Protokoll der Sitzung vom 25.09.2002

(Adam [SPD]: Ehrlich? - Weitere Zu- rufe von der SPD)

Wir hatten das Glück, dass sich ein Journalist gefunden hat, der es uns ausgehändigt hat, ohne dass er vorher Anmerkungen gemacht hat. Deshalb möchte ich einige Punkte ansprechen – das ist nicht bei allen möglich -, über die wir im Innenausschuss - wie wir meinen - einmal sprechen sollten. Wir hatten Ihnen das übrigens auch angeboten.

(Lanclée [SPD]: Wie kommt der Journalist in die Hölle? - Frau Harms [GRÜNE]: Ich dachte, Sie wären evangelisch!)

- Ob er in die Hölle kommt oder ins Paradies, weiß ich nicht. Aber das ist heute auch nicht kriegsentscheidend. Viel entscheidender ist, was in dem Papier steht. Unabhängig davon, dass der Umgang des Ministeriums mit Abgeordneten aus meiner Sicht nicht hinnehmbar, schäbig und verfassungswidrig ist, möchte ich etwas zum Inhalt sagen;

(Beifall bei der CDU)

und zwar, weil dort einige Punkte angesprochen worden sind, Herr Minister, die wir in vielen Anträgen eingebracht haben, die Sie aus politischen Gründen aber immer abgewürgt haben.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt aber sind die Fachleute Ihres Ministeriums der Meinung der CDU, obwohl sie nicht unserer Partei angehören. Das ist doch eine gute Aussage, weil sie bestätigt, dass unsere Politik richtig ist, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Die Polizeidirektoren sagen, dass das Berechnungsmodell für die Sollstärke der Polizei nicht geeignet ist. Deshalb nimmt - so steht es in dem Papier - der Personalkörper der Polizei kontinuierlich ab. Darüber müssen wir doch angesichts der Personalsituation der Polizei in Niedersachsen einmal reden. Wie oft, Herr Minister, haben wir mit Ihnen über die Polizeidichte in Niedersachsen gesprochen? - Sie haben immer gesagt, dass es miserable CDU-Politik ist, immer auf die Polizeidichte zu sprechen zu kommen, da wir hochqualifizierte ausgebildete Beamte haben.

(Lanclée [SPD]: Das stimmt ja auch! - Adam [SPD]: Wo er Recht hat, hat er Recht!)

Je besser sie qualifiziert sind, desto weniger Beamte brauchen wir. Deswegen wollten Sie sich mit uns nicht über die Polizeidichte unterhalten.

(Lanclée [SPD]: Völlig falscher Maß- stab!)

- Ich gebe nur wieder, was in diesem Papier steht. Hier steht, dass die Polizeidichte seit 1990 von 1 : 393 auf 1 : 451 abgesunken sei. Dieses sei nicht hinnehmbar.

(Coenen [CDU]: Ungeheuerlich! - Weitere Zurufe von der CDU - Zurufe von der SPD)

Es steht außerdem darin, dass Ihre alte Gleichung nicht aufgeht, die da lautet: Je mehr besser qualifiziertes Personal vorhanden ist, desto weniger Beamtinnen und Beamte werden benötigt. Der polizeiliche Dienstbetrieb in Niedersachsen ist mancherorts zusammengebrochen. Darüber muss dieses Parlament doch reden. Das ist ein nicht hinnehmbarer Zustand, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt kommen wir zu einem weiteren Thema. Das ist wirklich toll. Wir hatten in einem Antrag gefordert, dass die Ausbildungskapazitäten erweitert werden müssten. Es ist uns aus Ihrem Haus, Herr Minister, immer gesagt worden, das sei nicht nötig. Die drei Ausbildungsstandorte reichten, weil nach Ihrer Berechnung in den nächsten 14 Jahren etwa 6 000 Beamtinnen und Beamte aufgrund natürlicher Abgänge ersetzt werden müssen. Wir haben gesagt, wir brauchen einen vierten Ausbildungs

standort, weil nicht nur 6 000 Beamte in den Ruhestand gehen, sondern fast 10 000. Sie haben das bestritten und unseren Vorschlag abgelehnt. Jetzt schreiben Ihre Experten Folgendes: In den nächsten 14 Jahren wird fast die Hälfte des Exekutivpersonals, nämlich 9 442 Beamtinnen und Beamte, in den Ruhestand gehen.

