Protokoll der Sitzung vom 25.09.2002

(Schünemann [CDU]: Dann lassen Sie es doch raus!)

- Das werden wir sehen. Wie wir das im Einzelnen bewerten, hängt z. B. auch mit unserer Bewertung der Arbeitsbelastung zusammen. Das müssen wir uns genau angucken.

(Schünemann [CDU]: Ist er denn nun erlassen oder nicht?)

Ich sage noch einmal: Die Behauptung, die zehn Stellen seien nicht besetzt, stimmt einfach nicht. Insbesondere durch die Einstellung dieser mehrsprachigen Mitarbeiter haben wir die Auswertung erheblich gestärkt. Darüber hinaus wurde ein Islamwissenschaftler eingestellt, der schwerpunktmäßig die ideologischen Grundlagen islamistischer Bestrebungen aufarbeitet. Von einem Rückgängigmachen der unmittelbar nach den Terroranschlägen vom 11. September geschaffenen Verstärkung des Verfassungsschutzes kann überhaupt keine Rede sein.

Wenn Sie, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, nach dieser eindeutigen Presseerklärung und Erläuterung einen solchen Entschließungsantrag vorlegen und Ihre Unterstellung wiederholen, obwohl Sie genau wissen, dass durch den Haushaltsführungserlass keinerlei Sicherheitslücken bei der Bekämpfung des islamistischen Extremismus und Terrorismus eingetreten sind, dann

handelt es sich offensichtlich - das haben Ihnen die Kollegen auch schon vorgehalten - um ein, allerdings sehr durchsichtiges, wahltaktisches Manöver. Ihnen geht es hierbei nicht um die innere Sicherheit, Sie sorgen sich nicht um die Ängste der Bevölkerung, sondern Sie verfolgen nur das eine Ziel, mit der Angst der Menschen Stimmen zu fangen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, ich halte das für eine gefährliche, auch für eine verantwortungslose Vorgehensweise. Die Niedersächsische Landeregierung hat in einer Erklärung zu dem von ihr beschlossenen Zukunftsprogramm zur Finanzpolitik ausgeführt, dass die Stärkung der öffentlichen Sicherheit auch weiterhin Priorität für die Landesregierung hat. Das beinhaltet gleichzeitig, dass die öffentliche Sicherheit auch in der Vergangenheit stets politischer Schwerpunkt dieser Landesregierung war. Vor diesem Hintergrund ist es einfach unsinnig, zu behaupten, die jetzige Landesregierung habe seit 1990 den Verfassungsschutz systematisch geschwächt.

(Schüneman [CDU]: Das ist so!)

Es ist unsinnig, Entscheidungen zur personellen Ausstattung unserer Sicherheitsbehörden, die nach dem Ende des kalten Krieges und unter Berücksichtigung der damit veränderten Sicherheitslage aus wohl überlegten Gründen getroffen wurden, angesichts der heutigen Sicherheitslage und des heutigen Kenntnisstandes bewerten und kritisieren zu wollen.

Meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, einzig richtig an Ihrem Entschließungsantrag ist, dass der niedersächsische Verfassungsschutz in der Vergangenheit einen personellen Bestand von 406 Stellen hatte. Das war aber nicht 1990, sondern 1987. Und es war auch nicht die SPDRegierung, die angefangen hat, einzusparen, sondern es war die alte Landesregierung unter Herrn Albrecht, die 1987 mit den so genannten Schneverdinger Beschlüssen dem Verfassungsschutz eine massive Einsparverpflichtung von 40 Stellen auferlegt und diese Verpflichtung auch umgesetzt hat.

(Schünemann [CDU]: Von 361 auf 210, das haben Sie zu verantworten!)

- Ich erzähle es Ihnen gleich. Warten Sie ab. Ich bin noch nicht soweit. Ich komme zu den heutigen Realitäten.

Nicht richtig ist, dass das Landesamt für Verfassungsschutz im Jahre 2002 einen Personalbestand von lediglich 217 Beschäftigten aufweist. Vielmehr verfügt das NLfV laut Haushaltsplan über 227 Stellen. Wenigstens in diesem Punkt hätte ich korrekte Zahlen, die Ihnen bekannt sind, erwartet.

