinsicht, in welcher Art und Weise der Präsidialrat auf der einen Seite und der Richterwahlausschuss auf der anderen Seite Einfluss auf die Auswahl der Kandidaten und die Entscheidung nehmen.

(Vizepräsidentin Litfin übernimmt den Vorsitz)

Zu Ihren Punkten: Sie wollen eine öffentliche Ausschreibung. Eine öffentliche Ausschreibung bedeutet: Jeder, der das Erste und Zweite Staatsexamen bestanden hat, könnte als geeignet angesehen und bestellt werden. Es gäbe eine Flut von Konkurrentenklagen

(Zuruf von der CDU)

- und Anwälte natürlich auch; aber Sie haben doch Ihre zwei Examina gemacht, Herr Kollege -, und dieser Bereich wäre im Prinzip nicht mehr funktionsfähig, wenn dies realisiert würde - eine bürokratische Entwicklung, wie sie schlimmer nicht sein könnte.

Sie fordern zweitens ein Anhörungsrecht für den Präsidialrat, und das zu einem Zeitpunkt, zu dem die Sache an sich längst gelaufen ist. Ich meine, das Einzige, das wesentlich ist, wäre: Wie können diese beiden Gremien - Präsidialrat auf der einen Seite und Richterwahlausschuss auf der anderen Seite - vor Entscheidungen miteinander sprechen?

Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es Verlautbarungen aus allen Bundesländern, aber es gibt überhaupt keine Einschätzung darüber, in welche Richtung das Ganze laufen könnte. Vielleicht könnten Sie sich, Herr Dr. Biester, mit der Idee anfreunden, dass das, was der Präsidialrat zu den einzelnen Kandidaten herausgefunden hat, öffentlicher wird, als es derzeit bekannt ist. Vielleicht wäre das ein Beitrag dazu, um herauszufinden, ob in Zukunft eher die fachlichere oder die politische Seite stärker betont werden soll. An der politischen Einflussnahme sollten wir nicht vorbeikommen. Wir sollten auch darauf beharren, dass es dabei bleibt.

Ob es richtig ist, dass sich die Justiz an dieser Stelle sozusagen selbst fortpflanzt, habe ich meine Zweifel. Die Vergangenheit hat uns eine schlimme Geschichte hinterlassen. In diesem Sinne bin ich sehr darauf gespannt, was in diesen Tagen die Bundesjustizministerin vorschlagen wird. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Auch Herr Minister Pfeiffer möchte zu diesem Tagesordnungspunkt zu uns sprechen.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte kurz zu dem, was Herr Dr. Biester vorgetragen hat, Stellung nehmen.

Erstens. Sie hatten angezweifelt, ob es in dieser Legislaturperiode von meiner Seite aus eine Initiative in Sachen Kronzeugenregelung geben wird. Die wird es natürlich geben.

Zweitens. Sie hatten angezweifelt, ob meine Ankündigungen zu den Änderungen des Verfahrens eingebracht worden sind oder werden. Ich habe sie bereits eingebracht. Sie haben dazu beigetragen, dass bereits beim letzten Mal das Wahlverfahren in wichtigen Punkten geändert worden ist.

Im Übrigen debattiert heute Nachmittag um 16.30 Uhr der Richterwahlausschuss in Berlin, um über diese Fragen gründlich zu beraten und zu erörtern, ob wir beim nächsten Mal noch weitere Änderungen vornehmen werden.

Ich bedauere es sehr, wie Sie den gewählten Bundesrichter Neskovic hier abqualifiziert haben. Das Nötige hat Herr Abgeordneter Schröder schon gesagt. Er ist in seinen Leistungsbeurteilungen auf Landesebene hervorragend bewertet gewesen. Von daher hat niemand Zweifel gehabt, dass er die Leistungen nicht bringen wird. Deswegen ist er mit den Stimmen der CDU und der FDP beim letzten Mal gewählt worden.

(Beifall bei der SPD)

Herr Dr. Biester, bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zwei Bemerkungen muss man dazu noch machen.

Wenn Sie sagen, niemand hat die Qualität bezweifelt, dann ist für Sie praktisch der Präsidialrat des Bundesgerichtshofes ein Niemand, denn er hat sie bezweifelt. Das ist eindeutig.

(Plaue [SPD]: Das hat jetzt zur Wahr- heitsfindung beigetragen!)

Ich nehme mit Befriedigung zur Kenntnis, dass Sie hiermit wiederum öffentlich angekündigt haben, sehr wohl eine Bundesratsinitiative zur Kronzeugenregelung auf den Weg bringen zu wollen. Sagen Sie bitte Ihren Mitarbeitern des Hauses, dass Sie im Ausschuss nichts Gegenteiliges sagen, denn da ist Gegenteiliges gesagt worden.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt schließe ich die Beratung, und wir kommen zur Abstimmung.

Wenn Sie der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen in der Drucksache 3461 zustimmen und damit den Antrag der Fraktion der CDU in der Drucksache 2778 ablehnen wollen, dann bitte ich um Ihr Handzeichen. - Gegenstimmen? - Das Erste war die Mehrheit.

Wir kommen jetzt zu

Tagesordnungspunkt 20: Zweite Beratung: Niedersächsisches Kompetenzzentrum Brennstoffzelle - Ein Forschungsverbund für eine innovative Technologie - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/2437 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Verkehr - Drs. 14/3462

Dieser Antrag wurde in der 77. Sitzung am 17. Mai 2001 an den Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr zur Beratung und Berichterstattung überwiesen. Eine Berichterstattung zu diesem Tagesordnungspunkt ist nicht vorgesehen. Wir kommen zur Beratung. Für die Fraktion der SPD spricht der Kollege Wendhausen.