Wenn aber dann eine Krankheit tatsächlich virulent wird, wenn sie ausbricht, ist wieder die Solidargemeinschaft gefragt, dann zahlt die Solidargemeinschaft.
(Dr. Winn [CDU]: Frau Pothmer, mit Ihren Bemerkungen zeigen Sie, dass Sie es nicht verstanden haben!)
Mich würde genau das interessieren. Leider sind Sie uns die Antwort auf die Frage, was denn konkret zukünftig nicht mehr GKV-Leistung werden soll, an jeder Stelle schuldig geblieben. Im Übrigen haben die wirklichen Gesundheitsexperten Ihrer Partei auf der Bundesebene, beispielsweise Herr Seehofer, immer schon gesagt: Das funktioniert überhaupt nicht. - Ihr Fraktionsvorsitzender und auch andere tragen das trotzdem jetzt im Wahlkampf immer vor sich her.
Ich will zum konkreten Antrag kommen. Wenn ich richtig informiert bin, handelt es sich bei der Untersuchung, die Sie jetzt fordern, zunächst einmal um eine Leistung, die bisher von einem Labor in Benthe innerhalb der Laborpauschale erbracht wird. Diese Leistung hat keinerlei gesetzliche Grundlage, sondern wird quasi im Graubereich erbracht. Jetzt soll diese Leistung, die von diesem Labor in Benthe bisher im Graubereich erbracht worden ist, Kassenleistung werden. Herr Dr. Winn, nehmen Sie es mir nicht übel, aber ein bisschen riecht das schon nach Lobbyismus für ein spezifisches Labor.
sellschaft für Kinderheilkunde ist - die haben das gemacht -, eine Liste darüber zu erarbeiten, welche Krankheiten tatsächlich im Rahmen der Kassenleistungen getestet werden. Das ist eine ziemlich schwierige Aufgabe, die sehr feinfühlig zu erfüllen ist, weil dabei auch bedacht werden muss, welche Krankheiten tatsächlich therapierbar sind. Was richten wir eigentlich an, wenn wir auf Krankheiten testen und sie erkennen, den Eltern die Ergebnisse mitteilen, aber noch keine Therapie anbieten können?
Ich halte es nicht für richtig, sich hier ins Parlament zu stellen und zu fragen: Das wollen wir hier zukünftig machen. - Das Parlament ist nicht der richtige Ort. Ich halte es für richtig, dass die Gesellschaft für Kinderheilkunde eine solche Liste erarbeitet und der zuständige Bundesausschuss für Ärzte und Krankenkassen darüber entscheidet. Für mich betreiben Sie in diesem Bereich eine Politik nach dem Motto: Wasch‘ mir den Pelz, aber mach‘ mich nicht nass! - Das geht so nicht, und das lassen wir Ihnen auch auf keiner Podiumsdiskussion zum Thema Gesundheitsreform durchgehen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir hatten dankenswerterweise schon in der letzten Sitzung des Fachausschusses Gelegenheit, über dieses Thema zu diskutieren, weil Sie uns das entsprechend angekündigt hatten. Bereits dort hatte ich gesagt: Im Grundsatz spricht gegen die Forderungen überhaupt nichts. Wir haben über unseren Antrag betreffend Gesundheitsförderung von Kindern im Ausschuss ja schon diskutiert und darauf hingewiesen, dass wir gern ein flächendeckendes Hör-Screening hätten. Außerdem haben wir darauf hingewiesen, dass wir die Landesregierung bitten werden, die vorhandenen Modelle im Gespräch mit den Kassen auf Niedersachsen auszuweiten, weil Behinderungen auf diese Weise frühzeitig erkannt werden können bzw. rechtzeitig vorgebeugt werden kann. Es ist sinnvoll - das ist eine Grundsatzforderung, die schon seit Jahren gestellt wird -,
Das Gleiche gilt sicherlich für das AugenScreening bei Neugeborenen, wobei Sie als Mediziner besser wissen als ich, dass all das dort an Grenzen stößt, wo der Facharztstreit über die Zuständigkeiten beginnt. Dann werden wir alle Lobbyisten hier stehen haben, und alle Arztgruppen werden uns erklären, warum gerade sie dafür geeignet sind, die, die es beantragen, aber nicht. Das ist ein Spielchen, mit dem wir leben müssen.