(Zustimmung bei der SPD)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend noch einmal zum aktuellen Haushaltführungserlass und zu seinen Auswirkungen auf das Niedersächsische Landesamt für Verfassungsschutz zurückkommen. Zusammenfassend ist festzuhalten: Das Landesamt für Verfassungsschutz beteiligt sich wie jede andere Landesbehörde an den Sparbemühungen des Landes. Der Bereich der Bekämpfung des terroristischen und extremistischen Islamismus bleibt davon unberührt. Alle für diese Aufgabenbereiche neu geschaffenen Stellen sind und bleiben mit qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern besetzt. Ebenso können die weiteren Aufgabenschwerpunkte des Landesamtes für Verfassungsschutzes auch unter Berücksichtigung der Sparbeschlüsse der Landesregierung ohne nennenswerte Einschränkung wahrgenommen werden. Insbesondere kann das Landesamt im Rahmen des Haushaltsführungserlasses von Ende August freie Stellen im erforderlichen Umfang wieder besetzen. Das gibt der Erlass her.

Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen versichern, dass die Niedersächsische Landesregierung ihre erfolgreiche Arbeit zur inneren Sicherheit fortführen und sich angesichts der veränderten Sicherheitslage nach dem 11. September für eine weitere Verbesserung in diesem Bereich einsetzen wird. Ihres Entschließungsantrages, der sich meiner Ansicht nach als unverantwortliches Wahlkampfmanöver ohne Substanz herausgestellt hat, bedarf es nicht. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der SPD)

Ich schließe die Beratung. Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Hier soll federführend der Ausschuss für innere Verwaltung arbeiten. Mitberaten sollen der Ausschuss für Finanzen und der Ausschuss für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes. - Ich höre keinen Widerspruch; dann haben Sie so beschlossen.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 28: Erste Beratung: Forderungen der Polizeidirektoren zur Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben zügig umsetzen - Antrag der Fraktion der CDU Drs. 14/3688

Zur Einbringung hat sich der Kollege Biallas gemeldet.

(Watermann [SPD]: Jetzt aber nicht wieder so wie gestern!)

Frau Präsidentin! Herr Kollege Watermann! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag, den wir heute hier einbringen, ist, wie wir alle fraktionsübergreifend wissen - ich will es bescheiden sagen -, auf bemerkenswerte Weise zustande gekommen. Man könnte es auch anders sagen: Würde die Landesregierung mit gewählten Abgeordneten gemäß der Landesverfassung umgehen und ihrer Auskunftspflicht hinreichend nachkommen, hätte es dieses Antrages nicht bedurft.

(Zustimmung bei der CDU)

Deshalb will ich etwas zur Entstehung dieses Antrages sagen. Ich vertraue darauf, dass die SPD dem im Wesentlichen mit Freude folgt. Es soll - ich muss das alles als Hypothese in den Raum stellen, weil es natürlich vom Ministerium nicht offen bestätigt wird - im Mai des vergangenen Jahres eine Anweisung des Landespolizeidirektors Wiedemann an Polizeidirektoren des Landes nicht an alle, aber an einen ausgewählten Kreis von vertrauten, ihm wohlgesonnenen, netten Polizeidirektoren - gegeben haben, ein Papier zu erarbeiten. Das ist nichts Besonderes; denn Polizeidirektoren sind ja dazu da, sich Gedanken zu machen über die Lage und die Situation der Landespolizei. Das ist geschehen, und als wir davon hörten und aus der Zeitung erfuhren, dass das Papier in diesem Kreis erarbeitet worden ist, haben wir alle das im Ausschuss durchaus mit Freude begrüßt. Sie waren allerdings nicht da, Herr Kollege Adam.

(Adam [SPD]: Verkehrt! Ich war da, Herr Pastor!)

- Dann habe ich mich getäuscht

(Jahn [CDU]: Er war mit Tarnkappe da!)

und Ihre Freude irgendwo anders vernommen. Aber das ist egal. Jedenfalls wurde das begrüßt. Das war der erste Akt dieser Geschichte.

Nun weiß man, dass dieses Papier vor gut einem Jahr, also im August 2001, fertiggestellt worden ist. Weil es sich, wie wir jetzt aus dem Innenministerium gehört haben, um ein internes Arbeitspapier gehandelt hat, wurde es natürlich nicht weiter verbreitet und der Öffentlichkeit dadurch auch nicht bekannt. Erst recht wurde es natürlich dem Parlament nicht bekannt. Es war also ein internes Papier.

Aber hier ist es nicht anders als in anderen Lebensbezügen: Wenn etwas besonders geheim gehalten werden soll - wir kennen das auch aus Parteiveranstaltungen, Herr Kollege Adam, das ist bei der SPD nicht anders als bei den Grünen

(Adam [SPD]: Erzählen Sie von der CDU!)