(Jahn [CDU]: Es ist nicht zu fassen!)

Herr Minister, das ist eine Bestätigung unserer Zahlen und unserer Politik. Wir würden gerne mit Ihnen von der SPD und mit Ihnen, Herr Minister, darüber reden. Es ist doch nicht hinnehmbar, dass wir so etwas über Jahre anmahnen, es von Ihnen aber kontinuierlich bestritten wird. Wenn das dann in Ihrem Hause bestätigt wird, wird es uns verheimlicht. Das ist einem demokratischen Rechtsstaat nicht angemessen, Herr Minister. Das nehmen wir nicht hin.

(Beifall bei der CDU)

Dann heißt es hier, das Bereitschaftspolizeikonzept - Leo Leine genannt - sei nicht hinreichend, weil es dazu führt, dass in allen Dienststellen des Landes nach Großeinsätzen entweder der Dienst komplett eingestellt wird oder die Überstunden in einer Weise anwachsen, dass sie nicht mehr ausgeglichen werden können. Das haben wir auch schon mehrmals in Anträgen dargestellt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU - Lanclée [SPD]: Kaffeesatzleserei ist das!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte mit dem Satz enden, mit dem auch die Polizeidirektoren enden. Zum Abschluss dieses Berichtes heißt es: „Nunmehr ist nach unserer“ - also der Polizeidirektoren - „Einschätzung die Grenze der Belastbarkeit erreicht.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dem ist nicht nur nichts hinzuzufügen, sondern hier gibt es einen enormen Handlungsbedarf. Das machen wir mit diesem Antrag deutlich.

(Lanclée [SPD]: Da können Sie ein- mal sehen, wie belastbar die Polizei ist!)

Sie hätten das einfacher haben können, indem Sie dem Innenausschuss den Bericht zur Verfügung gestellt hätten. Dann hätten wir darüber reden und daraus Konsequenzen ziehen können. Eines kann ich Ihnen sagen: Wenn Sie angesichts dieser Ana

lyse weiterhin versuchen, die innere Sicherheit in diesem Lande schönzureden, dann haben wir in der Tat ein Wahlkampfthema. Dann kann die Bevölkerung am 2. Februar darüber abstimmen, ob das, was Sie hier machen, die innere Sicherheit in diesem Lande gewährleistet oder nicht. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Frau Kollegin Stokar von Neuforn!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das ist jetzt meine innenpolitische Abschiedsrede.

(Oh! bei der SPD und bei der CDU)

Ich hätte mir dafür eine etwas gehaltvollere Vorlage gewünscht.

(Mühe [SPD]: Das war hochprozen- tig!)

Der Kollege Biallas freut sich wie ein König, weil er einmal ein internes Papier bekommen hat. Er hat allerdings anscheinend nicht gemerkt: Das Papier ist alt, wurde zurückgezogen und ist damit irrelevant.

(Zustimmung bei Hagenah [GRÜNE] - Lindhorst [CDU]: Sie haben das neue Papier mitgebracht! - Weitere Zurufe von der CDU)

- Ich habe immer die neuesten Papiere. Die müssen nicht intern sein.

Meine Damen und Herren, wir sollten dieses Thema, wir sollten das Papier der in Ehren in der Polizei alt gewordenen Polizeidirektoren nicht ganz ad acta legen, weil es sich natürlich auf die damals von Rot-Grün eingeleitete Polizeireform bezieht. Wir sollten uns allerdings eher - hieran sieht man, auf welchem Stand die Innenpolitik der CDU ist - z. B. über die Ausweitung des Lingener Modells, über die Autonomie der Polizeidienststellen und darüber unterhalten, warum es so langsam mit der Budgetierung vorangeht und warum wir immer noch - ich glaube, vor drei Jahren haben wir das hier gefordert - auf einen wirklich verlässlichen langfristigen Personalentwicklungsplan der niedersächsischen Polizei warten, der auch mit beinhaltet, Herr Innenminister, dass die vielen

Frauen, die im mittleren Polizeidienst festhängen, endlich auf die Führungsebene kommen, und zwar auch im Ministerium.