An einer Stelle muss ich Frau Pothmer aber wirklich Recht geben; das ist gar keine Frage. Wenn sich Herr Wulff mit seinen bundespolitischen Vorstellungen durchsetzt, hat Ihre Forderung nach einem Screening für alle Neugeborenen - so haben Sie dies in Ihren Antrag hineingeschrieben - keine Chance, weil Herr Wulff in seinen politischen Publikationen - auch mündlich - immer wieder darauf hingewiesen hat, dass für ihn eine Wahlleistung, die man abgeben bzw. zukaufen kann, ausdrücklich Vorsorge und Rehabilitation ist. Das können Sie an vielen Stellen nachlesen. Wenn Sie es mit Ihrem Antrag nun tatsächlich ernst meinen, dann gehen Sie entweder davon aus, dass Sie die Bundestagswahlen nicht gewinnen - dann können Sie das nämlich nicht durchsetzen; das ist Tatsache -, oder davon aus, dass Sie in der Lage sein werden, Ihren Fraktionsvorsitzenden zu überzeugen. Das ist doch völlig klar.
Wenn ich sage, die Leute könnten Vorsorgeuntersuchungen entweder abwählen oder hinzuwählen, dann mache ich eine flächendeckende Versorgung zunichte. Damit mache ich auch anständige Auswertungen zunichte, weil ich keine repräsentative Basis mehr bekomme. Insofern haben Sie an dieser Stelle ein Problem. Ich meine aber, dass Sie es nicht haben werden, weil die Bundestagswahl so ausgehen wird, wie wir es erwarten. Dann kann Ihr Antrag richtig auf den Weg gebracht werden, und dann wird der Rehabilitation sicherlich Vorrang eingeräumt - und der Prävention auch, meine Damen und Herren.
Danke schön. - Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir zu diesem Antrag nicht mehr vor. Darum schließe ich die Beratung.
Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Der Ältestenrat empfiehlt Ihnen, den Ausschuss für Sozial- und Gesundheitswesen mit der Beratung dieses Antrags zu beauftragen. Wenn Sie dem zustimmen wollen, bitte ich Sie um Ihr Handzeichen. - Möchte jemand dagegen stimmen oder sich der Stimme enthalten? - Sie haben einstimmig so beschlossen.
Tagesordnungspunkt 32: Erste Beratung: Gemeinsame Anstrengungen zum Erhalt aller Arbeitsplätze bei OTIS in Stadthagen erforderlich - Antrag der Fraktionen der SPD, der CDU und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/3599
Der Antrag wird durch den Kollegen Reckmann eingebracht, dem ich jetzt das Wort erteile. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich meiner Freude darüber Ausdruck verleihen, dass der Betriebsrat von OTIS mit einer Reihe von Kolleginnen und Kollegen aus Hannover und auch die IG Metall heute hier sind. Besonders freut mich, dass die Geschäftsleitung von OTIS heute in der Loge der SPD sitzt und unserer Debatte zuhört.
Danken möchte ich all denjenigen, die mit dazu beigetragen haben, dass wir über dieses Thema heute hier im Parlament diskutieren können; denn ich meine, das ist richtig so. Die Firma OTIS hat keinen Grund, den Standort Stadthaben infrage zu stellen. Es gibt keinen nachvollziehbaren Grund, gegen die Betriebsvereinbarung zu verstoßen. Ich habe größtes Verständnis dafür, dass die Belegschaft, der Betriebsrat und die IG Metall gegen die geplante Verlagerung der Produktion nach Tschechien protestieren.
Erlauben Sie mir, dass ich jetzt einige Hintergründe deutlich mache. In den Schaumburger Nachrichten vom 9. Juli 1992 stand ein Artikel mit der Überschrift „Fahrtreppenwerk OTIS tief in der Verlustzone. Fehlbetrag auf fast 10 Millionen DM gestiegen. Jetzt soll automatisiert bzw. rationalisiert werden.“ - Das wurde dann auch gemacht, mit einem großen Beitrag der dort tätigen Kolleginnen und Kollegen. 1993 wurden einfache Arbeiten wie der Gerüstbau nach Tschechien ausgelagert, wodurch ca. 100 Stellen eingespart wurden. 1994 wurden die Gruppenarbeit eingeführt und die Prämienentlohnung geschaffen. Die Akkordabrechnungsobergrenze wurde auf 160 % abgesenkt. Die OTIS-Zulage wurde von 6 % auf 2 % gesenkt. 1995 wurde die Gleitzeit eingeführt. Das führte zu einer hohen Flexibilität als Reaktion auf das Auftragsvolumen. 1996 wurden weitere Teile nach Tschechien verlagert. Die Produktivität wurde von 1992 bis 1995 um satte 25 % erhöht - eine große Leistung der dort tätigen Kolleginnen und Kollegen.
