Ich bin versucht, Nein zu sagen. Ich muss gestehen, dass ich auch dies nur begrenzt nachvollziehen kann. Auch Ihnen empfehle ich: Schauen Sie in das Gutachten hinein, und verlassen Sie sich nicht auf Zeitungsartikel.
b) Sind die Lehrerverbände schuld an Niedersachsens Bildungsmisere? - Anfrage der Fraktion der CDU - Drs. 14/3625
In der Neuen Presse vom 1. Juli unter der Überschrift „Gabriel: Lehrerverbände Schuld an Bildungsmisere“ und in der Braunschweiger Zeitung vom 2. Juli 2002 werden Ausführungen des Ministerpräsidenten wiedergegeben. Danach hält dieser „die unheilige Allianz zwischen bildungspolitischen Ideologen in den Parteien und Funktonären aus Lehrerverbänden“ für die größte Innovationsblockade in unserem Land. Der Ministerpräsident erweckt mit seiner Attacke auf die Lehrerverbände offensichtlich den Eindruck, als seien diese die Hauptschuldigen für die Bildungsmisere. Niedersachsen hatte im innerdeutschen Leistungsvergleich mit zehnten und elften Plätzen von 14 Bundesländern miserabel abgeschnitten. Es
Zum Schuljahresbeginn ist kein Ausweg aus der niedersächsischen Bildungsmisere in Sicht. So fällt der von der Landesregierung angekündigte naturwissenschaftliche Unterricht insbesondere an Gymnasien, aber auch an anderen Schulformen wegen Lehrermangels aus. Laut Auskunft der Landesregierung konnten 61 Lehrerstellen insbesondere in ländlichen Regionen überhaupt nicht besetzt werden. Zahlreiche andere Stellen mussten mit Bewerbern anderer Fächerkombinationen, anderer Lehramtsqualifikationen oder aber mit externen Bewerberinnen und Bewerbern ohne Lehramtsqualifikation besetzt werden.
1. Welche Ursachen hat das miserable Abschneiden Niedersachsens im nationalen und internationalen Leistungsvergleich vor dem Hintergrund von zwölf Jahren SPD-Regierung?
2. Warum beschimpft die Landesregierung vor diesem Hintergrund die Lehrerverbände, statt sich der eigenen Verantwortung zu stellen
und den notwendigen, aber offensichtlichen fehlenden konstruktiven Dialog mit den Lehrerverbänden in Niedersachsen zu führen?
3. Wie soll die niedersächsische Bildungsmisere behoben werden, wenn vorgesehener naturwissenschaftlicher Unterricht wegen Fachlehrermangels nicht erteilt werden kann und wenn zahlreiche Lehrerstellen wegen Lehrermangels nicht oder aber nur mit Bewerbern anderer Fächerkombinationen, anderer Lehramtsqualifikationen oder mit externen Bewerberinnen und Bewerbern ohne Lehramtsqualifikation besetzt werden können?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, mir nachzusehen, dass ich zu Beginn längere Ausführungen machen muss, weil die
Dringliche Anfrage aus mehreren mündlichen Anfragen zusammengestellt worden ist und sehr unterschiedliche Teilgebiete berührt.
Die Landesregierung hat - das wissen Sie - bereits zwei Jahre vor der Veröffentlichung der PISAStudie mit einer Schulreform begonnen. Niedersachsen ist deshalb im Ländervergleich führend, konsequente Antworten auf die Herausforderungen des internationalen Bildungsvergleiches zu geben. Ich habe das bereits gestern ausgeführt. Mit gezielter Deutschförderung im Kindergarten vor der Einschulung, mit mehr Förderstunden, mit einem Aufbau eines flächendeckenden Netzes von Ganztagsschulen haben wir bereits erste Konsequenzen aus den PISA-Befunden gezogen. Das neue Schulgesetz wurde vor der Sommerpause verabschiedet. Im Haushalt stehen etwa 160 Millionen Euro mehr gegenüber dem Haushalt 2000 für Bildungsausgaben zur Verfügung.