Meine Damen und Herren, ich finde auch andere Themen - es gibt ja sehr viele Papiere innerhalb der Polizei - spannend, nämlich z. B. die Frage der Polizei in der Region Hannover. Politisch haben wir die Regionsbildung vollzogen. Bisher hat jedoch - ich weiß, dass hier das Innenministerium und die Bezirksregierung blockieren - die Zusammenführung der Polizei in der Region Hannover nicht funktioniert. Das könnte der Einstieg in eine übernotwendige Strukturreform der Polizei sein. Ich grüße den Herrn Polizeipräsidenten Ahlers aus Braunschweig, der dort hinten Platz genommen hat. Ich finde seine Gedanken, die mir zu Ohren gekommen sind, außerordentlich interessant, nämlich z. B. mehrere Polizeidirektionen in Niedersachsen zu bilden. Auch die Frage - wir reden ja in Zukunft darüber -, wie die innere Sicherheit in Niedersachsen finanzierbar bleibt, wie wir mehr innere Sicherheit schaffen und wie wir es schaffen, die Qualität der inneren Sicherheit zu verbessern, ohne dass damit, so wie die CDU immer argumentiert, gleichzeitig mehr Köpfe und mehr Geld verbunden ist - das ist ein wenig intelligenter Ansatz, den Sie hier einbringen -, finde ich sehr interessant.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ein wichtiger Punkt ist, wenn wir es schaffen, die Bereitschaftspolizei in die Polizeidirektion einzugliedern, darüber zu diskutieren, ob wir uns - wir haben die Autobahnpolizei eingegliedert - einen eigenen Verwaltungsapparat, einen eigenen Führungsapparat für geschlossene Einheiten leisten können. Es geht nicht darum, dass wir bei bestimmten Großlagen geschlossene Einheiten brauchen. Es geht nur um die Frage, ob wir nicht, um Reibungsverluste und um doppelte Führungsstrukturen abzubauen - das waren die grünen Inhalte der Polizeireform -, über intelligente Einsparpotentiale diskutieren sollten.

Meine Damen und Herren, ich finde - ich habe vorhin eine kurze Bemerkung dazu gemacht -, wir brauchen auch neue Konzepte für Großlagen. Es kann doch nicht, und zwar auch nicht angesichts des zu erwartenden CASTOR-Einsatzes im November, Realität sein - das habe ich nicht verstanden -,

(Zuruf von CDU: Da können wir doch nichts für!)

dass Sicherheitsbehörden Atomcamps einrichten, dass die Gefährdungsanalyse hochgeschraubt wird und dass der Innenminister meint, um diese Auseinandersetzung zu gewinnen, erneut 15 000 Polizeikräfte über zwei Wochen nach Gorleben schicken zu müssen. Meine Damen und Herren, ich weiß, es gibt intelligente Konzepte. Der CASTOR muss ans Ziel. Er kann ans Ziel kommen, und zwar mit verhältnismäßigen Mitteln, bürgerrechtlich eingebunden. Das geht mit der Hälfte der vorgesehenen Polizeibeamten. Insofern unterstütze ich den Finanzminister. Es gibt auch im Bereich der Polizei Einsparpotentiale.

Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Adam [SPD]: Tschüss Silke!)

Ich verabschiede mich innenpolitisch bei all denjenigen, bei denen ich das nicht persönlich machen kann. Ein besonderer Dank gilt den Pförtnerinnen und Pförtnern, die ebenfalls drei Tage lang die ganzen Reden hier dienstlich mit anhören müssen. Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Für die Regierungsfraktion spricht der Kollege Harden.