1997/1998 wurden viele Kolleginnen und Kollegen um bis zu zwei Lohngruppen niedriger eingruppiert. Dies betraf mehr als 200 Mitarbeiter. Durch die Entscheidung von Geschäftsführung und Werksleitung der OTIS GmbH und Co. OHG, die Produktion der Kaufhaustreppen NCE von Stadthagen nach Breclav zu verlagern, verloren im Jahr 1999 200 Kolleginnen und Kollegen ihren Arbeitsplatz. In diesem Zusammenhang - darum geht es heute auch - wurde mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung mit der Nr. 97/1999 geschlossen. Darin sicherte OTIS zu, die Produktion von Verkehrsfahrtreppen und Fahrsteigen bis zum 31. Dezember 2005 in Stadthagen fortzuführen. Forschung und Entwicklung werden nach dieser Vereinbarung ebenfalls bis zu dem oben genannten Zeitpunkt in Stadthagen aufrecht erhalten. OTIS sicherte ferner zu, im Werk Stadthagen eine Auslastung anzustreben, die zu einer Beschäftigung von mindestens 590 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern am Standort Stadthagen führt.
In der Betriebsvereinbarung aus dem Jahr 1999 war der Betriebsrat einverstanden mit einer Verlagerung der NCE-Produktion nach Breclav und China, um zu einem Kostenmix zu kommen, damit Stadthagen als Standort langfristig gesichert werden kann. In diesem Jahr wurden in Breclav und in China 1 947 Kaufhaustreppen NCE produziert. Für das nächste Jahr sind 2 052 vorgesehen. Das heißt,
ein Großteil der Produktion wurde damals - was sollte der Betriebsrat auch machen? - einvernehmlich nach China und Tschechien verlagert.
In diesem Jahr will OTIS 931 NCT-Fahrsteige produzieren. Das sind die, die demnächst in Tschechien produziert werden sollen. 950 sind für 2003 als Ziel vorgesehen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, von einem dramatischen Auftragsrückgang kann nicht gesprochen werden. Die Aufträge wären da, um die Betriebsvereinbarung einhalten zu können. Man will das jedoch nicht machen und stattdessen lieber in Tschechien produzieren, womit gegen die Betriebsvereinbarung verstoßen würde. Dies würde den Verlust von 174 der derzeit vorhandenen 620 Arbeitsplätze bedeuten.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist aber nicht alles. Ich glaube den Kolleginnen und Kollegen, die dort tätig sind. Die sagen mir klipp und klar, dass es in Wahrheit um das Aus des Standortes Stadthagen geht, also um den Verlust von 620 Arbeitsplätzen. So sagen es Belegschaft und Gewerkschaft.
Der Grund ist: Wenn der Fahrsteig NCT in Breclav produziert wird, würde in Stadthagen nur noch die schwere Verkehrsfahrtreppe NPE produziert werden. Diese Treppe hat den höchsten Lohnkostenanteil und wird in einer geringen Stückzahl produziert. Die wenigen schweren Fahrsteige, die in Stadthaben noch produziert würden, spielen dann keine große Rolle mehr und können hier außer Acht gelassen werden. Das heißt, der Fixkostenanteil an der NPE-Treppe ist viel zu hoch, um wirtschaftlich vernünftig arbeiten und produzieren zu können. Das heißt, OTIS würde nach der jetzigen Verlagerung mit richtigen, wirtschaftlich nachvollziehbaren Argumenten sagen, dass die Produktion für den Rest in Stadthagen zu teuer ist und der Standort Stadthagen dicht gemacht werden muss. Diese Sorge der Belegschaft halte ich für berechtigt. Es geht also nicht nur um 174 Arbeitsplätze, sondern um 620. Die Auswirkungen für die Region wären katastrophal. Mehr als 200 Arbeitsplätze gingen vor nicht langer Zeit bei der Schließung des Werkes von Alcatel verloren, ebenfalls mehrere hundert Arbeitsplätze in der Produktion von Faurecia in Stadthagen.