In einem weiteren Schritt werden nun Maßnahmen zur Verbesserung der Unterrichtsqualität und der Schülerleistungen ergriffen. Die Grundlage ist eine vergleichende Analyse des Schulwesens der PISASiegerländer wie Finnland, Kanada, Schottland, Schweden und Neuseeland. Die Besuche in zahlreichen Schulen und Bildungseinrichtungen des Landes anlässlich einer Bildungsreise des Herrn Ministerpräsidenten bestätigen, dass es überall hoch engagierte und hoch motivierte Lehrerkollegien gibt, die bereits auf dem Weg sind, sich an Qualitätsmaßnahmen heranzumachen, die gute Vorarbeit für das Konzept der selbständigen Schule geleistet haben.
Einige haben sie gestern schon erwähnt. Ich will sagen: 50 Budgetschulen erwarten, dass sie noch mehr Gestaltungsfreiheit bekommen, Netzwerkschulen, INES-Schulen, QuiS-Schulen, APUSchulen.
All diese Schulen sind bereits auf dem Weg in diese Selbständigkeit, die wir ihnen jetzt erweitert geben wollen.
Gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten habe ich daher am 9. August das Konzept „Selbständige Schule“ vorgestellt. Mit diesem Konzept wollen wir Leistungsorientierung und Qualitätssicherung betreiben, und zwar durch die weitgehende Befreiung von detaillierten Regelungen, allerdings - da muss man dem Vorwurf von Herrn Busemann etwas entgegensetzen - durchaus mit staatlicher Rahmensetzung, mit Qualitätsvorgaben und mit einer Leistungsvereinbarung zwischen Schule, Land und Schulträger und mit erheblich mehr Mitwirkungsrechten von Eltern und Schülern.
Über die Konsequenzen aus PISA für Niedersachsen und das daraus entwickelte Konzept habe ich bereits zwei Veranstaltungen mit Lehrerverbänden und mit der Gewerkschaft durchgeführt, und zwar am 13. Mai zu der internationalen Studie, und am 12. August habe ich ausführlich informiert und auch bereits das Konzept „Selbständige Schule“ vorgestellt. Im Übrigen sind die Schulen über das Schulverwaltungsblatt und über unsere InfoOnline-Blätter über PISA informiert und hatten auch den Auftrag, sich anlässlich der Präsenztage am Ende der Sommerferien mit der PISA-Studie und den Konsequenzen zu beschäftigen.
Das Abschneiden Niedersachsens im Vergleich zu den anderen Bundesländern in der PISA-E-Studie wird in der Anfrage unzureichend dargestellt. Sie haben das soeben vorgetragen. Um die Platzierungen verstehen zu können, muss berücksichtigt werden, dass es beim internationalen Vergleich um eine Stichprobe auf der Ebene von 15-Jährigen und beim nationalen Vergleich um eine Stichprobe auf der Ebene der Neuntklässler geht. Um die Bundesländer in das internationale Ranking einzusortieren, wie Sie das eben getan haben - übrigens hält es selbst Herr Baumert für sehr kompliziert, Bundesländer in Nationenranglisten einzusortieren -, ist die Stichprobe der 15-Jährigen rechnerisch - rechnerisch! - erweitert worden. Danach belegt Niedersachsen im bundesdeutschen NeuntklässlerVergleich Platz 7 in der Lesekompetenz, Platz 8 in der Mathematik und Platz 9 in den Naturwissenschaften. Im Gymnasialvergleich, den Sie, wahrscheinlich weil er Ihnen zu positiv ist, gar nicht erwähnt haben, erreicht Niedersachsen - -
- Sie können das nachlesen. Im Gymnasialvergleich erreicht Niedersachsen beim Lesen unter den Bundesländern Platz 2 mit 584 Punkten, Platz 6 in der Mathematik und Platz 5 in den Naturwissenschaften.
Jetzt sage ich etwas Relativierendes zu diesen Platzzahlen, weil mit ihnen immer sehr locker umgegangen wird. Eine solche Ranking-Liste zu haben, ist ja auch sehr schön, nicht wahr?
Zu diesen Platzzahlen kann man nur sagen: Manche Bundesländer unterscheiden sich durch einen einzigen Punkt, und das macht dann einen Platz aus. Die Bundesländer von Platz 3 bis Platz 11 weisen keine signifikanten Unterschiede auf. Sie haben nur unterschiedliche Punktzahlen - 493, 492, 490 -, und daraus ergeben sich Platzzahlen. Kein Statistiker würde unterschreiben, dass hier ein signifikanter Unterschied in den Leistungen der Bundesländer besteht.
