Protokoll der Sitzung vom 24.10.2002

Bevor wir die Abstimmung durchführen, darf ich feststellen, dass das Haus jetzt beschlussfähig ist.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Rechtsund Verfassungsfragen in der Drucksache 3749 zustimmen und damit den Antrag der Fraktion der CDU in der Drucksache 3038 ablehnen möchte,

den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Stimmenthaltungen? - Das Erste war die Mehrheit. Der Beschlussempfehlung des Ausschusses ist damit gefolgt worden.

Meine Damen und Herren, wir kommen nun zu

Tagesordnungspunkt 18: Zweite Beratung: Konsequentes Vorgehen gegen Drogendealer - Einsatz von Brechmitteln zur Aufklärung von Rauschgiftdelikten - Antrag der Fraktion der CDU – Drs. 14/3115 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen - Drs. 14/3751

Der Kollege Voigtländer steht schon in den Startlöchern und möchte uns Bericht erstatten. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit den Stimmen der Vertreterinnen und Vertreter der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der CDU-Vertreterinnen und Vertreter empfiehlt Ihnen der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen, den Antrag für erledigt zu erklären. Die mitberatenden Ausschüsse haben sich dem ohne Weiteres angeschlossen. Im Übrigen gebe ich meinen Bericht zu Protokoll.

(Beifall bei der SPD)

(Zu Protokoll:)

Wie Sie der Beschlussempfehlung in der Drucksache 3751 entnehmen können, empfiehlt Ihnen der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen, den Antrag der CDU-Fraktion „Konsequentes Vorgehen gegen Drogendealer“, der darauf abzielt, den Ermittlungsbehörden in Niedersachsen den Einsatz von Brechmitteln zur Aufklärung von Rauschgiftdelikten wieder zu ermöglichen, für erledigt zu erklären.

Grundlage dieser Empfehlung ist - formal betrachtet - der Erlass des Niedersächsischen Justizministeriums vom 19. Juli 2002 an die Generalstaatsanwälte, mit dem das Ministerium den „Einsatz von Apomorphin zur Exkorporation von Betäubungsmitteln vorbehaltlich neuerer medizinischer Erkenntnisse unter Einhaltung bestimmter medizinischer Rahmenbedingungen“ - so die ge

naue Formulierung - für vertretbar angesehen hat. Dieser Erlass wiederum nimmt Bezug auf die Anfang Juni vom Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen durchgeführte Anhörung von Sachverständigen, namentlich von Gerichts- und Rettungsmedizinern, Pharmakologen und leitenden Polizeibeamten, in der der Ausschuss der Frage der Gefährlichkeit einer zwangsweisen Vergabe von Brechmitteln nachgegangen war. Das Justizministerium hatte mit diesem Erlass bereits die Schlussfolgerungen aus der Anhörung gezogen, bevor der Ausschuss seinerseits die Anhörung hatte auswerten können.

Die zwangsweise Vergabe von Brechmitteln ist danach nur unter den folgenden Voraussetzungen zulässig:

Der Eingriff muss gesundheitliche Nachteile mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausschließen.

Allein der verantwortliche Arzt darf nach Untersuchung des Beschuldigten im Einzelfall entscheiden, ob der Eingriff durchgeführt werden kann.

Der Eingriff darf durch einen Arzt nur in medizinisch genutzten Räumen mit dem notwendigen medizinischen Assistenzpersonal und einer Notfallausrüstung erfolgen.

Auf eine hinreichend lange Beobachtung nach dem Eingriff durch medizinisches Personal ist zu achten.

Im Übrigen hat das Ministerium darauf hingewiesen, dass der Einsatz von Apomorphin gegen den Willen des Beschuldigten gem. § 81 a StPO nur durch den Richter oder die Staatsanwaltschaft unter besonderer Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes angeordnet werden soll.

Für die Mehrheitsfraktion waren diese Regelungen, die nach ihrer Einschätzung das Ergebnis der Anhörung zutreffend umsetzten, Anlass, den Entschließungsantrag der CDU-Fraktion als erledigt anzusehen. Während die Vertreter der antragstellenden Fraktion ihrerseits den Antrag aufrechterhielten, wandte das Ausschussmitglied der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ein, die Anhörung habe insbesondere hinsichtlich der Wahl des Brechmittels und der Frage der Notwendigkeit seines Ersatzes keineswegs zu eindeutigen Ergebnissen geführt. Gleichwohl sei der Auffassung der SPD-Fraktion zuzustimmen, dass der Entschließungsantrag mit

der Erlassregelung des Justizministeriums inhaltlich seine Erledigung gefunden habe.

Herr Kollege Stratmann hat jetzt das Wort. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Tat haben der Entschließungsantrag der CDU-Fraktion und vor allem auch die sich daran anschließende Anhörung bereits dazu geführt, dass die zwangsweise Verabreichung von Brechmitteln in Niedersachsen möglich geworden ist. Mit Erlass des Justizministers vom 19. Juli 2002 ist nunmehr die zwangsweise Verabreichung von Brechmitteln auf eine rechtliche Grundlage gestellt. Wie der Kollege Voigtländer gerade berichtete, hat der Rechtsausschuss deshalb mit Stimmenmehrheit der SPD-Fraktion dafür votiert, den Antrag für erledigt zu erklären.