Der Betriebsrat von OTIS hat im September 2001 der Geschäftsleitung einen 15-Punkte-Plan vorgelegt. Dieser Plan wäre gut geeignet, den Standort
Stadthagen auf Dauer zu sichern, wenn die Geschäftsleitung endlich damit beginnen würde, ihn umzusetzen. Insbesondere möchte ich auf Punkt 1 verweisen: Neu entwickelte Fahrtreppen bis zur Serienreife vorantreiben, Know-how für alle Fertigungsstandorte danach bereitstellen. Das würde bedeuten, dass je nach Typ bis zu 1,5 Jahren Produktionslaufzeit in Stadthagen stattfinden würde. Das wäre eine Möglichkeit, Stadthagen langfristig zu sichern. Andere Werke könnten dann diese Ergebnisse, die dort erreicht werden, übernehmen.
Ich möchte an dieser Stelle sagen, dass der Kostenvergleich, der zwischen Breclav und Stadthagen durchgeführt wird, zum Teil hinkt, denn oft werden Stadthagen Kosten aufgedrückt, damit Breclav in einem besseren Licht dasteht.
Meine Damen und Herren! OTIS geht es nicht schlecht. Der OTIS-Mutterkonzern UTC, der in Amerika seinen Sitz hat, hatte im Jahr 2001 27,9 Milliarden US-Dollar umgesetzt, und dies mit 152 000 Mitarbeitern. OTIS hatte weltweit - ebenfalls im Jahr 2001 - einen Umsatz von 6,3 Milliarden US-Dollar mit 61 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. OTIS Deutschland hat im Jahr 2001 613 Millionen Euro Umsatz mit 4 100 Mitarbeitern erreicht. Weltweit hat OTIS damit im Jahr 2001 einen Gewinn von 798 Millionen US-Dollar erzielt. Das ist eine Steigerung von 18 % gegenüber dem Vorjahr. OTIS Deutschland erreichte eine Umsatzrendite von ca. 13 %.
OTIS geht es demnach gut. Es gibt keinen nachvollziehbaren Grund, die Vereinbarung mit dem Betriebsrat zu brechen, es sei denn, diese 13 % Umsatzrendite sind nicht genug. Ich finde es richtig, dass Jürgen Gansäuer, als er bei OTIS war, gesagt hat, dass diese Art von amerikanischer Renditephilosophie zu kritisieren sei. Ich kann ihm da nur zustimmen.
Meine Damen und Herren, natürlich haben wir als Politiker auch versucht, im Jahr 1999 noch mehr herauszuholen, um Arbeitsplätze zu sichern. Aber wir haben dann zur Kenntnis genommen, dass die Produktion der Kaufhaustreppe nach Breclav gehen musste, um den Standort zu sichern.
Aber das, was jetzt geplant ist, kann nicht ohne entschiedenen Protest hingenommen werden; denn das ist ein Schlag ins Gesicht der 620 Kolleginnen und Kollegen und deren Familien.
Ich möchte noch einmal in Erinnerung rufen: Die Kolleginnen und Kollegen dort haben den Verlust von Arbeitsplätzen akzeptiert, sie haben Lohnverzicht geübt, die Krankheitsrate halbiert, die Produktivität enorm erhöht und waren mit der Produktionsverlagerung ins Ausland einverstanden, um den Standort zu sichern. Sie sollen jetzt in die Arbeitslosigkeit bzw. in die Auffanggesellschaft geschickt werden, weil ein Konzern mit seinem Jahresgewinn von fast 800 Millionen US-Dollar noch nicht zufrieden ist und ihm die satten Renditen einfach nicht ausreichen.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, das darf die Politik nicht ohne Weiteres hinnehmen. In diesem Fall reicht es nicht aus, Pressemeldungen zu verschicken, mit der Geschäftsleitung in der warmen Stube zu essen und die Situation zu diskutieren. Dieses Verhalten des OTIS-Managements muss kritisiert werden, und das müssen die verantwortlichen Damen und Herren auch merken.
Der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit muss zentraler Punkt in der Politik sein. Der Hinweis auf Globalisierungseffekte allein reicht nicht aus. Globalisierung braucht ein menschliches Gesicht und keine Fratze, wie es bei OTIS zurzeit praktiziert wird.