(Beifall bei der SPD - Plaue [SPD]: Das interessiert die von der rechten Seite doch gar nicht! - Widerspruch bei der CDU)
- Sie können sich darüber gern noch einmal informieren. - Insgesamt muss man wissen, dass ein Unterschied von 31 Punkten eine halbe Kompetenzstufe in der PISA-Studie ausmacht und man dann erst von einem signifikanten Unterschied reden kann. Dieser allerdings wird dann erheblich. Die Experten schätzen ein, dass 31 Punkte etwa einem Lernvorsprung von einem Schuljahr entsprechen.
Diese Bewertung ist übrigens den Lehrerverbänden und der Gewerkschaft ausführlich dargelegt worden. Die Ergebnisse werden genau analysiert werden, wenn im Dezember alle Datensätze vorliegen.
Was die Besetzung von Lehrerstellen betrifft, die Sie ebenfalls angesprochen haben, werden die Bezirksregierungen auch in diesem Jahr das Auswahl- und Einstellungsverfahren mit großem Einsatz bewältigen. Ich danke an dieser Stelle ausdrücklich dafür. Wir haben 3 629 Einstellungen zu bewältigen!
- Zu bewältigen. Das ist ein großer Arbeitsaufwand, den Schulen, Schulleitungen und auch die Bezirksregierungen leisten. Wir haben das jahrelang - Jahrzehnte, kann man sagen - in diesem Ausmaß nicht gehabt.
Nur für 61 Lehrerstellen konnte zu Beginn des Schuljahres das Auswahlverfahren noch nicht abgeschlossen werden. Das ist erwähnt worden. Das sind 3,6 % aller vorgesehenen Einstellungen. Von diesen Stellen sind inzwischen nur noch zehn frei geblieben, die zum 1. November mit neuen Absolventen des Vorbereitungsdienstes besetzt werden können. Die Bezirksregierung Lüneburg berichtet hierzu, dass zahlreiche Bewerberinnen und Bewerber noch auf günstigere Schulorte und Schulformen gewartet haben und dann nach Schuljahresbeginn doch die verbleibenden Angebote angenommen haben. Sie wissen - ich habe das hier mehrmals dargestellt -, dass regional die Lehrkräfte nicht alle Stellen in Niedersachsen annehmen wollen und dass insbesondere im Bereich der Bezirksregierung Lüneburg große Probleme in der Fläche bestehen, Lehrkräfte für alle Stellen zu bekommen.
Rund 10 % der Stellen konnten an den allgemein bildenden Schulen nicht genau mit den von den Schulen gewünschten Fächern besetzt werden. - Danach hatten Sie auch gefragt. - Bei 5,7 % der mit zwei Fächern bekannt gegebenen Stellen hatten die ausgewählten Lehrkräfte eine Ausbildung zumindest in einem der beiden Fächer. Auf 4,5 % der Stellen wurden Lehrkräfte gesetzt, die zwar in keinem der ausgeschriebenen Fächer ausgebildet waren, die aber in vielen Fällen anstelle des bekannt gegebenen Bedarfsfaches ein anderes angegeben hatten. Ich habe an die mündliche Anfrage, die dazu auch noch gestellt worden ist, die Listen angehängt, sodass Sie sich über jede einzelne Fächerkombination informieren können.
Allgemein muss darauf hingewiesen werden, dass es unrealistisch ist, zu meinen, Lehrereinstellungsbedarf und Lehrerangebot könnten jederzeit 1 : 1 in Deckung gebracht werden. Allein die zeitliche Differenz zwischen den Ausbildungsentscheidungen der Lehramtsstudienanfänger vor sieben oder mehr Jahren und den heutigen Feststellungen von 1 500 Schulen zum aktuellen Einstellungsbedarf lässt dies kaum zu. Auch für die Ausbildung der
Lehrkräfte gilt im Übrigen die Freiheit der Berufswahl, die nur in begrenztem Umfang durch Empfehlungen zum zukünftigen Lehrereinstellungsbedarf und durch die Kapazitäten der Hochschulen gesteuert werden kann. Wir haben das versucht und verzeichnen jetzt auch steigende Zahlen; das wissen Sie. Seit zwei oder drei Runden ist das zum Glück gelungen.