(Schröder [GRÜNE]: Ist er ja auch!)

Meine Damen und Herren, das ist aus unserer Sicht nur teilweise richtig. Der Erlass enthält nämlich eine Vielzahl von Einschränkungen, die nicht praxisgerecht sind. So wird z. B. seitens der Ärzteschaft kritisiert, dass der Brechmitteleinsatz nur in medizinisch genutzten Räumen und nur mit dem notwendigen medizinischen Assistenzpersonal durchgeführt werden darf. Außerdem hat eine hinreichend lange Beobachtung nach dem Eingriff zu erfolgen. Das heißt z. B., dass ein Notarzt nach Verabreichung des Brechmittels noch über eine Stunde in Anspruch genommen wird. Solches Vorgehen ist zwar künftig rechtlich erlaubt, wird deshalb aber tatsächlich kaum zur Anwendung gelangen. Von einer Erledigung unseres Ansinnens kann schon vor diesem Hintergrund nicht uneingeschränkt gesprochen werden.

Ich möchte diesen Fall aber auch zum Anlass nehmen, einige grundsätzliche Bemerkungen zu machen.

Meine Damen und Herren, für CDU und CSU haben die Bekämpfung von Kriminalität und vor allem auch der Schutz von potenziellen Opfern höchste Priorität.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich sage wie schon so häufig von dieser Stelle: Im Rahmen der rechtsstaatlich gegebenen Möglichkeiten war und ist daher für uns der Einsatz von Brechmitteln zur Aufklärung von Rauschgiftstraftaten - insoweit muss erwähnt werden, dass es sich überwiegend um Heroin oder vergleichbare gefährliche Drogen handelt - immer geboten und erforderlich gewesen. Jedes rechtlich vertretbare Mittel, das dazu beitragen kann, die Zahl der Drogentoten und der Schwerstabhängigen zu reduzieren, ist aus unserer Sicht anzuwenden, meine Damen und Herren.

(Zustimmung von Lindhorst [CDU])

Das gilt natürlich für alle Mittel, die sich etwa aus § 81 a StPO ergeben, wo u. a. auch die zwangsweise Blutentnahme geregelt ist bzw. wonach diese geregelt werden kann.

Dem Schutz der potenziellen Opfer von Straftaten - das sage ich in aller Deutlichkeit - ist gegenüber dem Schutz der potenziellen Täter in jedem Fall Vorrang einzuräumen. Dieses Bekenntnis gilt nach wie vor, meine Damen und Herren. Dazu bekennen wir uns, und zwar ohne Wenn und Aber. Dieses Bekenntnis besteht eben unabhängig von aktuellen Ereignissen und steht auch in keiner Abhängigkeit zur öffentlichen Meinung oder etwa zu erzeugtem öffentlichen Druck.

Hierin besteht vielleicht ein gewisser Unterschied zur SPD und vor allem auch zu den Grünen. Sie verhalten sich nämlich in solchen Fragen häufig opportunistisch und inkonsequent. Auch am Beispiel des Einsatzes von Brechmitteln ist wieder deutlich geworden, dass die SPD letztlich keine verlässliche und konsequente Politik betreibt. Deshalb ist es schon aus Gründen der Rechtssicherheit erforderlich, dass wir heute im Landtag einen entsprechenden Grundsatzbeschluss fassen.

Bei den Brechmitteln hat die SPD-Fraktion zunächst wieder einmal einen Zustand beschrieben. Sie hatte ja die Brechmittel zunächst abgelehnt, so wie dies in ihre überkommene Programmatik passte. Dann stellten Sie fest, dass sich die Realität Ihren Vorstellungen nicht anpassen wollte, und danach übernahmen Sie unsere Position und verkauften sie sozusagen als Ihr geistiges Eigentum. Meine Damen und Herren, diese Methode erleben wir relativ häufig. Das hat bei Ihnen schon ein gewisses Prinzip.

(Lindhorst [CDU]: Alles Plagiate!)

Nun könnte man ja den Standpunkt vertreten: Wenn die Kollegen der SPD-Fraktion irgendwann zur richtigen Auffassung gelangen, so ist dies gut und im Dienste der Sache. Deshalb sind wir ja auch bereit, hier weiter mitzumachen. Aber es muss eben auch der Hinweis erlaubt sein, dass Sie zunächst, wenn Sie dagegen sind, für viel Verunsicherung sorgen, dass Sie vielleicht an der einen oder anderen Stelle auch Kosten verursachen, dass Sie Porzellan zerschlagen und erst dann Ihren Kurs ändern. Genau das stimmt uns ärgerlich.