- dazu will ich jetzt nichts sagen -, können wir eigentlich ziemlich sicher sein, dass am nächsten Tag oder in den nächsten Wochen eben doch bekannt wird, was eigentlich geheim bleiben und nicht bekannt gemacht werden soll.

So ist dieses Papier an die Presse geraten. Wir haben voller Erstaunen und mit großem Interesse gelesen, was die Polizeidirektoren erarbeitet haben sollen. Ich muss sagen, lieber Herr Kollege Adam und liebe Kolleginnen und Kollegen vom Innenausschuss - auch aus den Reihen der SPD -, wir waren dann doch sehr erstaunt und dankbar, als eines Tages im Innenausschuss auf Antrag der SPD die Unterrichtung durch das Innenministerium über das Arbeitspapier der Polizeidirektoren auf die Tagesordnung genommen wurde. Wir haben natürlich gleich zugestimmt, weil auch uns das interessierte. Zunächst hatten wir uns gedacht: Meine Güte, was ist das für ein offenes Verfahren. Wollen wir doch einmal hören, was alles in diesem Papier steht. Es kam dann auch ein leitender Beamter in den Innenausschuss, der einen Bericht erstattet hat. Das war alles in Ordnung. Das Problem war allerdings - auch das verband uns, Herr Kollege Adam - -

(Adam [SPD]: Das weiß ich noch nicht!)

- Da waren Sie wahrscheinlich nicht mehr dabei, aber im Ausschuss war es nicht strittig. Wir wollten das Papier dann auch gerne einmal sehen. Stellen Sie sich vor, Sie bekommen einen Bericht zu einem Papier und können gar nicht nachvollziehen, ob sich dieser Bericht auf das Papier oder auf etwas anderes bezieht und ob der Bericht den Inhalt des Papiers auch hinreichend wiedergibt. Das blieb alles im Dunkeln. Deshalb waren wir uns einig und haben gemeinschaftlich - die SPD, die CDU, und ich meine auch die Grünen - beantragt, dass dieses Papier dem Ausschuss vorgelegt werden soll.

(Zuruf von der SPD)

- Ich habe noch viel Zeit. - Der Beamte hat dann gesagt, dass er es vorlegen werde. Es gebe aber ein riesiges Problem, denn er habe nur ein Exemplar. In diesem Exemplar stünden einige Anmerkungen des Landespolizeidirektors. Er wisse nicht, wie er es technisch bewerkstelligen könne, diese Anmerkungen zu entfernen, bevor er uns das Papier aushändigt.

(Schünemann [CDU]: Unglaublich! - Zurufe von der SPD)

Wir haben noch nicht über das Papier verfügt, sondern nur durch die Presse davon gewusst. Drei Wochen später stand dieser Punkt wieder auf der Tagesordnung. Das ist wirklich eine einmalige Geschichte. Ich sage gleich noch etwas dazu.

(Adam [SPD]: Guck uns an, das ken- nen wir doch von euch!)

Dann kam dieser Beamte, den ich sonst sehr schätze, zu uns und sagte, jetzt sei es ihm gelungen, das Papier zu bekommen.

(Adam [SPD]: Bravo!)

Er ließ uns durch den Staatssekretär mitteilen - die Zustellung des Briefes dauerte übrigens bei 400 m Luftlinie dreieinhalb Tage -, dass uns das Papier leider nicht ausgehändigt werden könnte, da es verfassungsrechtliche Bedenken gebe.

Als ich seinerzeit in den Innenausschuss kam, gab es einen innenpolitischen Sprecher der SPD, der Sigmar Gabriel hieß. Ich sage Ihnen: So etwas hätte er damals nicht mit sich und der SPD-Fraktion machen lassen.

(Beifall bei der CDU)

Heute muss ich erfahren, dass derselbe, der das damals nicht mit sich und seiner Fraktion hätte machen lassen, derjenige ist, der als Ministerpräsident dafür gesorgt hat, dass wir dieses Papier nicht bekommen haben. Das halte ich wirklich für den Höhepunkt.

(Beifall bei der CDU - Schünemann [CDU]: Ungeheuerlich!)

Deshalb möchte ich - das haben wir Ihnen auch angekündigt, weil man bei der Einbringung endlich einmal Zeit hat, das in der Gesamtschau darzustellen - einige Punkte aus dem Papier benennen. Herr Minister, wir haben uns das Papier wirklich mühsam besorgen müssen, das kann ich Ihnen sagen.

(Adam [SPD]: Ehrlich? - Weitere Zu- rufe von der SPD)