In der Landtagssitzung am 24. Januar 2002 erklärte der Innenminister, der Einsatz von Brechmitteln gegen Drogendealer sei weder verhältnismäßig noch medizinisch unbedenklich. In der Sitzung am 15. Februar 2002 vertrat die Kollegin Bockmann die Auffassung, der Einsatz sei mit dem Rechtsstaat nicht vereinbar, mithin also rechts- bzw. verfassungswidrig. Erneut wurde uns Inkompetenz in dieser Frage unterstellt. Und dann lesen Ihnen die von Ihnen mit ausgewählten Sachverständigen in der Anhörung des Rechtsausschusses kräftigt die Leviten, fordern die Einführung des zwangsweisen Einsatzes von Brechmitteln als sehr effektives Instrument zur Bekämpfung der Drogenkriminalität, und die Landesregierung vollzieht innerhalb kürzester Zeit eine völlige Kehrtwende. In der Presseerklärung vom 31. Juli 2002 wird dann, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch noch der Eindruck erweckt, dass dies alles auf die erfolgreiche Initiative des Justizministers zurückzuführen sei.

Meine Damen und Herren, das halte ich für unseriös. Das hat mit verlässlicher Politik überhaupt nichts zu tun.

(Beifall bei der CDU)

Ich gebe gerne zu, dass der Einsatz von Brechmitteln, wenn es um die Bekämpfung von Drogenkriminalität oder Kriminalität überhaupt geht, nur ein Detail abdeckt. Aber an diesem konkreten Beispiel wird wieder einmal die von mir soeben beschriebene Methode, die Sie allzu gerne anwenden, deutlich, wie auch bei anderen Themen, von denen ich nur zwei kurz noch anreißen will.

Stichwort „Sicherungsverwahrung“: Im Landtag und im Bundestag lehnen Sie die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung ab, und gegenüber der Öffentlichkeit stellt sich dann der Justizminister vor dem Hintergrund jüngster Sexualverbrechen hin und erweckt wiederum den Eindruck, als setze er sich dafür ein.

Zweites Stichwort „Kronzeugenregelung“: Seit eineinhalb Jahren kündigen Sie - auch aufgrund unserer Forderung - an, Sie wollten nun die Initiative zur Wiedereinführung der Kronzeugenregelung ergreifen. Bis heute warten wir auf eine solche Initiative und können sie nicht erkennen, und in Berlin wird von Rot-Grün - auch im Zuge der Koalitionsverhandlungen - erneut beschlossen, dass es keine Wiedereinführung der Kronzeugenregelung geben darf. Ich bin mir sicher: Bei der nächsten Gelegenheit wird sich der Herr Minister wieder hinstellen und so tun, als kämpfe er dafür. Tun Sie das bitte weiter, wenn es wirklich so ist. Bringen Sie diese Initiative ein. Sie haben dabei unsere Unterstützung.

(Zustimmung bei der CDU)

Meine Damen und Herren, meine Zeit ist abgelaufen.

(Heiterkeit - Wernstedt [SPD]: Das darf man niemals sagen! Man darf auch nicht sagen: Ich bin am Ende!)

- Ja, natürlich. Meine Redezeit ist abgelaufen. Meine Damen und Herren, ich glaube, die Menschen erwarten von uns, dass wir konsequent handeln, statt nur zu reden, dass wir unseren Ankündigungen auch Taten folgen lassen. Alles andere führt letztlich dazu, dass Vertrauen verloren geht. Das wollen wir nicht. Gerade bei der Kriminalitätsbekämpfung geht es darum, dass wir konsequent handeln, dass wir tatenreich handeln und dass wir unseren Sprüchen dann auch wirklich etwas folgen lassen.

(Beifall bei der CDU)

Der Kollege Schröder hat jetzt das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Verfolgung von Drogendealern darf der Staat keine Strafverfolgung um jeden Preis betreiben. Die Grundsätze des Rechtsstaates müssen Beachtung finden. Vor diesem Hintergrund ist der zwangsweise Einsatz von Brechmitteln unter mehreren Gesichtspunkten als problematisch einzustufen. Er ist insbesondere weder verhältnismäßig noch medizinisch unbedenklich. - An dieser Stelle habe ich eigentlich deutlichen Befall vonseiten der SPDFraktion erwartet; denn das war eben ein Wortzitat

Ihres Innenministers Heiner Bartling aus unserer Sitzung vom 24. Januar 2002.

Herr Kollege Stratmann, wir sind ja in vielen Punkten nicht einer Meinung, aber in einem Punkt stimme ich Ihnen völlig zu: Es ist atemberaubend, in welchem Tempo die Landes-SPD rechtspolitische Forderungen der CDU übernimmt, um im Wettlauf darum, wer der härteste Scharfmacher im Lande ist, nicht das Nachsehen zu haben. Sie haben die Beispiele genannt. Der Einsatz von Brechmitteln ist ein weiteres, wie ich finde, deutliches Beispiel für die Übernahme von CDU-Positionen durch diese SPD-Landtagsfraktion.

(Zuruf von Stratmann [CDU])